Belgische Parlamentsresolution für Mumia (+Hintergrundinformationen / K.v.Raussendorff / J.Catalinotto)

Donnerstag, 25. Mai 2000
Von: raussendorff@home.ivm.de
Thema:

Mumia: Belg.Parlamentsresolution / Hintergrundartikel

(Catalinotto)
Hallo Leute,
der Kampf Mumias und seiner Unterstützer für Gerechtigkeit und Freiheit
geht in die entscheidende Phase. Wird auch der Deutsche Bundestag die
Zivilcourage besitzen, an die Vereinigten Staaten zu appellieren und
einen neuen Prozeß für Mumia zu verlangen? Die belgischen Abgeordneten
haben ihren EU-Kollegen ein nachahmenswertes Beispiel gegeben und
fordern sie zu ähnlichen Initiativen auf:
 

BELGISCHES PARLAMENT FORDERT NEUEN PROZESS

FÜR MUMIA ABU-JAMAL

Anlage1
http://www.laChambre.be/cgi-bin/docs.bat?l=f&dir=189 oder
http://www.dekamer.be/cgi-bin/docs.bat?l=n&dir=189
 
Ein Nachlassen in den Anstrengungen für Mumia könnte seinen Tod
bedeuten. Diese Botschaft enthält der Beitrag
 
MUMIA ABU-JAMAL UND DIE JUSTIZ DER USA
Von John Catalinotto
Anlage2
der in englischer Originalfassung mit AIK vom 10.5.00 dokumentiert
wurde. Hier ist die deutsche Übersetzung, die von Colin und mir
erarbeitet wurde. John Catalinotto ist ein auch in Deutschland bekannter
Aktivist des International Action Center, New York.
Der Artikel sollte schnellstens – erstmals – in deutsch veröffentlicht
sowie nachgedruck und verbreitet werden!!!
John gibt einen umfassenden Überblick über die exemplarische Bedeutung
des Falles von Mumia Abu-Jamal im Rahmen des US-Rechtssystems. „Wenn wir
es zulassen,“ schreibt er, „daß sie unseren Bruder, unseren Freund,
unseren Genossen hinrichten, wird dies weitreichende Auswirkungen haben,
für alle von uns und für jedes Anliegen, für das wir kämpfen. Es wird
bestätigen und erhärten, was wir schon wissen, daß die Wahrheit in den
USA keinen Platz hat, daß es Gerechtigkeit nicht gibt. Durch Repression,
Tyrannei und Gewalt wird der Staat versuchen, unsere Stimmen zu
überhören und verstummen zu lassen.“ 
Die erste Anhörung Mumias im Berufungsverfahren vor Richter John wird
nicht vor dem 23. Juni d.J. stattfinden. Dies geht aus einer
Email-Message von Clark Kissinger v. 17.5.00 hervor. Darin heißt es:
„Auf Antrag von Mumias Rechtsanwaltsteam erteilte Richter John der
Verteidigung die Genehmigung, einen ergänzenden Schriftsatz zu den
Fragen einzureichen, die in den jüngsten Entscheidungen des Supreme
Court der USA über den Effective Death Penalty Act (the two Williams v.
Taylor cases) angesprochen worden sind. 
Dies ist eine gute Nachricht. 
Das Verteidigungsteam hat bis zum 2. Juni Zeit, diesen Schriftsatz, der
15 Seiten nicht überschreiten darf, einzureichen. Die Staatsanwaltschaft
hat bis zum 23. Juni Zeit, darauf zu antworten. Das bedeutet, daß die
erste Anhörung in Mumias Berufungsverfahren vor Richter John nicht vor
dem 23. Juni stattfinden wird.“ (dt. Übers. K.v.R.)
Wie das Anti- Terrorismus- und Effective Death Penalty- Gesetz von 1996,
das Bundesrichter grundsätzlich verpflichtet, in Berufungsverfahren die
Tatsachenfeststellungen der Gerichte der Einzelstaaten als zutreffend
anzunehmen, in Mumias Fall funktioniert, ergibt sich aus einer –
ebenfalls bereits am 10. Mai 00 von der AIK verbreiteten
Email-Mitteilung von Jerry Gordon, dem Schriftführer der Internationalen
Delegation, aufgrund eines Gesprächs mit Leonard Weinglass, dem
Hauptverteidiger von Mumia Abu-Jamal, vom 19. Januar 2000. Jerry Gordon
schreibt: „Wie wir wissen, sind Zeugen, die im Prozeß, in dem er
verurteilt wurde, gegen ihn ausgesagt hatten, später an die
Öffentlichkeit getreten und haben ihre Aussage widerrufen. Sie sagten
bei einer Anhörung für ein Wiederaufnahmeverfahren vor Richter Albert
Sabo, der im ursprünglichen Prozeß den Vorsitz hatte, aus, daß sie von
der Polizei eingeschüchtert und bedroht worden seien, damit sie falsche
Aussagen gegen Abu-Jamal machen. Richter Sabo entschied als
Tatsachenfeststellung bei der Anhörung für den Wiederaufnahmeantrag, daß
diese Zeugen nicht glaubwürdig seien. Bei den Verhandlungen auf
Bundesebene, beim Habeas Corpus Antrag, argumentierten die
Bezirksstaatsanwälte Pennsylvanias, daß der Bundesrichter, William
Yonge, an diese Feststellung gebunden sei, wie auch an alle anderen
Tatsachenfeststellungen Sabos. 
Bis Freitag, den 14. Januar, stimmte der Bundesrichter dem zu, was
heißt, daß er nicht die gesamten Akten dieses Falls überprüfen würde.
Plötzlich hat sich diese Situation drastisch verändert. Am Donnerstag,
den 13. Januar, wurde Weinglass, als er in New York war, vom Richter
aufgefordert, am folgenden Morgen zu einer Anhörung in Philadelphia zu
kommen. 
Diese Anhörung war eine nichtöffentliche Sitzung. Der Richter teilte den
Anwälten beider Seiten mit, daß er nun Dokumente akzeptieren und
Einwände anhören werde, die die Korrektheit von Sabos
Tatsachenfeststellungen in Zweifel ziehen.
Diese bedeutet, daß er die gesamten Akten des Falls überprüfen wird,
etwas, was Abu-Jamals Anwälte von Anfang an gefordert hatten (was er
auch tun kann, da Annahmen laut Gesetz durch starke Beweise außer Kraft
gesetzt werden können.) 
Dies ist ein großer Durchbruch im Fall.
Der Zeitpunkt, zu dem all dies passiert, ist bemerkenswert.
Am Mittwoch, den 12. Januar, traf sich die internationale Delegation mit
drei Beauftragten des stellvertretenden Justizministers (Deputy
Assistant Attourneys General) im Justizministerium. Am Donnerstag, den
13. Januar, erschien ein Artikel über die internationale Delegation in
der Zeitung Philadelphia Daily News. Am gleichen Tag rief der
Bundesrichter Weinglass an und forderte ihn auf, am nächsten Tag im
Gericht zu erscheinen. 
Der juristische Durchbruch, der erreicht worden ist, sollte allen
UnterstützerInnen dieses Kampfes eine größere Hoffnung geben, daß der
letzte Sieg errungen werden kann und das Mumia Abu-Jamal freikommen
wird.“ 
Sieg oder Niederlage im Kampf um die Freiheit von Mumia werden auch
weitreichende Auswirkungen auf Jugendliche haben, die mit dem Gesetz in
Konflikt geraten: „Am 15. Februar 1995, Datum der letzten verfügbaren
Statistiken, befanden sich über 84.000 Kinder in den USA in Haft. Die
verschiedenen Berichte von Amnesty International (….) erheben
schwerste Vorwürfe gegen das Jugendstrafrecht. Nicht allein die
Haftgründe sind oft harmlos, auch die Behandlung steht derjenigen von
Erwachsenen nicht nach. ‚Im ganzen Lande,‘ bemerkt Amnesty, ‚haben die
Aufsichtspersonen in den Jugendstrafanstalten die ihnen anvertrauten
Kinder mit Händen und Füßen geschlagen, sie angekettet, mit chemischen
Substanzen besprüht und sogar Elektroschockapparate und Fesselstühle
eingesetzt.‘ 
Im Jahre 1992 wurde 435.000 Mal die Strafe der Isolationshaft von einer
bis vierundzwanzig Stunden, 88.900 Mal von über vierundzwanzig Stunden
verhängt. In allen US-Staaten (außer Hawaii) können Kinder
strafrechtlich wie Erwachsene behandelt werden (in 36 von 50 ist dies
tatsächlich der Fall), wie die Polemik in der vergangenen Woche
anläßlich der Verurteilung wegen Mordes von Nathaniel, 13 Jahre (11
Jahre zur Tatzeit) alt, zeigte. Schlimmer noch, 24 Staaten kennen die
Todesstrafe für Minderjährige. 73 Kinder warten auf ihre Hinrichtung.
Dabei ist es eine der ältesten Einschränkungen durch die Genfer
Konventionen vom 12. August 1949: Die Garantie der Nichtverhängung der
Todesstrafe für Minderjährige ist so fundamental, daß sie „nicht einmal
im Kriege oder in einem internen Konflikt“ suspendiert werden darf. ‚Die
einzigen anderen Staaten, wo man Minderjährige exekutiert,……sind
Iran, Pakistan, Saudi-Arabien und Jemen.‘ “ (Französische Wochenzeitung
„Marianne“ Nr. 136 Woche v. 29.11. bis 5.12.99 – Übers. K.v.R.)
 Mit internationalistischen Grüßen
Anti-Imperialistische Korrespondenz (AIK)
Redaktion: Klaus von Raussendorff
Postfach 210172, 53156 Bonn
Tel.&Fax: 0228 – 34.68.50
Anti-Imperialistische Online-Korrespondenz
Webmaster: Dieter Vogel

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Anlage1
BELGISCHES PARLAMENT FORDERT NEUEN PROZESS
FÜR MUMIA ABU-JAMAL
Am 27. April gegen 17 Uhr hat die belgische Abgeordnetenkammer
einstimmig eine Entschließung zum Fall des US-Staatsbürgers Mumia
Abu-Jamal angenommen (129 Ja-Stimmen, 5 Enthaltungen, keine Gegenstimme,
16 Mitglieder nicht anwesend). Der Wortlaut der Entschließung findet
sich auf der Seite des belgischen Parlaments auf französisch unter:
http://www.laChambre.be/cgi-bin/docs.bat?l=f&dir=189 , auf
niederländisch unter:
http://www.dekamer.be/cgi-bin/docs.bat?l=n&dir=189
Das Parlament bestätigte damit einen Antrag, der von dem Abgeordneten
der grünen Partei „Agalev-Ecolo“ und Vizepräsidenten der Kammer, Lode
Vanoost, (Email: lode.vanoost@deKamer.be ) eingebracht und von
Mitgliedern aller demokratischen Parteien der Regierung und der
Opposition (Christdemokraten, Liberale, Sozialisten und gemäßigte
flämische Nationalisten) unterzeichnet worden war. Wie Vanoost in einer
Email-Botschaft vom 28. April schreibt, war die Initiative zu der
Resolution eine Reaktion auf die Anordnung der Hinrichtung für den 2.
Dezember letzten Jahres durch den Governeur von Pennsylvania Tom Ridge.
Trotz Aussetzung der Anordnung entschied die Kammer, ihre Position in
der Angelegenheit aufrecht zu erhalten. Die Resolution enthält
– eine Grundsatzerklärung gegen die Todesstrafe im allgemeinen;
– eine besorgte Stellungnahme zur Frage der Fairness des Strafverfahrens
in dem besonderen Falle von Mumia Abu-Jamal;
– einen Appel, an die Behörden der Vereinigten Staaten, und zwar an den
US-Präsidenten, den Generalstaatsanwalt, den Kongress und den Gouverneur
von Pennsylvania, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um Mumia
Abu-Jamal ein neues Verfahren zu gewähren;
– einen Appell an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, in diesem
Falle ähnliche Initiativen zu ergreifen.
 
Ferner ersucht die Resolution die belgische Regierung, den Text der
Resolution dem Präsidenten, dem Generalstaatsanwalt, dem Kongress, dem
Gouverneur von Pennsylvania und dem Generalsekretär der Vereinten
Nationen und den Regierungen aller EU-Mitgliedsstaaten zu übersenden.
Vor der Schlußabstimmung brachte Lode Vanoost seinen Dank für die
unmittelbare und feste Unterstützung dieser Initiative durch seine
Kollegen zum Ausdruck. Er hofft, daß diese Resolution ein kleiner aber
bedeutsamer Beitrag zum Kampf von Mumia und seinen Unterstützern für
Gerechtigkeit und Freiheit sein möge.
 
(Quelle: Email-Message von Lode Vanoost vom 28. April 2000; Wortlaut der
Resolution: http://www.dekamer.be or < http://www.lachambre.be . )

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Anlage2
MUMIA ABU-JAMAL UND DIE JUSTIZ DER USA
Von John Catalinotto*
 
Obwohl Mumias Anwälte grandios mit juristischen Mitteln kämpfen, um ein
neues Verfahren durchzusetzen, machen es repressive Gesetze Häftlingen
in der Todeszelle fast unmöglich, in Berufungsverfahren Erfolg zu haben.
Daher fordern Mumias Anwälte alle Aktivisten dringend dazu auf, die
Kampagne für Mumias Freilassung noch zu intensivieren.
Im Hinblick auf das bevorstehende Bundesberufungsverfahren hoffen die
Unterstützer Mumias, daß die Gerechtigkeit endlich siegen wird.
 
Nachlassen im Kampf für Mumias Freiheit könnte seinen Tod bedeuten
Seit 1978 waren Bundesrichter für die Aufhebung von 40% aller
Todesurteile in den USA verantwortlich. Diese Zahlen sind Ansporn zum
Handeln, gibt es da doch den Mangel an Gerechtigkeit, den erschreckende
Rassismus, und die üble Behandlung von Mumia Abu-Jamal in den
rassistischen Gerichten Pennsylvanias. Bundesrichter stehen außerhalb
des „Netzwerks alter Kollegen“ der Gerichte von Pennsylvania und sind
Einflüssen von außen nicht in gleicher Weise unterworfen wie Richter in
den einzelnen Staaten der USA.
 
Im Bewußtsein all dessen könnte man nun im Kampf für Mumias Freilassung
selbstzufrieden die eigenen Anstrengungen vernachlässigen und
hoffnungsvoll auf die Rolle des Bundesgerichts in der Rechtspflege
setzen. Doch es kann nicht nachdrücklich genug betont werden, daß ein
solches Verhalten gefährlich wäre, und Mumias Tod bedeuten könnte, wenn
wir ihnen nichts entgegensetzen.
 
Der Gedanke, daß in Bundesgerichten insbesondere bei Kapitalverbrechen
Gerechtigkeit erlangt werden kann, stammt aus einer längst vergangenen
Zeit. Der Bundesberufungsprozeß ist in den letzten Jahren zum
Angriffsobjekt der Todesstrafenbefürworter geworden. Deren Ziel ist eine
vermehrte Zahl von Hinrichtungen in noch kürzerer Zeit. Die Aushöhlung
des Berufungsverfahrens geht auf April 1996 zurück, als der Kongreß das
„Antiterrorismus- und Todesstrafeneffektivierungsgesetz von 1996 (EDPA)“
verabschiedete. Das war nach dem Bombenanschlag auf das
Bundesverwaltungsgebäude in Oklahoma City.
 
Angekündigt als Maßnahme der innerstaatlichen Terrorismusbekämpfung
durch Erweiterung der Repressionsgewalt von Regierung, Gerichten und
Polizei, war eines der entscheidenden Elemente eine Bestimmung zur
historisch einmaligen Beschränkung des Habeas-Corpus-Rechts, d.h. des
Rechts von Gefangenen auf Berufungsklage vor einem Bundesgericht gegen
das gegen sie verhängte Urteil und Strafmaß. Wenngleich die Befürworter
dieses Gesetzes auch versuchten, die Einschränkungen als bloße Reform
darzustellen, so wurde doch das Habeas-Corpus-Recht seines wesentlichen
Gehalts beraubt, und zugleich auch die Befugnis der obersten
Bundesrichtern, Todesurteile von Gerichten der Einzelstaaten aufzuheben.
Geschichtlich gesehen, gehen die Habeas-Corpus-Grundrechte auf die Zeit
des Wiederaufbaus nach dem Bürgerkrieg zurück. Das Habeas-Corpus-Gesetz
von 1867 war darauf ausgerichtet, den neuerdings befreiten
Afro-Amerikanern Bundesschutz vor Einzelstaaten zu gewähren, die das
Strafjustizwesen dazu benutzen wollten, sie durch Manipulation und Zwang
auf die Plantagen zurückzubringen, die sie gerade hinter sich gelassen
hatten. Diese Schutzmechanismen haben in den letzten zehn Jahren eine
große Rolle gespielt und vielen fälschlich zum Tode verurteilten
Gefangenen ermöglicht, ihre Unschuld zu beweisen oder die Verletzungen
ihrer verfassungsmäßigen Grundrechte geltend zu machen.
 
Unschuldige in Todeszellen der USA
Die Geschichte ist voll von Beispielen von Menschen, die
fälschlicherweise zum Tode verurteilt wurden. Am 21. Oktober, 1993,
erschien ein Artikel in The Dallas Morning News über den Bericht eines
Unterausschusses des Repräsentantenhauses darüber, daß Texas und 16
weitere Bundesstaaten unschuldige Menschen zum Tode verurteilten. Der
Bericht nannte die Namen von fünf Gefangenen in Texas, die
fälschlicherweise zum Tode verurteilt worden waren.
 
„Randell Dale Adams, der in Dallas fälschlicherweise wegen
Polizistenmord verurteilt wurde, wurde 1989 freigelassen, nachdem
Dokumente entdeckt wurden, die bewiesen, daß die Staatsanwaltschaft
entlastende Beweise zurückhielt. Clarence Brandley wurde zu Unrecht
wegen Mordes an einem weißen Jugendlichen in Conroe verurteilt. Das
Berufungsgericht hob die Verurteilung auf nachdem man herausfand, daß
die Texas Rangers Zeugen zu Falschaussagen verleitet hatte…. .“ Jahre
später gestand ein anderer Mann, den Jugendlichen ermordet zu haben.
„Vernon McManus wurde wegen Auftragsmord verurteilt. Er wurde
freigelassen, nachdem bekannt wurde, daß sein Anwalt während des
Verfahrens eine Beziehung zu seiner Frau hatte und sie später
heiratete…John Skelton wurde 1990 freigelassen, nachdem das
Berufungsgericht befand, daß die Beweise gegen ihn nicht ausreichten, um
seine Schuld zu beweisen.“ (Jerry Lee Hogue,
http://www.lampofhope.org/tdrj7k.html )
 
Der Bericht nennt Fälle von Rassismus, Amtsmißbrauch, Unterschlagung
entlastender Beweise, schlampige Verteidigung, unzureichende Überprüfung
von Unschuldsbehauptungen im Berufungsprozeß, und die mit Fehlurteilen
einhergehende Politisierung des Begnadigungsprozesses. Der Bericht kommt
zu der Feststellung, daß „…eine beträchtliche Anzahl von Gefangenen im
Hinrichtungstrakt tatsächlich unschuldig sind.“
 
Neues Gesetz über „effektive Todesstrafe“ erschwert Berufung vor
Bundesgerichten
 
Das Berufungsverfahren wurde durch das EDPA in mehrfacher Weise
geändert. Erstens wurde für Gefangene in der Todeszelle die Frist zur
Einreichung eines Berufungsantrags auf 180 Tage nach Ausschöpfung des
einzelstaatlichen Rechtsweges verkürzt. Da es oft Jahre dauert, eine
erfolgreiche Berufung vorzubereiten, schafft dieses Gesetz eine
Rechtslage, in der unrechtmäßig Verurteilte hingerichtet werden, ohne
daß sie die notwendigen Beweismittel aufspüren und beibringen können, um
ihre Unschuld zu beweisen.
 
Im Falle von Andrew Mitchell brauchten seine Anwälte 11 Jahre, um den
Beweis seiner Unschuld zu erbringen. Die Anwälte von Clarence Brandley
brauchten 9 Jahre für seinen Unschuldsbeweis. Hätte es das EDPA damals
gegeben, wären Mitchell und Brandley beide tot.
 
Ferner verpflichtet das EDPA die Bundesgerichte, davon auszugehen, daß
die Sachverhaltsfeststellungen der Gerichte der Einzelstaaten zutreffend
sind. Dies ist im Bezug auf Mumias Prozeß das gefährlichste Element des
EDPA. In seinem Verfahren in Pennsylvania unter Vorsitz von Richter
Albert Sabo wurde Mumia daran gehindert, erhebliche Beweise für das
Fehlverhalten von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie Aussagen von
Augenzeugen und forensische Beweismittel vorzubringen. Diese
Beweismittel sind absolut entscheidend, um Mumias Unschuld zu beweisen.
Außerdem illustrieren sie die Verschwörung von Polizeiverband „Fraternal
Order of Police (FOP)“ und Philadelphia, Mumia umzubringen.
Während Bundesgerichte früher in der Lage waren, in einem
Berufungsverfahren Beweise zu würdigen, sollen sie aufgrund des EDPA in
der Regel die Beweislage nun nicht mehr überprüfen und von der
Richtigkeit der Feststellungen des Gerichts des Einzelstaates ausgehen.
Damit das Bundesgericht die „angenommene Korrektheit“ des Gerichts des
Einzelstaates in Frage stellt, muß nun der Angeklagte die „Annahme der
Korrektheit durch klare und überzeugende Beweise widerlegen.“ Mit dem
Erfordernis klarer und überzeugender Beweise wird die Beweislast dem
Angeklagten auferlegt. Mumia muß nun, um zur Verweigerung seiner
Prozeßrechte durch das Gericht des Einzelstaates überhaupt angehört zu
werden, im Wesentlichen zuerst seine Unschuld beweisen.
Schließlich beschränkt das EDPA den Angeklagten auf nicht mehr als eine
einzige Überprüfung durch das Bundesberufungsgericht und verlangt von
dem niederen Gericht die Austellung eines „Revisionszertifikats“ als
Voraussetzung dafür, daß der Angeklagte ein höheres Bundesgericht
anrufen kann.
Alles ist darauf angelegt, Todeskandidaten durch das Berufungsverfahren
in den Hinrichtungsraum zu jagen.
 
Hoffnung auf Entscheidung des Obersten Verfassungsgerichts
Die Habeas-Corpus-„Reformen“ des Effective Death Penalty Act sind
gegenwärtig Gegenstand einer Verfassungsklage von Bobby Joe Williams,
eines Todestraktgefangenen, vor dem Supreme Court. Der Fall wurde am 4.
Oktober, 1999 verhandelt.
 
Obwohl es schwierig ist voraus zu sagen, wann der Supreme Court seine
Entscheidung bekannt geben wird, wird sie noch vor Ende dieses Jahres
erwartet. Sie wird mit Sicherheit erhebliche Auswirkungen auf Mumias
Fall haben. Seine Anwälte haben erklärt, daß sie hoffnungsvoll sind, und
zwar aufgrund der Fragen, die von einigen Richtern, darunter Richter
Ginsberg und Richter Kennedy, gestellten wurden, daß der Supreme Court
mit Skepsis betrachtet, was an Argumenten vorgebracht wurde, um den
föderalen Habeas-Corpus-Schutz seines wesentlichen Inhalts zu berauben.
Sollte der Supreme Court das EDPA bestätigen, ist es eher
unwahrscheinlich, daß Mumia Gerechtigkeit vor dem Bundesgericht erfahren
wird. Eine solche Entscheidung dürfte Berufungsverfahren auf der
Bundesebene praktisch zu hypothetischen Fällen machen.
 
Polizeiverband im Zentrum der rechtswidrigen Machenschaften
Die Verschwörung, Mumia hinzurichten, ist derartig weitreichend, daß
unser bloßes Hoffen auf seine Freilassung durch dieselbe korrupte und
rassistische Maschinerie der Politik, die ihn seit achtzehn Jahren
gefangen hält, bedeuten würde, ihn zum Tode zu verurteilen. Der
Polizeiverband „Fraternal Order of Police“ hat seine Hände überall im
Spiel und macht Überstunden, um Mumia zum Schweigen zu bringen, das
Herauskommen der Wahrheit zu verhindern und überhaupt sicher zu gehen,
daß Mumia nicht überlebt.
 
Der FOP stand von Anfang an im Zentrum des Verfahrens gegen Mumia und
arbeitet weiter mit alarmierender Geschwindigkeit daran, Mumia in die
Todeskammer zu treiben. Die Polizisten, die Mumias Geständnis
fabrizierten, hatten Beziehungen zum FOP. Die Polizisten, die Zeugen
einschüchterten, bedrohten und zu Falschaussagen zwangen, standen mit
dem FOP in Verbindung. Richter Sabo, der bei fast allen Verhandlungen in
Mumias Fall vor dem Gericht in Pennsylvania den Vorsitz führte, ist
FOP-Mitglied. Fünf der sieben Richter des Obersten Gerichts von
Pennsylvania, die Mumia ein neues Verfahren vor Gerichten Pennsylvanias
verweigerten, wurden bei ihren Wahlkampagnen für das höchste Richteramt
vom FOP unterstützt.
 
In einem Artikel vom 10. November, 1999, berichtete die New Yorker
Wochenzeitung, „Village Voice“, daß der Senat von Pennsylvania ein
Moratorium für Hinrichtungen ablehnte. Noch auffallender war die
Weigerung des Senats, eine Studie darüber in Auftrag zu geben, ob die
Todesstrafe in fairer Weise angewendet wird. Dies ist besonders
schockierend, weil dies in einem Einzelstaat geschieht, wo die
Juristenvereinigungen sowohl der Hauptstadt Philadelphia als auch des
Staates Pennsylvania die Aussetzung von Hinrichtungen gefordert haben,
solange bis die Todesstrafe „in fairer und unparteiischer Weise
angewandt“ werden kann. Die Juristenvereinigung Pennsylvanias stellte
fest, daß „die Statistiken der Gefängnisbehörde Pennsylvanias Anlaß zu
der ernsten Sorge geben, daß Nicht-Weiße und Männer proportional
wesentlich häufiger zum Tode verurteilt werden als Weiße und Frauen.“
Weiter berichtete die „Village Voice“, daß fünf Todesstrafengegner sich
mit Joseph Loeper, dem Fraktionsvorsitzenden der republikanischen
Mehrheit im Senat, trafen, um sich über die von den Republikanern
gesteuerte Ablehnung des Antrages zu informieren. Jeffrey Garis, ein
Pfarrer der Kirche „Brethren in Christ“, zitierte Loepers Antwort auf
die Frage nach seiner Entscheidung bei der Abstimmung: „Der zweite
Faktor war Mumia…Governeur Ridge hatte kurz vorher seinen
Hinrichtungsbefehl unterzeichnet, und dieser Fall ist für viele von uns
in den Vororten Philadelphias ein bedeutendes Problem.“ „Loepers Aussage
verschlug Garis die Sprache, derweil er er an der Wand des Büros des
Senators eine Schmucktafel bemerkt hatte. Es war eine Auszeichnung der
Fraternal Order of Police.“ (Village Voice)
 
Gerechtigkeit für Mumia in unserem eigenen Interesse erkämpfen!
Als politische Bewegung muß uns klar sein, daß dies die Kräfte sind, die
gegen uns arbeiten, die die Medien kontrollieren und die unsere
Anstrengungen unterlaufen. Ohne eine breite und umfassende Kampagne in
der Bevölkerung wird Mumia vor den Gerichten nie Gerechtigkeit erfahren
und wird nie freikommen. Wir müssen weiterhin organisiert handeln,
demonstrieren und wütend unsere Stimmen gegen das Unrecht an Mumia
erheben.
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Wenn wir es zulassen, daß sie unseren Bruder, unseren Freund, unseren
Genossen hinrichten, wird dies weitreichende Auswirkungen haben, für
alle von uns und für jedes Anliegen, für das wir kämpfen. Es wird
bestätigen und erhärten, was wir schon wissen, daß die Wahrheit in den
USA keinen Platz hat, daß es Gerechtigkeit nicht gibt. Durch Repression,
Tyrannei und Gewalt wird der Staat versuchen, unsere Stimmen zu
überhören und verstummen zu lassen.
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Mumia hat immer auf der Seite der Unterdrückten, Machtlosen und
Stimmlosen gekämpft. Er ist für uns alle im Todestrakt. Wir draußen
müssen auch für ihn da sein. Wir dürfen es nicht zulassen, daß sie Mumia
Abu-Jamal ermorden!!!
 
(* John Catalinotto ist Aktivist des International Action Center. Sein
Artikel beruht auf Unterlagen der National People’s Campaign • West
Coast: 2489 Mission St., Room 28, San Francisco, CA 94110 (415) 821-6545
web: www.actionsf.org • email: npc@actionsf.org • Seattle: 1218 E.
Cherry St., Seattle 98122 (206) 325-0085 Research & analysis by Josh
Trentor labor donated. Übersetzung aus dem Englischen: Colin und Klaus;
Titel und Zwischentitel AIK)