27.4.1941 Nazitruppen in Athen / Wolfgang Schäuble 18.7.2013 in Athen …

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SYRIZA-Chef Tsipras drängt Staatspräsidenten, Zwangsdarlehen Nazi-Deutschlands zurückzufordern

Die Regierung in Athen nickte Mittwochnacht die Entlassung von 15 000 Staatsbediensteten ab. Das Sparpaket ist der Preis für EU-Hilfsgelder, von denen das meiste gleich wieder in den Schuldendienst fließt.

Etwa 2,4 Milliarden Euro sollen im Juli aus dem Hilfsfonds nach Griechenland fließen. Und von dort wieder zurück in die Kassen der neuen und alten Gläubiger, denen Griechenland im selben Monat etwa 2,2 Milliarden Euro für die Begleichung von Altschulden überweisen muss. Trotzdem machte die Gläubigertroika die Überweisung der Kredittranche erneut von der »Erfüllung der Gläubigervereinbarungen« abhängig.

Dieser ist man in Athen bereits Mittwochnacht mit einem großen, für Tausende von der Krise gebeutelte Menschen allerdings vernichtenden Schritt nachgekommen. Mit 153 Stimmen der 155 Parlamentarier der Regierungskoalition aus Nea Dimokratia und PASOK wurde gegen Mitternacht ein Gesetzespaket verabschiedet, mit dem die von der Gläubigertroika geforderte Entlassung von 15 000 Staatsbediensteten bis zum Ende 2014 umgesetzt wird. Zwei Parlamentarier der Nea Dimokratia waren der Abstimmung ferngeblieben. Die anwesenden 140 Abgeordneten aller Oppositionsparteien stimmten geschlossen gegen das Gesetz.

Die ersten Massenentlassungen waren dabei schon vor der Verabschiedung des Gesetzes vorgenommen worden. Bereits am Wochenende waren etwa 2400 Lehrer und alle Wächter an staatlichen Schulen darüber informiert worden, dass ihre Stellen gestrichen worden seien. Das Heer der bereits etwa 1,5 Millionen Arbeitslosen Griechenlands wird darüber hinaus nunmehr von etwa 3500 Kommunalpolizisten vergrößert, denen am Wochenende ebenfalls die Auflösung ihres Berufsstandes mitgeteilt wurde. Ihnen machte die Regierung allerdings Hoffnung, »bei entsprechender Eignung« in den dem Ministerium für Öffentliche Ordnung unterstellten allgemeinen Polizeidienst übernommen zu werden.

Die am Dienstag in einem weiteren Generalstreik gipfelnden Proteste gegen die Massenentlassungen waren bis Mittwochnacht unverändert fortgesetzt worden. Wie bereits an den beiden Abenden zuvor hatten Tausende bereits gekündigte und von der Kündigung Bedrohte vor dem Parlament gegen das Gesetz protestiert, das ihnen den Absturz in die Armut garantiert. Und auch am Donnerstag, anlässlich des Besuchs des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble in Athen, gingen die Proteste weiter.

Diesen Besuch eines der offensivsten Vertreter der Griechenland aufgezwungenen Austeritätspolitik nutzte die griechische Linkspartei SYRIZA dazu, ihrerseits an ausstehende Schulden der führenden EU-Nation Deutschland gegenüber dem krisengebeutelten Mittelmeerland zu erinnern. SYRIZA-Vorsitzender Alexis Tsipras hatte anlässlich des Besuchs von Schäuble um einen Termin bei Staatspräsident Karolos Papoulias gebeten. Diesem erläuterte er am Donnerstagmittag die Forderung seiner Partei, die griechische Regierung solle Deutschland zur Begleichung eines milliardenschweren Zwangsdarlehens aus der Zeit der Nazibesatzung und zur Entschädigung für die von den deutschen Faschisten begangenen Kriegsverbrechen bewegen. »Es kann nicht sein, dass diejenigen, die Griechenland regieren, öffentlich die Schulden unseres Landes gegenüber den großen Fonds und den Banken anerkennen, aber die Schulden Deutschlands gegenüber dem griechischen Volk nicht«, sagte Tsipras nach dem Treffen mit Papoulias. Wenn die Regierung nicht gewillt sei, die Begleichung dieser Schulden einzufordern, so werde dies in Kürze das Volk selbst tun, indem es eine andere Regierung an die Macht bringe, fügte der SYRIZA-Vorsitzende hinzu. Bei seinem Besuch beim Staatspräsidenten wurde Tsipras von Manolis Glezos begleitet, dem griechischen Nationalhelden, der 1941 zusammen mit Apostolos Santas die Hakenkreuzfahne von der besetzten Athener Akropolis gerissen hatte.

Von Anke Stefan, Athen, 19.7.2013, Neues Deutschland