Ali Schirasi: Iran – Wir haben Erfahrung (mit neuen Protestwellen …) (A.Wosni)

Weblog von Ali Schirasi
Nasser Scha‘bani ist der stellvertretende Rektor der
Imam-Hossein-Universität in Teheran. Diese Universität wird von den
Pasdaran betrieben. Nasser Scha‘bani ist nicht nur Dozent an dieser Uni,
sondern an erster Stelle einer der obersten Befehlshaber der Pasdaran.
Am 13. Januar 2013 (25. Dey 1391) hat er der iranischen Zeitung „Qanun“
(Das Gesetz) ein Interview gegeben, das zeigt, was für eine Stimmung
derzeit im Iran herrscht. Es zeigt auch, dass die Machthaber ahnen, was
auf sie zukommt, und sich vorbereiten.

Hier einige Zitate aus dem Interview des Pasdar-Dozenten:

Die Unruhen werden in der Provinz beginnen
„“Unsere Vorstellung ist die, dass die Unruhen diesmal in den
Kreisstädten und nicht in Teheran beginnen.“ Der Pasdar-Kommandant
Nasser Scha‘bani führt dies auf die miserablen Lebensbedingungen zurück:
„Es ist möglich, dass Probleme des Unterhalts einen großen Einflus haben
und dass die arbeitende und am meisten beeinträchtigte Schicht an den
künftigen Problemen teilnimmt.“
Er fährt fort: „Aber wir haben Erfahrung, wie wir damit umgehen. (…)“
Die Erfahrung bezieht sich auf die Niederschlagung der Proteste nach der
Wahlfälschung von 2009. Er rühmt sich dann damit, wie elegant sie (die
Pasdaran) anlässlich der Proteste im Basar während des Preisanstiegs des
Dollars die Probleme des Basars angegangen seien. Gemeint ist damit der
Angriff der Pasdaran auf den Basar, durch den die Proteste rasch
niedergeschlagen wurde.

Neue Protestwelle zu erwarten
Der Pasdar-Dozent zeigt, dass sich die Waffenträger intensiv mit der
politischen Entwicklung im Land auseinandersetzen: „Unsere heutige
Analyse besagt, dass die Probleme der Lebenshaltung, die auf
verschiedene Faktoren wie der schlechten Verwaltung des Landes, des
Embargos u.a. zurückzuführen sind, auf die Zunahme der Unzufriedenheit
Einfluss haben. Es ist nicht abwegig anzunehmen, dass die
wirtschaftliche Basis ebenfalls bereit ist, so dass die Politischen dies
bei den Wahlen ausnutzen wollen.“
Auch dieser Pasdar-Kommandant verbindet das Schicksal des Regimes mit
der Lage in Syrien und im Irak, wie man aus folgenden Worten heraushören
kann.
„Wenn die Lage im Iran, in Syrien und im Irak noch zwei Monate anhält,
wird der Westen uns zur Zusammenarbeit auffordern.“

Die Pasdaran ziehen die rote Linie für die kommenden Wahlen
Welche Rolle die Pasdaran bei den kommenden Präsidentschaftswahlen
spielen, zeigen seine Worte recht unverhüllt:
„Derzeit machen wir die Kandidaten mit den Roten Linien vertraut,“
(gemeint: die sie nicht übertreten dürfen)
„Das ist die Erfahrung, die wir aus der vorigen Verschwörung gezogen
haben.“ (Verschwörung: die amtliche Bezeichnung für die Proteste gegen
die Wahlfälschung von 2009).
„Inzwischen hat auch der unterlegene Gegner die Erfahrung gemacht, dass
er es mit dem System zu tun kriegt, und wir haben ebenfalls unsere
Erfahrung.“
Interessant ist, dass bis jetzt noch niemand offiziell erklärt hat, als
Kandidat zu den nächsten Präsidentschaftswahlen antreten zu wollen.
Offensichtlich wissen die Pasdaran schon, wer überhaupt in Frage kommt…

Mitten im Kampf tauscht man nicht den Sattel
Indirekt kritisiert der Pasdar-Kommandant Ahmadineschad, als er auf die
Absetzung der Gesundheitsministerin durch den Präsidenten zu sprechen
kommt. Er meint dazu: „Mitten im Kampf tauscht man nicht den Sattel.“

Chusestan: Die Zeichen stehen auf Sturm
Nasser Scha‘bani gehört zu denen, die bei einem erfolgreichen Sturz des
Regimes viel zu verlieren haben, und er hört die Zeichen der Zeit. Die
Stimmung brodelt, und selbst im handverlesenen Parlament ist der Protest
nicht mehr zu überhören. So hat der Abgeordnete von Ahwas (Chusestan) in
einer Rede vor dem Parlament die iranische Regierung in einer
kämpferischen Rede direkt angegriffen. Er fragt, wieso die Wasserleitung
noch immer nicht fertig ist, die der Bevölkerung von Chusestan
Trinkwasser aus dem Karun-Fluss bringen soll? Er fragt, ob der Präsident
bereit wäre, auch nur einen Schluck von dem „Trinkwasser“ zu trinken,
mit dem die Bevölkerung von Ahwas derzeit leben muss. Er fragt die
Minister, ob sie bereit wären, auch nur einen Augenblick unter den
Bedingungen zu leben, unter denen die Bevölkerung in den vielen
verarmten Städten der Region überleben muss. Er bezeichnet die
Arbeitslosenstatistik für die Region direkt als verlogen und fragt,
warum bei der Vergabe von Arbeitsplätzen die Einheimischen benachteiligt
werden. Er fragt, wieso die ganzen Arbeitsplätze nur nach Beziehungen
vergeben werden. Er bezeichnet das Erdöl als ein schwarzes Unglück, das
der Bevölkerung dieser ölreichen Region nur Schaden gebracht hat. Man
muss kein Persisch verstehen, um zu hören, dass dieser Abgeordnete eine
Stimme des Protests ist – eine Stimme des Volkes in Chusestan, wie er
selbst sagt. Das sind übrigens mehrheitlich Araber, die sich zunehmend
organisieren und die sich das Regime mit seinen politischen
Hinrichtungen gegen die Proteste zum Feind gemacht hat.

Auch die turksprachigen Aseris haben das Regime satt
Auch die Art, wie das Regime die Nöte der Erdbebenopfer im
aserbaidschanischen Iran ignoriert hat und statt dessen lieber
diejenigen vor Gericht stellt, die ehrenamtlich in die Region gegangen
sind, um den Opfern zu helfen, führt zu einer Entfremdung von der
Zentralregierung. Ähnlich steht es auch um die Austrocknung des
Urumije-Sees. Außer der Niederschlagung der Proteste hat die Regierung
nichts getan.
Wie diverse Pasdaran-Generäle bemerken, hat sich in Tabris eine Stimmung
breit gemacht, in der bevorzugt diejenigen bedient werden, die Aseri
sprechen, und in Teheran, wo ebenfalls ein beträchtlicher Teil der
Bevölkerung Aseri spricht, wird der Gruß „Yashasin“ (Es lebe…)
inzwischen mit „Yashasin Aserbaidschan“ beantwortet – es lebe der
Aserbaidschan!

Krieg in Kurdistan

Die gleiche Politik der Gewalt ist auch gegenüber den Kurden zu
beobachten. Das Regime hat keine Hemmungen, Menschen zu erschießen, die
für ihren Unterhalt Gebrauchtwaren auf dem Rücken über die grüne Grenze
zwischen Irak und Iran transportieren. Schmuggel ist schließlich ein
Privileg der Pasdaran (die Schmuggel-Brüder, die Ahmadineschad sie
einmal treffend öffentlich bezeichnet hat), und nichts für die
notleidende Bevölkerung.

Krieg in Balutschistan
Gegenüber den Balutschen kennt das Regime auch nicht viel anderes als
die Politik der Hinrichtung. Sie schickt Militär in die Region, das
versucht, sich möglichst in den Kasernen zu verstecken, denn auf dem
Land ist es für Vertreter des Regimes gefährlich.

Was bleibt da vom Iran noch übrig?
Der Dichter mit dem Pseudonym „Bidaad“ hat kürzlich auf einer
Dichterlesung das treffende Bild von einem Regime geprägt, dessen
Vertreter sich an ein aus Brettern zusammengezimmertes Boot klammern,
das auf einem Strom aus Blut fließt. Sein eindrücklicher Vortrag ist
unter diesem Link zu sehen und zu hören. Er beendete seinen Vortrag mit
dem Aufruf ans Volk: „Erhebt euch!“