Bevor es zum Berliner Mauerbau kam …
1944/45 waren Osteuropas herrschende kapitalistisch-feudale Klasse und deren Regimes entweder durch ihre Fraternalisierung mit den Nazis politisch völlig diskreditiert bzw. in den Ländern der faschistischen Mittelmächte fast vernichtet. Die Rote Armee marschierte zügig gegen Westen. Rumänien, Bulgarien, und vor allem Jugoslawien und Griechenland wurden mehr und mehr von ArbeiterInnenstreiks und Partisanenbewegungen überzogen. Zu Ende des Krieges stand die Rote Armee schließlich in Ostpreußen bis fast vor Hamburg …
Stalin hatte sich dennoch vor allem mit Churchill vor und dann auf der Konferenz von Jalta Anfang 1945 auf einen Aufteilungsplan für Osteuropa eingelassen („75%“ für Stalin in Rumänien, Bulgarien und Ungarn, „50:50“ in Jugoslawien und „100%“ (!!!) für Churchill in Griechenland, der dann unter Stalins Wohlwollen ab 1944 die machtvolle, KP-dominierte griechische Partisanenbewegung mit seinen britischen Truppen niederschlagen ließ). Auf der anderen Seite aber startete Stalin in Osteuropa seine „Volksfrontpolitik“ – indem er Bürgerliche in die Regierungen aufnehmen ließ – aber alles unter der Militärherrschaft der Roten Armee (in Jugoslawien/Albanien stand jedoch die Partisanenarmeemacht)! Ab 1945/46 wurde verstaatlicht, 2-Jahrespläne eingeführt, die Marktwirtschaft aber grundsätzlich noch aufrecht erhalten und die Bürgerlichen und Sozialdemokraten bis 1948 in den Volksfrontregierungen gelassen..
Unter diesen osteuropäischen Machtkonstellationen 1945 blieb dann eine westliche diplomatische Offensive mit dem Ziel, eine Konsolidierung bzw. Erweiterung der sowjetischen Einflusssphäre zu verhindern und Russland zu einer Einschränkung seines Machtbereichs zu zwingen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil „bis zur Räumung Osteuropas durch die Rote Armee keines dieser Ziele erreicht werden konnte.“ (Walter Lippmann) Daraus ergaben sich für die USA zwei Möglichkeiten: Im Machtrausch des Atombombenbesitzes die unmittelbare Fortführung des Krieges – nun gegen die Sowjetunion (vertreten in den USA von Forrestal und in GB von Churchill). Doch Kennans, Lippmanns u.a. Einschätzung setzte sich in der US-Adminstration durch, dass der Abwurf von Atombomben „die Rote Armee nicht vernichten“ könne und formulierten die „Eindämmungspolitik“ gegen die Sowjetunion: Erhöhungen der US-Militärbudgets, Atombombenversuche, Produktion von Offensivbombern des Typs B-29 und vor allem fieberhafte Schritte, rund um die Sowjetunion auf dem Weltball Luftstützpunkte zu errichten. Im März 1947 verkündete Truman seine Doktrin, dass „jedes Volk sich zwischen zwei Lebensarten“ entscheiden müsse. Im April begann die US-Regierung mit der Ausarbeitung des Marshallplans. Dean Acheson formulierte für Truman, dass“diese Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen nur zum Teil aus humanitären Gründen erwogen wurden“ und dass nur Völker, die sich für die „Freiheit“ entschieden hätten, in den Genuss der Hilfe kommen würden. Offiziell wird bis heute die „Sturheit der Russen“ auf der Moskauer Konferenz März 1947 als Ursache des nun ausgerufenen Kalten Krieges durch die USA genannt. Der Augenzeuge Howard K.Smith schildert allerdings die Hochstimmung der sowjetischen Delegation anfangs der Konferenz über den Abschluss von Friedensverträgen in New York vor zwei Monaten. „Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Konferenz, zwei Tage nachdem sie begonnen hatte, platzte die Bombe der Truman-Doktrin (…) Das Lächeln auf den Gesichtern der Russen verschwand. Während Amerika seinen Einmarsch in Griechenland vorbereitete, griff Russland in Ungarn durch und ließ zur Begleitmusik von Protesten aufgebrachter Diplomaten die Führer der demokratischen Parteien verhaften.“ (Howard K.Smith, The State of Europe, 1949, zit. aus D. Horowitz, Kalter Krieg, 1969). Im Mai 1947 flogen die Stalinisten aus den Regierungen Frankreichs und Italiens. Auf der anderen Seite disziplinierte Moskau die „Marshallplan-anfälligen“-Regierungen in Prag und Warschau und entfernte die Bürgerlichen aus der Regierung – in der Tschechoslowakei sogar mit breiter Arbeitermassenunterstützung. Die Bürgerlichen, Bauernparteien und Sozialdemokraten in Rumänien, Bulgarien, Polen und Ungarn wurden bei Wahlen vernichtend geschlagen bzw. unterdrückt. Mit allen osteuropäischen Ländern schloss Moskau nun seine eigenen Handelsabkommen, sie wurden „sowjetisiert“ und die Kominform wurde gegründet.
Berlin
Genau in diese Phase fiel auch die Berlin-Blockade (Juni 1948 bis Mai 49). Nach dem Tod Stalins 1953 schwenkte Moskau in der deutschen Frage dann auf einen Verhandlungskurs ein: Zustimmung zu einem deutschen Heer bis hin zu Verhandlungen über eine Wiedervereinigung Deutschlands. Einzige Bedingung war, dass Deutschland zwischen Ost und West neutral bleiben sollte. Moskau teilte dazu der Ulbrichtführung in Ostberlin sogar mit, „dass ihre Regierung im Interesse einer Wiedervereinigung Deutschlands aufgelöst werden müsse.“ (Pietro Nenni zitiert in der New York Times, 16.3.1963). Doch die USA befanden sich auf ihrem Kurs einer Eingliederung Westdeutschlands in die NATO und lehnten ab …
In Österreich hingegen funktionierte Stalins „Neutralitätspolitik“ in einer kurzen Phase der imperialen Entspannung durch das Waffenstillstandsabkommen in Korea und das Genfer Indochinaabkommen. Doch zu Deutschland, einem strategisch wichtigen Land Europas, gingen die USA ihre Eindämmungspolitik gegen die Sowjetunion unbeirrt weiter und bestanden auf dem Recht eines wieder vereinigten Deutschlands, in die NATO einzutreten. Am 6. Mai 1955, drei Wochen nach dem Abkommen mit Österreich, wurde Westdeutschland in die NATO aufgenommen. Acht Tage später(!) erfolgte die Gründung des Warschauer Pakts. Die US-Atom- und Mittelstreckenrakten-Rüstung lief nun voll an (mit dem Vorwand, dass die Sowjetunion drei Sputniks abgeschossen hatte:“Sputnikkrise“). Moskau reagierte mit einer Kampagne für ein neuerliches Gipfeltreffen mit der Bereitschaft für eine den USA&Verbündeten akzeptablen Regelung zu Berlin (samt einer „gemäßigten“ Außenpolitik, indem es sich z.B. gegen einen Aufstand im Irak stellte). „Die Russen haben sowohl auf der Genfer Konferenz von 1959 als auch seitdem keinen Zweifel daran gelassen, dass sie einer vom Standpunkt des Westens vernünftige Regelung (über Berlin) nach wie vor zugänglich sind. Aber der Westen setzte seine altmodische diplomatische Verhandlungstaktik fort, durch die offenbar die Stellung gehalten werden sollte, die uns aber in Berlin in eine zunehmend schlechtere Lage hineinmanövriert hat.“ (G. Mc Dermott, britischer Gesandter in Berlin: Success of a Mission?, 1963). Die USA-Regierung kündigte knapp vor der geplanten Gipfelkonferenz weitere unterirdische Atombombenversuche an, genehmigte einen weiteren U-2-Flug über der Sowjetunion und am Vorabend der Konferenz wurde die Alarmbereitschaft aller strategischen US-Streikräfte in aller Welt ausgelöst! Die Konferenz 1960 musste scheitern!
Es folgte der nächste US-Rüstungsschub mittels der demagogischen Kampagne – dass es eine „Raketenlücke“ gebe. Kennedy steuerte auf die Kubakrise zu! Auch die ersten innenpolitischen Schritte des neuen US-Präsidenten Kennedy, republikanische und „demokratische“ Hardliner in die US-Regierung aufzunehmen, wirkten für die Moskauer Bürokratie kaum beruhigend. .
In Deutschland spitzte sich eine spezifische innenpolitische Krise zu: Bis zum Juli 1961 waren über 3,5 Millionen DDR-BürgerInnen in die BRD geflüchtet. Schon längst hatte sich nach den blutigen Niederschlagungen der ArbeiterInnen-Aufstände in der DDR 1953 und Ungarn 1956 für Millionen Menschen in Osteuropa die Unreformierbarkeit der „sozialistischen“ Bürokratien gezeigt. Den deutschen Warenimperialismus direkt vor der Tür, wirkte sich diese Perspektivlosigkeit in der DDR und Ostberlin in besonders großen Fluchtbewegungen aus. In der Sachlage und Logik der stalinistischen Bürokratie(!) blieb ihr letztlich nur der Mauerbau. Unfähig, in der nationalistisch agierenden Kominform, eine attraktive ArbeiterInnen- & Räte-demokratische föderale Gesellschaft &Wirtschaft aufzubauen und internationale revolutionäre Bewegungen zu fördern (Griechenland 1944, Irak in den 50ern etc.), war sie historisch unweigerlich zum Scheitern verurteilt! 1953 und 1956 brachten die ersten Risse in den „real sozialistischen“ Machtbereich. 1968 war für Millionen osteuropäischer und russischer ArbeiterInnen die finale Enttäuschung. Der Mauerbau 1961 muss hier als ein zentraler Markstein im historischen Niedergang des Stalinismus gesehen werden. Die Mauer hatte zwar für einige Zeit die direkte deutsch-kapitalistische Penetration und Kolonialisierung gestoppt, so wie sie sich dann erst 1989 nach dem Fall der Mauer so richtig austoben konnten. Wäre der Mauerbau 1961 eine kurzfristige Notmaßahme gewesen einer wirklichen ArbeiterInnen-Regierung … Nein, es war bloß ein weiterer bürokratischer Machterhaltungsreflex der Ulbricht & Genossen, bei dem die Verluste des Sozialismus im Bewusstsein der Weltarbeiterklasse um ein Vielfaches den kurzen Nutzen für die damalige nicht-kapitalistische DDR überragten!
Karl.Fischbacher
12.8.20