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Entgegen der Meldung im ORF demonstrierten am 15. Oktober 2011 in Wien über 2.000 Menschen dagegen, dass die Kosten der kapitalistischen Krise auf die breiten Volksmassen abgewälzt werden und für direkte Demokratie.
15o-Demo&Versammlung_in_Wien
Ein Vorbereitungskomitee mit spanischen AktivistInnen der „Empörten“, die in Wien leben bzw. vor kurzem nach Wien gekommen haben in Kooperation mit österreichischen Linken und Autonomen versucht, für diesen internationalen Aktionstag in gewisser Weise „spanische“ basisdemokratische Strukturen an diesem Protesttag umzusetzen. Schon um 12 Uhr versammelte sich ein Diskussionskreis am Heldenplatz, wo nicht wie gewohnt „professionelle“ RednerInnen dem „Publikum“ ihre Meinungen kundtun, sondern jede Frau und jeder Mann in Diskussionskreis kam zu Wort, um ihre/seine Gedanken und auch Gefühle den anderen mitzuteilen.
Attac, in Zusammenarbeit mit vier Gewerkschaften (Vida, PRO-GE, GdG und GPA) war mit einem Informations und Diskussionstand „Wege aus der Krise“ von 12 – 16 Uhr auf der Mariahilferstraße präsent. Offenbar marschierten etliche von den Attac-AktivistInnen dann bei der Großdemo mit.
Um 15 Uhr hatten sich am Christan Broda-Platz beim Westbahnhof die Leute zur großen Demonstration der „Empörten“ versammelt – wieder ohne RednerInnenaufmarsch auf einer Lkw-Bühne bei der Auftaktkundgebung. In der Folge marschierten rund 2.200 Menschen zum Heldenplatz als eigentlich ganz normale Wiener Demonstration mit Demonstrationsblöcken und ihren Fahnen, Samba- und TrommlerInnen-Gruppen die Mariahilferstraße hinunter, kurz über den Ring zum Heldenplatz.
Die große basisdemokratische „Versammlung“ war für 19 Uhr geplant, die aufgrund von zu langer Wartezeit und Kälte auf 18 Uhr vorverlegt wurde. Bis in die Dunkelheit der Nacht wurde in Anknüpfung an die Mittagsveranstaltung in der Abend-„Versammlung“ die basisdemokratische Diskussion fortgesetzt. Nachdem eine Moderatorin das Manifest der spanischen Bewegung “Democracia Real YA”(“Echte Demokratie jetzt!”) in der Mitte des Kreises vorgetragen hatte, startete erneut eine Reihen von Redemeldungen, vorwiegend von Männern, wo jeder und jede das kundtat, was ihm oder ihr vorbereitet oder ganz spontan gerade eingefallen war. In dieser unmoderierten Diskussion kamen so auch esoterisch bis religiös denkende Menschen zu Wort, wo beim ersten Gesamteindruck eigentlich keine Stoßrichtung für direkte Demokratie und gegen die kapitalistische Krisenabwälzung abzulesen war. Empörung eben kam zum Ausdruck, größtenteils spontaner individualistischer Art, die hin und wieder durch linke und antikapitalistische Redemeldungen abgewechselt wurde.
Für Sonntag 12 Uhr rief die InitiatorInnengruppe zur Nachbesprechung und Beratung für die weitere Vorgangsweise wieder auf dem Heldenplatz auf. Vielleicht gelingt es der Initiatorinnengruppe aus der großen Anzahl von Reden auf den „Versammlungen“ die Quintessenz herauszufiltern und sich personell zu verstärken. LabourNet-Austria wird jedenfalls versuchen, weiter darüber zu berichten und unsere pages diesen Diskussionen Platz zu geben.
Wien, 16. Oktober 2011, die Labournet-Austria-Redaktion
Kritik von Gegenstandpunkt<
Von: “akin” < akin.redaktion@gmx.at
Betreff:
Eine Empoerung, die von Illusionen lebt
Datum: Dienstag, 11. Oktober 2011 22:03
akin-Pressedienst.
Aussendungszeitpunkt: Dienstag, 11. Oktober 2011; 21:43
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Globaler Fruehling / Debatte
Eine Empoerung, die von Illusionen lebt
In Spanien, Griechenland, Frankreich und sonst wo versammeln sich
grosse Menschenmassen, zum grossen Teil Jugendliche, auf zentralen
Plaetzen und protestieren. Sie zeigen sich zutiefst enttaeuscht,
bezeichnen sich ueber alle Grenzen hinweg als die “Empoerten” und
finden in der einen Gemeinsamkeit zusammen, dass sie nicht verstehen
und akzeptieren koennen, wie ihre Staaten mit ihnen umspringen. Auf
Plakaten steht:
“Wir sind keine Systemfeinde – das System ist uns gegenueber
feindlich.”
Keine Frage, da haben sie Recht: Das System ist ihnen gegenueber
feindlich. Ein Generalangriff auf ihre Lebensbedingungen hat
stattgefunden und findet statt. Das Leben, in dem sie sich bislang
schlecht und recht durchgeschlagen haben, wird ihnen nicht nur immer
schwieriger, sondern in immer groesserem Umfang unmoeglich gemacht.
Immer mehr, auch und gerade die zitierten “gut ausgebildeten
Jugendlichen”, werden auf Dauer arbeitslos gemacht, die Staaten
streichen gnadenlos die Sozialleistungen zusammen usw. Das ‘System’
nimmt ihnen die Perspektive, die sie gewohnt waren. Dagegen halten
sie, dass sie doch nichts Unbilliges verlangen, wenn sie dieses Leben
weiterfuehren koennen wollen, dass sie doch ganz normale Menschen sind
und ueberhaupt nicht nachvollziehen koennen, warum man ihnen so uebel
mitspielt:
“Wir sind normale Menschen. Wir sind wie du: Menschen, die jeden
Morgen aufstehen, um studieren zu gehen oder einen Job zu finden,
Menschen mit Familien und Freunden. Menschen, die jeden Tag hart
arbeiten.” (Manifest der spanischen Demonstranten)
Da muss man die “Empoerten” fragen: Wie kommen sie darauf, dass sie
mit der Berufung auf ihre Normalitaet so etwas wie einen
Berechtigungsausweis erworben haetten, ein Recht, von ihrer Obrigkeit
beruecksichtigt zu werden? Und umgekehrt: Liegt denn ein Vergehen der
Obrigkeit vor, wenn diese die Normalitaet gerade neu definiert? Denn
das ist es, was geschieht und was die “Empoerten” nicht begreifen
wollen.
Sie sagen, sie seien es gewohnt, hart zu arbeiten. Sie sagen auch, sie
seien es gewohnt, mit bescheidenen Anspruechen durchs Leben zu gehen –
das tragen sie ja wie ein Guetesiegel vor sich her, wenn sie sagen:
Wir fordern doch nichts Besonderes, eben nur unsere Normalitaet. Sie
beteuern also ihre Bereitschaft, in diesem System als kleine
Raedchen – weiter! – mitzuarbeiten. Dabei haben sie sich die Umgebung,
in der sie wie gewohnt ihre Dienste tun wollen, nicht ausgesucht,
geschweige denn selber hergestellt. Vielmehr wurde ihnen diese
Normalitaet hingestellt, naemlich von ihrer Obrigkeit. Die hat mit
ihren Gesetzen bis ins Kleinste hinunter geregelt, wie diese
Normalitaet auszusehen hat bzw. wie man sich in ihr zu bewegen und
bewaehren hat. Sie hat festgelegt, wie man sich seinen Lebensunterhalt
ueberhaupt nur verdienen kann oder ohne einen Verdienst auskommen
muss, wie man eine Familie gruendet und organisiert, wie man sich
einen Altersunterhalt erwirbt oder auch nicht, usw. usf. In einem
Wort: In der Normalitaet, die die “Empoerten” zurueckhaben wollen,
waren sie nichts anderes als abhaengige Variable, eine Manoevriermasse
des Staates. Wenn sie jetzt sagen: “Wir hatten eine Chance, die man
uns jetzt nimmt”, dann war das eine “Chance”, die der Staat
eingerichtet hatte – und zwar nicht, um den Leuten ihre Normalitaet zu
ermoeglichen, sondern nach seinen Berechnungen und zu seinem Nutzen.
Daran hat sich gar nichts geaendert, was das jetzige Handeln der
Staaten nur beweist und was die “Empoerten” selbst erfahren und
beklagen: Auf Basis der von ihnen erlassenen Gesetzeslage machen die,
die fuer die Belange des Staates zustaendig sind, also die
Staatsmaenner, die Gesetze, mit denen sie die neue Normalitaet
herstellen, die fuer den Staat notwendig ist – und wenn das die
Lebensnotwendigkeiten der Leute ueber den Haufen wirft, dann setzt der
Staat damit seine Notwendigkeiten durch. Es ist keine dem ‘System’
immanente Eigenschaft, sich nach den Lebensnotwendigkeiten der ihm
unterworfenen Leute zu richten, deren Lebensumstaende werden vielmehr
danach eingerichtet und die Leute haben sich danach zu richten, was
dieses ‘System’ fuer sich fuer notwendig haelt. Es stellt klar, wie
klaeglich sich die Berechnung der so genannten “kleinen Leute” zu dem
verhalten, was die in diesem ‘System’ zaehlenden Berechnungen sind.
Was das ‘System’ aktuell fuer notwendig haelt, ist kein Geheimnis,
wird sogar offen gesagt: Diese Gesellschaft beruht auf und lebt vom
Funktionieren des Kreditsystems – und wenn dessen “Rettung” an erster
Stelle steht, dann gibt es nicht nur Wichtigeres als die Normalitaet,
nach der die “Empoerten” sich sehnen, diese Normalitaet ist mit der
durchzuziehenden Rettung des Kreditsystems ganz offensichtlich
unvereinbar. Wie es der griechische Finanzminister ausdrueckt: “Unsere
Massnahmen sind hart und ungerecht, aber es fuehrt kein Weg daran
vorbei.”
Die “Empoerten” sagen: “Das System ist uns gegenueber feindlich.” Sie
konstatieren also, dass von Seiten des ‘Systems’ eine Kuendigung
ausgesprochen wurde, die auf ihre Lebensumstaende keinerlei Ruecksicht
nimmt. Sehr deutlich sagen sie aber auch, dass sie – wie die erste
Haelfte des Plakatspruches versichert – eine Gegenkuendigung
gegenueber dem, was sie von Seiten des Staates erfahren, nicht
aussprechen wollen: “Wir sind keine Systemfeinde”. Das ‘System’ sagt
ihnen nach ihrer eigenen Auskunft den Kampf an, sie wollen diesen
Kampf aber nicht erwidern. Mit diesem Widerspruch gehen sie so um,
dass sie ihn immerzu nur beschwoeren: Seht ihr denn nicht, was ihr uns
antut, das kann doch niemand wollen, das haben wir doch nicht
verdient! Der ganze Protest ist durchdrungen von einer hartnaeckigen
Verstaendnislosigkeit, ist ein in Beschwerdeform vorgetragenes
einziges Jammern, und er fasst sich in dem Ausruf zusammen: Das kann
doch nicht wahr sein!
Nun ist es aber wahr, und die “Empoerten” suchen nach Erklaerungen
fuer das eigentlich Unfassbare. Auf die Erklaerung, dass das ‘System’
jetzt wie frueher nach seinen Notwendigkeiten handelt und dass die
“Empoerten” jetzt wie frueher nur das Material dafuer abgeben, kommen
sie nicht oder – “Wir sind keine Systemfeinde” – wollen sie nicht
kommen. Das eigentlich Unfassbare koennen sie sich nur damit
erklaeren, dass eine grosse Abweichung, ein Verstoss vorliegt,
naemlich des ‘Systems’ gegen sich selbst. Wenn das ‘System’, das doch
ein normales Leben ermoeglicht hat, dies nun ploetzlich
verunmoeglicht, dann kann das ihrer Meinung nach nur daran liegen,
dass sich da irgendein boeser Wille breitgemacht und durchgesetzt
hat – statt nach einem Grund fuer das Handeln des ‘Systems’ suchen sie
also nach lauter Schuldigen im ‘System’, die etwas verkehrt machen.
Das koennen natuerlich nicht die normalen Leute gewesen sein, sondern
nur “die Maechtigen”: Die sind verantwortungslos und versagen an ihrer
eigentlichen Aufgabe der Bewahrung der “Normalitaet”, und das tun sie,
weil sie nur auf ihren eigenen Vorteil schauen und das Gute, Wahre,
Schoene gegen Silberlinge verkaufen. Kurz: Das ‘System’ handelt nicht
auf der Grundlage seiner eigenen Gesetzgebung, sondern ist zu einem
einzigen Rechtsverstoss verkommen – es ist, wohin man schaut, von
“Korruption” durchdrungen. In den Worten eines Manifests:
“Wir sind besorgt und wuetend angesichts der politischen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektive, die sich um uns
herum praesentiert: Die Korruption unter Politikern, Geschaeftsleuten
und Bankern macht uns hilf- wie auch sprachlos. Und diese Situation
ist mittlerweile zur Normalitaet geworden – taegliches Leid ohne
jegliche Hoffnung.” (Manifest DRY)
Es ist erstens ein Raetsel, warum dieselben Politiker, Geschaeftsleute
und Banker, die fuer die alte und angeblich aushaltbare Normalitaet
zustaendig waren und sie verbuergten, so ploetzlich eine
verbrecherische Laufbahn eingeschlagen haben sollen. Es ist zweitens
ein Fehler, diesen Figuren, den Zapateros und Papandreous eine Absage
entgegenzuschleudern, auch wenn sie noch so frech – “Haut alle ab!” –
daherkommt: Diese Absage richtet sich gerade nicht gegen die legitimen
Machtbefugnisse, die das Amt diesen Personen verleiht, sondern eben
nur gegen die Personen. Was soll dabei mehr herauskommen, als neue
Personen, die dieselben Aemter besetzen? Weswegen drittens die
Aufregung ueber Korruption laecherlich ist, denn was ist eine
persoenliche Bereicherung schon im Vergleich zu der Gewalt, die diese
Personen nach allen Regeln der Demokratie befugt gegen andere
ausueben? Aber all das interessiert die “Empoerten” nicht weiter –
Hauptsache, sie haben ihre Schuldigen gefunden und koennen an das
eigentlich gute ‘System’ weiterhin glauben. Die Schuldigen nun mit
aller Macht zu bekaempfen, kommt ihnen nicht in den Sinn, vielmehr
wollen sie bei “den Maechtigen” damit Eindruck machen, dass sie ihnen
anklagend ihre eigene “Hilf- und Sprachlosigkeit” vorhalten. Warum
meinen sie, damit bei “den Maechtigen” einen Stich machen zu koennen?
Koennen sie sich gar nichts Anderes vorstellen, als dass ihre
Lebensumstaende weiterhin von Politikern, Geschaeftsleuten und Bankern
festgelegt werden, dass sie sich weiterhin nach deren Vorgaben richten
muessen? “Taegliches Leid ohne jegliche Hoffnung” sagen sie
pathetisch – sie wollen also wieder hoffen koennen? Sie selber sind
“hilf- und sprachlos” und koennen nur darauf setzen, dass “die
Maechtigen” sich wieder besinnen, denn nur die koennen ihnen wieder
eine bessere Normalitaet verschaffen. Das soll der Protest gewesen
sein? (Gegenstandpunkt)
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