Gewerkschaftsforum Hannover:
„Kämpfen wie in Frankreich“, lautete eine beliebte Demo-Parole als es in Deutschland noch soziale Bewegung gab. Nicht immer ist das Nachbarland jenseits der Rheins mit seinen zahlreichen Revolutionen (und Konterrevolutionen!) jedoch ein nachahmenswertes Beispiel, wie der folgende Bericht über einen Arbeitskampf gegen eine Werksschließung in der Bretagne zeigt. Die soziale Zersetzung und der allgemeine gesellschaftliche Rechtstrend, der sich aktuell in landesweiten Umfragewerten von bis zu 25% für den rechtsradikalen Front National niederschlägt, gehen auch an der Arbeiterbewegung nicht spurlos vorbei. Selbst in den Gegenden nicht, wo Le Pens FN aus traditionellen, sozio-kulturellen Gründen, eher schwach ist.
Der Bericht erschien im Blog der Pariser Korrespondentin der unabhängigen linken italienischen Tageszeitung „il manifesto“ „FranciaEuropa“ (http://blog.ilmanifesto.it/franciaeuropa) Anna Maria Merlo am 23.10.2013.
Bretagne: Zusammenstöße zwischen übernommenen und entlassenen Arbeitern
Anna Maria Merlo
Die Polizei griff heute morgen ein, um die Blockade zu beseitigen, die einige entlassene Arbeiter vor dem Schlachthof Gad von Josselin in Morbihan organisiert hatten. Es gab mindestens zwei Verletzte. Gestern kam es vor diesem Werk zu Zusammenstößen zwischen Arbeitern des Gad-Konzerns. Die Beschäftigten von Josselin, die den Schlachthof in ihrer weißen Arbeitskleidung verließen, versuchten den Kordon der Arbeiter des von Gad geopferten Standortes in Lampaul-Guimilau in Finistère zu durchbrechen, die – in schwarz gekleidet – zu ihren ehemaligen Arbeitskollegen gefahren waren, um Solidarität zu fordern.
Die traurigen Bilder dieser physischen Auseinandersetzung zwischen Arbeitern sind auf verschiedenen Websites zu sehen, darunter:
www.huffingtonpost.fr/2013/10/23 oder www.lemonde.fr/emploi/
Die Schweineschlachterei Gad, die zu 66% der landwirtschaftlichen Kooperative CECAB gehört, steckt in der Krise und steht seit Februar unter Insolvenzverwaltung. Am 11. Oktober bestätigte ein Urteil des Handelsgerichtes von Rennes den Plan zur Schließung des Standortes Lampaul-Guimilau samt der daraus folgenden Entlassung von 889 Personen. Ungefähr sechzig dieser Arbeiter versuchten die LKW’s mit dem Schlachtfleisch aus dem anderen Werk der Gruppe in Josselin, das die Gesellschaft retten will, zu blockieren. Doch 400 Arbeiter verließen den Schlachthof, um die Ausfahrt zu räumen. Die Verbitterung der Arbeiter des geopferten Werkes von Lampaul erreichte ihren Höhepunkt als sie feststellten, dass Gad Ausländer – rund hundert Rumänen – befristet eingestellt hatte, um die Aktivitäten des aufgegebenen Betriebes nach Josselin zu transportieren.
Die Geschäftsführung gab diese befristeten Einstellungen zu, behauptet aber, dass die Rumänen, genau wie die Franzosen, den Mindestlohn SMIC erhalten, was die örtlichen Gewerkschaften bestreiten. „Das ist Sozialdumping“, behauptet Marc Détivelle von Force Ouvrière. „Man fragt sich, ob sie in Frankreich, anstatt dagegen zu kämpfen – wie die Regierung versprochen hatte – nicht eher beschlossen haben, die Situation auszunutzen.“ Dem Gewerkschafter zufolge ist die gewaltsame Reaktion der Josselin-Beschäftigen mit „einer Unternehmermiliz“ vergleichbar, während ein Arbeiter aus Josselin erklärt: „Ich muss essen. Ich will arbeiten. Was da passiert, ist nicht meine Schuld.“
Die entlassenen Arbeiter fordern „die Anerkennung der geleisteten Arbeit. Um das Werk in Josselin wieder auf Vordermann zu bringen, mussten sich die Arbeiter aus Lampaul mit ca. 15 Millionen Euro daran beteiligen“ – behauptet Détivelle – „und fordern jetzt die Erstattung dieser Summe im Rahmen der Abfindung.“ Gad beabsichtigt den 889, die ihre Stelle verloren haben, nur 197 Euro pro Kopf je Arbeitsjahr zu zahlen. Das heißt weniger als fünftausend Euro für zwanzig Jahre Betriebszugehörigkeit.
Die <rot-grüne> Regierung steckt in Schwierigkeiten. Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault versprach eine Intervention zugunsten der Bretagne, wo derzeit dreitausend Entlassungen im Agro- / Nahrungsmittelsektor geplant sind. Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll behauptet, auf der Suche nach Investoren zu sein, um am Standort Lampaul neue Industriebetriebe anzusiedeln. Der Minister für die Wiederbelebung der Produktion <und Kopf des sog. „linken“ Flügels der Sozialistischen Partei> Arnaud Montebourg beschuldigt Deutschland der Grund für die Beschäftigungskrise in der bretonischen Agro- / Lebensmittelbranche zu sein: „Die stellen Arbeiter für 400 Euro im Monat ein“, behauptete er, und würden die französische Produktion, die in der Tat gegenüber den Deutschen an Boden verliert, damit vom Markt drängen. Die Bretagne, eine Region mit katholischer Tradition, wo der Front National sehr schwach ist, hatte bei den Präsidentschaftswahlen massenhaft für Hollande gestimmt.
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: Gewerkschaftsforum Hannover
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