br: Glosse/Polizei/Recht – Ausweiskontrollen – Polizei darf immer (akin)

Man sitzt gemütlich im Zug, gerade haben sie Wels vorbeigezogen, nächster Halt Attnang-Puchheim. Plötzlich steht ein ziemlicher Schlägertyp vor mir und hält mir seinen Ausweis hin: Polizei. Er möchte meinen Ausweis sehen.

Frecherweise frage ich ihn, was er denn dafür eine Begründung hätte. Nein, dafür gebe es keine besondere Begründung, außer: „Wir dürfen das, schauns im SPG nach!“ Und wenn ich keinen Ausweis bei mir hätte? In Österreich besteht doch keine allgemeine Ausweispflicht! „Dann müssens aussteigen, damit wir ihre Identität kontrollieren können.“

 Mit anderen Worten: Ich würde praktisch für meine Ausweislosigkeit bestraft, in dem ich in Wels auf den nächsten Zug warten müßte. Aber Ausweispflicht besteht natürlich keine.

 Weiter nachfragen traue ich mich nicht mehr — denn die letzten Worte des Schlägertyps waren schon sehr knurrig vorgetragen worden. Man kennt ja die charmante Art der Freund und Helfer, handgreiflich zu werden.

 Zuhause schaue ich dann im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) nach. Ich wußte gar nicht, was alles als Ausrede für eine Ausweiskontrolle herhalten kann.

Da liest man dann: „§ 35. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt, … 6. wenn nach den Umständen anzunehmen ist, der Betroffene habe im Zuge einer noch andauernden Reisebewegung die Binnengrenze überschritten oder werde sie überschreiten; 7. wenn der Betroffene entlang eines vom internationalen Durchzugsverkehr benützten Verkehrsweges unter Umständen angetroffen wird, die für grenzüberschreitend begangene gerichtlich strafbare Handlungen typisch sind“.

 Ahja. In einem Zug, der von Wien nach Salzburg fährt und Österreich gar nicht verläßt, darf man zwischen Wels und Attnang annehmen, ich würde eine „Binnengrenze“ überschreiten wollen. Wahrscheinlich ist die zwischen OÖ und Salzburg gemeint. Oder war etwa meine Kleidung irgendwie typisch für „grenzüberschreitend begangene gerichtlich strafbare Handlungen“?

 Kontrollieren dürfen unsere Polizisten auch dann, wenn sie mich „auf Grund bestimmter Tatsachen“ für einen abgängigen Minderjährigen, einen psychisch Kranken oder einen Häftling auf der Flucht halten. Sie dürfen das aber auch, wenn anzunehmen sei, die zu kontrollierende Person „stehe im Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff Auskunft erteilen“ oder „wenn der dringende Verdacht besteht, daß sich an seinem Aufenthaltsort mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereignen“ — und noch ein paar weitere Gummiparagraphen.

 Überall Handtaschenräuber auf der Demo

 Bei der Demo gegen die Burschenschafter am 4.Juni kam es nach Polizeiangaben zu 208 Identitätsfeststellungen — Begründungen dafür schrieb die Polizei nicht in ihre Aussendungen. Auf der Straße hingegen begründeten die Beamten das laut nachfragenden Betroffenen, daß diese einem Gesuchten ähnlich sehen würden oder daß es in der Umgebung zu einem Taschendiebstahl gekommen sei.

 Wozu braucht es da noch ein SPG? Man könnte ja gleich reinschreiben: Die Polizei darf immer und überall die Identität jeder Person kontrollieren.

 Sicher, ganz so ist nun auch wieder nicht. Letztes Monat berichtete das „Rechtsinfokollektiv“, daß ein Mann, der bei einer Demo eine Verhaftung gefilmt hatte und deswegen von der Polizei nach dem Ausweis gefragt worden war, gelungen ist, vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich zu protestieren.

Er erhielt für seine Maßnahmenbeschwerde sogar mehrere hundert Euro Aufwandsentschädigung.

 Nur: Es mag zwar nett sein, wenn man in solchem Fall ein bisserl Geld vom Staat bekommt — für einen Aufwand, den man allerdings tatsächlich hatte –, aber letztendlich kann man sich mit solch einem Urteil nur die Wand tapezieren. Denn die Polizei juckt das nicht. Die macht das das nächste Mal genauso. Solange das für die Polizei als solche und auch für den einzelnen Beamten genau keine Konsequenzen hat, wird sich an dieser Willkür nichts ändern.

 Die einzigen Identitäten die geschützt werden, sind die der Polizisten selbst. Denn diese verhindern es ja qua Personalvertreter immer wieder erfolgreich, auch nur ihre Dienstnummer offen auf der Uniform tragen zu müssen. Und so bleibt auch weiterhin jede Befugnisüberschreitung an jenem armen Beamten hängen, der die Dienstnummer 4711 trägt.

-br-

SPG §35:

http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Dokumentnummer=NOR40154241

Fall des Rechtsinfokollektivs:

http://at.rechtsinfokollektiv.org/masnahmenbeschwerde-gewonnen/