Annette Schiffmann: Prozess gegen Mumia – die unendliche Lügengeschichte

Wieder ein neuer Entlastungszeuge für Mumia Abu-Jamal!

Seit 21 Jahren und sechs Monaten sitzt MAJ im US-Bundesstaat Pennsylvania in Haft, 20 Jahre und 11 Monate davon im Todestrakt. Die Begründung für das Todesurteil am 3. Juli 1982 wegen Mordes an dem Polizeibeamten Daniel Faulkner: die Schusswaffe in seinem Besitz, vorgebliche TatzeugInnen, seine Vergangenheit als Black Panther und ein angebliches Geständnis. Amnesty International hat in einem eigenen Bericht im Februar 2000 alle vier Bestandteile kritisch beleuchtet und die sogenannte Beweisführung scharf verurteilt. Schon seit dem Prozess selbst und erst recht seit den Bemühungen Mumias um eine Wiederaufnahme seines Verfahrens 1995 war klar die 38er-Schusswaffe am Tatort war nie daraufhin überprüft worden, ob sie in letzter Zeit überhaupt abgefeuert worden war und hatte dasselbe Kaliber wie Millionen anderer privater Waffen in den USA.Die Aussagen der angeblichen TatzeugInnen sind, wie die Verteidigung spätestens im Mai 2001 jenseits jedes vernünftigen Zweifels demonstriert hat, offenkundig falsch, und es ist mittlerweile wohldokumentiert, dass sie ihre Aussagen teilweise unter extremem Druck und Androhung von Repressalien gemacht haben. Außerdem verletzte die Stimmungsmache gegenüber den Geschworenen mit der radikalen politischen Gesinnung des Angeklagten Mumias verfassungsmäßigen Rechte.
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Nun hat das Anwaltsteam Mumia Abu-Jamals auch noch den letzten Punkt der Anklage mit einem Zeugen endgültig aus den Angeln gehoben.
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Bei seiner Einlieferung ins Jefferson-Krankenhaus in der Nacht vom 9. Dezember 1981 hatte Mumia einen lebensgefährlichen Lungendurchschuss und war von den festnehmenden Polizisten so schwer zusammengeschlagen und -getreten worden, dass er dem behandelnden Arzt Anthony Coletta zufolge kaum in der Lage war, auch nur zu flüstern. Auch der Polizeibeamte Gary Wakshul, der Mumia im Krankenhaus die ganze Zeit ab der Festnahme bewacht hatte, gab am Morgen nach der Schießerei zu Protokoll: „Der Neger machte keine Aussagen.“ Mumia überlebte, und zwei Monate später stellte er einen Strafantrag wegen schwerer Körperverletzung gegen die Polizei von Philadelphia.
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Unmittelbar nach dessen Einreichung erinnerte sich der Polizeibeamte Bell plötzlich daran, dass der Festgenommene im Krankenhaus mehrfach höhnisch gebrüllt habe: „I shot the motherfucker, and I hope he dies“ – „Ich habe auf das Arschloch geschossen, und ich hoffe, dass er stirbt!“ Befragt, warum er 64 Tage gebraucht habe, um dieses nicht ganz unwesentliche Detail in einem Mordverfahren zu melden, sagte er: „Ich bin wohl zu schockiert gewesen, Daniel Faulkner war mein Freund, ich habe es in der Aufregung vergessen.“ Seine Aussage wurde im Prozess von der Krankenhausangestellten Priscilla Durham untermauert, die erklärte, eben diesen Ausspruch auch gehört zu haben und ihn sofort, dokumentiert in einer handschriftlichen Notiz, ihrem Vorgesetzten mitgeteilt zu haben. Danach habe sie den Vorfall allerdings vergessen. Beim Prozess schickte der amtierende Richter Albert Sabo nach der Notiz Priscilla Durhams, bekam jedoch keinen handgeschriebenen Zettel ausgehändigt, sondern eine sauber getippte Aussage, von der die Zeugin sagte, sie habe sie noch nie gesehen. Selbst Mumias völlig unzulänglicher Pflichtverteidiger Anthony Jackson legte da Einspruch ein. Aber Sabo erklärte kurzerhand, der Vorgesetzte habe die Notiz wohl selber auf Maschine übertragen, befand es für überflüssig, diesen vorzuladen – „wir müssen ja hier auch irgendwann mal fertig werden“ – und verweigerte außerdem die Vorladung des Polizeibeamten Wakshul zur Entlastung des Angeklagten. Statt dessen akzeptierte er die später als Lüge bewiesene Behauptung von Staatsanwalt Joseph McGill, Wakshul sei in Urlaub und nicht für eine Aussage verfügbar.
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Jetzt hat der Stiefbruder Priscilla Durhams, Kenneth Pate, eidesstattlich versichert, sie sei damals von der Polizei zu ihrer Aussage genötigt worden. Sie habe sich um die Jahreswende 84/84 bei ihm über ihre Entlassung aus dem Jefferson Krankenhaus beschwert, „nach allem, was ich für sie getan habe“ und bei diesem Anlass erzählt, Mumia sei bei seiner Einlieferung voller Blut gewesen und Polizisten hätten seine medizinische Behandlung behindert und gesagt, „Lasst ihn sterben.“ Ihr hingegen hätten die Polizisten gesagt, sie als Wachpersonal sei Teil der Bruderschaft der Polizei und sie müsse aussagen, sie habe ihn den Mord gestehen hören.
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Kenneth Pate: „Ich fragte Priscilla: „Hast du gehört, wie er das gesagt hat?“ Priscilla sagte: „Alles, was ich ihn sagen hörte, war: ‚Lasst mich los, lasst mich los, sie wollen mich umbringen.’“
Die letzte, bereits vorher schon sehr wackelige Säule des Todesurteils gegen Mumia ist damit endgültig eingestürzt. Mumias Anwälte habenPates eidesstattliche Versicherung vom 18. April 2003 beim zuständigen Gericht eingereicht. Mumia wartet.
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Annette Schiffmann – anna.schiff@t-online.de
 
Wir empfehlen wärmstens:
 
*Archiv 92 (Jürgen Heiser, Annette Schiffmann, Michael Schiffmann): Free Mumia. Dokumente, Analysen, Hintergrundberichte. Atlantik Verlag Bremen, ISBN 3-926529-61-X
 
*Die websites der Mumia-Netzwerke: www.mumia.de, www.freedom-now.de, www.stimmenfuermumia.de – unterschreibt online für ein neues Verfahren für Mumia!