Robert R.Bryan: Update zur rechtlichen Situation im Fall von Mumia Abu-Jamal

22. März 2007
Update zur rechtlichen Situation im Fall Mumia Abu-Jamal
von Robert R. Bryan

Liebe Freunde,

Heute haben wir die Nachricht erhalten, dass die mündliche Anhörung im Fall meines Mandanten Mumia Abu-Jamal vor dem 3. Bundesberufungsgericht nun für Donnerstag, den 17. Mai um 9 Uhr 30 angesetzt ist. Sie wird im Gerichtssaal „Ceremonial Courtroom“ im ersten Stock des Bundesgerichtsgebäudes an der Ecke 6. Straße und Market Street in Philadelphia stattfinden. Die Rechtshilfeorganisation NAACP Legal Defense and Educational Fund und die Anwaltsvereinigung National Lawyers Guild, die als so genannte „Freunde des Gerichts“ (amici curiae) beratende Eingaben an das Gericht gemacht haben, werden bei der Anhörung ebenfalls vertreten sein.

In diesem Fall geht es um Herrn Abu-Jamals Recht auf einen fairen Prozess, den Kampf gegen die Todesstrafe und die politische Repression eines unliebsamen Journalisten. Rassismus und politische Erwägungen haben diesen Fall seit Abu-Jamals Verhaftung 1981 bestimmt. Bei der Anhörung stehen folgende komplexe Fragen von großer verfassungsmäßiger Bedeutung zur Debatte:

  • Ob Herrn Abu-Jamal durch das Argument des Anklägers, der Angeklagte werde nach einer Verurteilung ohnehin noch „eine Berufung nach der anderen“ haben, ein Argument, das die Jury dazu aufforderte, die Unschuldsvermutung und das Prinzip des berechtigten Zweifels zu missachten und den Angeklagten im Zweifelsfall schuldig zu sprechen, das Recht auf ein ordentliches Verfahren und einen fairen Prozess nach dem Fünften, Sechsten und Vierzehnten Verfassungszusatz verweigert wurde.
  • Ob die Praxis der Staatsanwaltschaft, Geschworene unbegründet abzulehnen, um Afroamerikaner aus der Jury auszuschließen, Herrn Abu-Jamals Recht auf ein ordentliches Verfahren und Gleichbehandlung vor dem Gesetz nach dem Sechsten und Vierzehnten Verfassungszusatz verletzt hat und in Widerspruch zum Urteil des Obersten Gerichts im Fall Batson v. Kentucky, 476 U.S. 79 von 1986 stand.
  • Ob die Anweisungen des Richter an die Jury und das an die Geschworenen ausgeteilte Urteilsformular, die in der Verhängung der Todesstrafe resultierten, Herrn Abu-Jamal die durch den Achten und Vierzehnten Verfassungszusatz garantierte Rechte auf ein ordentliches Verfahren, Gleichbehandlung vor dem Gesetz und Schutz vor grausamer und ungewöhnlicher Bestrafung verweigert sowie gegen das Urteil des Obersten Gerichts im Fall Mills v. Maryland, 486 U.S. 367 von 1988 verstoßen haben, da der Richter durch sein Vorgehen die Geschworenen dazu anhielt, mildernde Umstände nur dann in Betracht zu ziehen, wenn alle Geschworenen sich über einen bestimmten mildernden Umstand einig waren.
  • Ob Herrn Abu-Jamal während der Anhörungen zur Wiederaufnahme seines Verfahrens [sog. PCRA-Hearings von 1995-97] ein ordentliches Verfahren und Gleichbehandlung vor dem Gesetz nach dem Sechsten und Vierzehnten Verfassungszusatz verweigert wurden, da diese Anhörungen von der Parteiischkeit und dem Rassismus des vorsitzenden Richters Albert F. Sabo geprägt waren, von dem unter anderem die Bemerkung überliefert ist, er werde der Anklage „helfen, den Nigger zu grillen“.

Kürzlich hat das Büro der Bezirksstaatsanwaltschaft Philadelphias dem Gericht einen Brief übermittelt, in dem das gesamte 3. Bundesberufungsgericht aufgefordert, wegen Befangenheit von der Entscheidung über den Fall meines Mandanten zurücktreten. Wir haben einen Antwort eingereicht, in der wir schärfsten Widerspruch gegen dieses absurde Ansinnen einlegen und darlegen, dass die Position der Gegenpartei „absolut unbegründet“ ist „und zurückgewiesen werden sollte“. Am 10. März tadelte das Gericht die Staatsanwaltschaft und teilte ihr mit, sie habe sich nicht an die für solche Fälle vorgesehenen Prozeduren gehalten, weshalb ihrer Forderung nicht entsprochen werde.

Meine Mitarbeiterin Professor Judith L. Ritter und ich streben einen neuen und fairen Prozess für Herrn Abu-Jamal an. Unser Endziel ist die Freiheit für unseren Mandanten. Dessen ungeachtet befindet er sich weiterhin in großer Gefahr. Wenn wir in allen Punkten verlieren, wird er hingerichtet.

Wir danken allen Empfängern dieses Schreibens für ihr Engagement in diesem Kampf für Menschenrechte und gegen die Todesstrafe.

Mit verbindlichsten Grüßen
Robert R. Bryan,
Hauptanwalt für Mumia Abu-Jamal