Der Sozialabbau des „Sparbudgets“ 2012: Wir brauchen eine Linkskraft in Österreich
Die Manipulierungsmaschinerie für das Volk läuft auf Hochtouren
Österreichs Regierung, ihre Landesregierungsapparate, Gewerkschaftsführungen, Pensionisten-Organisationen und Wirtschafts- und SozialwissenschaftlerInnen samt den Mainstream-Medien – dieser gewaltige Herrschaftsapparat einer Heerschar von neoliberal geklonter bzw. originärer Menschengruppen dominieren die offizielle Öffentlichkeit total. Am 10. 2. 2012 traten dann ihre Regierungsspitzen Faymann und Spindelegger vor die ORF-Kamera, um zu verkünden, dass es ein „sozial ausgeglichenes“ Budget sei, die Kluft zwischen Arm und Reich nicht größer, sondern kleiner werde und Österreich überhaupt in Sachen Arbeitslosigkeit in Europa am besten dastehe. Konflikte würden eben bei uns nicht auf der Straße, sondern am Verhandlungstisch ausgefochten. „Danke Michael!“ „Danke Werner“. In den Tagen zuvor ließen sie den steirischen Obersozialkahlschläger Voves auftreten, aber auch die Altvordern Blecha und Khol stimmten „im Namen der PensionistInnen“(???) dem Sozial- und Pensionsraub zu. GÖD-Neugebauer gab schließlich telefonisch von der Langlaufloipe sein okay zu Nulllohnrunde, Aufnahmestopp, Pensionsverschlechterungen u.a.m. für den Öffentlichen Dienst. So funktioniert Gewerkschaftsdemokratie in Österreich!
Das Krisenszenarium 2007/08
2008 holten bekanntlich faule Kredite und Spekulationsverluste auch Österreichs Banken ein. Noch nie gab es von der Regierung eine solche schnelle und spontane finanzielle Hilfe wie für die Banken, denen dienstbeflissen 100 Mrd. Euro Haftungsrahmen (mit staatlichen Garantien bis 85 Mrd.) und 15 Mrd. sofortige Eigenkapitalstärke zugestanden wurden. Mensch denke dabei nur an das langwierige Zustandekommen der einen(!) „Bildungsmilliarde“, die Töchterle und dessen Regierung 2011 sowieso auf drei Jahre streckten…
2010 schaute die Situation – für Banken und Superreiche – schon wieder besser aus. „Die Presse.com“ schrieb im Mai, dass der Staat gut an den Banken verdiene: Diese hätten an den Staat an Dividenden und Haftungsentgelten 480 Mio. Euro zurückzubezahlen. Da aber „Österreich“ 2010 umgekehrt 202 Mio.u.a. an Staatsschulden an die Banken zu zahlen hatte, blieben dem staatlichen Budget nur mehr 275 Mio. in einer Zeit, als die Banken schon wieder ansehnliche Gewinne schrieben (die Erste 1,36 Mrd. trotz beträchtlicher Abschreibungen in Kasachstan), die BAWAG 125,4 Mio. usw. Die Krone.at titelte dann im März 2011, dass Österreichs Banken Ende 2010 einen Gewinn von 4,2 Mrd. Euro einfuhren.
Warum also das „Sparpaket“ 2012? Österreich steht noch dazu als Niedriglohnland und „Zulieferfirma“ Deutschlands relativ gut da, wo es lukrativ partizipiert an der Exportoffensive des deutschen Imperialismus, der Euroland bis Griechenland niederkonkurriert.
Allerdings war mit der „Bankenrettung“ 2008 die Staatsverschuldung (von 2008 bis 2011) um 35 Mrd. Euro auf 215,495 Mrd. Euro bzw. 74,6 % des BIP angewachsen (2007 waren es knapp über 60%!).
Über den österreichischen Banken und der SPÖVP-Regierung kreisten allerdings schon die ganze Krisenzeit die Post-Maastricht-Troika von Merkozy, EZB & IWF und – ergänzt eigentlich erst ab dem Kriseneinbruch 2007/08 – die US-Ratingagenturen. Allesamt sind sie Dienstboten der sogenannten „Finanzmärkte“, sprich der großen Banken, Finanz- und Versicherungsgesellschaften mit der Meute von spekulierenden Yuppies rund um den Erdball. Und im Jänner 2012 war es dann so weit, als Standard & Poors Österreich und andere EU-Länder das Triple A entzog.
Österreichische und europäische PolitikerInnen und WirtschaftswissenschaftlerInnen beklagen des Öfteren die US-Konkurrenz, die hinter den „Urteilen“ der Ratingagenturen stehe. Das stimmt sicherlich zu einem Teil. Letztlich kommt es aber auch dem europäischen Eurobillionen-Großkapital zupass, wie es der ganze soziale Niedergang auf dem europäischen Kontinent zeigt. EU-Troika & US-Ratingagenturen starteten mit der Rezession und dem Finanzcrash 2007/08 mittels Finanzpakt und Downgrades ganzer Staaten wie Griechenland, Portugal, Spanien, Italien u.a. die entscheidende Offensive für einen radikalen Abbau der europäischen Sozialstaaten! Das große Geld in Europa will das noch im parlamentarischen Rahmen durchführen. Darum die fast schon „1984“er-Sprachverrenkungen der Politikergarden, eine Politik, die Menschen ins soziale Elend stößt angesichts eines schier unvorstellbaren Luxus der Reichen als „sozial gerecht“ zu preisen. In Griechenland glaubt ein Gros des arbeitenden Volkes „ihrem“ Parlamentarismus solches schon lange nicht mehr. In Österreich 2012 gelingt das der Regierungsmacht leichter, weil wie gesagt hierzulande Kapital und reiches Kleinbürgertum als „kleiner Bruder“ des deutschen Imperialismus ökonomisch noch relativ stabil dasteht und die Dualität von kleinkapitalistischer ÖVP und bürgerlich-reformistischer Sozialdemokratie noch nicht die vollständige Zerstörung des Sozialstaates durchziehen mussten.
Die wirkliche Provokation des Budgets 2012
Die da „oben“ verschweigen wohlweislich, dass die aktuelle Schuldenkrise zu ihrem Großteil von der Finanzkrise 2008 herrührt! Die Linke und auch (anfangs) der ÖGB formulierten diesen Umstand zutreffend damit, „ihre Krise nicht zu bezahlen“! Das österreichische 70:30-„Sparpaket“ ist vor dem Hintergrund des 230 Mrd-Reichtums einer kleinen Minderheit in Österreich die wirkliche Provokation dieses Budgets! Auf vier Jahre befristet sollen die „Besserverdiener“ bloß rund 1,1 Mrd. Euro abgeben. Den Banken- und Konzern-Vorständen, Regierungsmitgliedern usw. stört es vielleicht ein wenig, wenn ihre 13. und 14. Monatsgehälter mehr besteuert werden als bisher (uns nicht!). Das wirklich große Geld in Ö bleibt allerdings völlig ungeschoren: Das Vermögen der Reichen und Superreichen vermehrte sich von 2010 – 2011 um 9,5% auf den bisherigen Höchstwert von 230 Mrd. Euro. „Allein die zehn reichsten Österreicher verfügen gemeinsam über insgesamt 63,5 Mrd. Euro.“ (Valluga AG, Liechtenstein, der standard, 1.9.2011)
Lebenslänger und intensiver malochen und gestohlene 17 Mrd. Euro …
„70%“ sollen halt wieder die Lohnabhängigen, BeamtInnen und PensionistInnen mit Einkommenskürzungen und Lebensjahren bezahlen. Rund 17 Mrd. Euro! Die sozialen Hämmer treffen allen voran die PensionistInnen, wo ehemaligen LohnarbeiterInnen und BäuerInnen 7,3 Mrd. Euro mittels Pensionskürzungen, Frühpensionsverschlechterungen u.a.m. abgezogen werden. Das arbeitende Volk soll lebenslänger beruflich gebunden sein. 65-, 66-, 67- Jährige usw. müssen weiter malochen, unter Umständen voller Unwillen und Hass auf den Job. Vielleicht noch mit Leiden von früheren Arbeitsunfällen „gesundgeschrieben“ vom AMS in fremde Jobs vermittelt (weil auch der „Tätigkeitschutz“ gestrichen wurde). Die meisten Alten kommen dann ohnehin aus der Arbeitslosigkeit! Nur “sozialwissenschaftliche” bzw. ministerielle Lohnarbeitsfanatiker wie Bernd Marin oder Rudolf Hundstorfer wollen das nicht wissen. Da neigt man dazu, sie im Sinn von Seeböcks Häfenelegie zu fragen: “Hobs scho grobn?” Auch die „Pensionistenvertreter“ Khol & Blecha sangen in diesen Tagen voller Inbrunst das „Hoch die Arbeit“-Lied. „Altsozi“ Karl Blecha sollte vielleicht wieder einmal Paul Lafargues Schrift „Recht auf Faulheit“ lesen!
Den Beamtinnen kommen mit Nulllohnrunden 2,5 Mrd. Euro abhanden, während gleichzeitig der Arbeitsstress durch totalen Aufnahmestopp verschärft wird. Keine „Massensteuern“ eingeführt zu haben, klopften sich Faymann und Spindelegger schließlich auf Schulter, wie gerecht verteilt das „Sparpaket“ doch sei. „Denn sparen müssten eben alle: Fünf Millionen Menschen mit Bausparverträgen und Zukunftsvorsorgeversicherungen, Vereinsmitglieder oder BäuerInnen werden Zuschüsse bzw. Förderungen im Geldwert von 3,4 Mrd. gestrichen. Fünf, sechs Millionen Menschen sind halt keine Masse …
Wir brauchen eine Linkskraft in Österreich
Die FPÖ ist relevant, weil ihr Wahlvolk gegen 30 Prozent geht. Das BZÖ gibt’s (hoffentlich) nach den Wahlen 2013 nicht mehr im Parlament. Beide Rechtsparteien könnten sich zum Sozialabbau-Budget der Regierung 2012 vielleicht diskreditiert haben? Sie wollen verstärkt ausgabenseitig „sparen“, d.h. das Kapital und die Reichen ungeschoren lassen. Während Straches semifaschistische Formation vor allem gegen die Geldtransfers an EU und Griechenland wetterte und schließlich doch noch auf den sozialpopulistischen Zug aufsprang, fehlte Buchers Möchtegern-rechtsliberalem BZÖ eine radikale „Verwaltungsreform“ offenbar mit massivem Beamtenabbau, Abschaffung des Bundesrates usw.
Die Grünen wiederum fanden gerade die Ansätze im „Sparpaket“ zur Verwaltungsreform für positiv. Glawischnigs Kritik an der „sozialen Unausgewogenheit“ des Budgets kontrastiert zu ihrem zweiten Hauptvorwurf, dass die Bundesländer nur 2,7 Mrd. (statt 5,2 Mrd.) Euro zum „Sparpaket“ beitrügen. Offenbar haben die Grünen nicht Voves Sozialabbaupolitik in der Steiermark in Erinnerung, wo nach Spitalschließungen und Sozialamtskürzungen voriges Jahr 15.000 SteirerInnen auf die Straße gingen („Plattform 25“). Die ÖVP-dominierten Landeshauptmannschaften werden wohl (gegen den Widerstand vor allem kleiner Gemeinden) denselben Sozialabbau-Kurs fahren wie in der Steiermark.
In Österreich fehlt eine Linkskraft! Es gibt zur Zeit keine gesellschaftlich relevante Initiative, die zu diesem Sozialabbau-Budget klar und deutlich ausschließlich im Interesse der lohnarbeitenden, erwerbslosen und verarmten Menschen Nein zum Budgetentwurf der SPÖVP-Regierung sagt. Wir werden sehen, ob sich in der Basis der (sozialdemokratisch dominierten ) Gewerkschaften und in der Sozialdemokratie wieder eine Opposition entwickelt? Schlucken sie Faymanns Phrasen und Lügen, dass sein Koalitionskurs mit der reaktionären ÖVP zu einem „sozial gerechten“ „Sparpakets“ 2012 geführt hat? Und nehmen sie ihm ab, dass seine SPÖ-Führung weiter für echte Vermögenssteuern einsteht? Oder nicht?
Unabhängig davon sollten sich alle Linken in diesem Österreich auf den Aufbau einer Linkskraft konzentrieren. Ich gehe nämlich davon aus, dass es in Österreich auf absehbare Zeit keine Streikkämpfe ähnlich wie in anderen EU-Ländern gegen „Sparpakete“ geben wird und bestenfalls eine linksreformistische Bevölkerungsminderheit plus einige tausend antikapitalistische Linken existieren. Es geht darum, was es heute an fortschrittlichem Potenzial in Österreich gibt bzw. wer sich gegen dieses Sozialraub-Budget radikalisiert? Es sind die vielen hunderten AktivistInnen in sozialen, feministischen oder antirassistischen Initiativen und Gruppierungen, die sich oft schon jahrzehntelang gegen Ungerechtigkeiten, Rassismus und Kapitalismus engagieren. Alle jene auch, die in der jüngsten Vergangenheit aufgestanden sind, in den Streiks 2003 bis zur Anti-Bologna-Studentinnenbewegung, so sie nicht durch die (Teil-) Niederlagen ihrer Kämpfe demoralisiert sind. Sie alle könnten eine Basis für eine neue Linkskraft in Österreich sein!
Karl Fischbacher
Wien, 11.Februar 2012