-br- (zgf): Wahl / Debatten – Wolkig bis regnerisch (akin)

Das Wahlergebnis laesst verwirrt zurueck — was ist die Conclusio?

Ein Rundblick durch die Blogosphaere

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Hermann Dworczak sieht am 30.September weniger durch das Auftauchen der NEOS das schwache Abschneiden der Gruenen begruendet als in deren Eigenfehlern:

„Die Gruenen konnten nur ganz leicht dazugewinnen. Deren Fuehrung ist vor allem darauf bedacht ‘mitzuregieren’ (in Tirol mit VP-Platter; in Salzburg sogar mit Stronach!). Glawischnig biederte sich in Interviews auch der Industriellen-Vereinigung an. Ihr kuschelweicher Lamperl-Wahl’kampf’

(‘Saubere Umwelt, saubere Politik – Gemeinsam schaffen wir das’; ‘Bio macht schoen’) tat sein Uebriges.“

Unter dem Zwischentitel „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ meint Dworczak

unverdrossen:

„Ich hoffe doch, dass der mehr als ernuechternde Wahlausgang von etlichen Linken nicht mit einem blossen Achselzucken und Phrasen wie ‘So sind halt die Dinge bei uns — da kann man nix machen’ beantwortet wird. Ich schlage daher konkret vor, mit einem gewissen Abstand zu den Wahlen — etwa im November — einen gut vorbereiteten, breiten, gesamtoesterreichischen Linken Ratschlag zu machen. Zentriert um 2

Punkte: solidarisches Bilanzieren der Wahlen und ihrer Folgen; Ausloten der Moeglichkeiten gemeinsamen Handelns — auf der ‘Bewegungsebene’, aber auch allgemein politisch.“

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In ein aehnliches Horn stoesst auch Manfred Ecker von der „Linkswende“

noch am Wahlabend unter „FPOe beinahe auf 22% – wie kann das sein?“:

„Die Staerke der FPOe ist kein absolutes Mass dafuer, wie rechts die oesterreichische Bevoelkerung ist. Sie ist das Ergebnis einer politischen Auseinandersetzung zwischen politischen Parteien. Die FPOe ist so stark, wie die anderen schwach sind. Wer sich das bildlich vorstellen will, der muss sich nur Faymann, Spindelegger, Glawischnig, Bucher, Stronach und die anderen vor sein geistiges Auge holen. Gegen diese Parteien und Politiker hat die Strache-FPOe gut abgeschnitten.

Oesterreich ist so weit rechts wie es der politische Kampf ergibt.

Gehen die linken Kraefte weiter in die Defensive, dann werden die Rechten noch offensiver und gewinnen mehr Terrain – Oesterreich wird noch rechter. Die brutale Wahrheit ist, dass erst die Bildung einer Partei links der SPOe diese Dynamik wird aendern koennen. Es wird viel Geschicklichkeit und sehr viel Engagement beduerfen, eine echte Partei fuer Arbeiterinnen und Arbeiter aufzubauen, an der sich Gewerkschafter_innen und Leute aus den Betrieben beteiligen.“ (2)

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Die Gruene Wiener Sozialsprecherin Birgit Hebein verzweifelt ein wenig am Wahlausgang und deutet unter dem Titel „Damit die Hoffnung auf rot-gruen nicht stirbt“ etwas dezenter Kritik am Wahlkampf ihrer eigenen Partei an (2.Oktober):

„Die erste Hochrechnung wird bekannt und ich verfalle. In Sekundenschnelle wird klar: trotz gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung und bevorstehender Sparpakete wird kaum Veraenderung gewaehlt; rot-schwarzer Beton, warum gilt diese irre FPOe als Hoffnungstraeger, warum haben wir Gruene die Mauer mit stetigem Tropfen nicht durchbrochen. Und eine Journalistin fragt, warum ich mich nicht ueber den Zuwachs freue? Ja weil es nicht nur um uns Gruene geht. Soll ich jubeln? […] Ich war mir fast sicher, habe uns Gruene sogar auf 17% getippt. Ja, eh. Warum?

Die SPOe ist ohne Visionen, einzementiert auf die grosse Koalition und Verwaltung. Die OeVP fuehrt einen grottenschlechten Wahlkampf, 1.500 Euro brutto den Menschen neidig, eine Poltik fuer die reichsten 5% der Bevoelkerung, mit einen kuenstlich ueberdrehten Kandidaten, unverzeihliches agieren gegen Mindestsicherungsbezieher und -bezieherinnen.

Und wir? Haben gute Voraussetzungen, eine engagierte Kandidatin und sind gemeinsam unterwegs. Setzten durch Marketing des Vorwurf abgehoben zu sein etwas entgegen. ‘Seid populistischer’. Ja eh, die Plakate wurden sicher nicht fuer mich gemacht. Ja, die Plakate.

Intelligente Menschen fuehlen durch sie sich beleidigt, die selben werfen uns aber diese Abgehobenheit vor. Einige davon waehlen den frischen Wind der NEOS. Egal der Inhalt:

Privatisierung, ‘Buergergeld’. Es riecht nach Freiheit, das genuegt.

Es ist zum Verruecktwerden. … Linke Alternative? Nein, eine SPOe der Arbeiter und Arbeiterinnen mit Visionen ohne Angst vor FPOe. Eine Gruenpartei mit ‘Uebersetzung’: statt ‘Bio macht schoen’: gesundes Essen sollen sich alle leisten koennen, warum sollen Menschen im 15ten um 5 Jahre frueher sterben als im 1., denn Armut macht krank. Darueber koennen wir reden.“ (3)

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Karl Fischbacher von Labournet Austria hatte am Wahltag auch „keinen Anlass zur Freude“:

„Die KPOe hat oesterreichweit 1% erhalten. Mirko Messner & Genoss_innen haben noch immer nicht begriffen, dass ihr kommunistisches Hemd schon laengst schmutzig geworden ist. Die SLP erhielt in Wien 844 Stimmen (0,02%). Auch kein berauschendes Ergebnis und trotzdem ist ihr gross anzurechnen, dass sie die einzige Gruppierung in der radikalen Linken ist, die sich im demokratischen Kampf der Refugees engagiert. Neben der SLP grundeln antikapitalistische Linke mehr oder weniger Avantgarde-selbstbewusst unbeirrt weiter. Ihr Zusammenschluss waere selbstverstaendlich auch ein Flop. Wir warten noch immer auf einen neuen Radikalisierungsschub in der Arbeiter_innenklasse und der fortschrittlichen Jugend, der Grundlage fuer ein linkes Revival waere.“ (4)

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Walter Baier, ehemaliger KPOe-Vorsitzender sieht seine Partei naturgemaess positiver, ist aber auch nicht sonderlich begeistert:

„Als einzige ausgewiesen linke Partei stand die KPOe zur Wahl und erreichte ihr traditionelles 1%-Ergebnis (Wien 1,7%, Steiermark 1,8%).

Dort, wo die KPOe kommunal verankert ist, liegen die Ergebnisse zwischen 2,5% und 4% und stellen Positionsgewinne bei bevorstehenden lokalen Wahlgaengen in Aussicht. Die Piraten erhielten 0,8%. Das Problem einer strategischen Neuaufstellung der Linken auf breiter politischer Basis, zu der die KPOe aufruft, bleibt weiterhin ungeloest.“ Ganz allgemein sieht er ein „paradoxes“ Wahlverhalten der

OesterreicherInnen: „Sie haben ihre Unzufriedenheit mit der neoliberalen Politik der Koalition durch die Staerkung neoliberaler Parteien ausgedrueckt, und werden daher noch mehr neoliberale Politik bekommen. Die deutschnationale, rassistische FPOe bleibt … in Lauerstellung.“ (5)

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Die SLP sieht am 2.Oktober ein Quadropol der kleineren Uebel in der oesterreichischen Innenpolitik:

„Die vier Hauptparteien SPOe, OeVP, FPOe, Gruene naehern sich inhaltlich und stimmenmaessig immer mehr aneinander an. Sie werden als zunehmend unattraktiv gesehen. Meist sind Taktik oder das ‘kleinere Uebel’ der Grund einer Partei die Stimme zu geben, echte Begeisterung gibt es kaum. Zwar haben die vier Hauptparteien eine StammwaehlerInnenschaft von 60-70% doch haben sie am meisten ans Lager der NichtwaehlerInnen verloren, die somit „staerkste Partei“ wurden – und das, obwohl es eine Reihe neuer Listen auf dem Stimmzettel gab.

Diese Ablehnung der buergerlichen Demokratie drueckt einen Frust ueber ‘die da oben’ aus und das berechtigte Gefuehl, ohnehin nicht wirklich mitentscheiden zu koennen (2/3 sind der Meinung, dass die Parteien nur die Stimmen der WaehlerInnen wollen, aber ihre Anliegen sie nicht interessieren). Teilen der Bourgeoisie ist die Gefahr, die in der Krise der buergerlichen Demokratie steckt, durchaus bewusst – naemlich, dass Unmut nicht mehr ueber ein Wechseln von verschiedenen mehr oder weniger berechenbaren Parteien ausgedrueckt wird, sondern ein Ventil voellig abseits davon, z.B. in Aufstaenden oder Klassenkaempfen finden kann. Daher auch das Draengen aus diesem Lager auf Veraenderungen bzw. zumindest Signale.

[…] Der Wunsch, zu regieren und die inhaltliche Anpassung u.a. an die OeVP hat die Gruenen aus Sicht der herrschenden Klasse zu einer stabilen und moeglichen Regierungspartei gemacht, WaehlerInnen hat der Kurs kaum gebracht und an der Basis kommt es zu einem Wegbrechen von Schichten, die teilweise inaktiv werden, teilweise nach einer neuen politischen Heimat suchen. Der Zick-Zack-Kurs von Freda Meissner-Blau spiegelt dieses Dilemma wieder (sie ist quasi gruenes ‘Urgestein’, hat dann einen Wahlaufruf fuer den Wandel gemacht, im Zuge des Wahlkampfes dann in einem Standardinterview erklaert, nicht zu waehlen und dann knapp vor der Wahl verlautbart, Oellinger eine Vorzugsstimme zu geben). Manche Linke werden – wie es seit Jahrzehnten bei der SPOe der Fall ist – aus taktischen Ueberlegungen und als kleineres Uebel die Gruenen gewaehlt haben. Begeisterung oder Aktivitaet fehlt aber. […]

Das Fehlen eines sichtbaren linken Angebots war ein zentrales Problem dieser Wahl. Es wird zwar in den Medien nicht transportiert, aber es kam zu einer, wenn auch in bescheidenem Rahmen, Staerkung der Linken:

KPOe, SLP, und auch der Wandel als linke Listen sowie die Piraten, die als links gesehen werden, haben insgesamt an Stimmen und Aufmerksamkeit dazu gewonnen. […] Waere der Appell der SLP fuer ein linkes Wahlbuendnis, das mehr als nur SLP + KPOe haette sein muessen, das AktivistInnen z.B. aus der Plattform 25 in der Steiermark, von den Protesten gegen die Nulllohnrunden in Wien und Salzburg, aus der Fluechtlingsbewegung etc. zusammengefasst haette, aufgegriffen worden, dann haette es die Chance fuer eine starke linke Kandidatur gegeben, die weit sichtbarer und v.a. kaempferischer gewesen waere. Diese haette auch ein Attraktionspol fuer frustrierte FSGlerInnen sein koennen, und v.a. ein Ansatz fuer die Proteste, die gegen die Angriffe der kommenden Regierung so dringend notwendig sein werden.“

Fuer sich selbst sieht die SLP das Wahlergebnis hauptsaechlich als Gewinn in der Mitgliederwerbung:

„Wir haben mit ‘Sozialismus statt kapitalistisches Chaos’ einen sehr klaren Hauptslogan gewaehlt, der uns von allen anderen Parteien unterschieden hat und uns als einzige eindeutig antikapitalistische Liste gezeigt hat. Darauf haben wir vorwiegend positive Reaktionen erlebt. Wir haben mit knapp 1000 Stimmen ein nicht berauschendes, aber passables Ergebnis eingefahren. […] Natuerlich haetten wir uns ueber mehr Stimmen mehr gefreut, doch ohne eine gesamtgesellschaftlich andere Situation waere auch mit mehr Einsatz kaum mehr moeglich gewesen. In diesem Wahlkampf haben uns viele Menschen naeher kennen gelernt bzw. sind erstmals auf uns aufmerksam geworden. Die Tatsache, dass wir noch eine kleine Partei sind und stimmenmaessig nicht bei den ‘Grossen’ mitspielen, wird aber nicht als Manko wahrgenommen, im

Gegenteil: Wir haben seit dem Wahlabend mehr Anfragen fuer Informationen und Beitritte zur SLP als davor.“ (6)*

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Optimismus verbreitet hingegen SOS Mitmensch aus einem thematisch etwas eingeschraenkten Blickwinkel in einer Aussendung und meint das Ergebnis insofern deuten zu koennen, „dass die Parteien, die zivilgesellschaftliche Initiativen fuer eine menschliche Fluechtlingspolitik und fuer die Oeffnung der oesterreichischen Demokratie unterstuetzt haben, von den WaehlerInnen teils deutlich gestaerkt wurden.“

SOS-Sprecher Alexander Pollak: „Auch wenn die FPOe etwas zulegen konnte, gibt es gerade in Menschenrechtsfragen fuer eine zukuenftige Regierung keinen Grund, nach rechts zu schielen. Denn die Parteien, die in Fluechtlings- und Integrationsfragen klare humanistische Positionen vertreten, naemlich die Gruenen und Neos, konnten insgesamt deutlich hoehere Zugewinne verbuchen als die Freiheitlichen“.

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Und Hannes Hofbauer versucht im „Neuen Deutschland“ am 1.Oktober unseren Nachbarn unter dem Titel „Nur einmal noch Rot-Schwarz?“ die seltsame Welt der hiesigen Innenpolitik zu erklaeren:

„Neben dem Erstarken der FPOe … ist vor allem die Oligarchisierung – wenngleich auf niedrigem Niveau – der Parteienlandschaft bemerkenswert. Mit dem 81-jaehrigen Austro-Kanadier Frank Stronach und Hans Peter Haselsteiner (NEOS) betraten Figuren das politische Terrain, die glauben, sich Politik direkt kaufen zu koennen. Die entsprechenden Parteien gleichen in ihrer Struktur eher liberalen Klubs als gesellschaftlich relevanten Organisationen. […] Gemeinsam mit der FPOe und einer der beiden liberalen Unternehmerparteien Team Stronach oder NEOS koennte der liberale Fluegel der Christkonservativen versucht sein, eine Regierung zu bilden. Als Vorbild wuerde die Regierung Wolfgang Schuessel aus dem Jahr 2000 dienen, die die FPOe salonfaehig gemacht hatte. Viel wahrscheinlicher ist indes die Fortsetzung von Rot-Schwarz. Die von konservativer Seite mehrfach betonte Einschaetzung, dass ein Weiterwursteln nicht gewuenscht sei, zielt aber eher darauf ab, einen dritten Partner mit ins Regierungsboot zu holen. Die NEOS haben sich von Beginn ihres Wahlkampfes an fuer eine Regierungsteilnahme angeboten; politisch-personell waeren sie billig zu haben, ihr Kernthema ‘Weniger Staat’ wuerde der SPOe zusetzen und die OeVP mehr in die politische Mitte ruecken. Die Verantwortung fuer schmerzhafte soziale Einschnitte koennten den liberalen Hardlinern der NEOS in die Schuhe geschoben werden.“ (1)

(Zusammenfassung: -br-)

(1)

http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Austria/wahl13c-neu.html

(2)

http://www.linkswende.org/6654/FPOe-beinahe-auf-22-wie-kann-das-sein

(3)

http://birgithebein.at/2013/10/damit-die-hoffnung-auf-rot-grun-nicht-stirbt-gedanken-nach-der-wahl/

(4)

http://www.labournetaustria.at/karl-fischbacher-29-9-2013-osterreich-hat-sich-weiter-nach-rechts-bewegt/

(5)

http://www.sozialismus.de/kommentare_analysen/detail/artikel/oesterreich-hat-paradox-gewaehlt/

(6)

https://www.slp.at/artikel/slp-stellungnahme-zur-nationalratswahl-5193