Aufrufe, Dokumente der griechischen besetzten VIO.ME-Metallfabrik in Thessaloniki (Peter Haumer)

1) Ankündigung der Gewerkschaft von VIO.ME für die Wiederinbetriebnahme der Fabrik

2) Die Fabrik Viomichaniki Metaleftiki eröffnet und beginnt mit der Produktion in den Händen der Arbeiter

3) Interview mit Makis Anagnostou, Vorsitzender der ArbeiterInnengewerkschaft von Viomichaniki Metaleftiki (BIO.ME)

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Ankündigung der Gewerkschaft von VIO.ME für die Wiederinbetriebnahme der Fabrik

PRIVATE VEREINBARUNG FÜR DIE SELBSTVERWALTUNG UND DIE ARBEITERINNENKONTROLLE DER FABRIK

Die Unterzeichnenden, Mitglieder und Nichtmitglieder der Arbeitergewerkschaft von Viomichaniki Metaleftiki, stimmen in Folgendem überein:

1.Wir übernehmen den Betrieb der Fabrik unter der Bedingung voller Selbstverwaltung und ArbeiterInnenkontrolle, sowohl was die Produktions- als auch die Verwaltungsstrukturen betrifft. Grundlegend und zentral für den Betrieb der Fabrik, für die Weiterführung unseres Kampfes und unsere Pläne für die Zukunft ist das Prinzip der Gleichheit in der Teilhabe und der Entscheidungsfindung, das Prinzip horizontaler und direkter Demokratie. Jede Form von Differenzierung, schlechter Behandlung, Ausgrenzung und Fremdbestimmung ist unvereinbar mit unserem Vorhaben und jede nur erdenkliche Anstrengung muß erfolgen, um ein solches Benehmen und solche Praktiken zu vermeiden, die Hindernisse für unsere Emanzipationsbestrebungen schaffen.

2. Unser oberstes Organ ist die Vollversammlung der ArbeiterInnen. Es ist als Organ errichtet und entscheidet sowohl auf allgemein-programmatischer Ebene als auch auf der Ebene spezifischer Angelegenheiten. Sie hat auch das Recht, einzelne Mitglieder zu bevollmächtigen, die Gewerkschaft zu repräsentieren; im Zusammenhang mit speziellen Vorgängen, wie auch um spezifische, genau umschriebene Angelegenheiten zu behandeln. All jene, die die Verantwortung haben, die Vollversammlung zu vertreten oder spezifische Angelegenheiten abzuwickeln, müssen detaillierte Rechenschaft über ihre Aktivitäten ablegen.

3. Die Teilnahme an den Vollversammlungen ist für alle Mitglieder verpflichtend.

4. Die von der Vollversammlung getroffenen Entscheidungen sind für alle bindend und die Umsetzung diese Beschlüsse ist auch verpflichtend, unabhängig davon, ob jemand persönlich mit ihnen übereinstimmt oder nicht.

5. Falls eine Entscheidung als falsch oder nicht umsetzbar eingeschätzt wird, egal ob von einer/m einzelnen oder einer Gruppe, dann soll sie in die Vollversammlung gebracht werden und es ist dann die Vollversammlung, die entscheidet, ob sie verändert, reformiert oder beibehalten wird. In jedem Fall bleibt eine solche Entscheidung für alle bis zur nächsten Diskussionsversammlung bindend und bis dahin wird von allen erwartet, das zur Umsetzung Notwendige zu tun. Im Falle der Nichtbefolgung einer bereits getroffenen Entscheidung wird die Vollversammlung Sanktionen festlegen, die von einer einfachen Verwarnung über eine zeitweilige Entlassung oder, in schweren Fällen, zum Rauswurf der nichtkooperativen Person reichen können.

6. Neben der Teilnahme an der Entscheidungsfindung und dem Planen der Strategie der Fabrik unter ArbeiterInnenkontrolle beinhaltet das Gleichheitsprinzip auch die Teilhabe an Verlusten und Gewinnen der Fabrik.

7. Nach sorgfältigem Abwägen und nachdem sichergestellt ist, dass alle wesentlichen Faktoren in der Diskussion erörtert worden sind, kann der Arbeitsplatz jeder/s Einzelnen durch die Vollversammlung festgelegt werden. Sie/er kann ihre/seine Einwände vorbringen, muss sich aber den Empfehlungen der Vollversammlung fügen. Darüber hinaus sollte jedeR ArbeiterIn lernen- soweit das machbar ist- an jedem Arbeitsplatz, an den er/sie gebeten worden ist, zu arbeiten, für den sie/er als unabkömmlich erachtet wird.

8. Alle, die das jetzige Übereinkommen unterzeichnen, verpflichten sich, dass sie die Informationen (entweder in der Vergangenheit von ihnen erworbene oder in der Zukunft auf jede mögliche Art, und besonders durch den Prozess der Repräsentation der Gewerkschaft bei Betrieben, privaten Individuen oder allen anderen öffentlichen oder privaten Einrichtungen), die für das Betreiben der Fabrik, für das Planen von Produktions- und politischen Zielen und für die gegenseitigen Beziehungen für wichtig erachtet werden, der Vollversammlung mitteilen. Keinesfalls dürfen sie zurückgehalten werden, um so kollektiv bewertet und verwendet werden zu können.

Die oben aufgeführten Punkte der Übereinkunft sind die grundlegenden Prinzipien für das Betreiben der Fabrik gemäß ihrer Selbstverwaltung unter ArbeiterInnenkontrolle. Respekt, auf prinzipieller als auch praktischer Ebene, stellt eine Verpflichtung für uns alle dar, die das jetzige Dokument unterzeichnen, das nur geändert werden darf, falls die Vollversammlung Änderungen für notwendig erachtet. In diesem Fall wird ein neue Übereinkunft entworfen und von allen unterzeichnet.

 

Liebe KollegInnen und GenossInnen,

Wir würden euch gerne darüber informieren, was die ArbeiterInnen von VioMe für den Zeitraum von jetzt bis Februar planen.

Der obige Text beinhaltet die Prinzipien, denen die TeilnehmerInnen des Unternehmens der ArbeiterInnenkooperative von VioMe zugestimmt haben und die sie unterzeichnet haben.

Bei dem Treffen mit dem Minister im Arbeitsministerium haben wir insbesondere darauf hingewiesen, dass es bereits 20 Monate her ist, dass wir dem Ministerium gewisse Forderungen unterbreitet haben, und dass wir noch immer keine Antwort darauf haben. Es hat auch keinerlei Fortschritte bezüglich einiger Fälle gegeben, wo das Ministerium scheinbar eine Initative gesetzt hatte, um Hindernisse seitens anderer Ministerien aus dem Weg zu räumen.

Wir haben ihm gegenüber betont, dass, soweit es uns betrifft, der Staat ein Ganzes ist und nicht aus einer Summe einzelner Ministerien besteht, und wir auch nicht warten können.

Wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir verzweifelt sind und wir sehen, dass wir nichts mehr verlieren können, was wir nicht ohnehin schon verloren haben.

Daher haben wir den Minister informiert, dass wir mit dem Betrieb der Fabrik beginnen werden, ohne uns um irgendwelche Konsequenzen zu kümmern, denn wir glauben, dass der jetzige Zustand der Schlimmstmögliche ist.

Liebe KollegInnen, im Rahmen unserer Generalversammlung haben wir, die ArbeiterInnen von BIO.ME, beschlossen, dass die einzige Lösung gegen den „Tornado“ die ist, in unserer Eigenschaft als ArbeiterInnen direkt die Kontrolle über die Produktion zu übernehmen und die Verantwortung zu übernehmen, die Abläufe der Fabrik mittels unserer ArbeiterInnen-Generalversammlung zu dirigieren. Momentan arbeitenden Menschen, die Arbeitslosen, diejenigen, die gewerkschaftlich organisiert sind und die, die es nicht sind dazu auf, eine Haltung einzunehmen und ihre Meinung mitzuteilen zu einem Punkt, der eine wirkliche Notwendigkeit wird.

Wir haben unsere eigene Antwort gegeben; wir wollen unsere Jobs zurück, wir wollen unsere Leben, wir wollen unsere Würde. Wenn das als irrational abgetan wird, ja, dann sind wir irrational! Wenn es gesetzwirdrig erachtet wird, ja, dann verhalten wir uns gesetzwidrig! Wenn es als undurchführbarer Traum abgetan wird, ja, wir sind unterwegs zu unseren Traum, und dazu, fähig zu werden, die Existenz unserer Familien zu sichern!

Wir rufen die Nachbarschaftsversammlungen der EinwohnerInnen, die verschiedenen Kollektive, die politischen Organisationen, die Gewerkschaften, die Jugendzentren dazu auf, ihre eigene Antwort zu geben!

Wir rufen alle auf, die noch aufrecht gehen und hoffen können, wir sagen ihnen: Ja, es gibt keinen Grund für unsere Kinder, wegzuziehen, um im Ausland ein besseres Leben zu finden; es ist nicht notwendig, unterwürfig zu sein, nur damit mensch einen Job findet. Ihr müsst nicht zu BettlerInnen werden, um überleben zu können!

Gebt eine Antwort auf den Punkt, den wir heute weiterbringen!

Steht auf und sprengt die Ketten, die euch fesseln! Macht den Kopf auf, den Mund und gebt eine Antwort!

Die Generalversammlung der Gewerkschaft der ArbeiterInnen/Beschäftigten von BIO.ME.

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Die Fabrik Viomichaniki Metaleftiki eröffnet und beginnt mit der Produktion in den Händen der Arbeiter

Wir sind die, die den Teig bereiten und kein Brot haben, wir sind die, die die Kohle schürfen und denen kalt ist.

Wir sind die, die nichts haben und wir sind gekommen uns die Welt zu holen.

Tassos Livaditis

Im Herzen der Krise versetzen die Arbeiter von VIO.ME Ausbeutung und Privatbesitz einen vernichtenden Schlag

Bei einer auf 30% gestiegenen Arbeitslosigkeit, sinkenden Löhnen, abgespeist mit leeren Worten, Versprechungen und Steuerraub, nicht entlohnt seit Mai 2011, einem Produktionsstillstand in einer von den Arbeitgebern verlassenen Fabrik, haben die Arbeiter von Viomichaniki Metaleftiki- auf der Basis einer Resolution der gewerkschaftlichen Vollversammlung – beschlossen, sich nicht mit einer sicherlich lang dauernden Arbeitslosigkeit abzufinden, sondern dafür zu kämpfen, die Fabrik zu übernehmen und selbst wieder zu betreiben. Seit Oktober 2011 haben sie durch formale Angebote ihren Anspruch bekundet, eine Arbeiterkooperative zu errichten, die vollständig ihrer Kontrolle unterliegt. Sie haben auch die gesetzliche Anerkennung sowohl für ihr eigenes als auch für ähnliche Vorhaben gefordert, die ihrem Beispiel folgen würden. Gleichzeitig haben sie auch Anspruch auf jene Geldsumme erhoben, die notwendig ist, um den Start des Fabrikbetriebs zu ermöglichen, naturgemäß ihr Geld, da sie ja den gesellschaftlichen Reichtum produzieren. Staat und Gewerkschaftsbürokratie begegneten dem ursprünglich entworfenen Plan mit absoluter Gleichgültigkeit, von sozialen AktivistInnen wurde er jedoch enthusiastisch begrüßt. Mit Hilfe der `offenen Solidaritätsinitiative in Thessaloniki` und in der Folge weiterer ähnlicher Initiativen in verschiedenen Städten des Landes wird seit mindestens sechs Monaten versucht, auf breiter Basis die Botschaft von VioMe in der griechischen Gesellschaft bekannt zu machen.

Jetzt ist die Zeit von BioMe gekommen!

Die Arbeiter können nicht länger auf leere Worte eines bankrotten Staat warten, um ihre Pläne umzusetzen (nicht einmal die 1000 Euro besonderer Zuwendung, die der Arbeitsminister versprochen hatte, sind ausbezahlt worden aufgrund der fehlenden Unterschrift des Wirtschaftsministers, Stournaras!)

Die Zeit für eine Wiederinbetriebnahme von VioMe ist gekommen- genauso wie für jede andere Fabrik, die geschlossen wurde, in Konkurs gegangen ist, oder ihre ArbeiterInnen feuert – aber diesmal durch die ArbeiterInnen selbst und nicht durch alte oder neue Bosse. Dieser Kampf darf nicht nur auf VioMe beschränkt bleiben, sondern er muss sich auf alle Fabriken und Geschäfte ausweiten, um landesweit Bedeutung zu erlangen und siegreich zu sein; nur durch ein Netzwerk von besetzten und selbstverwalteten Betrieben wird VioMe das Überleben gelingen. Nur so kann es zu einem `Baumeister` einer anderen Organisation von Produktion und Wirtschaft werden. Einer Organisation, die Ausbeutung, Ungleichheit und Hierarchie abschafft.

Wenn eine Fabrik nach der anderen zusperrt, die ungefähr zwei Millionen Arbeitslosen und die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung seitens der Troikaregierung von ND, PASOK und Demokratischer Linker genau wie schon von ihren Vorgängern zu Armut und Elend `verurteilt` werden, dann ist die Forderung nach der Übergabe der Fabriken an die ArbeiterInnen die notwendige Antwort auf die täglich erfahrbare Zerstörung und die einzige Antwort auf Arbeitslosigkeit. Daher ist der Kampf von VioMe auch ein Kampf von uns allen.

Wir laden alle Arbeitslosen und alle in einem Arbeitsverhältnis stehenden Menschen ein sowie alle, die am eigenen Leib die Krise erfahren haben, die ArbeiterInnen von VioMe zu unterstützen. Jetzt, da sie daran gehen, in der Praxis zu beweisen, dass wir, die ArbeiterInnen es auch ohne Bosse schaffen! Wir laden sie ein, an der entgegengesetzten Karawane des Kampfes und der Solidarität teilzunehmen, die mit dreitägigen Veranstaltungen des Widerstands in Thessaloniki enden wird. Wir laden sie ein, am Kampf teilzunehmen und den Kampf zu organisieren, wo immer sie leben und arbeiten, mit Versammlungen, die direkte Demokratie praktizieren, ohne Bürokraten, um alle, die unser Leben zerstören, mit einem unbefristeten politischen Generalstreik zu stürzen! Damit die Fabriken und die gesamte Produktion in die Hände der ArbeiterInnen übergeben werden und damit wir eine Wirtschaft und Gesellschaft organisieren, die wir wollen: eine Gesellschaft ohne Herren!

Die Zeit von Vio.Me ist gekommen! Lasst uns an die Arbeit gehen!

Wir bereiten den Weg für ArbeiterInnenselbstverwaltung!

Wir bereiten den Weg für eine Gesellschaft ohne Bosse!

Sonntag 10. 2.

18:00 Gesamtgriechische Versammlung der Solidaritätsinitiativen im Alexandroskino

Montag 11.2.

17:00 Protestmarsch, Kamara

20:00 Konzert im Ivanofio mit: Th. Papakonstantinou, G. Charoulis, Chainides.

Dienstag 12.2.

Alle in die Fabrik!

Treffpunkte. 11:00 Kamara, 12:00 IKEA

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BIO.ME: Das Gesetz ist das Recht der ArbeiterInnen, nicht der Bourgeoisie

Interview mit Makis Anagnostou, Vorsitzender der ArbeiterInnengewerkschaft von Viomichaniki Metaleftiki (BIO.ME) mit der Zeitschrift Nea Prooptiki (Neue Perspektive)

Der Kampf von BIO.ME ist zweifellos einer der wichtigsten Arbeitskämpfe in Griechenland in der jetzigen Situation. Die Fabrik wurde von ihren Eigentümern verlassen und die ArbeiterInnen, die seit Mai 2011 keine Löhne mehr erhalten haben, weigern sich, sich mit der Vorstellung von Arbeitslosigkeit abzufinden. Sie kämpfen darum, die Produktion zu übernehmen und so im Kern ArbeiterInnenselbstverwaltung als eine Antwort auf Betriebsschließungen und Entlassungen im bankrotten kapitalistischen Griechenland aufzuwerfen.

N.P. An welchem Punkt steht euer Kampf heute?

M.A: Seit dem letzten Interview, das wir gegeben haben, haben sich viele Dinge geändert. Wir haben Entscheidungen getroffen, die zuvor nicht Teil unseres Kampfes waren. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt haben wir uns ausschließlich auf gesetzlichem Boden bewegt, aber das hat sich für uns als zu langwierig herausgestellt. Daher hat die Versammlung beschlossen, einen anderen Weg zu gehen. Der ist auch legitim, aber in dem Sinn, dass das Gesetz das Recht der ArbeiterInnen, nicht der Bourgeoisie ist.

N.P. Euch werden seit Mai 2011 die Löhne nicht mehr bezahlt, zugleich war September der letzte Monat, in dem ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld hattet, das ihr von der `Organisation für die Beschäftigung von Arbeitskräften` bekommen habt. Wie überlebt ihr unter diesen Umständen?

M.A. Wir überleben kaum, wenn man das überhaupt überleben nennen kann.Es ist richtig, dass das Ministerium ein gewisses Interesse für einige Härtefälle gezeigt hat. Aber diese Hilfe ist eine Art Barmherzigkeit und bietet keine Lösungen für das eigentliche Problem, der Arbeitslosigkeit. Wir wollen Arbeit, nicht Barmherzigkeit.

N.P. Könntest du uns etwas über die Reaktion der Leute auf euren Kampf und über die Solidarität, die ihr bekommen habt, erzählen?

Es gibt Hilfe aus ganz Griechenland und auch aus dem Ausland. Natürlich sind die meisten Menschen, die uns unterstützen, selbst arm. Es sind weder große Verlage noch große Betriebe. Es sind normale Leute, ArbeiterInnen, einige arbeiten und wahrscheinlich sind heute die meisten von denen, die uns mit dem wenigen, das sie haben, unterstützen, selbst arbeitslos. Die einen bringen uns eine Packung Spaghetti oder getrocknete Bohnen, andere geben uns zwei € als finanzielle Unterstützung. Aber sogar diese kleinen Hilfen sind sehr wichtig für uns, weil sie uns die Kraft und den Mut geben, weiterzumachen.

N.P. Es gibt einen Teil der `Linken`, der euch beschuldigt hat, dass ihr mit euren Bestrebungen, die Kontrolle über die Fabrik zu übernehmen, versucht, selbst kleine Kapitalisten zu werden. Was antwortet ihr diesen Leuten?

M.A. Denen haben wir schon geantwortet. Wenn die ArbeiterInnenbewegung auf unserer Seite wäre, dann wäre es schwer für Kämpfe wie den unseren von dessen Zielen abzurücken. Wenn aber die ArbeiterInnenbewegung auf Distanz geht, dann versuchen die ArbeiterInnen (als Individuen) Wege zum Überleben zu finden, und hier liegt die Gefahr der Wendung zum Bürgerlichen.

N.P. In den Streiks der letzten Zeit seid ihr auf Distanz gegangen, nicht nur zur GSEE, sondern auch zur PAME und zur Koordination der Basisgewerkschaften. Wie seid ihr zu dieser Entscheidung gekommen?

M.A. Alle diese Entscheidungen sind in der Vollversammlung gefällt worden. Was ich meine, ist, dass nicht die Leitung unserer Gewerkschaft vorschlägt, wem wir nahestehen sollten – im Grunde fungieren wir gar nicht als Leitung – obwohl uns dieser Punkt immer ein Anliegen ist. Er wird immer in der Vollversammlung diskutiert, wo dann auch die Entscheidungen getroffen werden. Die Vollversammlung nimmt diesen Standpunkt aufgrund gewisser Beobachtungen ein, die ich aber hier nicht erläutern möchte.

N.P. Du möchtest uns nicht erzählen, welche Beobachtungen die ArbeiterInnen tatsächlich gemacht haben?

M.A. Anfangs ist unsere Gewerkschaft immer ins Arbeiter N.P. zentrum gegangen. Dort haben wir gesehen, dass ihre Einstellung nicht die war, die wir uns erwartet Haben. Anders gesagt, und das ist nur ein Beispiel, bei unserer Teilnahme an einer Diskussion über Streikbewegungen haben uns verschiedenste Personen gesagt, wir sollten uns an unsere Bosse wenden, damit die ihr Kapital zurückbringen. Damit waren wir nicht einverstanden und wir sind auf die Suche nach einer klassenspezifischeren Lösung zur PAME gegangen. Dabei sind wir, wie auch immer, an einen Punkt gekommen, an dem wir die einzige Basisgewerkschaft waren, die gemeinsam mit der PAME die Fahne hochgehalten haben. Aber die PAME gab vor, uns nicht zu bemerken, weil sie in verschiedenen Punkten mit uns nicht übereinstimmte. Es ist richtig, dass die PAME einen klaren Klassenstandpunkt hat, aber könnte jemand sagen, wir als Basisgewerkschaft hätten keinen? Die Tatsache, dass wir mit der PAME in gewissen Punkten nicht einer Meinung waren, bedeutet doch nicht, dass wir Gegner sind. So, um sicher zu sein: der Grund, warum die Einstellung der PAME uns gegenüber nicht so ist, wie ihn sich vielleicht die Vollversammlung erwartet hätte, liegt darin, dass wir nicht in allem mit ihr übereinstimmen und ihren Ratschlägen nicht blind folgen. Das war schließlich ausschlaggebend für unsere Entscheidungen.

N.P. Meinst du damit, ihr habt sie als gegen euch gerichtet empfunden?

M.A. Wir können nicht sagen gegen uns, aber wir haben sie sicherlich nicht als auf unserer Seite stehend empfunden. Das ist das Üble daran. Und ich muss sagen, dass bei vielen Veranstaltungen, die zu unserer Unterstützung in verschiedenen Städten stattgefunden haben, es immer wieder einzelne Mitglieder der PAME gegeben hat, die zum Ausdruck gebracht haben, dass sie unserem Kampf und der Art, wie wir unsere Forderungen erheben, positiv gegenüber stehen.

N.P. Im Oktober fand eine große Karawane der Solidarität statt, die in Thessaloniki begonnen hat und weiter nach Larissa und Volos bis nach Athen gezogen ist. Wie würdest du diese Erfahrung charakterisieren?

M.A Ich werde dir lieber erzählen, was meine KollegInnen gesagt haben, als dass ich es selber beschreibe. Viele KollegInnen waren bis zu einem bestimmten Zeitpunkt skeptisch und haben nicht gewusst, ob sie mitmachen sollten oder nicht. Aber nachdem die Karawane vorüber war, haben sie ganz klar gesagt, wenn sie noch einmal, auch am nächsten Tag losgehen würde, so würden sie wieder dran teilnehmen.

N.P. Hattet ihr irgendwelche Reaktionen seitens der Eigentümer der Fabrik während dieser ganzen Zeit?

M.A. Bis zum jetzigen Zeitpunkt verhalten sie sich passiv. Wir sind aber sicher, dass sie sich auf irgendeine Art und Weise wieder `ins Spiel zurückbringen`. Unsere Entschlossenheit und wie machtvoll wir sind wird in diesem Fall eine wichtige Rolle spielen.

N.P. Einige wollen die Beobachtung gemacht haben, dass der Kampf bei BIO.ME in der letzten Zeit ein bisschen abgeebbt ist. Was habt ihr euch für die nächsten Tage überlegt, damit euer Kampf wieder auflebt?

M.A. Ich würde nicht abgeebbt sagen. Natürlich hat er während der Weihnachtsfeiertage ein bißchen nachgelassen, aber wenn du mit einem Wettlauf beginnst, dann musst du erstmal Gas geben, damit du Druck erzeugen kannst. Wir denken, das passiert gerade jetzt, weil in der nächsten Zeit werden einige Dinge stattfinden. Es gibt ein Treffen im (Arbeits-) Ministerium, einige mehr allgemeine Treffen in Athen, um auszuloten, wie wir mit einigen unserer Produkte Geschäfte machen könnten. Wir haben einen Gerichtstermin gegen unseren Ex-Arbeitgeber und danach, am 8. Februar, beginnen wir mit etwas ganz Neuem. Am Anfang steht ein Konzert am Tag eins, an dem so bekannte Künstler wie Thanassis Papkonstantinou, Charoulis, Chainides und andere teilnehmen werden. Und am 11. Februar wird etwas stattfinden, um mit der Aufnahme der Produktion in der Fabrik zu beginnen.

N.P. Was genau habt ihr geplant für diese drei Tage?

M.A. Es wird eine umgekehrte Karavane stattfinden. Dieses Mal werden nicht wir in andere Städte reisen, sondern wir werden Leute aus anderen Städten nach Thessaloniki einladen, um uns bei unseren Aktivitäten, die am 8. Februar beginnen, zu unterstützen. Wir wissen nicht genau, wann der Höhepunkt erreicht werden wird. Wir beginnen jedenfalls mit einem Protestmarsch und dem Konzert am 8. Der Rest wird in der Fabrik stattfinden, auf welche Art genau, das werden wir bald bekanntgeben.

N.P. Wird das auch von den Treffen, die ihr in Athen habt, abhängen? Das heisst, wenn eure Gespräche mit dem Minister erfolgreich enden, könnte es dann der Fall sein, dass ihr die Fabrik selbst betreiben werdet?

M.A. Das werden wir auf bestimmte Art und Weise versuchen . Also, wenn sich die Dinge im Zuge unserer Bemühungen ändern und der Minister tätsächlich eine Lösung anbietet, dann ist das gut. Wir haben den Ball an den Minister weitergespielt und gesagt, die Art und Weise, in der die Fabrik arbeiten soll, liegt jetzt in seiner Verantwortung. Entweder auf legale Weise oder besser gesagt, nach dem Buchstaben des Gesetzes oder, wie wir sagen, entsprechend dem Gesetz als Recht derArbeiterInnen können wir die Fabrik rechtmäßig in unsere Hände nehmen.

N.P. Wenn ihr die Fabrik übernehmt und betreibt, wie glaubst du, dass ihr es schaffen werdet, dass ihr sie unter dem Druck der ökonomischen Krise am Leben und gesund erhaltet? Habt ihr dazu Pläne?

M.A. Ja, es gibt einen Plan. Es ist ein großer Unterschied zwischen dem was wir beanspruchen, und dem was da draußen exisitiert. Wir behaupten, dass sogar auf diesem geschrumpften und verfallenem Markt, eine Öffnung von unserer Seite aus, hin zu verschiedenen Arten von Geschäften, auch hin zu anderen Ländern uns die Möglichkeit geben kann, die Fabrik in dieser derzeit schwierigen Phase aufrechtzuerhalten. Das bedeutet erstmal durchzuhalten und dann auf andere Weise weiterzumachen.

N.P. Der Kampf von BIO.ME wurde von vielen als Pionierleistung bezeichnet, zumindest was die griechische Realität betrifft, weil es einen Weg zeigt, den andere Fabriken gehen sollten, die in der gleiche Lage sind. Hat es bis jetzt irgendeine Reaktion von anderen Arbeitern anderer Fabriken gegeben, denen es gleich geht?

M.A. Ich würde es nicht als Pionierleistung bezeichnen. Unsere Forderung ist die Urforderung arbeitender Menschen. Worauf eine arbeitende Person, insbesondere ein in der Industrie arbeitender Mensch hoffte, war auf die Übernahme der Produktionsmittel in die eigenen Hände, um so für sich selbst zu produzieren. In diesem Punkt wenden wir uns an alle arbeitenden Menschen, aber die bürgerliche Klasse setzt seit Jahrzehnten die ArbeiterInnenklasse unter Hypnose, sodass die diesen Gedanken nicht denken kann. Daher führt sie die Kämpfe auf befriedende, von der Bourgeoisie bevorzugte Art und Weise. Ich muss es wiederholen; wir haben die Beispiele aus der Vergangenheit genommen und wir glauben dass mit dem Setup, dass wir geplant haben und der Charta, die wir verfassen werden, es uns gelingen wird, ein hohes Maß an Kooperativität zu erlangen. Weil im Wesentlichen wird es eine Arbeiterkooperative werden, die über eine bürgerliche Lösung hinausgehen soll.

Vagios Tzachristas

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