Einleitung: DER ÖGB NACH SEINEM 11. KONGRESS
Vom 5.-10.Oktober 1987 tagte in Wien der 11. Bundeskongreß des ÖGB unter dem Motto „Arbeit, Bildung, Freizeit – Die Chance nützen!“. Auf diesem Kongress legten 710 Delegierte, davon 368 mit Stimmrecht, die gewerkschaftspolitische Linie für die kommenden vier Jahre fest. Die Chance, die bisherige Praxis und Theorie des ÖGB kritisch anhand der Erfahrungen der letzten Jahre zu überprüfen, wurde nicht genutzt. Trotz so mancher kritischen Stimme blieb der 11.Bundeskongreß des ÖGB nichts anderes als eine ‚apparatmäßig‘ aufgezogene Veranstaltung, die „um der formalen Demokratie willen‘ stattfinden muß, um die ‚Realpolitik‘ der Führung periodisch zu fechtfertigen. Die verhängnisvolle Politik der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft wird weiterhin bedenkenlos die Richtlinie für das Handeln der Gewerkschaften abgeben. Die Chance, die Gewerkschaften wieder zu ‚Kampforganisationen der Arbeitnehmer“ zu machen, wurde nicht genutzt. Von der überwältigenden Mehrheit der Delegierten war dies aber ohnehin nicht die Absicht!
Die Gewerkschaften aber wieder zur ‚Kampforganisation der Arbeitnehmer‘ zu machen wird immer mehr zum Interesse der Masse der Gewerkschaftsmitgliedschaft. Kaum vierzehn Tage nach dem 11.ÖGB-Kongreß beschloss die ÖIAG die Zerschlagung der Verstaatlichten, womit die Existenzgrundlage tausender Beschäftigter brutal vernichtet wird, Sozialleistungen beseitigt, Löhne gekürzt und weitgehende Privatisierungen vorbereitet werden. Nur einen Tag nach diesem ÖIAG-Beschluß wurde bekannt, daß ab sofort in der VEW in Ternitz 650 Arbeiter und Angestellte gekündigt Herden, und bei der Elin sollen im kommenden Jahr 700 Beschäftigte in Weiz, 500 in der Fabrik Brünnerstraße abgebaut werden. Auch in der Verwaltung in Penzing soll es zu Reduktionen kommen. Insgesamt sollen in der ÖIAG 25.000 Beschäftigte abgebaut werden.
Am 30.10.beschieß der Betriebsrat in Oonawitz einen freiwilligen Lohnverzicht. Die Lohnerhöhungen der Arbeiter solle sich auf ein Prozent beschränken und der restliche Anteil der vereinbarten Ist-Lohn-Erhöhung von 1,75% wird in die sogenannte Stahlstiftung eingebracht Herden. Die Stahlstiftung besteht hauptsächlich in Betreuungsangeboten bei Arbeitssuche und Umschulung, kostet aber den Zugriff auf die Abfertigung, welche gesperrt wird, damit die Stiftung die Zinsen kassieren kann. Di« Stahlstiftung kann bestenfalls 1500 Kolleginnen und Kollegen versorgen. Doch der Lohnverzicht rettet Donawitz nicht. Anfang November wurde der Hochofen Nummer vier „niedergeblasen“, also stillgelegt. Es ist dies der erste Schritt zu einem Ministahlwerk Donawitz, denn die Stillegung des Hochofens richtet sich gegen das Fundament des Betriebes. Und ein paar Tage danach wurde es auch klar, denn der VOEST-Alpine Vorstand be-
schloß die Ausgliederung des Standortes Donawitz. Was konkret als nächstes folgen wird ist noch unklar, aber viele Möglichkeiten gibt es jetzt nicht Mehr. Einerseits könnte ein ausländisches Unternehmen, etwa Klöckner, das vom KVA-Verfahren, welches bessere Ergebnisse als erwartet aufweist, Mitprofitieren will, hereingenommen werden. Andererseits könnte eine Stillegung oder eine Weiterführung als Ministahlwerk mit wenig Beschäftigten folgen. Die Antwort der Betriebsräte und der Gewerkschaften MBE und GPA auf diesen massiven Angriff ist mehr als beschämend. So sagte der SP-Betriebsratsvorsitzende Fauland die schon lange für den 17.11. geplante Betriebsversammlung ab, und die Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie protestierte nur gegen die Vorgangsweise des Vorstandes, nicht aber gegen die Ausgliederung von Donawitz selbst.
Anfang November wurde auch versucht die Arbeiter des Walzwerkes der VOEST in Judenburg zu erpressen. In einer Betriebsversammlung wurde mitgeteilt, die Existenz des Betriebes hänge davon ab, ob die Löhne um 2% gekürzt und obendrein durch die „Stahlstiftung“ belastet werden. Als Draufgabe sollen in den nächsten zwei Jahren 120 Beschäftigte abgebaut werden. Die Judenburger Arbeiter sind jedoch nicht bereit das Lohnkürzungskonzept zu akzeptieren. Auch im Bergbau kommt es zu Massiven Angriffen auf die Kumpels. So erklärte Bogdandy wörtlich: „Wenn der Dollar auf zehn Schilling sinkt, wird es schwierig. Dann müßte der Erzberg geschlossen oder eine öffentliche Bergbauunterstützung gewährt werden.“ Der Abbau von 390 Beschäftigten an Erzberg würde dann nicht ausreichen. • Bergbau Bleiberg will die Direktion wiederum eine Änderung der Schichteinteilung durchführen. Die Direktion will in der Grube eine 9-tundenschicht einführen, da der derzeitige Dreischichtbetrieb zuviel Leerzeiten beinhalte. Diese Leerzeiten, die vor allem beim Schichtwechsel auftreten, sollen durch den Übergang auf zwei 9-Stundenschichten reduziert werden. Der Zentralbetriebsratsvorsitzende Rauter stimmte den Forderungen der Werksleitung zu, und am 7.11. fand im Bergbau Bleiberg eine Betriebsversammlung dazu statt. Die Entscheidung über die Einführung des 9-Stundenschichtmodells wurde vertagt, weil mehr als die Hälfte der Stimmberechtigten nicht anwesend waren. Was aber bereits Tatsache ist, ist die Reduzierung des Beschäftigtenstandes in der Grube von derzeit 237 auf etwa 115 Arbeiter.
Die Ausdehnung der Arbeitszeit wurde auch in Ferlach probiert, wo die Werksleitung der VOEST den Arbeitern in der Werkzeugfabrik eine 48-tundenwoche verordnen wollte. Diese Forderung der Werksleitung wurde jedoch entschieden abgelehnt.
Die Stölzle Werke in Nagelberg und in den beiden Wiener Geschäften mit derzeit insgesamt 430 Arbeitern und Angestellten sind ebenfalls Anfang November in Konkurs gegangen und haben ‚vorsorglich‘ für alle Beschäftigten über das Frühwarnsystem die Kündigungen angemeldet. Stölzle ist ein Fall, den sich alle Arbeiter und Angestellte in den ÖIAG-Betrieben genau anschauen sollten. Im Geschäftsjahr 1985 brachte der Betrieb noch gute Ergebnisse. Manfred Swarovski, ein Verwandter aus dem Familienunternehmen Swarovski in Wattens in Tirol, hat im Sommer 87, rückwirkend mit 1.Jänner 1986, von der CA um angeblich 70 Millionen Schilling den Nagelberger Betrieb einschließlich der beiden Geschäfte, von denen ein Maus alleine gut 30 Millionen Schilling gut ist, in Wien abgekauft. Der Zweck dieser Aktion war lediglich, daß Swarovski einen Konkurrenten ausschalten wollte, nachdem vorher noch das Know-how entlockt wurde. Stölzle beweist eindringlich, wohin die Zerschlagung mit darauf folgender Privatisierung führt – zur Konzentration, die aber unerbittlich verbunden ist mit Betriebsstillegungen und Massenentlassungen.
Der ÖGB hat bereits vor dem ll.Bundeskrongreß diese Entwicklung mitgetragen, und er betonte mit Vehemenz, daß er auch nach dem ll.Kongreß beabsichtige ‚eine tiefgreifende Reorganisation‘ der ÖIAG-Betriebe ‚zu leistungsstarken, den Anforderungen des internationalen Wettbewerbes gewachsenen Einheiten“, zu unterstutzen.“Die wesentlichen Schritte dahin: Die nationale Großindustrie hat sich grundsätzlich an betriebswirtschaftlichen Zielen zu orientieren. Prinzipiell soll sie künftig beschäftigungs- und regionalpolitische Zusatzaufgaben übernehmen – aber nur, soweit dies nicht die Substanz der Unternehmen unterhöhlt. (…) Zur Verbesserung der Produktions- und Verfahrensstruktur sollte die Zusammenarbeit mit privaten österreichischen Unternehmen verstärkt werden. (…) Trotz einzelner Rückschläge sind die Bemühungen, im Bereich der Hochtechnologie Kooperationen mit fahrenden ausländischen Unternehmen einzugehen, fortzusetzen. Dabei sind sowohl gemeinsame Betriebsansiedlungen in Österreich als auch eine gemeinsame Bearbeitung von Auslandsmärkten zu erwägen. (…)“ (aus der Diskussionsgrundlage des Arbeitskreises ‚Wirtschaftspolitik‘. „Es war die Aufgabe der vom ÖGB-Bun-desvorstand eingesetzten Arbeitskreise, spezielle Problemkataloge zu erarbeiten und Lösungsmöglichkeiten anzubieten.“)
Der ÖGB unterstutzt folglich auch die Pläne der ÖIAG und der Großen Koalition. Die überwältigende Mehrzahl der ÖIAG-Beschäftigten hat bei dieser Politik des Österreichischen Gewerkschaftsbundes tatsächlich keine Chance!
Doch Widerstand regt sich, und die Beschäftigten der Elin nehmen dabei eine hervorragende Stellung ein. Bereits am 2.11.1987 legten hunderte Arbeiterinnen und Arbeiter im Elin-Werk Brünnerstraße in Wien-Floridsdorf spontan die Arbeit nieder, um gegen die Vernichtung von mehr als 1000 Arbeitsplätze zu protestieren. Sie verlangten sofortige Kampfmaßnahmen und in einer Resolution des Zentralbetriebsrates hieß es, daß die Belastbarkeit der Belegschaft derart angespannt ist, „daß mit härtesten Protestaktionen zu rechnen ist.“ Den murrenden Arbeiterinnen und Arbeitern wurde auf einer Betriebsversammlung an 4.11. versprochen, daß ja eh keine weiteren Kündigungen geplant seien, und die Motorenproduktion in Wien bleiben solle. Darauf sah die Belegschaft von sofortigen Protestaktionen ab, und der Vorschlag, mit den vor den Werkstor wartenden Studenten, für die Erhaltung der Arbeitsplätze zu demonstrieren, fand nur die Unterstützung von ca. 20 Beschäftigten. Am 13.11.1987 tagte nun der Elin-Aufsichtsrat in Wien-Penzing, wo der Sitz der Verwaltung ist. Mit rund einem Dutzend Autobusse fuhren hunderte Arbeiterinnen und Arbeiter von Floridsdorf nach Penzing und vereinigten sich dort mit den Beschäftigten der Zentrale zu einer großen Kundgebung. Trotz dieser Demonstration wurde die Verlagerung der Elin-Motorenproduktion von Wien nach Weiz vom Aufsichtsrat am späten Nachmittag bestätigt. Der Belegschaft wurde noch am Vormittag bei ihrer Demonstration versichert, daß dies nicht auf der Tagesordnung stehe. Ein weiterer Beschluß zeigt, wie ernst es dem Aufsichtsrat mit seinen Plänen ist, denn durch Umorganisation soll bis Ende der achtziger Jahre die „Börsenfähigkeit“ erreicht werden.
Der Aufsichtsrat will der Elin-Belegschaft keine Chance lassen. Die sozialpartnerschaftlich eingestellte Gewerkschaftsführung und die kooperationsbereiten Betriebsräte leisten ihm dabei kräftige Schützenhilfe, indem sie ebenfalls behaupten, daß es in wesentlichen keinen Ausweg gäbe. Die Elin-Belegschaft wird dabei betrogen und belogen. Es gibt einen Ausweg und sie haben eine Chance – nämlich den Kampf. Der vier-verschmähte und geächtete Klassenkampf, demokratisch organisiert und revolutionär geführt, ist alleine in der Lage die Interessen der Elin-Belegschaft und die aller anderen von der kapitalistischen Krise betroffenen Belegschaften zu verwirklichen. Die Elin-Belegschaft beginnt zögernd den Weg des Klassenkampfes zu beschreiten. Sie gibt sich dadurch selbst eine Chance. Sie nützen kann sie sie nur, wenn sie geschlossen den Kampf verschärft und auszudehnen versucht auf möglichst viele krisenbetroffene Betriebe.
Darin liegt auch die Chance, die Gewerkschaften tatsächlich wieder zu Kampforganisationen der Arbeiterklasse zu Rachen. Im folgenden Text, der von der Gewerkschaftszelle der IKL vorbereitet und von der 9.Konferenz der IKL, Mitte Oktober 1987, angenommen wurde, wird versucht eine Grundlage für zukünftige Thesen für die Arbeit innerhalb der Gewerkschaften zu schaffen.
Der Weg der Gewerkschaft.
VORBEMERKUNG
Anfang Juli 1987 erschütterte ein gewaltiger Massenstreik Südkorea. Neben höheren Löhnen forderten die streikenden Arbeiter und Arbeiterinnen die Zulassung und Anerkennung von unabhängigen Gewerkschaften. Zur selben Zeit erlebten wir in Südafrika den größten Streik in der Geschichte des Landes. Organisator und Träger dieses Ausstandes waren die, vom Apartheid-Regime, unabhängigen Gewerkschaften. 340.000 Bergarbeiter sind dem Ruf ihrer Gewerkschaft, der NUM gefolgt. Die Lebensmittelarbeiter und Postbediensteten schlossen sich den Streik an und übernahmen die Forderungen der Bergarbeiter. Schließlich rief am 19.8.1987 das „Arbeiter-Nationalkommando von Chile“ (CNT) vor zehntausenden von Demonstranten zu eine» Generalstreik am 7.Oktober auf. Mit diesem Streik gegen das Militärregime von General Augusto Pinochet solle „der Kampf zur Miederherstellung der Demokratie fortgesetzt werden“, erklärte der CNT-Führer Manuel Bustos.
In vielen anderen Ländern erlebten bzw. erleben wir eine stürmische Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung. Von Polen über Brasilien und El Salvador bis zu den Philippinen organisieren sich die werktätigen Massen in wirtschaftlichen Organisationen, die zu Brennpunkten des jeweiligen nationalen Klassenkampfes wurden. Zeitgerafft machten sie die Entwicklung durch, die in den klassischen kapitalistischen Ländern des europäischen Kontinents zur Herausbildung von Gewerkschaften führte. Aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Situation in den Ländern mit relativ junger Gewerkschaftsbewegung nahm bis heute die Fehlentwicklung der Gewerkschaften nicht dasselbe Ausmaß an wie in Europa und den USA. Der Integration der Gewerkschaftsorganisationen in den bürgerlichen Staat sind z.B. in Südafrika, Südkorea und Chile gewaltige Hindernisse im Wege. Die wirtschaftliche Krise und die politischen Regimes zwingen den Gewerkschaften dort, mit oder gegen ihren Willen, den politischen Massenstreik auf, dessen revolutionäre Dynamik bereits heute schon zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führt.
Doch die Gewerkschaften sind aus sich heraus nicht in der Lage, diese mit jedem politischen Massenstreik aufs neue gestellte Machtfrage positiv zu beantworten. Nur wenn die Gewerkschaften unter der Führung von geschulten Marxisten und Marxistinnen stehen, die sie bewußt in die richtige Bahn lenken, können sie die Widersprüche des Kapitalismus, mit denen sie selbst behaftet sind, überwinden. Die Wirtschaftliche Befreiungsbewegung der Arbeiterklasse muß Hand in Hand mit deren politischer Befreiungsbewegung gehen. Es gibt nicht zwei Bewegungen des kämpfenden Proletariats. Es gibt nur einen Klassenkampf und in diesen Kampf hat die Partei die Führung, denn mit dem Zuspitzen der kapitalistischen Widersprüche wird die politische Machtfrage immer mehr zur Voraussetzung der wirtschaftlichen Vertretung der Arbeiterklasse. Diese Erfahrung nacht Schritt für Schritt die in den Gewerkschaften organisierte Arbeiterschaft.
Die Gewerkschaften sind das eigentliche Sammelbecken für die große Nasse der Arbeiterschaft und damit sind sie auch schon der erste Schritt auf den Wege der Konstituierung der Klasse. Im gewerkschaftlichen Zusammenschluß drückt sich das Bewußtsein des NICHTSO-SEINS wie die Kapitalisten aus, er organisiert die Arbeiterklasse als „eine Klasse gegenüber dem Kapital“ (Marx). Die Gewerkschaften sind so eine Schule des Zusammenschlusses, der Solidarität, des Wirtschaftens und Verwaltens; sie sind eine Schule des Sozialismus, und ihre historische Aufgabe ist die Konstituierung der „Klasse für sich selbst“ (Marx). Dies wird zusehends möglich, wenn die Arbeiterklasse die Unmöglichkeit einer endgültigen und allgemeinen Besserstellung erkannt hat und die Überwindung des Kapitalismus als ihre Aufgabe erfaßt hat. Dann kann das negierende NICHTSO-SEIN ersetzt werden durch ein positives ANDERS-SEIN.
Auch bei uns in Österreich stellen die Gewerkschaften ein gewaltiges Bollwerk der Arbeiterklasse dar. Es ist die gegenwärtige Gewerkschaftsführung, die ihren Frieden mit dem Kapital geschlossen hat und die Teil des bürgerlichen Staates geworden ist, aber bemüht, die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse vom Kapital und dessen Staat mit allen Mitteln zu verhindern. Der Prozeß der Konstituierung der Arbeiterklasse zur „Klasse für sich selbst“ vollzieht sich daher in zähem Ringen mit den schädlichen Einfluß der Gewerkschaftsführung und -bürokratie. So erleben wir gegenwärtig ein Schauspiel, in dem die Gewerkschaftsführung Schritt für Schritt vor der Offensive des Kapitals zurückweicht und sie gleichzeitig versucht, die Arbeiterklasse am aktiven Widerstand gegen die kapitalistische Rationalisierung zu hindern. Die Gewerkschaftsbürokratie tritt den Mitgliedermassen als Helfershelfer der Kapitalisten in den Reihen der Arbeiterklasse gegenüber. Die gewaltige Bastion der österreichischen Arbeiterklasse, die Gewerkschaft, ist von der Offensive des Kapitals und vom zersetzenden Einfluß der Bürokratie bedroht. Die Gewerkschaften zu retten, indem wir versuchen sie zu revolutionieren, ist daher eine der dringendsten Aufgaben in Kampf gegen die Offensive des Kapitals.
DIE NOTWENDIGKEIT EINER LOHNTHEORIE
Die Gewerkschaften sind die ‚Preisfechter‘ der Arbeiterklasse. Jede Gewerkschaftspolitik ist daher ursprünglich Lohnpolitik. Es ist daher von außerordentlicher Bedeutung für die Gewerkschaften, den Mechanismus der Gesellschaft, in der sie den wirtschaftlichen und sozialen Schutz des Arbeiterlebens erkämpfen will, zu untersuchen und zu erkennen. Die Bedingungen, die die Gewerkschaften bei der Erfüllung ihrer Aufgaben vorfinden, sind die Bedingungen der kapitalistischen Wirtschaft selbst. Diese Bedingungen sind nach Zeit und Umständen sehr verschieden, denn die kapitalistische Wirtschaft ist nichts Stetiges. Bild und Form sind in ständiger Veränderung begriffen. Um diese Veränderung analysieren zu können, ist es notwendig, zu den Wurzeln der kapitalistischen Ausbeutung zurückzukehren, zum Kampf von Lohnarbeit und Kapital um das Produkt der Arbeit. Jede Gewerkschaftstheorie muß daher ausgehen von einer Lohntheorie, und der ÖGB verfügt selbstredend über eine solche. Lassen wir kurz Anton Benya zu Wort kommen, der in „Gewerkschaften in der Welt von heute“ auf Seite 9 folgendes schreibt: „Die Gewerkschaften betrachten sich als Mitträger, als Teil der Volkswirtschaft. Sie betrachten diese Volkswirtschaft als Boden für ihr Wirken. Sie wissen, daß der Wohlstand des Volkes auf dem Gesamtertrag der wirtschaftlichen Tätigkeit beruht.“ Die Voraussetzungen für Lohnzuwachs sind damit gekoppelt an die Steigerung des Wirtschaftswachstums. Fritz Klenner formuliert das unmißverständlich: „Die Lohnpolitik hat zu berücksichtigen, daß de stetige Hebung der Lebenshaltung von einer kontinuierlichen Wachstumsrate abhängig ist. Die Gewerkschaften sind daher existentiell am Wachstum der Wirtschaft interessiert. Ihre Lohnpolitik muß sich nach der Zusatzrate orientieren und hat Investitionen als Zukunftsvorsorge einzukalkulieren. Die wirtschaftliche Mitbestimmung der Gewerkschaften ist notwendig, denn nur dann werden sie die der Wirtschaftsexpansion dienenden Maßnahmen fördern.“ (‚Die österreichischen Gewerkschaften‘, Seite 190) Die ÖGB-Führung hat damit eine einfache, nichtsdestotrotz aber falsche Lohnformel, nämlich: Wirtschaftswachstum minus Zukunftsvorsorge ergibt den Prozentsatz der Lohnerhöhungen. Sie ist damit glücklich bei der klassischen Nationalökonomie angelangt, die ja behauptete, daß der Lohn der Preis der Arbeit ist.
Damit kann die ÖGB-Führung gleich zwei Fliegen auf einen Schlag treffen. Einerseits dient der Ausdruck „Preis oder Wert der Arbeit“ lediglich dazu, die wahren Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft und damit die kapitalistische Ausbeutung zu verschleiern. Denn wenn ein „Wert der Arbeit“ wirklich existierte und wenn dieser Wert dem im Arbeitslohn bezahlten Preis der Arbeit zugrunde läge, so wäre damit die Existenz des Kapitals, das heißt des wesentlichsten Bestandteils der heutigen kapitalistischen Wirtschaftsform, unmöglich gemacht. Und andererseits kann die Gewerkschaftsführung das „Weston’sche“ Argument übernehmen, welches besagt, daß Streiks für Lohnerhöhungen überflüssig und sogar schädlich sind, denn sie verteuern nur die Waren und nehmen daher dem Arbeiter als Konsumenten, was sie ihm als Produzenten gegeben haben. So ist es denn kein Wunder, daß Österreich trotz hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad mit 0,05 jährlichen Streikminuten pro Arbeitskraft für das Jahr 1986 am Ende der Stufenleiter der Streikstatistik steht. Mit ihrer Lohntheorie legitimiert die derzeitige Gewerkschaftsführung ihre Politik der Klassenzusammenarbeit, ungeachtet der Tatsache, daß ihre zweifelhafte Theorie aber schon gar nichts mit der kapitalistischen Realität gemein hat. Sie verkauft den Schein des gerechten Tausches für die Wirklichkeit!
Zu ganz anderen Erkenntnissen führt uns die Marx’sche Analyse. De« Arbeiter wird nämlich in seinem Lohn keineswegs ‚die Arbeit‘ bezahlt, sondern die Arbeitskraft, die in der Persönlichkeit des Arbeiters existiert und als losgelöst von ihrem Träger nicht gedacht werden kann. Im Kapitalismus ist die Arbeitskraft eine Ware, deren Wert gemessen wird durch die zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit. Demgemäß bestimmt sich der Wert der Arbeitskraft durch die Arbeitszeit, die zu ihrer Erhaltung und Reproduktion notwendig ist. Dieser Wert wird dem Arbeiter durch den Lohn vergütet. Marx zerlegt nun den Wert der Arbeitskraft in zwei verschiedene Bestandteile, wovon der eine physisch bestimmt ist, – durch diejenige Summe der Lebensmittel, die zur einfachsten Existenz und Fortpflanzung unentbehrlich sind – der andere dagegen historisch-gesellschaftlich. Damit sind jene ‚Lebensmittel‘ gemeint, die den Umfang der sogenannten notwendigen Bedürfnisse befriedigen, der wiederum abhängig ist von den natürlichen Bedürfnissen eines Landes, von der Kulturstufe eines Volkes, von den Lebensgewohnheiten der Arbeiterklasse und von dem tatsächlichen Gewicht, das ihr im Kampf gegen die Kapitalisten zukommt. Dieses sogenannte historisch-moralische Element unterscheidet sich daher von Land zu Land und von Epoche zu Epoche.
Es ist nun eine Voraussetzung der kapitalistischen Produktion, daß der Lohn stets kleiner bleibt als der Wert der vom Arbeiter erzeugten Produkte, daß der Arbeiter mehr Wert schafft als er im Lohn vergütet bekommt. Diesen Hehrwert eignet sich der Besitzer der Produktionsmittel, der Kapitalist an, der dieses ‚Recht‘ durch den Kauf der Ware Arbeitskraft erworben hat. Die Produktion dieses Mehrwertes ist „der unmittelbare Zweck und das bestimmende Motiv der kapitalistischen Produktion“ (Marx, Kapital III, S.225), und nur unter der Bedingung, daß er Mehrwert realisiert, führt der Kapitalist seine Produktion fort. Daraus ergibt sich, daß der Wert (W) einer Ware sich, abgesehen vom Gegenwert für das in der Produktion verbrauchte konstante Kapital (c) – Maschinen, Rohmaterial, Werkzeuge usw. – aus verschiedenen Bestandteilen zusammensetzt: dem Gegenwert für die verbrauchte Arbeitskraft, oder dem variablen Kapital (v) und dem Mehrwert, der unbezahlten Arbeitszeit (m).
c plus v plus m
Wenn nun der Preis der Arbeitskraft durch Lohnerhöhungen steigt, so bedeutet dies nicht, daß die Produktionspreise sich ebenfalls erhöhen. Es bedeutet lediglich, daß der Anteil der unbezahlten Arbeitszeit, also der Mehrwert verringert wird. Die Tatsache, daß durch eine allgemeine Lohnerhöhung die für die Produktion der Waren gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit nicht verändert wird, erlaubt es nicht, daß das gesellschaftliche Preisniveau durch Erhöhungen verändert wird. Es kann durch eine allgemeine Lohnerhöhung lediglich zu Preisverschiebungen unter den Einzelkapitalisten kommen, gesamtgesellschaftlich muß unter de« Strich jedoch dasselbe herauskönnen wie vor der allgemeinen Lohnerhöhung. Wir sehen also, daß das Argument, daß durch ‚ungerechtfertigte‘ Lohnerhöhungen nur die Lohn-Preisspirale in Gang gesetzt wird und welches der ÖGB in jeder krisenhaften Situation hervorkramt, vollkommen falsch ist.
Schauen wir uns nun an, was es mit dem ersten Argument von Benya und Klenner auf sich hat, das da lautet, „daß die stetige Hebung der Lebenshaltungskosten von einer kontinuierlichen Wachstumsrate abhängig ist.“
Wirtschaftswachstum heißt im wesentlichen Erhöhung der Produktivität der Arbeit, was „eine Veränderung im Arbeitsprozeß (bedeutet), wodurch die zur Produktion einer Ware gesellschaftlich erheischte Arbeitszeit verkürzt wird.“ (Marx, Kapital I, S.263) Dadurch kann in derselben Arbeitszeit mehr produziert werden, können mehr Waren auf den Markt geworfen werden, bis dieser schließlich gesättigt ist und die Waren unverkäuflich werden. Diese Überproduktion führt nun wiederum zu Massenentlassungen, Kurzarbeit und Betriebsstillegungen. Die freigewordenen Arbeitskräfte werden entweder in anderen Produktionssparten oder in Dienstleistungssektor eine neue Anstellung finden, oder, falls die (Überproduktion bereits zu einer verallgemeinerten Erscheinung geworden ist, in die industrielle Reservearmee eingegliedert werden. Je mehr also die Produktivität der Arbeit steigt, desto mehr vermindert sich die Nachfrage nach Arbeit.
Der ÖGB kalkuliert nun bei seiner Lohnpolitik die „Investitionen als Zukunftsvorsorge“ ein. Diese Investitionen für neue Technologien, Maschinen, Werkzeuge und Produktionsverfahren sind aber wiederum ein wesentlicher Bestandteil bei der Erhöhung der Produktivität der Arbeit. Der ÖGB hilft also mit, die Nachfrage nach Arbeit zu vermindern. Diese, durch das Anwachsen des Kapitals entstehende Überbevölkerung, äußert sich in einer ständigen industriellen Reservearmee. Dies hat auch die ÖGB-Führung erkannt und sich beeilt das Ziel der Vollbeschäftigung zu den Akten zu legen, und anstelle dessen mit einen hohen Beschäftigungsniveau zufrieden zu sein. Der 11.ÖGB-Kongreß bekannte sich nun wieder zum Ziel der Wiederherstellung der Vollbeschäftigung. Dadurch, daß er aber an der grundsätzlichen Ausrichtung der ÖGB-Politik keine Änderungen vornahm, ist dieses Bekenntnis lediglich als Wortradikalismus einer, unter Legitimationsdruck geratenen, Gewerkschaftsführung zu verstehen. Im Klartext heißt es nichts anderes, als daß die ÖGB-Führung bereit ist, mit aller Kraft an der Wiederankurbelung des Wirtschaftswachstums mitzuarbeiten.
Nun ist aber die Regelung des Arbeitsangebotes die Voraussetzung für jede gewerkschaftliche Tätigkeit. Sie wird erreicht durch sinngemäße Arbeitsvermittlung, Reiseunterstützung und Arbeitslosenunterstützung, Arbeitszeitverkürzung, Kampf gegen die Erhöhung der Intensität der Arbeit und für restlose Vergütung einer Erhöhung der Produktivität der Arbeit. Der ÖGB gibt aber die Regelung des Arbeitsangebotes zusehends auf, überläßt sie immer mehr dem bürgerlichen Staat und den Unternehmerorganisationen; stattdessen setzt er sich dafür ein, durch Wiederankurbelung des Wirtschaftswachstum, durch Erhöhung der Produktivität der Arbeit und selbst durch Intensivierung der Arbeit die Konkurrenzfähigkeit des österreichischen Kapitals auf den Außenmärkten zu verbessern. Er ist von daher auch zu immer größeren Zugeständnissen in der Lohn- und Sozialpolitik bereit. Die österreichischen Gewerkschaften erweisen sich immer mehr als unfähig den wirtschaftlichen und sozialen Schutz des Arbeiterlebens zu gewährleisten.
Das spezifische Betätigungsfeld der Gewerkschaften muß auf die Stabilisierung oder etwaige Erhöhung des Wertes der Arbeitskraft gerichtet sein, das heißt auf Lohnkämpfe. Dabei handelt es sich meistens um Reaktionen auf vorangegangene Aktionen des Kapitals. Der Wert der Arbeitskraft kann durch Änderung der drei Faktoren, die seine Höhe bestimmen, verändert werden: Länge des Arbeitstages, Intensität der Arbeit, Produktivkraft der Arbeit. Sowohl die Verlängerung des Arbeitstages, als auch die Steigerung der Dichte der Arbeit bedeutet die Erhöhung des Tageswertes der Arbeitskraft und verlangt als Ausgleich, wenn sie nicht zu verhindern sind, eine entsprechende Lohnerhöhung. Die einträglichste Methode den Mehrwert zu ungunsten des Arbeiters zu erhöhen, ist aber die Steigerung der Produktivkraft der Arbeit. In der Regel kombinieren sich die Änderungen der drei Faktoren.
Während das Kapital durch Massenarbeitslosigkeit die Arbeiterklasse spaltet und schwerwiegend schwächt, vereinigt es sich selbst, um den Wert der Arbeitskraft immer mehr herabzudrücken und den Mehrwert zu erhöhen. Diese Vereinigung der Kapitalisten gegen die Arbeiterklasse hat ihre Ursache in der Konkurrenz der Kapitalisten untereinander um die Marktanteile. Jeder Kapitalist muß zu billigeren Preisen auf den Markt kommen, um so seine Kontrahenten auszustechen. Dies geschieht nun eben einerseits, indem die zur Produktion einer Ware gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit verkürzt wird, und damit die Nachfrage nach Arbeit sich weiter vermindert, oder andererseits indem der Kapitalist versucht, den Wert der Arbeitskraft zu senken durch Lohnkürzungen, Kurzarbeit, Ausdehnung oder Intensivierung des Arbeitstages ohne Gegenwert. Dadurch erhöht sich der Mehrwert und der Kapitalist kann den Preis der Waren unter ihren tatsächlichen Wert senken, ohne das er dadurch eine Profiteinbuße hinnehmen muß. Seine Marktposition wird gegenüber seiner Konkurrenz erheblich verbessert sein.
Um nun den Verkauf der Ware Arbeitskraft so zu regeln, daß trotz der entgegenwirkenden Tendenzen der kapitalistischen Produktion in den ständigen Schwankungen des Marktes der Wert der Arbeitskraft sich durchsetzt, sind wirtschaftliche Arbeiterorganisationen, also Gewerkschaften, nicht nur möglich, sondern notwendig. Die Ware Arbeitskraft wird erst dann wirklich zur Ware, wenn die Arbeiter untereinander die Konkurrenz aufheben um in Konkurrenz zum Kapitalisten zu treten. Erst wenn der Konkurrenzkampf unter den einzelnen Arbeitern aufgehoben wird und in Solidarität gegenüber dem gemeinsamen Feind verwandelt ist, kann die Gewerkschaft daran gehen, den Konkurrenzkampf mit den Kapitalisten aufzunehmen. Das Ziel ist die Erreichung eines kollektiven Arbeitsvertrages anstatt eines individuellen und die Krönung dieser Bestrebungen ist der Tarifvertrag. Jeder Tarifvertrag ist immer ein Kompromiß, denn er befreit nicht aus der Lohnsklaverei. Aber die Arbeiterschaft, da sie nicht unausgesetzt und zu jeder Stunde kampffähig ist, muß Kompromisse eingehen. Prinzipiell müssen wir das Tarifwesen bejahen und im allgemeinen abgeschlossene Tarife während ihrer Laufzeit als bindend anerkennen. Gegenüber den mündlichen Einzelabschlüssen ist die Mitwirkung der Gewerkschaften bei Vereinbarungen über die Arbeitsbedingungen eben in Form der Tarifverträge ein großer Fortschritt. Die Position der ÖGB-Führung, daß das Tarifvertragswesen ein Stück soziale Demokratie ist, lehnen wir ab (unter sozialer Demokratie versteht die ÖGB-Führung die Gesellschaftsordnung, in der Kapital und Arbeit gleichberechtigt zum Wohle des Staatsganzen zusammenarbeiten). Tarifverträge sind ein Produkt des Klassenkampfes und widerspiegeln das Kräfteverhältnis wieder. Ob daher ein lang- oder kurzfristiger Tarif abzuschließen ist, ist keine Prinzipienfrage, sondern eine Frage der jeweiligen Situation. Ebenso steht es mit der ‚Tariftreue‘, die bei einem günstigen Augenblick kein Hindernis sein darf, denn unter bestimmten Umständen kann ein tarifloser Zustand von Vorteil sein, da der, für die Arbeiter günstigste Moment ungehindert genützt werden kann. Firmentarife sind grundsätzlich abzulehnen, wie auch alle Versuche der Unternehmer Tarifgebiete und Tarifgemeinschaften zu sprengen – wie es gegenwärtig in der Metallindustrie versucht wird. Der Kampf für innerbetriebliche Lohnerhöhungen, geführt von den Betriebsräten, ist ein wesentlicher Bestandteil der gewerkschaftlichen Tarifpolitik, da er kämpferisches Protestpotential von der unternehmerfreundlichen Lohnpolitik der Gewerkschaftsführung ablenkt. Doch mit der Verallgemeinerung der Wirtschaftskrise verschwindet auch diese Möglichkeit immer mehr. Trotzdem dürfen aber kämpferische Betriebsräte und Belegschaften nicht darauf verzichten, müssen aber danach trachten, diese Lohnbewegungen über ihren Betrieb hinaus zu verbreitern.
DIE NOTWENDIGKEIT EINER KRISENTHEORIE
(Im folgenden müssen wir uns auf das Wesentlichste beschränken, da die Wiederherstellung und Aktualisierung der marxistischen Krisentheorie eine noch zu lösende Aufgabe ist.)
Die Wellenbewegungen der kapitalistischen Wirtschaft ergeben für eine gewerkschaftliche Tätigkeit ganz verschiedene Aufgaben. Während des aufsteigenden Astes einer Produktionsperiode ist jede Möglichkeit für Lohnerhöhungen zu nützen. Das größte Wirkungsgebiet der Gewerkschaften eröffnet sich aber durch die periodischen Krisen des Kapitalismus. In ihrer ganzen Bedeutung tritt die Gewerkschaft dann hervor, sobald die Prosperität abnimmt und die ersten Tendenzen zur Krise sich offenbaren. Die Arbeiter müssen dann den Kampf gegen die brutalen Auswirkungen der Krise aufnehmen, indem sie sich verstärkt zusammenschließen und die Konkurrenz unter sich aufheben; indem sie das Arbeitsangebot regeln, den Druck vermindern des, durch die in Krisenzeiten erfolgenden Arbeiterentlassungen, ins Ungeheure anschwellende Arbeitslosenheeres. Dies kann erreicht werden durch gewerkschaftliche oder sogar staatliche Arbeitslosenunterstützung, ebenso wie durch direkten Widerstand gegen größere Arbeiterentlassungen und Schließungen von Betrieben.
Die Gewerkschaften müssen aber vor allem danach trachten, dem Kapitalismus eine allgemeine Konkurrenz zu machen. Der Doppelcharakter der Aufgaben der Gewerkschaften wird von Marx in seiner Schrift ‚Lohn, Preis und Profit‘ in äußerst treffender Form zusammengefaßt. Marx schreibt: „Zu gleicher Zeit dürfen die Arbeiter, ganz abgesehen von der allgemeinen Knechtschaft, die mit dem Lohnsystem zusammenhängt, nicht die schließlichen Wirkungen dieses täglichen Kampfes übertreiben. Sie dürfen nicht vergessen, daß sie gegen Wirkungen, aber nicht gegen die Ursachen dieser Wirkungen ankämpfen; daß sie die absteigende Bewegung nur aufhalten, aber nicht die Richtung ändern; daß sie nur Linderungsmittel anwenden, aber die Krankheit nicht heilen. Sie sollten daher nicht ausschließlich in diesem unvermeidlichen Guerillakampf aufgehen, der ununterbrochen aus den unaufhörlichen Obergriffen des Kapitals oder den Veränderungen des Marktes entspringt. Sie müssen verstehen, daß das gegenwärtige System bei allem Elend, das es Ober sie bringt, gleichzeitig die für den wirtschaftlichen Neuaufbau der Gesellschaft notwendigen •materiellen Bedingungen und die gesellschaftlichen Formen erzeugt. Statt der konservativen Losung: ‚Einen gerechten Tagelohn für einen gerechten Arbeitstag‘ sollten sie auf ihre Fahnen die revolutionäre Parole schreiben: ‚Abschaffung des Lohnsystems‘.“ Und Marx weiter: „Gewerkschaften tun gute Dienste als Sammelpunkt des Widerstandes gegen die Gewalttaten des Kapitals. Sie verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse d.h. zur endgültigen Abschaffung des Lohnsystems.“
Dieser doppelte Zweck der Aufgaben der Gewerkschaften, einerseits ‚Preisfechter‘ zu sein, andererseits aber für die endgültige Abschaffung des Lohnsystems kämpfen zu müssen, hat seine Wurzeln in der Tatsache, daß der Kapitalismus mit seinen Zwang zum Wachstum die Arbeiterklasse und mit ihr die gesamte Menschheit immer wieder in neue Katastrophen (Massenarbeitslosigkeit, Verelendung, Krise, Hunger und Kriege) führt. Aus diesem doppelten Zweck der Aufgaben der Gewerkschaften läßt sich aber nun keineswegs ein Doppelcharakter der Gewerkschaften selbst herleiten. Die Gewerkschaften betreiben entweder eine bürgerliche oder eine proletarische Politik. Was sich lediglich daraus herleiten läßt, ist die Notwendigkeit die unmittelbaren Tagesaufgaben mit den Zukunftsaufgaben durch die gemeinsame Methode des Kampfes zu verbinden. Ein konsequent geführter Lohnkampf eröffnet die Perspektiven seiner Radikalisierung, und in den konsequent geführten Kämpfen um Teilforderungen eröffnet sich die Perspektive des Kampfes um die endgültige Abschaffung des Lohnsystems. In jedem Streik liegt ein Stück Revolution, eine zeitlang Befreiung von der Qual der Lohnarbeit, eine kurzfristige Abschaffung des Lohnsystems!
Die Einsicht, daß die Gewerkschaften nicht nur gegen die Wirkungen des bestehenden Systems ankämpfen müssen, sondern daß es letztendlich unumgänglich ist, das System selbst abzuschaffen, erfordert eine dynamische Sicht des Kapitalismus, ausgehend von der marxistischen Krisentheorie. Der aufsteigende Ast einer Produktionsperiode, die Prosperität, ist gekennzeichnet durch Ausdehnung der Produktion, steigende Nachfrage nach Konsumtions-, schließlich nach Produktionsmitteln, Neuanlagen von fixem Kapital, Verkürzung der Umschlagszeit und daraus resultierende Verbesserung der Verwertung des Kapitals, das heißt Erhöhung der Profitrate. Auf Seiten der Arbeiter bedeutet das: steigende Nachfrage nach Arbeitskräften, Verminderung der industriellen Reservearmee und Steigen des Arbeitslohnes.
Sobald die Prosperität abnimmt, offenbaren sich die ersten Tendenzen zur Krise: Sinken der Profitrate infolge höherer organischer Zusammensetzung des Kapitals,[1] Verlängerung der Umlaufszeit nach Sättigung der nächsten Märkte, automatisches oder in Kämpfen abgerungenes Sinken des Preises der Arbeitskraft, Verkleinerung der Rate des Unternehmergewinns, verschiedene Wirkung auf die Preise in den verschiedenen Sphären der Volkswirtschaft, wodurch die Kaufkraft der einen für die Produkte der anderen in ein Mißverhältnis gerät. All dies ruft einen Druck auf die Löhne hervor, dessen Wucht der isolierte Arbeiter keineswegs gewachsen ist. Dieser Druck verstärkt sich, sobald die innere Unstimmgkeit der Produktion sich in den Preisen auszuwirken beginnt. Denn nun beginnt der Kampf um den Absatz, bei den jeder der Kapitalisten durch Unterbietung des anderen den Verlust der Profitratensenkung wettzumachen versucht. In dieser allgemeinen Jagd um die Realisierung des – wenn auch gesunkenen – Durchschnittsprofits ist der Hauptleidtragende wiederum der Arbeiter, an dessen vermehrter Ausbeutung alle einander noch so feindlichen Unternehmer gleichmäßig interessiert sind.
Noch in den frühen Siebziger Jahren haben die österreichischen Gewerkschaften angenommen, daß diese zyklische Phasenfolge des kapitalistischen Wirtschaftssystems endgültig durchbrochen und damit das Problem der Massenarbeitslosigkeit ein für allemal gelöst sei. Die Fehlerhaftigkeit dieser Sicht ist evident. Konnten sich die Gewerkschaften schon die lange Prosperität nicht erklären, so stellt für sie das Verstehen der kapitalistischen Krise ein noch viel größeres Problem
dar. Alle möglichen Begründungen werden angeführt, jedoch daß die Krise ein konstitutiver Bestandteil des Wesens des kapitalistischen Systems ist und in zyklischer Folge immer wiederkehrt, aber in einer sich verschärfenden Form, diese Einsicht bleibt der Gewerkschaftsbürokratie und -führung, die ja ihr Schicksal mit dem des Kapitalismus aufs Engste verknüpft hat, verschlossen.
Ein bestimmender Faktor zum Verständnis der kapitalistischen Wirtschaft und eben deren Krisen ist der sogenannte tendenzielle Fall der Profitrate. Das Gesetz der kapitalistischen Akkumulation (=Wachstum), das eine ständige relative Überbevölkerung und damit, trotz wachsenden Gesamtkapitals, relative Abnahme des variablen Teils bewirkt, bedeutet für die Kapitalisten einen ständigen Fall der Profitrate. Dieser Fall geht jedoch keineswegs ungehemmt vor sich. Es bestehen gewichtige entgegenwirkende Ursachen, die den Fall zu einem tendenziellen machen. Unter diesen sind für unser Problem nur diejenigen interessant, die den Fall der Profitrate auf Kosten des Arbeitslohnes aufhalten. Da ist vorerst das erzeugte Arbeitslosenheer, durch das einerseits der Arbeitslohn durch die Vermehrung der Konkurrenz unter den Arbeitern von selbst zu Gunsten der Profitrate heruntergedrückt wird, andererseits die Durchschnittsprofitrate durch die Eröffnung neuer Produktionszweige mit vorwiegend lebendiger Arbeit hochgehalten wird. Aber vor allem wendet der Kapitalist alle Methoden an, um den drohenden Verlust durch Erhöhung des Ausbeutungsgrades der Arbeitskraft auszugleichen Verlängerung des Arbeitstages, Arbeitsintensivierung, Miteinbeziehung von schlechter bezahlter Frauen- und Kinderarbeit.
So wird im Laufe der kapitalistischen Entwicklung der Kampf der Gewerkschaften immer mehr in die Defensive gedrängt. Je schärfer die Stellung der Unternehmer durch den tendenziellen Fall der Profitrate bedroht wird, desto notwendiger wird die ‚praktische Bruderschaft‘ der Kapitalistenklasse, die sich nur zu bald in einer gemeinsamen Front gegen die Arbeiterklasse äußert. Den Gewerkschaften bleibt aber dabei die Aufgabe, je schärfere Angriffe von den Unternehmerorganisationen ausgehen, desto straffere und umfassendere Organisationen der Arbeiterklasse zu schaffen, desto erbittertere Kämpfe für die Aufrechterhaltung der Löhne zu führen, die die Unternehmer bei sinkender Profitrate ständig unter den Wert der Arbeitskraft herabzudrücken bestrebt sind. Dem Versuch, den Wert der Arbeitskraft durch Ausweitung des historischsozialen Moments zu erhöhen, stellt sich also die praktische Realität der sinkenden Profitrate entgegen, die Reallohnerhöhungen immer schwieriger, wenn nicht unmöglich macht. Die Gewerkschaften verlieren immer mehr Angriffsmöglichkeiten gegen das stets aggressive Kapital. Aus der rein wirtschaftlichen Perspektive eröffnet sich kein Weg zu einem über den täglichen Kampf hinausweisenden Ziel. Die politische Perspektive wird zur Entscheidungsfrage auch für die Gewerkschaft. Mit dem Lohnsystem oder gegen das Lohnsystem; Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung oder revolutionärer Klassenkampf – so ist die Frage bereits wieder aktuell gestellt.
KLASSENZUSAMMENARBEIT ODER KLASSENKAMPF
Das ist die grundsätzliche Streitfrage der Gewerkschaftspolitik. 1971 hieß es beim 7. Bundeskongreß des ÖGB zur Mitbestimmung: „Durch Mitbestimmung will die Arbeitnehmerschaft die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit und damit die gleichberechtigte Anerkennung in der Gesellschaft erreichen. Mitbestimmung vollzieht sich auf allen Ebenen, auf denen für die Arbeitnehmer relevante Entscheidungen getroffen werden.“
Diese Einstellung von der Zusammenarbeit der Klassen ist die Auswirkung des Imperialismus auf die Arbeiterbewegung. Das Erstarken der Gewerkschaften fällt zusammen mit dem Erstarken der Industrie des betreffenden Landes. Die Industrieproduktion wuchs Ober die Kauffähigkeit des eigenen Landes hinaus, sie mußte den Kampf auf dem Weltmarkt aufnehmen und in der Folge imperialistische Politik betreiben. Diese Kapitalspolitik erzeugt scharfe Gegensätze mit anderen kapitalistischen Staaten und erfordert daher eine feste, innere Stärke. Sie konnte eine andauernde Gefährdung durch Unruhen und Kämpfe mit den entscheidenden Schichten der Arbeiterklasse nicht gebrauchen. Aus all diesen Gründen machte das Kapital – teils unter dem Druck des gewerkschaftlichen Kampfes – dem wichtigsten Teil der Arbeiterklasse, den männlichen qualifizierten Arbeitern, Zugeständnisse in Gestalt von Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzung. Die Bourgeoisie hat dabei zum Ziel, die Arbeiterklasse zu spalten, den einen Teil an der kapitalistischen Wirtschaft zu interessieren und mit Hilfe dieses Teils den anderen niederzuhalten.
Die Mittel dazu sind: Vergrößerung der Lohnspanne zwischen qualifizierten und unqualifizierten Arbeitern, Zahlung von Prämien an „treue und langjährige“ Arbeiter, Gewinnbeteiligung für bestimmte Arbeiter- und Angestelltenkategorien usw. Dadurch wird eine bestimmte Arbeiteraristokratie geschaffen. Ihr werden Sondervorteile auf Kosten der Übrigen Arbeiter gewährt, ja, noch mehr, der Durchschnittslohnsatz und die Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse des imperialistischen Landes wuchsen Ober den Durchschnitt der Löhne im Weltmaßstab hinaus. Das Kapital konnte sich dieses materielle Entgegenkommen umso leichter leisten, da es Riesengewinne auf dem Weltmarkt und in den ‚unterentwickelten‘ Ländern einheimste. Das Kapital konnte es sich leisten, allmählich dazu überzugehen, die Gewerkschaften als Wirtschaftsfaktor anzuerkennen und langfristige Tarifverträge mit ihnen abzuschließen. Dadurch begannen auch breite Arbeiterschichten und die Gewerkschaften Interesse an der imperialistischen Politik zu gewinnen. Je mehr Anteil am Welthandel, der Export von Waren und vor allem die Kapitalausfuhr und damit die „Exportgewinne“ stiegen, umso eher stiegen allgemein die Löhne und ganz besonders die der Oberschichten der Arbeiterklasse, was zu einer ideologischen Korrumpierung dieser Schichten führte.
In England, dem ältesten kapitalistischen Kolonialreich, setzte diese Korrumpierung der qualifizierten oberen Arbeiterschichten, ja der ganzen Arbeiterklasse, schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein.
Es bildete sich eine Arbeiteraristokratie heraus, die relativ sehr gut bezahlt wurde und sich mit der kapitalistischen Wirtschaftsordnung abfand, ja sie verteidigte. Der Trade-Unionismus (-Nur-Gewerkschaftertum) fand hier seine stärkste Triebkraft. Das wird treffend veranschaulicht in zwei Briefen von Engels. Er schrieb am 7.Oktober 1858 an Marx: „Das englische Proletariat verbürgert faktisch mehr und mehr, so daß diese bügerlichste aller Nationen es schließlich dahin bringen zu wollen scheint, eine bürgerliche Aristokratie und ein bürgerliches Proletariat neben der Bourgeoisie zu besitzen. Bei einer Nation, die die ganze Welt exploitiert (=ausbeutet) ist das allerdings gewissermaßen gerechtfertigt.“
An Karl Kautsky schrieb Engels am 12. September 1882: „Sie fragen mich, was die englischen Arbeiter von der Kolonialpolitik denken? Nun, genau dasselbe, was sie von der Politik Oberhaupt denken. Es gibt hier ja keine Arbeiterpartei, es gibt nur Konservative und liberale Radikale, und die Arbeiter zehren flott mit von dem Weltmarkts- und Kolonialmonopol Englands.“ Wir sehen also, daß die Theorie der Klassenzusammenarbeit, der Sozialpartnerschaft und der Mitbestimmung ihre Wurzeln in der imperialistischen Politik des Kapitals hat. Die Entwicklung, die Engels am Beispiel der britischen Arbeiterklasse beschreibt, vollzog sich in allen modernen kapitalistischen Staaten und hatte einen Umschwung in Gewerkschaftspolitik und Massenstimmung zur Folge, den die Massen und die Mehrzahl der Gewerkschaftsführer selbst unbewußt vollzogen. Dies umso mehr, als immer noch große Kämpfe geführt wurden und in Wort und Schrift durch Klassenkampfphrasen die Massen bewußt getäuscht wurden. Aber jedes ökonomische und politische Zugeständnis wurde vom Kapital dahingehend gewendet, daß die jeweils kämpfende Arbeiterschicht auf Kosten anderer Arbeiterschichten oder eben auf Kosten der kolonialen Völker ruhiggestellt wurde. Diese Tatsache fand ihre Anerkennung von Seiten der damaligen Gewerkschaftsführer, indem diese immer mehr mit ihrer jeweiligen nationalen Bourgeoisie ihren ‚Frieden‘ schlossen. Gipfelpunkt dieser Entwicklung ist sicherlich die Haltung der überwiegenden Mehrheit der sozialdemokratischen Parteien und der Gewerkschaften zum 1.imperialistischen Weltkrieg, wo sich diese ja beeilten ‚ihren Burgfrieden‘ mit dem Kapital zu schließen, um neue Gebiete, Kolonien und Märkte erobern zu können.
Dieses immer wieder stattfindende Abwälzen der sozialen Kosten des Klassenkampfes auf schwächere Schichten der Unterdrückten und Ausgebeuteten ist ein sich stets wiederholender Prozeß, der in der Gewinnung von Extraprofiten für die Metropolen seine materiellen Ressourcen findet. Oft sind die Unkosten des Klassenkampfes um ein vielfaches höher als die Erfüllung der Arbeiterforderungen, besonders in guten Konjunkturphasen, wo die Auftragsbücher Überquellen, das Kapital nach Arbeit dürstet. In solchen Phasen ist das Kapital mit unter ohne Kampf dazu bereit Zugeständnisse zu machen. Der Kapitalismus kann dadurch vor breiten Schichten der Arbeiterschaft in den Metropolen den Schein eines sozialen Charakters ausbreiten, der jedoch mit Einsetzen der kapitalistischen Krise immer mehr demontiert wird, da der sich steigende Konkurrenzkampf um die immer enger werdenden Märkte zu verheerenden Rationalisierungsfeldzügen gegen die Arbeiterklasse führt. Vom Kapital wird dieser Rationalisierungsfeldzug bewußt dazu genutzt, um trotz der Tendenz zur Verarmung auch der Arbeiterklasse in den Metropolen, eine jedoch immer kleiner werdende Schicht von Arbeiteraristokraten aufrechtzuerhalten, bzw. dem Zerfall durch Neubildung entgegen zu wirken. In der zeitgenössischen Literatur zur gegenwärtig ablaufenden Rationalisierung finden wir oft die Begriffe Rationalisierungsgewinner und Ra-tionalisierungsverlierer.Diese Begriffe umschreiben keine objektive Notwendigkeit, sondern die kapitalistische Realität in den rationalisierten Betrieben. Doch selbst dieRationalisierungsgewinner sind, wenn überhaupt (Gewinner nicht absolut, sondern im Verhältnis zu ihren Kollegen) innen, den Rationalisierungsverlierern) so nur auf kurze Zeit verschont von den Angriffen des Kapitals. Der Konkurrenzkampf, der durch das enorme Anwachsen der Maschinenbestände anwachsende Druck auf die Profitrate und damit auf die menschliche Arbeitskraft, zwingt das Kapital auch diese Schichten nicht zu verschonen. Diesem objektiven Zersetzungsprozeß der Arbeiteraristokratie versucht das Kapital gezielt, jedoch immer mehr auf papierener Ebene entgegenzuwirken. Es soll zumindest der Schein einer Interessensgleichheit von Kapital und Arbeit aufrechterhalten bleiben.
Einerseits wird diese Aufgabe den reformistischen Arbeiterparteien und Gewerkschaften aufgetragen, andererseits greift das Kapital zu Formen der Gewinnbeteiligung, die in Wirklichkeit nur eine Verstärkung und Beschleunigung der Ausbeutung darstellen, aber gleichzeitig die Illusion der Vermögensbildung herstellen und schüren. Gewinnbeteiligung, also Bestechung der oberen Schichten der Arbeiterklasse wurde breitgefächert bereits in den USA der Jahrhundertwende angewandt. 1902 gab der Carnegie Stahltrust 25.000 Aktien für ’seine‘ Arbeiter und Angestellte aus, die allesamt natürlich nicht mit dem Stimmrecht verbunden waren. 1913 gab es bereits 45.000 Arbeiter und Angestellte in den USA, die über Aktien im Gesamtwert von 17,5 Mill Dollar verfügten. Die Kleinaktie wurde zusehends zu einem Bestandteil der Theorie der Aussöhnung zwischen Kapital und Arbeit.
Mit dem 1.imperialistischen Weltkrieg erlebten wir eine starke Zunahme derselben, wesentlich bedingt durch das Verhalten der internationalen Arbeiterbewegung, die für ihre jeweilige Bourgeoisie in den Krieg zog, um deren Staat, deren Wirtschaft und deren Kapital zu verteidigen. Was lag näher als eine Massenbeteiligung an diesen Staat und an dieser Wirtschaft zu erzwingen. Die Massen fußten, 1914 sicherlich für viele noch mit Freuden, da ja für alle noch reale Gewinnaussichten bestanden, Kriegsanleihen zeichnen. In den USA hieß dies ‚Freiheitsanleihe‘. Die Massen wurden also zwangsweise an Gewinnbeteiligung gewöhnt, und nach dem 1.Weltkrieg nahm diese Illusion der Vermögensbildung in Arbeiterhänden einen ungeahnten Aufschwung. 1918 gab es in den USA 2.537.105 Arbeiteraktionäre; 1925 bereits 5.051.499. 1970 wuchs diese Zahl bereits auf rund 20 Millionen an, und diese ist bis heute noch vervielfacht worden. Das Sparen und das Versicherungswesen erlebte ebenfalls einen Aufschwung. Gab es in den USA an 1.1.1918 bereits 10.631.586 Konten mit einer Gesamteinlage von 11.115.790.000 Dollar, so stieg bis 1.1.1925 diese Zahl auf 38.867.997 Konten mit einer Gesamteinlage von 20.867.994.000 Dollar an.
Für das Kapital war diese Entwicklung mit einer Reihe von Vorteilen verbunden:
1) Die Arbeiter sollten zur Wirtschaftlichkeit erzogen werden. Die Arbeitsproduktivität erhöht werden. Ein Arbeiterstamm sollte herausgebildet werden durch Bindung an den Betrieb (seßhafte Belegschaft, privilegierte Arbeiterschicht, die den Unternehmen ergeben ist.).
2) Die Arbeiteraktie, das Sparen und die Versicherungen sollen Gewerkschaften entbehrlich machen und eine Einschränkung der Streiks herbeifuhren. In einen Inserat der Standard Oil aus den Jahre 1925 hört sich das folgendermaßen an: „Wer sind die Kapitalisten der Standard Oil Gesellschaft? … Es sind die 49.804 Aktionäre, darunter 14.743 Arbeiter und Angestellte der Gesellschaft … vergangen ist die Zeit, wo die Gesellschaft in zwei Klassen zerfiel…“
3) Die Arbeiteraktie, das Sparen und die Versicherungen sollen die Sparsamkeit, Enthaltsamkeit und ähnliche ‚Tugenden‘ der Arbeiter steigern.
4) Brauchte man früher ca ein Drittel der Aktien um ein Unternehmen zu kontrollieren, so wird dieser Anteil umso geringer, je größer der Anteil der Aktionäre aus Arbeiter- und Verbraucherkreis ist. In der Zwischenkriegszeit genügte bereits ein Viertel bis ein Fünftel der Aktien. Dies ist deshalb möglich, da erstens die Arbeiter und Konsumenten nicht organisiert auftreten können, in der Regel nicht einmal die Generalversammlung besuchen dürfen und ohnehin nur Aktien ohne Stimmrecht besitzen.
5) Der Zugriff des Kapitals auf den Lohn der Arbeiterklasse wird erhöht und perfektioniert. Das Geld der Kleinaktie, des Sparens und der Versicherung fließt direkt und ungehindert in die Industrie, ist die Quelle von neuen Extraprofiten für das Finanzkapital, wovon es einen bescheidenen Teil an die Arbeiter und Angestellten weitergibt, der durch Inflation und dergleichen noch verkleinert wird.
Die Gewinnbeteiligung ist auch gegenwärtig in den imperialistischen Ländern im Vormarsch. Nicht nur unter Reagan, Thatcher und Kohl geht diese Entwicklung wieder vor sich, sondern auch im Österreich der Großen Koalition geben die Banken sogenannte Partizipationsscheine aus, und wird wieder laut – auch in Gewerkschaftskreisen – über die Ausgabe von Arbeiteraktien nachgedacht. Der 11.ÖGB-Kongreß hatte dann folglich grundsätzlich auch nichts mehr gegen die ‚Vermögensbeteiligung in Arbeitnehmerhand‘ einzuwenden. Und die ÖMV-Betriebsräte versuchen bereits Aktien ‚ihres‘ Unternehmens den ÖMV-Arbeitern und Angestellten zu Vorzugspreisen schmackhaft zu lachen. Für die Gewerkschaften und die Betriebsräte ist nur wesentlich, daß am Prinzip der strikten Freiwilligkeit bei allen Beteiligungssystemen nicht gerüttelt werden darf. Aber das die ‚Freiwilligkeit‘ im Kapitalismus ein Luxus ist, zeigen deutlich die Vorgänge bei der Steyr-Daimler-Puch AG. Anfang November schlug der Betriebsratsvorsitzende Leithenmayr vor, in den nächsten drei Jahren auf Lohn- und Gehaltserhöhungen zu verzichten, und stattdessen sollen die Steyr-Arbeiter und Angestellte Aktien bekommen, sollen sie Zwangsaktionäre werden. Es fallen diese Bestrebungen angesichts des systemkonformen Bewußtseins des Großteils der werktätigen Bevölkerung auf teilweise fruchtbaren Boden, der jahrzehntelang von der Sozialdemokratie, den Gewerkschaften und dem relativen Wohlstand, der das Sparen, verschiedenste Formen von Versicherungen, Eigentumsbildung durch Wohnungsbau, Massentourismus und dergleichen mehr, zum üppigen Wuchern brachte, aufbereitet wurde. Doch die kapitalistische Krise und der Maulwurf der Revolution wirkt als mächtige Gegentendenz gegenüber dieser Entwicklung.
Theoretischen Ausdruck erfuhr diese Tendenz zur Klassenzusammenarbeit das erstemal in Deutschland 1896/97 durch Eduard Bernstein, und in Österreich durch Karl Renner. Bernstein erklärte die schrittweise und friedliche Einführung des Sozialismus für möglich. Er behauptete ferner, daß die kapitalistischen Krisen sich nicht verschärfen würden, sondern allmählich ganz verschwinden. Der Kapitalbesitz konzentriere sich nicht, sondern verbreite sich. Durch den Gewerkschaftskampf würde die wirtschaftliche und politische Lage des Proletariats dauerhaft gehoben. Seine Schlußfolgerungen liefen auf das Bestreben hinaus, den Kampf um die soziale Umwälzung, das Endziel, aufzugeben und den Kampf um soziale Reformen aus einem Mittel des Klassenkampfes zu seinem eigentlichen Zweck zu machen. Er schrieb wörtlich: „Das Endziel ist mir nichts, die Bewegung alles.“
Diese Theorie machten sich fast alle Gewerkschaftsführer zu eigen. Sie entsprach ganz ihrer ‚praktischen‘ Gewerkschaftspolitik. Die Gewerkschaftsführer wollten eine ‚ruhige‘ Gewerkschaftsentwicklung, die nicht immer durch stürmisches Anrennen der Massen gegen die Fesseln des Kapitalismus gefährdet würde. Statt dessen versuchten die Gewerkschaftsführer die Hassen zu ‚beruhigen‘ und vom revolutionären Kampf abzubringen durch Einführung sozialer Unterstützungseinrichtungen in den Gewerkschaften und Abschluß möglichst vieler, langfristiger Tarifverträge usw.
Schon damals müßten die fortgeschrittenen Massen die Durchführung großer Kämpfe gegen die immer zum Ausweichen geneigten Gewerkschaftsführer erzwingen. Der revolutionäre Kampfeswille der Massen erhielt einen kräftigen Antrieb durch die russische Revolution 1905 (Eisenbahnerstreik und Wahlrechtskampf in Österreich). Zur theoretischen Wortführerin des revolutionären Massenwillens gegen die revisionistischen Gewerkschaftsführer wurde Rosa Luxemburg. Sie wies nach, daß gerade umgekehrt mit der Entwicklung der Kartelle, Trusts und Ausbau des Kreditwesens die Konzentration und die Widersprüche des Kapitals sich steigern, die Krisen immer katastrophalere Formen annehmen, die Verelendung der Massen und die Klassengegensätze wachsen müssen. Darum: Keine Abschwächung, keine „Humanisierung des Klassenkampfes“, wie viele Gewerkschaftsführer predigten, sondern der wachsenden Nacht des Kapitalismus muß die geschlossene Nacht des bewußt revolutionär geführten Proletariats entgegengestellt werden. Der Theorie, daß die Gewerkschaften nur groß und stark werden könnten durch ruhige Entwicklung und Vermeidung aller ‚gewerkschaftsstörenden‘ revolutionären Massenkämpfe, trat Rosa Luxemburg entgegen in ihrer Broschüre: „Massenstreik, Partei und Gewerkschaften“ (1906). Ganz besonders aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen in der russischen Revolution 1905 kam sie in ihrer Broschüre zu folgenden Schlußfolgerungen:
„Andererseits aber können die Gewerkschaften, wie alle Kampforganisationen des Proletariats, sich selbst nicht auf die Dauer anders erhalten, als gerade im Kampf, und zwar nicht im Sinne allein des Froschmäusekrieges in den stehenden Gewässern der bürgerlich-parlamentarischen Periode, sondern im Sinne heftiger, revolutionärer Perioden des Massenkampfes. Die steife, mechanisch-bürokratische Auffassung will den Kampf nur als Produkt der Organisation auf einer gewissen Höhe ihrer Stärke gelten lassen. Die lebendige dialektische Entwicklung läßt umgekehrt die Organisation als ein Produkt des Kampfes entstehen. Wir haben bereits ein grandioses Beispiel dieser Erscheinung in Rußland gesehen, wo ein so gut wie gar nicht organisiertes Proletariat sich in anderthalb Jahren stürmischen Revolutionskampfes ein umfassendes Netz von Organisationsansätzen geschaffen hat.“
Diese Sätze von Rosa Luxemburg sind heute mehr denn je aktuell, denn auch heute schreien die reformistischen Gewerkschaftsführer bloß: „Mitglieder werben, Mitglieder werben“, aber vergessen, daß die Arbeitermassen nicht nur durch das Wort, sondern durch die Tat, das heißt durch den Kampf für die Gewerkschaften gewonnen werden können.
KLASSENZUSAMMENARBEIT IN ÖSTERREICH VOR 1945
Auch die österreichische Sozialdemokratie und Gewerkschaften verlegten zusehends den Klassenkampf von der Straße in die Gewerbegerichte, Arbeitsbeiräte und ab 1907 ins Parlament. Von großer Wichtigkeit für die Gewerkschaften war das Gesetz über die Gewerbegerichte, das an 1.6.1898 in Gültigkeit trat. Das Gewerbegericht sollte unter den Vorsitz eines Berufsrichters und in Anwesenheit je eines Vertrauensmannes der Arbeiter und der Unternehmer die Verhandlungen Über Streitigkeiten durchführen. Die Gewerkschaften erklärten, daß, trotzdem das Gesetz mangelhaft ist, „eine konsequente und loyale Durchführung desselben der Arbeiterschaft auf den Gebiet der Rechtsverfolgung eine wesentliche Besserung der herrschenden Zustände bringen“ kann.
Als an 28. 7. 1914 der erste Weltkrieg ausbrach, schlossen die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften dann folglich ihren Burgfrieden mit den kapitalistischen System. Für Österreich galt die Ansicht, daß der gemeinsame Feind das zaristische Rußland sei, und eine Interessensgemeinschaft zwischen der Arbeiterklasse und den k.u.k. Staat bestünde. Der Burgfrieden war identisch mit einen Industriefrieden, das heißt, Streiks wurden von den Gewerkschaften bewußt hintertrieben, und sie beschränkte sich auf die Kriegsfürsorge, also um das reibungslose Funktionieren der Kriegsmaschinerie, indem sie den menschlichen ‚Kriegsausschuß‘ verwaltete und pflegte. Sofort nach der Kriegserklärung wurde das österreichische Parlament nach Hause geschickt und trat erst an 30.5.1917 wieder zusannen, nachdem an 1. Mai 1917 die kriegsmüden Massen in ganzen Reiche die Arbeit niederlegten. Die Betriebe wurden militarisiert indem sie unter das Kriegsleistungsgesetz gestellt wurden. Im Verlaufe des Krieges häuften sich die Beschwerden von Arbeiterseite, die Gewerkschaftsfunktionäre gerieten unter einen inner erbitterteren Druck aus den Betrieben, und die Gewerkschaftsführung versuchte diese Unzufriedenheit auf die Forderung nach Beschwerdestellen zu lenken. Mit Erlaß von 31.10.1915 wurden dann tatsächlich für Wien und Niederösterreich probeweise Beschwerdestellen für Kriegsleistungsbetriebe errichtet, und, da sie sich ‚bewährten‘, ab 21.3.1917 in ganzen Reich zugelassen. Die gewerkschaftlichen Vertrauensmänner arbeiteten in diesen Beschwerdekommissionen mit, was während des Krieges ihre Haupttätigkeit war. Durch diese Beschwerdekommissionen wurden die Gewerkschaften de facto staatlich anerkannt.
Doch der Druck von Seiten der Arbeiterklasse nahm nichtsdestotrotz zu. In November 1917 wurde das Ministerium für soziale Fürsorge errichtet, und in selben Jahr erging von Kaiser Karl an die Sozialdemokratie das Angebot, Vertreter in ein ‚Konzentrationskabinett‘ zu entsenden. Kaiser Karl hatte dabei sicher nicht zufällig an Karl Renner gedacht. Doch sowohl Renner, als auch die SDAPÖ lehnten ab, eingedenk der Auswirkungen, die solch ein Schritt in der Arbeiterklasse, in der sich inner mehr das Bedürfnis ausbreitete, „russisch“ zu reden, für Folgen gehabt hätte. In Jänner 1918 brach dann auch der, nach der russischen Revolution, größte Massenkampf während des 1. Weltkrieges aus. Der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften gelang es, den Streik de facto völlig ergebnislos abzuwiegeln. Die wenigen „Linksradikalen“ waren zu schwach. Die Arbeiterschaft war verbittert, enttäuscht und verließ in Scharen die Partei und die Gewerkschaften. In Juni 1918 kam es noch zu einem großen Metallarbeiterausstand.
Die Herrschenden und die Sozialdemokratie waren gewarnt. Noch vor der Bildung der Koalitionsregierung hatten der Gewerkschaftspräsident Anton Hueber und Karl Renner in Arbeitsausschuß für Kriegs- und Übergangswirtschaft des k.u.k. Handelsministeriums die Aufstellung einer paritätischen Industriekommission für industrielle Abrüstung und wirtschaftlichen Aufbau verlangt und auch durchgesetzt. Diese paritätische Industriekommission tagte zum erstenmal an 4.10.1918. Gewerkschaftsvertreter waren Franz Domes, der auch in Staatsrat saß, Ferdinand Hanusch, der dann das Ministerium für soziale Fürsorge übernahm, und Anton Hueber. „Gleichberechtigt saßen sie neben den Unter-nehmervertretern. Bald hatten sie die Führung“ (Julius Deutsch). Bald hatten sie tatsächlich die Führung beim kapitalistischen Wiederaufbau Österreichs, während in Ungarn und in Bayern Räterepubliken entstanden.
An 30.10.1918 bildete sich die Koalitionsregierung der Sozialdemokratie mit den Bürgerlichen; der Staatsrat wurde gebildet. Jetzt konnte, da ja angeblich die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit hergestellt war, die Sozialdemokratie ans Werk gehen. „Unser Schlachtruf ist:
Von der politischen Demokratie zur wirtschaftlichen Demokratie.“ So rief es Franz Domes an 1. Deutsch-österreichischen Gewerkschaftskongreß am 30.11.1919 aus.
Die politische Demokratie war identisch mit der parlamentarischen Demokratie, die wirtschaftliche Demokratie, die Gleichberechtigung von Kapital und Arbeit, sollte nun in Gesetzesform angegangen werden. Aber als Hintergrund für die gesamte soziale Gesetzgebung und das Rote Wien sollte man inner das revolutionäre Fieber sehen, welches die österreichischen Arbeiter- und Soldatennassen erfaßt hatte. Um die Alleinherrschaft der Arbeiterklasse zu verhindern, wurde die Mitbestimmung an der Herrschaft des Kapitals als der wahre Sozialismus, als der demokratische Sozialismus, verkauft.
Am 15.5.1919 wurde das Betriebsrätegesetz angenommen, welches die „Eröffnung des Weges zur praktischen Betriebsdemokratie“ (Otto Bauer) darstellte.
Am 29. Juli 1919 wurde das Gesetz Ober die gemeinwirtschaftlichen Unternehmen verabschiedet. Viele große Betriebe hatte die Republik aus der Heeresverwaltung übernommen. In der Leitung dieser Betriebe sollten Vertreter der Gewerkschaften für die Produzenten, Vertreter der Konsumgenossenschaften für die Konsumenten und, als unparteiische Dritte, Vertreter des bürgerlichen Staates zusammenwirken.
Am 18.12.1919 wurde, nach einen Entwurf von Otto Bauer, das Gesetz über Einigungsämter und Kollektivverträge angenommen. Die Einigungsämter waren praktisch nur eine Fortsetzung der Gewerbegerichte und der Beschwerdekommissionen. Die Einigungsämter dienten dazu, die Entwicklung des Klassenkampfes zu hemmen, denn die angeblich neutralen Einigungsämter sind wie alle Einrichtungen im kapitalistischen Staat entscheidend ein Instrument der Bourgeoisie zur Niederhaltung der Arbeiterklasse. Trotz möglicher Augenblicksvorteile, die durch Anrufung der Einigungsämter bestimmte Arbeiterkategorien haben können, trägt die Einrichtung der Einigungsämter nur dazu bei, den Klassenkampf der Arbeiterklasse einzuschränken, zu hemmen und die kapitalistische Herrschaft aufrechtzuerhalten. Deshalb müssen die Einigungsämter (seit 1987 Arbeits- und Sozialgerichte) von jedem klassenbewußten Gewerkschafter und Werktätigen aufs schärfste bekämpft werden. Das bedeutet aber nicht, daß sie sich jeder Betätigung in den bestehenden Einigungsämtern (Arbeits- und Sozialgerichte) enthalten. Sie müssen aber alles tun, um die Arbeiterforderungen in freiem Kampf und ohne Benützung der Einigungsämter auszufechten. Nur in Ausnahmefällen können klassen-bewußte Gewerkschafter die Einigungsämter anrufen. Können sie jedoch die Anrufung der Einigungsämter nicht verhindern, oder lassen sich Verhandlungen vor dem Schlichter nicht vermeiden, dann sollen sie sich zur Kontrolle als Beisitzer oder Gewerkschaftsvertreter bei den Verhandlungen vor dem Einigungsamt beteiligen und sogar um ihre Entsendung kämpfen.
Am 26.2.1920 wurde das Gesetz zur Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte erlassen. Die Forderung nach Arbeiterkammern ist eine alte Forderung der österreichischen Arbeiterbewegung. Sie wurde bereits 1848 aufgestellt und am Hainfelder Einigungsparteitag der Sozialdemokratie 1888 wiederholt. Grundlage für diese Forderung war, daß es
bereits seit 1850 eine Handelskammer gab, die als gesetzliche Interessensvertretung von Handel, Industrie und Gewerbe automatisch Vertreter ins Parlament entsenden konnte, welches aber noch nicht nach freien und direkten Wahlen zusammengestellt wurde. Als kurzfristiger Ersatz für das fehlende Wahlrecht wurden eben Arbeiterkammern als Gegenstück zur Handelskammer gefordert. Ober sie hoffte die Sozialdemokratie ins Parlament zu gelangen, um dort Propaganda für die sozialistischen Ideen zu machen. Der zweite Grund für das Aufstellen dieser Forderung war das Bedürfnis, eine legale Organisationsform für alle Lohnarbeiterlnnen zu finden. Die Arbeiterkammern sollten diese Organisationsform darstellen. Doch mit der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften, die dem Klassenkampf zusehends feindlich gegenüberstanden und sich immer mehr der Klassenzusammenarbeit hingaben, veränderte sich auch der Inhalt der Forderung nach Arbeiterkammern.
Die Arbeiterkammern der 1. Republik waren nämlich als Integrationsinstrument gedacht, welches der Unabhängigkeit der Arbeiterklasse, ausgedrückt in den noch bestehenden Arbeiter- und Soldatenräten, entgegengesetzt wurde, um die Arbeitermassen an Aufbau eines kapitalistischen Deutsch-Österreich zu interessieren. So sind die Arbeiterkammern Teil des bürgerlichen Staatsapparats und können auch von diesem per Gesetz aufgelöst werden. Alle Arbeitnehmer sind Zwangsmitglieder und besitzen absolut keine Möglichkeit, die Funktionäre zu kontrollieren oder sich in die Arbeiterkammern einzubringen.
So wurde das Instrumentarium geschaffen um den Weg zur sozialen Demokratie schrittchenweise beschreiten zu können. Indem der Sozialismus dem Kommunismus diametral entgegengesetzt wurde, wurde auch das ursprünglich marxistische Sozialismusbild revidiert. Ist nach Marx und Engels der Sozialismus die erste Stufe des Kommunismus, eine bereits klassenlose Gesellschaft, in der die ökonomische Gleichheit durch Entlohnung nach der Quantität der Arbeit versucht wird zu verwirklichen, und ein bereits im Absterben begriffener Staat die Noch-Verwaltung übernommen hat, so versuchte die Sozialdemokratie, und mit ihr die Gewerkschaftsführungen, indem sie den Sozialismus über die formale parlamentarische Demokratie einführen will, ihn zu einer klassenversöhnten Gesellschaft werden zu lassen. Sie war zusehends gezwungen, den Begriff des Sozialismus selbst aufzugeben, und entwickelte, als ‚Übergangsgesellschaft‘ zum Sozialismus, die Theorie der sozialen Demokratie für Österreich und der Wirtschaftsdemokratie für Deutschland.
Der Klassenkampf wurde immer mehr als Mittel gesehen, um bei Bedarf die Klassenzusammenarbeit gegen eine widerspenstige Bourgeoisie erzwingen zu können. Doch um dies auch tatsächlich verwirklichen zu können, durfte daher der Klassenkampf über einen gewissen Rahmen nicht hinausgehen.
Als während der ersten Apriltage 1919 spontane Sozialisierungsaktionen im Hüttenwerk Donawitz und im Seegrabner Kohlebergbau stattfanden, und sich die Arbeiter mit der Bitte um sofortige Sozialisierung an Otto Bauer und die Sozialisierungskommission wandten, war deren größte Sorge, die Arbeiter von der Fortsetzung der ‚wilden‘ Sozialisierungsaktion abzuhalten. In Donawitz hat am 7.April eine Versammlung der Arbeiterschaft beschlossen, den Werksdirektor abzusetzen. „Der Beschluß wurde sofort in die Tat ungesetzt, und ein viergliedriges Direktorium gebildet, bestehend aus zwei Ingenieuren, einem sozialdemokratischen Arbeiter und einem Kommunisten (…) Die aberwiegende Mehrheit der Angestelltenschaft hat sich bereit erklärt, bei den großen Werk der bevorstehenden Sozialisierung Seite an Seite mit der Arbeiterschaft nach besten Missen und Vermögen zu arbeiten, zum Wohle von uns allen, zum Wohle der Nation. Sie tat dies und tut dies in der Oberzeugung, mit ernsten und nüchtern denkenden Männern zu marschieren.“ (Arbeiterwille, Zeitung der SDAPÖ, 13.4.1919)
Aber diese ernsten und nüchtern denkenden Männer waren für Otto Bauer, die Sozialdemokratie und die Gewerkschaftsführer Hitzköpfe, denn sie errichteten Formen der Herrschaft der Arbeiterschaft, begannen das Lohnsystem abzuschaffen, und das müsse unweigerlich zum Untergang führen, denn nach der Ideologie der sozialen Demokratie ist der Untergang des Kapitals auch der Untergang der Arbeit. Die Theoretisierung für das Handeln und Treiben der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsführung lieferte in Österreich der ‚linke‘ Austromarxist Max Adler mit seinem Werk „Die soziale Demokratie“, erschienen 1926. In Deutschland Übernahm diese Aufgabe Fritz Naphtali 1927, und er nannte sein Konzept „Wirtschaftsdemokratie“. Den wirtschaftlichen Hintergrund lieferte Rudolf Hilferding mit seiner Theorie des organisierten Kapitalismus.
Hilferding entwickelte darin die Ansicht, daß die Entwicklung des Kapitalismus durch Vertrustung, Kartellisierung, aber auch durch die Rationalisierung immer mehr Elemente gesellschaftlicher Planung hervorbringt. Diese Tendenzen zur Planung innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft müßten vom Staat, in dem die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften die treibende Rolle spielen müssen, koordiniert und gegen widerspenstige Kapitalschichten durchgesetzt werden. Die Entwicklung zum ‚Wohlstand für alle‘ besorge der ebenso ‚organisierte Kapitalismus‘ über die ausgedehnten Rationalisierungswellen, wodurch laut den Theoretikern der ’sozialen Demokratie‘ zwar kurzfristig Arbeitskräfte freigesetzt werden müßten, es aber längerfristig zu einer Verbilligung der Produkte komme. Dadurch würde die Nachfrage entscheidend zunehmen, was wiederum zu einer Ausdehnung der Produktion und gesteigerter Nachfrage nach Arbeitskräften führen würde. Laut Hilferding und Co. entwickle also der Kapitalismus aus sich heraus alle Möglichkeiten für einen ‚Wohlstand für alle‘. Diese Entwicklung gilt es durch vernünftiges und weitsichtiges Intervenieren zu lenken und zu beschleunigen. Durch Arbeitskämpfe sie zu behindern ist mit allen Mitteln zu verhindern – die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften theoretisieren damit ihren systematischen Streikbruch.
Die Theorie der ’sozialen Demokratie‘ stellt einen Faktor der reformistischen Propaganda zur Verwirrung und Täuschung der Massen, eine Idealisierung der Klassenversöhnung und Klassenzusammenarbeit dar. Eine ’soziale Demokratie‘ ist als ein realer Faktor weder vorhanden noch jemals möglich, weil es niemals eine ‚gleichmäßige Beteiligung‘ zweier Klassen an der ‚Wirtschaftsführung‘ (noch dazu wo es im Kapitalismus eine gesamtgesellschaftliche Wirtschaftsführung überhaupt nicht gibt), sondern nur erbitterten Kampf oder Unterordnung der einen Klasse unter die andere geben kann. Der Burgfrieden, der 1914 geschlossen wurde, ist bis heute nicht aufgekündigt worden. Burgfrieden ist identisch mit Industrie- und Wirtschaftsfrieden, und den haben die Sozialdemokraten in Partei und Gewerkschaft sich auch bemüht unentwegt herzustellen. Lohnkämpfe wurden systematisch hintertrieben, nach 1918 mit Zustimmung der Gewerkschaften wieder die Akkordarbeit eingeführt. Rationalisierungen werden unterstützt und lediglich versucht, durch mögliche Mitbestimmung etwaige Fehlrationalisierungen, damit sind Überstürzte Rationalisierungen gemeint, zu verhindern. Im Kapitalismus stellt sich aber der größte Teil der Rationalisierungen als Fehlrationalisiserungen heraus. Die Rationalisierung erhält stets ihren Anstoß von der Erwartung eines eigenen privaten Vorteils seitens des Kapitalisten und dieser nimmt auf die dadurch aus seinem Betrieb verdrängten Arbeiter keinerlei Rücksicht und überläßt ihren Unterhalt der Öffentlichkeit. Da das kapitalistische System aufgebaut ist auf Einzelwirtschaft und alle diese Einzelwirtschaften nur beherrscht sind von dem Streben nach Profit, so werden sie nie und nimmer nach dem Gesamtnutzen, sondern stets nur nach ihrem besonderen Interesse fragen. Die Mitbestimmung kann daher gar nicht anders, als sich dem Willen und den Wünschen der jeweiligen Einzelkapitalisten zu unterwerfen. Mitbestimmungswillige Betriebsräte verkommen daher in den meisten Fällen zu Rationalisierungsgehilfen des Kapitals. Ihr Argument ist, daß ohne Rationalisierung alle Arbeitsplätze verlorengehen, da sei es doch viel besser an der Rationalisierung mitzuarbeiten und dadurch wenigstens ein paar Arbeitsplätze zu retten. Tatsächlich wird aber dadurch die Kampfkraft der Belegschaft entscheidend geschwächt und die weiteren Rationalisiserungsmaßnahmen können noch viel leichter durchgezogen werden – der Arbeitsplätzeabbau wird beschleunigt!
Doch fahren wir fort mit der Darstellung der Theorie der ’sozialen Demokratie‘ und des ‚organisierten Kapitalismus‘. Die Mitbestimmung, die also die im Kapitalismus unvermeidlichen Fehlrationalisierungen verhindern helfen soll, soll im Betrieb über die Betriebsräte und gesetzliche Regelung der Mitbestimmung (Betriebsrätegesetz, später Arbeitsverfassungsgesetz) erreicht werden. In allen größeren Orten und Industriebezirken sollten paritätische Wirtschaftskammern geschaffen werden, die ihre Spitze in einem Reichswirtschaftsrat haben sollten. Neben der gesetzlichen Regelung der Mitbestimmung sollte die Kapitalmacht der Arbeiterklasse zur Geltung kommen, um den Unternehmern ‚zu zeigen, wie man wirtschaftet‘. Arbeiterbanken wurden gegründet, 1922 in Österreich, wo die Gewerkschaften die Beiträge der Arbeiterschaft ‚arbeiten‘ ließen. Karl Renner bekleidete eine wichtige Funktion in der Arbeiterbank. Die Banktätigkeit, die neben der ‚Lebensversicherung‘, dem Ankauf von Betrieben und der Beteiligung an anderen ähnlichen kaufmännischen „Geschäften“ in der gewerkschaftlichen „Tätigkeit“ eine immer größere, ja Überwiegende Bedeutung gewinnt, macht die Gewerkschaften zu einem integrierenden Teilchen der kapitalistischen Maschine, zu einer Waffe des Kapitals zur Beeinflussung der Arbeiternassen. Die Gelder der Arbeiterbanken stehen dem Privatkapital zur Verfügung, und die Arbeiterbank in Österreich hat laut Statut nicht einmal das Recht, die Arbeiterorganisationen bei Streiks zu unterstützen. Dafür sitzen die Gewerkschaftsspitzen in der Verwaltung und im Aufsichtsrat. „Es gibt in der Entwicklung, oder besser gesagt in der Degeneration der heutigen Gewerkschaftsorganisationen in der ganzen Welt einen allgemeinen Zug: die Annäherung an die Staatsgewalt und das Verschmelzen mit ihr. (…) Der Monopolkapitalismus fußt nicht auf Privatinitiative und freier Konkurrenz, sondern auf zentralisiertem Kommando. Die kapitalistischen Cliquen an der Spitze der mächtigen Trusts, Syndikate, Bankkonsortien usw. sehen das Wirtschftsleben von ganz denselben Höhen wie die Staatsgewalt und benötigen bei jedem Schritt deren Mitarbeit. Ihrerseits finden sich die Gewerkschaften in den wichtigsten Zweigen der Industrie der Möglichkeit beraubt, die Konkurrenz zwischen den verschiedenen Unternehmern auszunutzen. Sie haben einen zentralisierten, eng mit der Staatsgewalt verbundenen kapitalistischen Widersacher zu bekämpfen. Für die Gewerkschaften – soweit sie auf reformistischem Boden bleiben, d.h. soweit sie sich dem Privateigentum anpassen – entspringt daraus die Möglichkeit, sich auch dem kapitalistischen Staate anzupassen und die Zusammenarbeit mit ihm anzustreben“ (Leo Trotzki). Wir werden in der Folge sehen, daß die reformistischen Gewerkschaften diesen Weg tatsächlich bis zur letzten Konsequenz gegangen sind. Sich selbst Versorgungsposten schaffend, behaupteten sie, daß über die Arbeiterbanken, die Genossenschaftsbetriebe und die bereits wenigen ’sozialisierten‘ Betriebe und Gemeinbetriebe eine praktische Erweiterung der Wirtschaftsmacht der Arbeiterklasse erreicht werden solle, um so die Gleichheit von Kapital und Arbeit zu festigen. Über ihre Kapitalmacht soll die organisierte Arbeiterschaft versuchen, in der kapitalistischen Wirtschaft Fuß zu fassen. Wer tatsächlich Fuß faßte, das waren die Gewerkschaftsführer und -bürokraten.
Um das Chaos des Konkurrenzkapitalismus durch die gesellschaftliche Planung des ‚organisierten Kapitalismus‘ abzulösen, müsse die Einmischung des Staates in den Gesellschaft- und Wirtschaftsmechanismus gezielt genützt werden, bei Bedarf durch Koalitionsregierungen. Diese Tendenz zum Staatsinterventionismus mit dem Ziel, die immer härter werdenden und auf die Spitze getriebenen Konkurrenzkämpfe und Klassenkämpfe zu bewältigen – erst durch Ausgleich und Vermittlung, dann durch Repression und Krieg – gab es natürlich tatsächlich. In den krisengeschütteltsten Ländern wie Italien, Ungarn, Polen, Deutschland und Österreich nahm dieser Staatsinterventionismus terroristische Gestalt in Form des Faschismus an, in den ‚Krisengewinner‘-Staaten nahm er die Form des New Deals von Roosevelt/Keynes an. Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften verschrieben sich in der Folge dem Kurs Roosevelt/ Keynes. Wir sollten aber nicht vergessen, daß dieser Kurs nur deshalb möglich war, weil es eben den Faschismus gegeben hat. Die Weltwirtschaft stellt eine Einheit dar, wo die Entwicklung eines Landes oder gleich mehrerer Länder ungeheure Rückwirkungen auf die Zukunft der übrigen Länder hat. Diese Tendenz hat sich bis heute noch ungeheuer verstärkt – was heißen soll, daß der Keynesianismus der sechziger und siebziger Jahre nur auf Kosten der Ausbeutung und Unterdrückung der sogenannten ‚Dritten Welt‘ möglich war.
Die Entwicklung zur Zentralisierung des Kapitals, zur Vertrustung, Kartellisierung und Rationalisierung hat sich bis heute entscheidend zugespitzt. So kontrollieren 866 Multis Ende der siebziger Jahre 76,5% der Fertigwarenproduktion der Welt und 30 bis 40% des Welthandels der kapitalistischen Weltökonomie. Investitionen in der Höhe von 62 Milliarden Dollar in die ‚Dritte Welt‘ stand ein Kapitalrückfluß von 139 Milliarden Dollar in die Konzernzentralen im Verlauf der siebziger Jahre gegenüber. Das Finanzkapital kontrolliert und organisiert die Welt nach seinen Profitgelüsten. Der Staat ist tatsächlich ein Element dieser Organisierung. Ein dienendes Element, das je nach Bedarf mittels Ausgleich und Vermittlung, oder mittels Repression und Krieg dem Kapital den Weg bereiten hilft. Es stimmt: die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften haben nie den Kampf gescheut. Zählten sie vormals zur Avantgarde der Arbeiterklasse, so hat sie der Weg der Klassenversöhnung und der Klassenzusammenarbeit zu Kämpfern des parlamentarisch ‚organisierten Kapitalismus‘ gemacht. Ihre Ideologie der Klassenversöhnung macht sie aber selbst gegen die repressive Variante des ‚organisierten Kapitalismus‘ – Diktatur und vor allem Faschismus, der sich ja ebenfalls auf die Klassenversöhnung in Form des Korporativismus beruft – wehrlos. Demokratie und Terror stehen sich nicht unversöhnlich gegenüber. Greift die Sozialdemokratie und mit ihr die Gewerkschaften phasenweise ebenfalls zum Terror, um Klassenkampfentwicklungen zu unterdrücken und zu zerschlagen, so muß selbst der Faschismus unter Umständen zu Formen der Demokratie greifen, um möglichen Widerstand der Arbeiterklasse integrieren zu können, da ihm unmittelbar die Mittel zur rücksichtslosen Gewaltanwendung fehlen. So fanden 1936 in Österreich Vertrauensmännerwahlen statt, so hat der Faschismus in Italien jahrelang ein Parlament geduldet usw.
Damit soll jetzt nicht einer Gleichsetzung von Faschismus und bürgerlicher Demokratie das Wort geredet werden. Es soll lediglich erwähnt sein, daß jede Entwicklung, auch wenn sie einen klaren Bruch mit der vorhergehenden Phase markiert, ihre Schatten vorauswirft, daß trotz des Bruches in der vorhergehenden Phase sich die Voraussetzungen herausbilden müssen, um diesen Bruch dann tatsächlich auch durchführen zu können. Die Theorie der Klassenversöhnung und die Praxis der Klassenzusammenarbeit ist ein Wegbereiter dieses Bruches, obgleich der Träger der demokratischen Variante der Klassenversöhnung – die Sozialdemokratie und die reformistischen Gewerkschaften – selbst unter den Schlägen der terroristischen Variante zerschlagen wird. Die Klassenversöhnung (Mitbestimmung, Sozialpartnerschaft, soziale Demokratie, Wirtschaftsdemokratie oder unter welchen Namen sie auch immer auftreten mag) ist für die Arbeiterklasse eine tödliche Illusion . Dieses kleinbürgerliche Wunschbild kann der Arbeiterklasse, die tagtäglich im Klassenkampf verwickelt ist, entweder mittels Vermittlung, Überredung, Bestechung oder Einschüchterung auferlegt werden, oder im Falle, daß entscheidende Teile der Arbeiterklasse kampfbewußt und kampfbereit bleiben, durch offene Repression und Terror aufgezwungen werden. Entweder die Bourgeoisie gewinnt die Hirne der Mehrheit der Arbeiterklasse, oder sie zertritt sie mit den Schaftstiefeln ihrer Terrorkommandos!
KLASSENZUSAMMENARBEIT NACH 1945
Nach den Jahren der faschistischen Diktatur und des 2.imperialistischen Weltkrieges blieb die Ausrichtung der Gewerkschaftspolitik nach 1945 gleich. Wir können eine Kontinuität von der Burgfriedenspolitik während des ersten Weltkrieges, der Koalitionspolitik 1918-1920, der Politik der freien Gewerkschaften während der Zeit der I.Republik bis zu den Lohn-Preisabkommen 1947-1951 und schließlich der Paritätischen Kommission feststellen. Doch es wäre nicht richtig behaupten zu wollen, daß der am 15.4.1945 offiziell gegründete ÖGB nicht versucht hätte, aus der offensichtlichen Fehlentwicklung, die in den Faschismus hineinführte, Konsequenzen zu ziehen. In seiner „Stellungsnahme zur Wirtschaftspolitik“ (1959), der die Funktion eines Grundsatzprogramms des ÖGB zuzukommen scheint, versuchen die österreichischen Gewerkschaften aus der Vergangenheit Lehren für ihre gegenwärtige und zukünftige Praxis zu ziehen. In dieser Stellungsnahme entwickelt der ÖGB seine Selbstverpflichtung der „Verantwortung gegenüber der Wirtschaft als Ganzes“. Die gewerkschaftliche Aufgabe habe früher darin bestanden, „kraft der gewerkschaftlichen Stärke möglichst hohe Löhne und Gehälter zu erreichen. Damals haben die Gewerkschaften keinen wirksamen Einfluß auf die Wirtschaft gehabt.“ Und eben weil die Gewerkschaften früher keinen ins Gewicht fallenden wirtschaftlichen Einfluß hatten, „mußten sie auch nicht auf gesamtwirtschaftliche Interessen in dem Ausmaß Rücksicht nehmen, wie sie es bei der wirtschaftlichen Mitverantwortung heute tun müssen.“ Aufgrund dieses, durch die Wirtschaftspartnerschaft ihnen eingeräumten „wirklichen Einfluß auf die Wirtschaft“ sei der ÖGB nun in der Lage „durch eine möglichst günstige Wirtschaftsentwicklung die Voraussetzungen zur Hebung des Lebensstandards der Arbeiter und Angestellten zu schaffen.“ Die gewerkschaftlichen Forderungsprogramme sind daher in „Übereinstimmung mit den allgemeinen Erfordernissen zu bringen“, und die Aufgabe einer „fortschrittlichen Gewerkschaftspolitik“ sei es, „zugunsten der Staatswohlfahrt sich zu beschränken.“
Diese programmatische Erklärung des ÖGB liefert das inhaltliche Gerüst für die Politik der Klassenzusammenarbeit nach 1945, aber auch für den Organisationsaufbau, denn die Führung des ÖGB wußte bestens, daß ihre Selbstverpflichtung der „Verantwortung gegenüber der Wirtschaft als Ganzes (…) auch eine Quelle des Unmutes und Mißverständnisses der Gewerkschaftsmitglieder“ sei, und die Gefahr bestehe, „daß ein Teil der Mitglieder dieser Handlungsweise vorerst nicht das notwendige Verständnis entgegenbringt.“ Der Organisationsaufbau mußte daher bürokratisch zentralisiert werden, und der Gewerkschaftsapparat, der die Interessen der Staatswohlfahrt stets im Auge haben müsse, mußte daher in nahezu absoluter Form von den möglichen Unmutsäußerungen der Gewerkschaftsmitglieder abgesondert werden. Die politische Fehlentwicklung findet daher konsequenterweise ihren Ausdruck in einer organisatorischen Fehlentwicklung, in einem Mißbrauch ‚der Gewerkschaftsorganisation für die Interessen des Kapitals. Doch bevor wir näher auf die Organisationsstruktur des ÖGB eingehen, wollen wir noch die wichtigsten Etappen des „neuen Kurses“ der österreichischen Gewerkschaften uns genauer anschauen.
Der konsequent zu Ende gedachte Klassenkampf führt unweigerlich zur Anerkennung der Notwendigkeit der Alleinherrschaft der Arbeiterklasse, der Diktatur des Proletariats. In die andere Richtung gedacht bedeutet dies, daß der Versuch der Herstellung der Klassenversöhnung und der Klassenzusammenarbeit in sich eine Dynamik birgt, die zur Identifizierung mit der Herrschaftsform des Kapitals, zur Beteiligung am, und zur Verantwortung für den bürgerlichen Staat führt. Dieser bürgerliche Staat muß daher nicht einmal unbedingt die Form der parlamentarischen Demokratie annehmen, sondern er muß lediglich auf das Hitwirken der Gewerkschaften bei der Herstellung des inneren Friedens, der Klassenharmonie angewiesen sein – er muß die Gewerkschaften anerkennen! Die Gewerkschaften lehnen von daher den Zwang zur Kooperation (-Zusammenarbeit) ab, wenn dieser zu ihrer Überflüssigmachung führt, doch sie können auf diesen Zwang nicht verzichten. Eine Kombination von freiwilliger Kooperation mit einem Zwang zu dieser wurde in Österreich nach 1945 errichtet. Von der ersten Stunde seines Bestehens an bekannte sich der ÖGB zur freiwilligen Kooperation, deren Inhalt die Abstimmung zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Interessen bei der Regelung ökonomischer und sozialer Probleme war und ist. Der Inhalt der Zusammenarbeit mit den Repräsentanten der Unternehmer und der Bauern war die Anerkennung der bestehenden gesellschaftlichen und politischen Strukturen, also des kapitalistischen Produktionssystems und des parlamentarisch-repräsentativen Systems. Die Ziele waren vorerst nach 1945 der kapitalistische Wiederaufbau Österreichs, die Konsolidierung der Wirtschaft und die Steigerung der Produktion.
Gleichzeitig arbeitete der ÖGB an der Errichtung eines Zwangssystems zur Kooperation maßgeblich mit. Dieser Zwang zur Kooperation geht von den Kammern, aber auch vom Arbeitsverfassungsgesetz aus. Die Kammern bilden die eigentliche Infrastruktur kooperativer Politik in Österreich; und zwar sind das die Handelskammern mit ihrem Dachverband, der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, die Landwirtschaftskammern mit ihrer Präsidentenkonferenz, und die Arbeiterkammern mit ihrem österreichischen Arbeiterkammertag. Das sind die tragenden Säulen der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft, deren erste Ansätze im Verlaufe der Regelung der Löhne und Preise nach 1945 sich herausbildeten.
Der ÖGB schloß mit der Kapitalseite ein Stillhalteabkommen an der Lohn und Preisfront ab. An diese Stillhalteabkommen, die berühmt-berüchtigten Lohn-Preisabkommen, wäre die Gewerkschaft nicht mehr gebunden gewesen, wenn die Preissteigerung die Lebenshaltungskosten insgesamt um mehr als 10% erhöhen würde. Doch der ÖGB lehnte wiederholt die Anpassung der Löhne an die Preissteigerungen ab, selbst wenn die Erhöhung der Lebenshaltungskosten die 10% Grenze überschritt. Am 2.11.1948 erklärte der Bundesvorstand, warum er dem Lohnraub keinen Widerstand entgegensetzte. „Der Bundesvorstand lehnt Lohnerhöhungen als ein Mittel zur Steigerung des Lebensstandards niemals grundsätzlich, sondern nur unter den gegebenen Verhältnissen ab. In dem Maße, als seine Politik zu sichtbaren Erfolgen in Form einer gesteigerten Produktion und eines verstärkten Warenangebot führte, hat sich die Möglichkeit, durch Lohnerhöhungen zu einer Realkaufkrafterhöhung zu gelangen, verstärkt…“
Wir haben schon erwähnt, daß der ÖGB im kapitalistischen Wiederaufbau, der Konsolidierung der kapitalistischen Wirtschaft und der Steigerung der Produktion seine zentrale Aufgabe sah. Seine gesamtwirtschaftlich orientierte Lohnpolitik, die von „unserer Wirtschaft“ ausging, unterwarf daher die Arbeiterschaft den Erfordernissen der Kapitalverwertung, dem ‚Wirtschaftswachstum‘, und war gleichzeitig‘ eine Quelle des Unmutes der Arbeiterschaft, der seinen Höhepunkt im Massenstreik im Oktober 1950 fand. Die Gewerkschaftsführung bewies dabei, daß sie die „Teilinteressen“ der Arbeiterschaft auch bereit ist mit Einschüchterung, Verleumdung und Terror den „Gesamtinteressen“ des Kapitals zu unterwerfen.
Der Kapitalhunger, der die Unternehmer zu ständigen Angriffen auf den Lebensstandard der Arbeitermassen zwang, wurde jedoch erst durch den Marshall-Plan, zu dem die Lohn-Preisabkommen eine unerläßliche Ergänzung darstellten, gestillt. Marshall-Plan und Lohn-Preisabkommen können daher mit Recht als die Geburtshelfer der österreichischen Sozialpartnerschaft angesehen werden, denn der Marshall-Plan räumte den Gewerkschaften den „wirklichen Einfluß auf die Wirtschaft“ ein, der ihnen während der I.Republik versagt geblieben war. Am 2.7.1948 schlossen die USA, die über gewaltige Mengen überschüssigen Kapitals verfügten, mit Österreich ein „Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit“ im Rahmen des „European Recovery Programm“ (ERP), in dem sich die USA bereit erklärten, österreichische Bestellungen von amerikanischen Rohstoffen, Maschinen und Lebensmitteln bis zu einer bestimmten Höhe zu kreditieren. Der Zweck dieser Kredite war in erster Linie dem Wiederaufbau der Industrie zu dienen, während sich gleichzeitig die physische Reproduktion der Arbeiterschaft auf dem untersten Existenzminimum zu bewegen hatte. Die Subventionierung von Lebensmittelpreisen war nämlich mit den ERP-Geldern nicht erlaubt, und man war dadurch gezwungen die Lebensmittel zu ihrem Marktpreise abzusetzen. Damit dies eben nicht zur sozialen Explosion führte, war die Mitwirkung der Gewerkschaften unerläßlich und wurden in Folge die Lohn-Preisabkommen geschlossen. Diese schrieben einen massiven Lohnverzicht der werktätigen Bevölkerung fest, indem sie Beschränkungen im Bereich der Lohn-Preiserhöhungen in den übrigen Sektoren der Wirtschaft vereinbarten.
Bereits am 4.Juli 1945 wurde die Kreditlenkungskommission noch von der Provisorischen Staatsregierung, die sich aus Vertretern der SPÖ, ÖVP und KPÖ zusammensetzte, ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe war die „planmäßige Lenkung des Öffentlichen und privaten Kredites im Dienste des Wiederaufbaues der österreichischen Volkswirtschaft.“ (§1) Diese solle unter „der Mitwirkung der wirtschaftlichen Interessensvertretungen“ geschehen, „und diese sind zur Mitwirkung verpflichtet.“ (§6) Dies bedeutet, daß, bevor die wirtschaftlichen Interessensvertretungen Überhaupt noch konstituiert waren – das Arbeiterkammergesetz wurde am 20.Juli 1945 und das Handelskammergesetz am 24.Juli 1946 erlassen – diese schon zur Kooperation verpflichtet wurden. Am 29.3.1961 ging die unumschränkte Verfügungsgewalt Über das ERP-Vermögen, welches die erzielten Erlöse aus den ERP-Krediten, gesammelt auf einem Sonderkonto auf der österreichischen Länderbank, waren, auf die Republik Österreich über. An 13.6. 1962 wurde dann das ERP-Gesetz erlassen, welches die Errichtung eines eigenständigen Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit dekredierte. Als Organ dieses Fonds wurde die Kreditkommission bestellt, die im wesentlichen die Funktionen der früheren Kreditlenkungskommission übernahm. In der Kreditkommission bestand immer Parität, wodurch Entscheidungen immer nur einstimmig gefaßt werden können. In der Kreditkommission ist die „Wirtschaftsdemokratie“, die „Gleichberechtigung von Arbeit und Kapital“ nach den Wünschen des ÖGB verwirklicht, und selbst die Gewerkschaftsbank, die BAWAG, ist ein vom ERP-Fond ermächtigtes Kreditinstitut, bei dem Kreditwerber einen Antrag einreichen können. Die formellen Kriterien für die Mittelvergabe entsprechen im wesentlichen auch der Ausrichtung des ÖGB der „Verantwortung der Wirtschaft als Ganzem“ gegenüber. Dem Fond kommt die Aufgabe zu, den Ausbau, die Rationalisierung und die Produktivität der österreichischen Wirtschaft (…) zu fördern und dadurch auch zur Erhaltung der Vollbeschäftigung und Erhöhung des Sozialproduktes unter Bedachtnahme auf die Stabilität des Geldwertes beizutragen.“ (§l|2) Über die Kreditkommission versucht sich die ÖGB-Führung in sozialpartnerschaftlich betriebener Wirtschaftsförderung gemäß ihrer Formel, daß das Wirtschaftswachstum abhängt von der Höhe der Investitionsquote und des technischen Fortschrittes, also kurzum der Rationalisierung!
Kehren wir nochmals kurz zur Zeit unmittelbar nach dem 2.Weltkrieg zurück, als die Grundlagen zur „Wirtschaftsdemokratie“ gelegt wurden. Erst 1947 wurde die staatliche Lohnkontrolle wieder aufgehoben und die Gewerkschaften bekamen die Kollektivvertragsrechte zugestanden. Das Provisorium der Zentrallohnkommission, 1946 gegründet, wurde aber trotzdem erst 1950 aufgelöst. Das erste Lohn-Preisabkommen im Juli 1947 war das Ergebnis der Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit den Kapitalvertretern innerhalb der Wirtschaftskommission, die sich selbst die bereits erwähnten Ziele des kapitalistischen Wiederaufbaues, der Konsolidierung der Wirtschaft und der Steigerung der Produktion setzte. Als 1951 das 5. und letzte Lohn-Preisabkommen beschlossen wurde, wurde das Wirtschaftsdirektorium gegründet, welches ein zeitlich befristetes wirtschaftliches Koordinationsinstrument auf gesetzlicher Basis war, und bis 1954 existierte. 1955 forderte der ÖGB auf dem 3.Bundeskongreß in seinem Aktionsprogramm die Wiedereinsetzung einer Wirtschaftskommission. Als in den folgenden Monaten ein starker Preisauftrieb einsetzte und soziale Konflikte befürchtet wurden, wurde 1956 tatsächlich die Wirtschaftskommission reaktiviert. Da die Kapitalseite der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften nach 1945 einen intakten inneren Frieden und hohe Ausbeutungsraten zu verdanken hatte, sprach folglich nichts gegen eine Institutionalisierung dieser Zusammenarbeit, und am 27.3.1957 wurde die Paritätische Kommission gegründet. Sie setzt sich zusammen aus 4 Regierungsvertreter (Bundeskanzler, Minister für Inneres, Handel und Wiederaufbau, soziale Verwaltung), und aus je 2 Vertretern der Kammern und des ÖGB. Auch die Vereinigung österreichischer Industrieller (VÖI) nimmt an den Sitzungen der Paritätischen Kommission teil. Wie es zwischen ÖGB und Arbeiterkammern eine starke personelle Verschränkung gibt, so auch zwischen der VÖI und der Bundeskammer.
Maßgeblich an der Zustimmung der Unternehmerseite zur Bildung der Paritätischen Kommission trug der Verzicht des ÖGB bei, eine Änderung der Einkommensverteilung anzustreben und steigende Ansprüche der Arbeiterschaft durch steigendes Wirtschaftswachstum zu kompensieren. So gibt es tatsächlich eine vorbestimmte Verteilungsrelation, die nicht durchbrochen werden soll. So ist das Kernstück der österreichischen Sozialpartnerschaft ein impliziter Lohn-Preiskontrakt zwischen Gewerkschaften und Unternehmern mit dem Inhalt, weder durch Lohn-, noch durch Preiserhöhungen die Einkommen umzuverteilen. Dieser Sozialkontrakt wurde und wird noch durch steuerliche und sonstige wirtschaftspolitische Vorleistungen der jeweiligen Regierung abgesichert. Dies hat zur Folge, daß die um die Änderung in der Beschäftigungsstruktur bereinigte Lohnquote von 1955 bis 1986 nahezu unverändert geblieben ist, es sogar zu einer leichten Umverteilung zugunsten der Unternehmerseite bereits gekommen ist. Der ÖGB hat die Prosperität für die Arbeiterklasse ungenützt verstreichen lassen!
Diese Verpflichtung den Status Quo bei der Einkommensverteilung aufrecht zu erhalten, bedingt aber auch eine eigene Praxis bei den Lohnverhandlungen. Die Festlegung der Löhne und Gehälter fällt in Österreich wie in anderen Staaten in die Tarifautonomie der Vertragspartner in den einzelnen Branchen. Zur Besonderheit der österreichischen Sozialpartnerschaft gehört aber die Verpflichtung der Einzelgewerkschaften erst dann Lohnverhandlungen zu führen, wenn diese von dem am 13.4.1962 gebildeten Lohnunterausschuß der ‚Paritätischen‘ auf Antrag der Zentrale des ÖGB durch einstimmigen Beschluß ‚freigegeben‘ werden. Die Vorgehensweise der Lohnunterkommission, die sich aus je 2 Vertretern der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und des ÖGB, sowie je einet Vertreter der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern und des österreichischen Arbeiterkammertages als stimmberechtigte Mitglieder zusammensetzt, wurde genau festgelegt. Sollte innerhalb 6 Wochen kein Beschluß zustande kommen, so wird der Antrag an die Paritätische Kommission weitergeleitet, welche dann innerhalb von 5 Wochen zu entscheiden hat. Kommt wieder kein Beschluß zustande, was allerdings bis zum heutigen Tag noch nicht geschehen ist, so wird der Antrag freigegeben.
Man ersieht aus dieser Art, wie Lohnverhandlungen geführt werden, oder besser nicht geführt werden, daß sie in keinster Weise ein Kräftemessen zwischen Kapital- und Arbeiterseite sind, sondern lediglich eine Prozedur den Konsens zwischen Unternehmer und Gewerkschaftsführung, aktualisiert auf die jeweilige konjunkturelle Situation, zu finden. Freilich ging und geht dieser Findungsprozeß oft nicht ohne Wortgefechte und tatsächliche Versuche den Status Quo punktuell zugunsten einer der beiden Seiten zu ändern, ab. Dann pflegt die Gewerkschaftsführung mit der Mobilisierung der Mitgliedschaft zu drohen – wohlgemerkt um des Wohles der Wirtschaft als Ganzem wegen. Doch wir haben schon erwähnt, daß die Gewerkschaftsführung sehr wohl weiß, daß Gefahr drohen kann von Seiten der Mitgliedschaft; nämlich wenn deren Mißtrauen in offenen Unmut gegenüber der Politik der Unterordnung ihrer Interessen unter jene des Kapitals umschlägt. Die Arbeiterklasse erfährt allzu oft, daß es keinen Konsens mit den Kapitalisten gibt, sondern lediglich Waffenstillstände im Kampf der Klassen. Die Arbeiterschaft kann sich daher als Klasse nicht dem Klassenkampf entziehen. Und gerade diese Unmöglichkeit birgt in sich die Möglichkeit, daß sich die Arbeiterklasse im Falle ihrer tatsächlichen Mobilisierung der Kontrolle durch die Gewerkschaftsführung entzieht. Der Konsens beinhaltet sozialen Frieden; die Mobilisierung drängt in Richtung eines tatsächlichen Kräftemessen und trägt in sich den Willen zum Sieg.
Dies ist ein wesentlicher Grund, warum die Gewerkschaftsführung die Mobilisierung der Mitgliedermassen grundsätzlich ablehnt, und dort, wo sie sie nicht verhindern kann, zum Abbruch bringen will. Ihre gesellschaftliche Macht im Kapitalismus besteht gerade darin, daß sie die Kontrolle über die Arbeitermassen zentralisiert und uneingeschränkt behaupten kann. Diese Kontrolle über die Massen, welche sie in die Aufsichtsräte, Vorstandsetagen und Regierungsämter gehievt hat, besitzt sie und wird sie daher auch mit allen Mitteln zu verteidigen suchen, wenn es sein muß auch mit Terror. Um des Erhaltens der Kontrolle willen , fürchtet sie die Mobilisierung der Massen zwar über alles, ist aber unter gewissen Bedingungen zur Mobilisierung derselben Massen gezwungen. Und zwar einerseits, wenn der Angriff des Kapitals die Gewerkschaftsführung selbst bedroht, das Kapital dazu Übergeht die früheren Zugeständnisse an die Gewerkschaftsbürokratie rückgängig zu machen. Dann droht die gekränkte Gewerkschaftsbürokratie mit den Massen, läßt sie vielleicht sogar aufmarschieren um ihre eigene Bedeutung unter Beweis zu stellen. Sie verrät dabei nicht nur die Interessen der Arbeiterklasse, sie ist auch bereit Teile ihres eigenen Apparates zu opfern, um den Preis ihrer Anerkennung. Und andererseits, wenn der Unmut und das Mißtrauen der Arbeiterklasse derart bedrohlich geworden ist, diese beginnt sich von den vorgeschriebenen Normen und Führern zu lösen, muß die Führung den Massen ein Ventil öffnen, führt sie wissentlich in eine Niederlage, damit sie wieder die Kontrolle über eine enttäuschte, besiegte und gefügige Mitgliedschaft errichten kann. Die Gewerkschaftsführung und -bürokratie wird niemals ihren Konsens mit der Bourgeoisie aufkündigen. Sie wird zu jedem Verrat an der eigenen Basis bereit sein, in der Hoffnung bei der Bourgeoisie Gnade zu finden, in der Hoffnung ihre parasitäre Existenz sichern zu können.
Doch die gegenwärtig nahezu uneingeschränkte Kontrolle der Arbeitermassen durch die Gewerkschaftsführung gründet auf dem wesentlichsten Mittel zur Ruhigstellung der Arbeiterschaft, auf deren materielle Korrumpierung. Während der Phase der Prosperität ‚durfte‘ die österreichische Arbeiterschaft am Wirtschaftswachstum nach einem, von den Sozialpartnern vorherbestimmten Schlüssel, teilhaben. Nachdem der kapitalistische Wiederaufbau tatsächlich geschafft war, vollzog sich ein schwindelerregender Wirtschaftsaufschwung, welcher durch einen sich schnell erweiternden Außen- und Innenmarkt ermöglicht wurde. Der Imperialismus erlebte einen zweiten Frühling, der es dem Kapital, welches Riesenprofite aus den werktätigen Massen herausholte, ermöglichte ’seine‘ jeweiligen Arbeiter am Aufschwung mitnaschen zu lassen. Für entscheidende Schichten der Arbeiterschaft in Österreich wurde der Wohlstand zum greifbaren Ziel. Es schien sich die Gewerkschaftspolitik als richtig herauszustellen. Die Arbeiterschaft und vor allem ihre Vertreter wurden als gleichrangige und sozial gleichwertige Partner akzeptiert, und aufgrund der Prosperität standen sachlich vergleichsweise harmlose Konflikte zur Entscheidung. Das Kapital konnte auf jede von der Arbeiterklasse geforderte Leistung mehr oder weniger sofort mit einer Gegenleistung bezahlen.
Doch was die Gewerkschaftsführung für überwunden geglaubt hatte – die zyklischen Krisen des Kapitalismus – kehrten mit zunehmender Heftigkeit zurück. Aufgrund des hohen Ausmaßes der Verengung der Außen- und Innenmärkte nahm die Schärfe der Krise mit jedem Wachstumsschub zu. Mit 5 Jahren Verspätung im Vergleich zur internationalen Entwicklung erleben wir seit 1981 einen Änderungsprozeß in der sozialen und politischen Beziehung der Klassen zueinander. Zeitlich werden Leistungen und Gegenleistungen immer mehr auseinandergezogen mit der Tendenz, daß die Bourgeoisie überhaupt keine Gegenleistungen mehr herausrücken will. Denn es gibt in der Regel keine Zuwächse mehr zu verteilen, sondern der Mangel soll verteilt werden. Und obwohl die Gewerkschaftsführung dies akzeptiert und sogar offensive vertritt – so erklärt uns Benya, daß Solidarität ist, „daß alle möglichst gleichmäßig Lasten auf sich nehmen müssen, alle gleichmäßig Verzicht leisten müssen“, während gleichzeitig die Profite der Unternehmer weiter wachsen – stellen wir eine Änderung im sozialen Klima fest.
Die Unternehmer beginnen den gesellschaftlichen Konsens zusehends in Frage zu stellen. Der Zwang zum Wachstum, der daraus resultierende Zwang die Profitnasse durch Steigerung der Ausbeutung zu erhöhen um auf den Außen- und Innenmärkten bestehen zu können, läßt die Unternehmer immer offener und frontaler gegen die Arbeiterklasse vorgehen. Die Generalforderung der Unternehmer heißt Flexibilität, heißt Rationalisierung und Arbeitslosigkeit. Die Gewerkschaftsbürokratie, die selbst aus ihren Versorgungsposten verdrängt werden soll, gibt kampflos – weil in den Massen noch zu wenig Kampfwillen gewachsen ist – ein Interesse der Arbeiterschaft nach dem anderen auf, wenn sie als Gegenleistung von den Unternehmern nur die Versicherung ihrer Unentbehrlichkeit in Form des Rechtes auf Mitbestimmung erhält. Das neue Ziel der Klassenzusammenarbeit heißt Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit und weltmarktorientierte Strukturanpassung. Das kapitalistische Österreich soll auf Kosten der Arbeiterklasse neue Außenmärkte erobern, soll zu einem Nettoexporteur von Industriewaren werden. Die Gewerkschaftsführung erklärt dies zum neuen Inhalt des sozialpartnerschaftlichen Konsens und gerät damit zusehends in offenen Widerspruch zu ihrer Mitgliedschaft. Sie gefährdet dadurch die Existenz der Gewerkschaftsorganisation und bereitet im Endeffekt ihre eigene Überflüssigmachung vor. Die breite Mitgliedernasse toleriert dies noch. Ihre Organisation vor dem Niedergang zu retten ist für die wenigsten ein Ziel. Aber nur wenn diese wenigen die Mehrheit für dieses Ziel gewinnen, haben die Gewerkschaften als Interessens- und Kampforganisation der Arbeiterklasse eine Zukunft!
DIE GEWERKSCHAFTSBÜROKRATIE UND DER GEWERKSCHAFTSAPPARAT.
Diese oben skizzierte politische Fehlentwicklung ging Hand in Hand mit der Ausschaltung der innergewerkschaftlichen Demokratie durch die, die Führung an sich gerissene, Gewerkschaftsbürokratie. Die Gewerkschaften wurden von dieser bürokratisch zentralisiert, die Mitgliedschaft entrechtet und aus dem Organisationsleben ausgeschaltet und entfernt. Die politische Ausrichtung des Gewerkschaftsapparates auf die Klassenzusammenarbeit bedingt ein solches Organisationsregime mit unerbittlicher Logik!
Der ÖGB setzt sich seit 1978 aus 15 Gewerkschaften zusammen. Diese Gewerkschaften haben jedoch keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sofern ihnen Aufgaben vom ÖGB übertragen werden, handeln sie als bevollmächtigte Organe des ÖGB (anders als in der BRD, wo die einzelnen Verbände rechtlich selbständig sind). Das heißt, die einzelnen Gewerkschaften in Österreich sind nicht Vereine, sondern nur Gruppierungen innerhalb eines Vereines. Sie ziehen zwar die Mitgliedsbeiträge ein, müssen diese Beiträge jedoch vollständig an den ÖGB abführen, der einen Teil davon den einzelnen Branchengewerkschaften zur Erfüllung ihrer Aufgaben wieder zur Verfügung stellt. Aufgrund der gesetzlichen Situation sind alle derzeit ca 1.700 bezahlten Funktionäre und technischen Angestellten, auch die der Branchengewerkschaften, ausschließlich von ÖGB angestellt. Die Einzelgewerkschaften haben zwar ein Vorschlagsrecht bei der Bestellung, diese selbst muß aber wiederum von ÖGB genehmigt werden. Die Gewerkschaftssekretäre sind unbedingt den ÖGB-Beschlüssen verpflichtet, und die Funktionäre wurden, bald nachdem der ÖGB gegründet worden war, zu absoluten ‚Gehorsam‘ (Böhm) verpflichtet. So erklärte der l.ÖGB-Präsident Johann Böhm: »Wo es an Selbstdisziplin fehlt, müssen disziplinäre Mittel angewandt werden.“ Diese völlige Unterwerfung aller Angestellten und hauptamtlichen Funktionäre unter das Diktat der sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsführung und den ‚Verbot‘ sich mit unkontrollierten Bewegungen der Mitgliederbasis zu solidarisieren geht einher mit einen Streikregelment, welches nach den Motto ‚der beste Streik ist der, der gar nicht stattfindet‘, aufgestellt wurde.
Wir haben schon gesehen, daß Klassenzusammenarbeit Industrie- und Wirtschaftsfrieden bedeutet. Die gewerkschaftliche Selbstverpflichtung der „Verantwortung gegenüber der Wirtschaft als Ganzes“, ließ den ÖGB die Streikminimierung als Beitrag zur effizienteren Ausnutzung der vorhandenen wirtschaftlichen Ressourcen und zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen in Außenhandel infolge der Verläßlichkeit der Lieferungen sehen. Das Streikregelement soll daher gewährleisten, daß der Wirtschaftsfrieden nicht gefährdet wird. Streiks sollen, wenn sie überhaupt stattfinden, zum bürokratischen Manöver der Gewerkschaftsführung degradiert werden. Streiks können nun zwar durch den Beschluß der zuständigen Branchengewerkschaft ausgerufen werden, sie müssen aber den ÖGB-Bundesvorstand mitgeteilt werden. Von dessen Entscheidung hängt es ab, ob der Ausstand finanziell unterstützt wird oder nicht. Größere Arbeitsniederlegungen, die „Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben können“ (Klenner), müssen grundsätzlich von Bundesvorstand genehmigt werden.
Bei einem derart rigorosen Streikregelment, gehandhabt von einer sozialpartnerschaftlich gesinnten Führung, wird klar, warum die jährliche Zuwendung an den Solidaritätsfond, der die Streikkasse des ÖGB ist, inner kleiner werden. Waren es 1978 noch 2,1* der Einnahmen des ÖGB, so 1986 nur mehr 1,3%. Der ÖGB betrachtet den Solidaritätsfond als „die
beste Garantie dafür, daß die schärfste gewerkschaftliche Waffe, der Streik, in Osterreich selten eingesetzt werden muß.“ (Solidarität-9|87, Seite 23.) Die, in dieser Äußerung ausgedrückte Angst vor einem großen Kampfrisiko in Form von Streiks und vor den vermeintlichen Gefahren für die Erhaltung des Gewerkschaftsapparates und Gewerkschaftsvermögens beeinflußt nicht unwesentlich die Taktik der Gewerkschaftsführung. Diese Angst trifft in vielen Fällen zusammen mit den rein persönlichen Interessen weiter Kreise der Mitgliedschaft am ‚friedlichen Verlauf des Gewerkschaftslebens. Diese Mitgliederkreise wurden an die Leistungsfähigkeit der gewerkschaftlichen Unterstützungseinrichtungen auf das stärkste interessiert, wobei das Hauptgewicht auf individuelle fürsorgliche Maßnahmen gelegt wurde. Die gewerkschaftlichen Einrichtungen verloren daher immer mehr ihren Kampfcharakter und der ÖGB verfügt über keinerlei Streikstrategie und -taktik, was auch bei seiner ‚Streikfeindlichkeit‘ verständlich ist. Den Streik aber als die Waffe der Arbeiterklasse wieder anzuerkennen und ihn wirkungsvoll wieder zum Einsatz zu bringen, wird immer mehr zu einer Überlebensfrage nicht nur der Gewerkschaften, sondern der gesamten Arbeiterbewegung. Die Reformisten erklären den Streik für ein Übel, wir erklären ihn als die wirksamste Waffe der Arbeiter. Die Gewerkschaften Bussen ihre ganze Taktik auf den Kampf, auf Streiks auch in den Zeiten der Krise einstellen. Das Warten auf die Wiederkehr von günstigen Bedingungen, auf die Prosperität, ist utopisch. Jedoch müssen bei jedem Streik Erfolgsaussichten vorhanden sein, aber am schlimmsten wiegt eine kampflose Niederlage. Auf eine Provokation der Unternehmerseite ist der Kampf nur dann zu suchen, wenn die erdrückende Mehrheit der Arbeiter dafür ist, ansonsten ist der geordnete Rückzug anzustreben. Für jeden Streik ist die genaue Kenntnis der Konjunktur, die Auftragslage in einem Betrieb, in einer Branche, aber auch in der ganzen Wirtschaft notwendig. Nur so kann wirkungsvoll jede Art von Streikbrucharbeit unterbunden werden, und versucht werden die Streiks zu verbreitern. Die Ausdehnung von Streiks ist jedoch keine prinzipielle Frage, sondern muß genau geprüft werden. Doch die Erfolgsaussichten von Teilstreiks, die die notwendige Voraussetzung für Massenstreiks sind, werden mit dem Fortschreiten der Wirtschaftskrise immer geringer, sind aber nichtsdestotrotz vorhanden. Die Erweiterung der Kampffront vom Teilstreik zum Massenstreik und das überleiten der gewerkschaftlichen in politische Massenkämpfe ist daher unerläßlich anzustreben.
Um der Sabotage des Gewerkschaftsapparates entgegenzuwirken, sind in der Regel Urabstimmungen bei Streiks notwendig, ebenso wie eine breite Öffentlichkeitsarbeit. In den Betrieben, in denen eine Betriebsratskörperschaft besteht, soll diese die betriebliche Streikleitung bilden. Besteht keine Betriebsratskörperschaft muß eine Streikleitung aus der
Belegschaft gewählt werden. In einer zentralen Streikleitung sollten die Vertreter der Betriebe den Ausschlag geben, die Gewerkschaftsbeamten sollen und können aber nicht ausgeschaltet werden. Eine Streikleitung bestehend aus Reformisten ist ständig scharf zu kontrollieren, unter den Druck der Streikenden zu stellen. Bei jedem Versagen ist aufzuzeigen, daß eine neue, bessere Streikleitung nötig wäre. Es muß weiters verlangt werden, daß der Ausstand von der Gewerkschaft anerkannt wird und das Gewerkschaftsvermögen für die Streikunterstützung eingesetzt wird. Enge Verbindung muß mit den Arbeitslosen hergestellt werden, und die Gewerkschaft muß aufgefordert werden die Arbeitslosen zu organisieren, eine Arbeitslosenbewegung zu initiieren und mitzutragen.*
Die Gewerkschaftsführung und der Gewerkschaftsapparat wird diese oben aufgezeigte Ausrichtung mit allen zur Verfügung stehenden Mittel bekämpfen. Die unumschränkte Herrschaft der Führer in der Gewerkschaftsorganisation, deren tragendes Rückgrat der besoldete Funktionärskörper ist, wird noch weiter ausgebaut werden. Der ehrenamtliche Funktionärskörper, in der Regel die Betriebsräte und Personalvertreter, wird daher verstärkt zum Hebel der Revolutionierung der Gewerkschaften. Die Gewerkschaftsmitgliedschaft muß vehement danach trachten klassenkämpfe-rische Betriebsräte und Personalvertreter sich zu wählen. Die Ersetzung der sozialpartnerschaftlichen Betriebsräte durch solche, die auf dem Boden des Klassenkampfes stehen, ist durch die Stellung, die die Betriebsräte im Gewerkschaftsapparat einnehmen, eine der wesentlichsten Aufgaben im Kampf um die Eroberung der Gewerkschaften. Da es nach 1945 nicht zur Bildung von Vertrauensmännerstrukturen in den Betrieben und Dienststellen gekommen ist, stellen die Betriebsräte den Transmissionsriemen zwischen dem besoldeten Funktionärskörper und der Gewerkschaftsführung und der breiten Mitgliederbasis dar. Die Betriebsräte stellen praktisch gesetzlich anerkannte Vertrauensmänner dar, und so sind die Ortskonferenzen der Betriebsräte identisch mit den früheren Vertrauensmännerkonferenzen.
Doch den Betriebsräten sind äußerst enge Fesseln angelegt. So sind sie durch das Arbeitsverfassungsgesetz gesetzlich gezwungen die sozialpartnerschaftliche Politik der Gewerkschaftsführung in ihrem jeweiligen Betrieb umzusetzen. Die Gewerkschaftsbürokratie hat sich durch dieses Gesetz die Betriebsräte unterworfen. Um sie vor dem Unmut der Belegschaften zu schützen, hat sie die Einflußnahme der Mitgliedschaft auf die Betriebsräte weitestgehend zurückgedrängt, indem sie die Funktionsperiode der Betriebsräte von vormals l auf 4 Jahre verlängert hat. Dies war aber nur möglich, weil die Masse völlig desinteressiert am Gewerkschaftsleben ist, da sie überhaupt keine Möglichkeit hat auf die Gesamtpolitik und die Taktik ihrer Gewerkschaft einzuwirken.
Ab den Betriebsräten erfolgt in den Gewerkschaften nämlich eine bürokratische Auslese von oben. Die „oberen“ Gewerkschaftsbeamten wählen sich ihren Nachwuchs selber aus, lassen ihn aber auf den ebenfalls alle 4 Jahre stattfindenden Gewerkschaftskongressen statutengemäß von den Delegierten, die wiederum vom Vorstand der einzelnen Gewerkschaften bestimmt werden, wählen. Ein Überangebot von 1.700 ÖGB-Angestellten, für die jährlich mehr Zuwendungen der Einahmen des ÖGB aufgewendet werden, und von unternehmerfreundlichen Betriebsratsvorsitzenden ermöglicht eine besondere Auslese. Das Vorankommen im Apparat setzt eine totale Anpassung an den ‚Apparat‘ und die darin herrschende Funktionärsclique voraus. Wenn sich einer dann hochgedient hat, darf er dafür sein ‚Führungsamt‘ meist bis zu seinem Tode bekleiden. Die Gewerkschaftskongresse sind nur mehr ‚apparatmäßig‘ aufgezogene Veranstaltungen, die ‚um der Demokratie willen‘ stattfinden müssen, damit die ‚Realpolitik‘ der Führung periodisch gerechtfertigt wird. Sowenig es auf den Kongressen eine ernsthafte Diskussion gibt, so wenig gibt es in der Gewerkschaftspresse eine ernsthafte Diskussion. Die Gewerkschaftsorgane sind zu gewerkschaftlich ‚amtlichen‘ Publikationen geworden.
Die Gewerkschaftsbürokratie ist ein Teil des bürgerlichen Staatsapparates geworden, und ihre Banktätigkeit, die neben der „Lebensversicherung“, dem Ankauf von Betrieben und der Beteiligung an anderen ähnlichen kaufmännischen ‚Geschäften‘ in der gewerkschaftlichen ‚Tätigkeit‘ eine immer größere, ja überwiegende Bedeutung gewinnt, macht den ÖGB zu einem integrierenden Teilchen der kapitalistischen Maschine, zu einem Werkzeug des Kapitals zur Beeinflussung der Arbeitermassen. Die Gewerkschaftsgelder werden dem Privatmarkt zur Verfügung gestellt, und die Gewerkschaftsspitzen sitzen in der Verwaltung und im Aufsichtsrat. Der ÖGB verfügt über eine Zweidrittelbeteiligung an der sechstgrößten Bank Österreichs, der BAWAG, und ist über die BAWAG an zahlreichen Unternehmungen beteiligt, wie zum Beispiel der Steyrermühl AG. Dort führt sich der ÖGB auf wie ein Kapitalist, der nur auf seinen eigenen privaten Vorteil bedacht ist. In der Papierfabrik Steyrermühl wurde der Chlorbereich geschlossen und soll in Kürze die Zellstoffproduktion eingestellt werden, weil die BAWAG als Eigentümerin es jahrelang hinausgezögert hat notwendige Umweltschutzinvestitionen zu machen. Obwohl die BAWAG in der Jahresbilanz von 1985 eine Bilanzsumme von 161 Milliarden und einen Jahresgewinn von 59,7 Millionen auswies, und für 1986 rund 6% Umsatzwachstum erwartete, werden in Steyrermühl zahlreiche Arbeitsplätze vernichtet. Die Steyrermühl AG ist aber nur ein Beispiel, welches beweist, daß die Gewerkschaftsspitzen und -bürokraten Teil des kapitalistischen Systems geworden sind und der Mitgliedermasse gegenüber als ‚Agent der Bourgeoisie in den Reihen der Arbeiterklasse‘ auftritt. Auf sie. Erwartungen zu konzentrieren muß daher ergebnislos bleiben und in eine Sackgasse führen.
Der Kampf um die Revolutionierung der Gewerkschaften stößt auf Schritt und Tritt auf den Widerstand der Gewerkschaftsbürokratie, der nur gebrochen werden kann, indem die Mitgliedschaft sich zusehends aktiv in das Organisationsleben einschaltet. Es ist ein zäher und langwieriger Prozeß, und die Gewinnung der Mehrzahl der Gewerkschaftsmitglieder für den revolutionären Klassenkampf mit all seinen Implikationen, und die Eroberung der Gewerkschaftsorganisationen wird nicht am Anfang des revolutionären Prozesses stehen, sondern wird einhergehen mit der Macht-eroberung der Arbeiterschaft, mit der sozialistischen Revolution!
DER KAMPF UM DIE EROBERUNG DER GEWERKSCHAFTEN.
Die Gewerkschaften zu erobern heißt sie politisch umzuorientieren und organisatorisch umzubauen. Der organisatorische Umbau ist erst dann vollendet, wenn neben der Beseitigung der alten Bürokratie von ihrer Spitze in den Zentralvorständen bis zu ihrem Fundament in jeder Ortsgruppe, der Verwaltungsapparat selbst umgestaltet worden ist. Die Gewerkschaftsbürokratie weigert sich auch das Industriegruppenprinzip restlos umzusetzen und es den veränderten Bedingungen im Produktions- und Dienstleistungsbereich anzupassen. Die Metallarbeitergewerkschaft macht gegenwärtig einen Vorstoß um eine Vereinigung mit den Industrieangestellten herzustellen. Die Bürokratie der Metallarbeitergewerkschaft verliert durch die Umstrukturierung des Produktionsprozesses und die wachsende Arbeitslosigkeit im Industriebereich immer mehr an Einfluß und Gewicht. Diesen drohenden Machtverlust will sie entgegenwirken, indem sie die Industrieangestellten aus der GPA herauslösen will und die dadurch zahlenmäßig schwächere Gruppierung unter ihr Kommando stellt. Die Gewerkschaftsbürokratie der Industrieangestellten ist sich der Bedeutung dieses Manövers vollkommen klar, und sie ist nicht bereit ihre Pfründe preiszugeben und bezieht Stellung gegen die Verwirklichung des Industriegruppenprinzips. Die ‚Gewerkschaftslinke‘ leistet ihr dabei noch Schützenhilfe, indem sie behauptet, daß die GPA demokratischer und fortschrittlicher als die anderen Gewerkschaften des ÖGB sei , und deshalb die GPA zu erhalten sei. In Wirklichkeit fürchten die ‚Gewerkschaftslinken‘ ebenfalls nur um ihr Pöstchen. Es ist aber höchste Zeit, daß die Gewerkschaften umstrukturiert werden, sowohl der national, als auch international veränderten Lage angepaßt werden. Die Bürokratien stellen, wie wir sehen, das zentrale Hindernis dar. Die Verwirklichung des Industriegruppenprinzipes ist daher tatsächlich nur möglich, wenn die Gewerkschaften demokratisiert werden und von dem schädlichen Einfluß der parasitären Bürokratie befreit werden. Die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten ist ohne stringent klassenkämpferischer Ausrichtung nicht möglich. Der konsequent zu Ende gedachte Klassenkampf führt zur Akzeptierung der Notwendigkeit der sozialistischen Revolution und der Errichtung der Arbeitermacht. Heute anerkennen nur wenige diese Konsequenz, was sich im Fehlen einer marxistischen Partei ausdrückt. Es gibt lediglich marxistische Zirkel, die sich den Aufbau einer revolutionären Partei zum Ziel setzen.
Diese Schwäche des Marxismus in Österreich drückt sich auch im Fehlen einer marxistischen Strömung in der Gewerkschaft aus, deren Aufgabe es wäre, durch ihr systematisches und geschlossenes Auftreten die Mitgliedschaft der Gewerkschaften zu beeinflussen, von der reformistischen Front herüberzuziehen in das Lager des revolutionären Klassenkampfes. Wenn es den in einer politischen Organisation zusammengefaßten Marxistinnen und Marxisten, die sich dadurch auszeichnen, daß sie dieselben Grundsätze, Ziele und Kampfmethoden anerkennen, gelingt durch eine marxistische Gewerkschaftspolitik um sich eine oppositionelle, klassenkämpferische Bewegung in den Reihen der Gewerkschaften aufzubauen, so wird die Bewegung viel rascher wachsen als die marxistische Organisation. Die Marxisten haben dann oft die Aufgabe, daß sie diese Bewegung als relativ kleine Minderheit leiten müssen. Sie müssen daher auch verstehen, alle Methoden der mechanischen Beherrschung durch die Methoden der politischen Beeinflussung zu ersetzen, das heißt, nicht mehr ihre Leitung nur auf eine numerische Mehrheit, sondern auf ihre politische Autorität und organisatorische Arbeit stützen. In materieller Hinsicht soll diese oppositionelle Bewegung auf eigene Füße stehen, das heißt, sie soll imstande sein ohne materielle Unterstützung durch eine Partei auszukommen.
Unter allen Umständen müssen sich die Marxistinnen und Marxisten in einer eigenen Fraktion zusammenschließen und sie haben sich der Disziplin ihrer politischen Organisation zu unterwerfen. Dies schließt ihre Unterordnung unter die Gewerkschaftsdisziplin nicht aus, sondern setzt sie voraus. In ganz seltenen Fällen, wenn die Organisation es als unmöglich ansieht, daß ihre Mitglieder sich irgendeiner reaktionären Entscheidung der Gewerkschaften unterwerfen, wird sie ihren Mitgliedern offen die Konsequenzen darlegen, die damit verbunden sein können, z.B. Verdrängung von Gewerkschaftsposten, Ausschlüsse usw. Die marxistische Fraktion muß mit aller Energie dafür arbeiten, die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder unter ihren Einfluß zu bringen. Diese marxistische Gewerkschaftsarbeit vollzieht sich aber notgedrungen im Rahmen der Statuten und der Beschlüsse der betreffenden Gewerkschaft.
Die Gewerkschaften sind eine umfassende Organisation der Arbeiterklasse. Sie sind die Vereinigung von Interessenten, die ihre Arbeitskraft zu möglichst günstigen Bedingungen verkaufen möchten. Sie sind ein Zusammenschluß aller Lohnabhängigen, ohne Rücksicht auf politische und weltanschauliche Auffassung der Einzelnen. Das Organisationsprinzip der revolutionären Organisation, der demokratische Zentralismus, kann daher nicht für die Gewerkschaften gelten. Die Gewerkschaften sind die primären wirtschaftlichen Einheitsfrontorganisationen der Arbeiterklasse. Ihr Organisationsprinzip ist daher das der Einheitsfront – Freiheit der Kritik und Einheit der Aktion. Kann eine Parteispaltung daher notwendig und nützlich sein, so ist auf gewerkschaftlichem Gebiet jede Spaltung prinzipiell abzulehnen. Marxisten werden von sich aus die Gewerkschaften nicht spalten, und sollte die reformistische Gewerkschaftsbürokratie eine Spaltung provozieren, so muß sich der marxistische Flügel so verhalten, daß die Massen der beteiligten Gewerkschaftsmitglieder die wirklich Schuldigen erkennen.
Um die Gewerkschaftseinheit zu sichern ist es notwendig, dass die marxistische Fraktion für die parteipolitische Neutralität der Gewerkschaften eintritt.
Die Gewerkschaften vereinigen in ihren Reihen die verschiedensten Entwicklungsstufen des proletarischen Bewußtseins. Sie vereinigen die gespaltene Arbeiterklasse, und man muß sich daher hüten, solange diese Tatsache besteht, daß die Gewerkschaften von ihren Mitgliedern ein Bekenntnis zum Programm einer bestimmten Partei verlangen. Die marxistische Organisation „muß verstehen, ihren entscheidenden Einfluß auf die Gewerkschaften ausüben zu können, ohne die Gewerkschaften kleinlich bevormunden zu wollen. Der Partei untersteht nur die betreffende kommunistische Zelle in der Gewerkschaft, nicht aber die Gewerkschaft als solche. Nur durch die dauernde, aufopfernde und einsichtsvolle Arbeit der kommunistischen Zellen in den Gewerkschaften kann und soll die Partei einen solchen Stand der Dinge erreichen, wo die Gewerkschaften als Ganzes mit Freude und Bereitschaft den Ratschlägen der Partei folgen.“ (aus den politischen Thesen der Kommunistischen Internationale am 3.Weltkongreß)
Der Erhalt der Gewerkschaftseinheit ist vom proletarischen Klassenstandpunkt aus lebensnotwendig, und daher müssen die Marxistinnen und Marxistengegenwärtig für die parteipolitische Neutralität der Gewerkschaften gegenüber den verschiedenen Parteien der Arbeiterklasse eintreten. Wir kämpfen daher nicht nur aus taktischen Gründen gegen die Unterordnung der Gewerkschaften unter die SPÖ. Die Gewerkschaftsinstanzen mißbrauchen in der ungeniertesten Weise den Apparat und die Mittel der Gewerkschaften für die Zwecke der Sozialistischen Partei, obwohl die organisierten Sozialisten in den Gewerkschaften nur eine Minderheit sind. Wenn wir nun aber für die parteipolitische Neutralität sind, so heißt dies natürlich keineswegs, daß wir für die politische Neutralität oder für die Neutralität gegenüber den bürgerlichen Parteien eintreten. Gegen die bürgerlichen Parteien muß selbstredend eine eindeutige Kampfstellung eingenommen werden.
Diese Einstellung ermöglicht es der marxistischen Fraktion für die Herausbildung eines linken Flügels in den Gewerkschaften zu kämpfen. Sie muß alles vermeiden, was sie von den übrigen Arbeitern absondert. Sie muß verstehen auf die Wünsche und Bestrebungen nichtmarxistischer, aber links gerichteter Arbeiter einzugehen und anzuknüpfen, sowie deren
Bestrebungen in geschickter Meise weiterzutreiben, bis sie restlos aufgehen in der marxistischen Ausrichtung. Als marxistische(r) Gewerkschafter(in) darf «an bei den übrigen Arbeiter(innen) nicht den Eindruck erwecken, daß sie für schlecht, dumm, unfähig oder gar verräterisch gehalten werden. Im Gegenteil, man muß ihnen als Freund, als Helfer und in jeder Hinsicht ihnen Gleichgestellter entgegenkommen. Man muß den sozialdemokratischen ArbeiterInnen auf die verschiedenste Art und Weise helfen, daß sie ihre Illusionen in den Reformismus überwinden können. Die marxistischen Gewerkschaftszeilen müssen an die Organisierung der unzufriedenen sozialdemokratischen und parteilosen Arbeiter schreiten, um sie in einer breiten Einheitsbewegung im Kampf gegen die kapitalistische Offensive und die sozialpartnerschaftliche Gewerkschaftsbürokratie überzuführen in das Lager des revolutionären Klassenkampfes, des konsequenten Marxismus, Das Programm dieser Einheitsbewegung, dieses linken Flügels darf und muß sich immer beschränken auf die Probleme des aktuellen Klassenkampfes. Im Kampf um diese Teilforderungen besteht für die marxistische Zelle die Gelegenheit ihren nichtmarxistischen Kolleginnen und Kollegen die Notwendigkeit ihrer Kampfmethoden und Kampfziele aufzuzeigen, soll das Teilziel auch tatsächlich erreicht werden. Dieser linke Flügel ist der erste Baustein zur Wiedergeburt der Gewerkschaftsbewegung. Die marxistischen Zellen sind der Garant für seine Lebenskraft und Expansionsfähigkeit. Die Gewinnung der großen Masse heute noch sozialdemokratischer ArbeiterInnen und gleichzeitige Gewinnung der parteilosen ArbeiterInnen in den Gewerkschaften ist ein Kernproblem marxistischer Politik und ist die Voraussetzung für den Sieg der sozialistischen Revolution. Die Einheitsfrontpolitik in den Gewerkschaften anzuwenden ist zur Lösung dieser Aufgabe der zentrale Schlüssel.
[1] Jedes Kapital setzt sich bei Marx aus einem konstanten Teil (Maschinen, Gebäude, Rohstoffe usw.) und einem variablen Teil (Summe der verausgabten Löhne) zusammen; das Verhältnis c:v wird die „organische Zusammensetzung“ genannt, je größer c, desto „höhere organische Zusammensetzung“, je kleiner c, desto „niedriger“.