Köln (PapyRossa) 2012. 251 S., € 15,90
Die Frauen, deren Lebensgeschichte der 1928 in New York geborene und in der McCarthy-Ära in die DDR übergesiedelte Victor Grossman hier erzählt hat, waren – und sind im Falle der zumindest hierzulande wohl bekanntesten, Angela Davis und Jane Fonda – alles Andere als „Girls“. Beginnend mit Anne Hutchinson (1591-1643) bis eben zur Gegenwart portraitiert der Autor das Leben von 34 Frauen, die größtenteils zunächst in den britischen Kolonien Nordamerikas und dann den USA gelebt und für grundlegende Menschenrechte gekämpft und gelitten haben. Ein Großteil von ihnen so die erwähnte Anne Hutchinson oder Mary Barrett Dyer (ca.1611-1960) waren stark christlich geprägt, eine Prägung, die zu jener Zeit auch in Europa vorherrschend war, in den USA aber in vielen Lebensbereichen auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte als Fluchtpunkt für in Europa und insbesondere in England religiös verfolgte Fundamentalisten („Puritaner“) bis zur Gegenwart von vergleichsweise großer Bedeutung ist. Ihr im Fall von Mary Barett Dyer sogar mit dem Leben bezahlte Kampf richtete sich deshalb in besonderem Maße gegen die religiöse Intoleranz dieser ihrerseits vor religiöser Intoleranz nach Amerika Geflohenen und geriet so notwendigerweise in eine harte Konfrontation mit einem der grundlegendsten Charakteristika aller „Hochreligionen“, der militanten Ablehnung der Gleichheit der Frau. Der Kampf für die gleichen Rechte der Frau war von keinem der Kämpfe zu trennen, den die hier Portraitierten gegen die verschiedenen Formen schreiender Ungerechtigkeit in „God’s Own Country“ zu führen hatten, weder vom Kampf gegen die Sklaverei noch dem gegen die frühkapitalistisch anmutenden Formen der Ausbeutung in den Kohlebergwerken in Tennessee, Kentucky oder West Virginia im 20. Jahrhundert, auch nicht vom Kampf gegen den Rassismus und für die Bürgerrechte der im Bürgerkrieg nur formal befreiten Sklaven oder gegen die von den USA vom Zaum gebrochenen Kriege in Vietnam oder Irak. Es ist nicht möglich, in dieser Rezension auf die trotz allem so verschiedenen Lebenswege und Kämpfe all dieser „rebel girls“ einzugehen, und es ist auch gar nicht angebracht. Das hier ist ein Buch, das unbedingt Jedem zum Lesen anempfohlen ist, nicht zuletzt auch Dank der in der anglo-amerikanischen Literatur vergleichsweise mit der deutschen etwa so bemerkenswerten Fähigkeit, klar und ergreifend zu schreiben. „Rebel Girls“ weist nicht nur 34 großen Frauen den ihnen oft verwehrten aber zustehenden Platz in der Geschichte zu, sondern erlaubt auch Einblicke in Geschichte, Gesellschaftsstruktur und der noch immer von einem besonders hohen Maß an auch physischer Gewalt geprägten Mentalität der USA, und die USA sind – und werden es m.E. noch für lange Zeit bleiben – trotz aller immer deutlich werdender Schwächen das vor allem auch kulturell führende Land der Welt.
Zu den neben den eingangs Erwähnten bekannteren dieser – man kann es ohne Übertreibung sagen – Heldinnen gehören die Gewerkschaftsaktivistinnen „Mother Jones“ und die 1986 verstorbene Florence Reese aus Tennesse, der die amerikanische Arbeiterbewegung u.a. das Lied „Which Side Are You On?“ zu verdanken hat. Die ebenfalls portraitierte schwarze Jazzsängerin Billie Holiday, die der Welt mit dem Song „Strange Fruit“ das ergreifende Dokument der Lynchmorde in den Südstaaten hinterlassen hat, gehört allerdings – so scheint mir – eher zu den Opfern als zu den „rebel girls“.