Erklärung der Internationalen Plattform gegen Isolation zur neulichen massiven Repressionsmaßnahme

Am 26.06.2013 wurden Vereins- und Privaträume gestürmt von Personen, die man der Anatolischen Föderation zugeordnet hat. Es wurden über 20 Räumlichkeiten gestürmt und insgesamt 5 Personen verhaftet.

Wie uns das „Kunstatelier“ in Köln mitteilte, dass auch eines der gestürmten Objekte ist, liegen folgende Verhaftungen vor:

Latife Adigüzel, Vorsitzende der Anatolischen Föderation, befindet sich im Gefängnis in Gelsenkirchen

  1. Sonnur Demiray: JVA Senne
  2. Muzaffer Dogan: JVA Wuppertal
  3. Özkan Güzel: JVA Ratingen
  4. Yusuf T. In Österreich

 Konzerte und Kundgebungen sind kein Grund für Verhaftungen

Ihnen wird die „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ nach dem §129b

vorgeworfen.

Womit wird dieser Vorwurf begründet?

Mit angemeldeten Demonstrationen und Kundgebungen, aber allen voran mit dem Grup Yorum-Konzert, was am 08. Juni 2013 in Oberhausen veranstaltet wurde. Diesen hätten die oben benannten Verdächtigen nämlich veranstaltet, um die „DHKP-C“ mit dem Gewinn des Konzertes finanziell zu unterstützen.

Es liegen aber gar kein, nicht ein einziger Beweis, Beleg, ZeugIn, vor. Nichts, gar nichts.

Selbst die AnwältInnen, welche die Verhafteten betreuen sind ganz fassungslos.

Sie sind so überrascht, weil diese gesamten Razzien und Verhaftungen eine einzige Willkür und Verletzung des Rechtsstaates selbst nach bürgerlichem Verständnis darstellt.

Ermöglicht wird dies durch den § 129 b. Dies ist nämlich ein reiner Gummiparagraf, der im Gegensatz zu seinem deutschen Pendant 129a viel mehr Möglichkeiten zur Willkür und polizeistaatlichem Vorgehen bietet. Die § 129, 129a gehören allesamt abgeschaffen, aber der § 129b ist noch dehnbarer und eröffnet grenzenlose Möglichkeiten zur Willkür.

 §129B als Instrument zur Diskriminierung des Kampfes gegen den Rassismus

Und gerade der Vorwurf mit dem Konzert zeigt ganz deutlich, worum es bei diesen Razzien Wirklichkeit geht.

Erst mal ein paar Fakten zu dem Konzert vom 08. Juni 2013 in Oberhausen:

a-) Es handelte sich um ein Konzert GEGEN RASSISMUS, um den Hinterbliebenen der NSU-OPFERN MUT UND HOFFNUNG ZU MACHEN.

b-) mit 13.000 Menschen war dieses Konzert gut besucht.

c-) Grup Yorum hatte dieses Konzert den Angehörigen der NSU Opfern gewidmet, von kommerziellem Konzert kann keine Rede sein. Selbst der Eintritt von 10 Euro/Person ist ein klarer Beweis dafür. Und die ganzen Busse, die von ganz Deutschland abgefahren sind, waren kostenlos und finanziert durch Soli-Beiträge.

Das zeigt, wie haltlos und absurd die Vorwürfe sind.

Das gilt auch für die anderen Aktivitäten, die von der Anatolischen Föderation (mit)veranstaltet wurden.

Z.B. eine Demonstration in Solingen zum 20. Jahrestag des Brandanschlages in Solingen, wo seiner Zeit 5 Menschen türkischer Herkunft durch einen Brandanschlag von Nazis umgekommen ist.

Die Anatolische Föderation war Teil eines Bündnisses.

All das beweist: Diese Razzien wurden nicht gemacht, weil man Terroristen bekämpfen wollte. Der „Kampf gegen den Terror“, konkret der §129b dient nur als Instrument und Vorwand, um den Kampf gegen den Rassismus im Allgemeinen und gegen die NSU im speziellen zu unterdrücken.

Genau wie man damals die NSU-Opfer selbst als Schuldige dargestellt hat, um von den Nazi-Morden abzulenken und die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Die Angehörigen mussten sich Fragen dulden lassen wie „ist das Ehrenmord“, „gab es Kontakte zur Mafia“ usw.

NEIN! Es hatte nichts mit Kriminalität zu tun. Sie waren Opfer von Nazi-Morden.

Und die oben benannten haben sich gegen Nazis zur Wehr gesetzt, gegen den Rassismus und die NSU gekämpft.

Die Wahrheit soll nicht ans Tageslicht kommen.

Dafür wurden Akten geschreddert.

Und jetzt möchte man jene MigrantInnen, die sich gegen den Nazi-Terror auflehnen, zum Schweigen bringen mit der Instrumentalisierung des §129b.

 Ihre Stärke ist unsere Schwäche

Mit uns kann mann es eben machen. Weil wir oft der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Weil wir unsere Rechte und die Gesetze in Deutschland nicht kennen. Weil man uns mit der Entziehung unserer Aufenthaltserlaubnis bzw. Abschiebung einschüchtern kann.

Aber vor allen Dingen, weil IHR liebe GenossInnen aus Deutschland uns im Kampf gegen Rassismus und Repressionen alleine lässt.

Ihre Stärke ist nämlich unsere Schwäche.

Weil wir keine Unterstützung finden im Kampf gegen den §129b. Weil sich die meisten denken: Ich werde doch eh nie davon betroffen sein, was geht mich §129b an?

Weil Ihr nicht hinter uns steht, wenn der deutsche Staat uns mit dem §129b diskriminiert.

Das haben wir im Gülaferit Ünsal Prozess gesehen. Und das sehen wir jetzt auch im Faruk Ereren Prozess. Wie viele sind denn zur Prozessbeobachtung gegangen oder haben sich gar nur auseinander gesetzt, wie diese Revolutionäre diskriminiert werden.

Weil ihr Diffamierungen und Stigmatisierungen von uns MigrantInnen nicht entschieden genug entgegen tretet. Eurer Schweigen dient aber den Nazis, nicht den MigrantInnen, schon gar nicht den linken migrantischen Strukturen.

Weil ihr euch teilweise mit Nichtigkeiten herumschlägt und das Wesentliche aus dem Auge verliert.Ihr erkennt z.B. nicht die Dringlichkeit und Wichtigkeit des §129b.

Weil ihr nicht erkennt, dass der deutsche Staat mit dem schwächsten Glied anfängt, nämlich mit uns MigrantInnen, Präzedenzfälle schafft, diese aber irgendwann kann genau diese Repressionsmaschinerie, die Ihr so gerne angreift, diskutiert und bekämpft, auch EUCH treffen!

Wir bitten alle, die gegen Repressionen, Rassismus, Nazis und NSU sind, alle AnitfaschistInnen, alle InternationalistInnen uns im Kampf gegen den Willkür des Staates zu unterstützen und uns nicht alleine zu lassen.

Nicht weggucken, nicht schweigen, solidarisch sein!

Vergesst nicht:

Solidarität ist eine starke Waffe.

Und Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker.

 Hoch die internationale Solidarität!

Freiheit für Latife, Sonnur, Muzaffer, Özkan und Yusuf!

Weg mit dem §129b!

Schluss mit der Diskriminierung der Anatolischen Föderation!

 Internationale Plattform gegen die Isolation