Choucha: Geflüchtete mit dem Rücken zur Wand protestieren in Tunis
Seit Februar 2011 existiert an der tunesisch-libyschen Grenze dasFlüchtlingslager Choucha, in dem damals bis zu 20.000 Menschen, die vor Krieg und Verfolgung in Libyen flohen, aufgenommen wurden. Es wird vom UNHCR (UNO-Flüchtlingskommissariat) verwaltet, das Auswahlverfahren für die Anerkennung als Flüchtlinge und die Aufnahme in anderen Ländern (Resettlement) durchführte. Deutschland hat im September 2012 endlich 205 dieser Flüchtlinge aufgenommen.
Neben knapp 1000 Flüchtlingen, die als vom UNHCR Anerkannte immer noch auf Resettlementplätze warten, befinden sich in diesem Wüstenlager noch ca. 230 vom UNHCR abgelehnte Flüchtlinge ohne jede Perspektive. Um sie zu einer „freiwilligen“ Ausreise in ihre Herkunftsländer zu zwingen, hat der UNHCR seit November 2012 deren Lebensmittelrationen gestrichen und verweigert die weitere gesundheitliche Versorgung. Mit Briefen und Delegationen zu den Verantwortlichen in Tunis haben die Betroffenen in den letzten Wochen Proteste organisiert, in denen sie die Wiederaufnahme ihrer Verfahren und ihrer Grundversorgung fordern. Doch bislang hat sich beim UNHCR nichts bewegt.
Am 28. Januar sind 91 der Betroffenen im 500 km entfernten Tunis angekommen, um dort ab heute mit Kundgebungen, Demonstrationen und eventuell einem Protestcamp auf ihre unhaltbare und skandalöse Situation aufmerksam zu machen. Dieser Kampf braucht dringend politische und auch materielle Unterstützung. Ein Protestbrief wurde an die (deutsche) UNHCR-Vertreterin in Tunesien, Ursula Schulze Aboubacar, verschickt und es wurde ein Solidaritätskonto eingerichtet.
(Quelle: afrique-europe-interact)
Presseerklärung vom 28. Jänner 2013 (auf no-racism.net)
Seit zwei Jahren vegetieren Menschen, die vor dem Krieg in Libyen geflohen sind, im Lager Choucha vor sich hin. Regierungen und internationale Organisationen stehen dem gleichgültig gegenüber.
Da Tunesien nicht über ein Asylsystem verfügt, wurde ein Teil dieser Menschen in westlichen Ländern aufgenommen (sogenanntes Resettlement). Die übrigen sind in ihre Herkunftsländer zurück gekehrt oder haben sich unter Lebensgefahr auf den Weg übers Meer in Richtung Europa gemacht, wie viele Tunesier es jeden Tag versuchen. Andere sind nach Libyen zurück gekehrt, wo täglich die Rechte von MigrantInnen gravierend verletzt werden. Seit zwei Jahren erhielten diese Menschen in Tunesien keinen juristischen Status, der ihnen Rechte garantieren würde. Seit zwei Jahren hat kein Land, das über ein Asylsystem verfügt, entschieden, die Verantwortung dafür zu übernehmen, die Gesamtheit dieser Geflüchteten zu schützen, die doch alle vor demselben Krieg geflohen sind. Im Gegenteil, die internationale Gemeinschaft hat das UNHCR (Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen) die Auslese treffen lassen zwischen “wirklichen” und “falschen” Flüchtlingen, und dieIOM (Internationale Organisation für Migration) leistet denen Unterstützung, die sich entscheiden, in ihre Herkunftsländer zurück zu kehren, trotz politischer, ökonomischer oder sozialer Gründe, die zahlreiche Menschen dazu gezwungen haben, ihre Länder zu verlassen, um anderswo ein besseres Leben zu suchen.
Heute befinden sich im Lager Choucha noch etwa 200 Menschen, denen der Flüchtlingsstatus verweigert wurde und die jetzt dort keine Nahrungsmittel und andere Grundversorgung mehr erhalten. Sie sind ohne juristischen Status in Tunesien und ohne Möglichkeit, in ihre Herkunftsländer zurück zu kehren, da sie dort Verfolgung befürchten. In diese aussichtslose Situation getrieben, haben sie sich entschieden, nach Tunis zu fahren und ihre Forderungen vor die Europäische Union, das UNO-Flüchtlingskommissariat und die tunesischen Behörden zu tragen ebenso wie vor Institutionen anderer Staaten, die ihnen Schutz gewähren könnten. Ihre Forderungen sind:
- Gewährung von internationalem Schutz für alle, die vor dem Krieg in Libyen geflohen sind
- Aufnahme (Resettlement) für alle Flüchtlinge aus dem Lager Choucha in sicheren Ländern, die ein funktionierendes Asylsystem haben
Das Forum für ökonomische und soziale Rechte (FTDES) und die unterzeichnenden Organisationen unterstützen die Mobilisierung der Flüchtlinge ebenso wie alle ihre Forderungen. Das seit zwei Jahren andauernde Leiden dieser Menschen muss sofort beendet werden und es muss seine Lösung unter Respektierung ihrer Rechte geben.
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Faxkampagne an den UNHCR
Alle sind dazu aufgerufen, unten stehenden Text an die UNHCR-Büros in Tunis, Genf und den jeweiligen Ländern, in denen sie sich gerade aufhalten, zu schicken, um den Protest sichtbarer zu machen.
Hier Faxnummern und E-Mail-Adressen der UNHCR-Büros in Tunis, Deutschland, Österreich und der Schweiz (Genf), für andere Länder bitte selbst die Faxnummern herausfinden:
UNHCR Tunis
tuntu (at) unhcr.org
Fax +216 71 90 84 34
UNHCR-Vertretung
für Deutschland und Österreich
Telefax +49 (0)30 – 202 202 20
gfrbe (at) unhcr.org
Sub-Office Nürnberg
Telefax +49 (0)911 – 44 21 80
gfrnu (at) unhcr.org
UNHCR-Büro in Österreich
Telefax +43 (0)1 – 263 41 15
ausvi (at) unhcr.org
UNHCR Genf:
Telefax: +41 22 739 7377
Text für Faxkampagne
Als pdf auf :: deutsch, :: englisch und :: französisch.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe von Freundinnen und Freunden, die ohne Perspektive in Choucha leben, erfahren, dass sie einen Protest in Tunis durchführen, welcher sich an den UNHCR als auch die US-Amerikanische und EU-Botschaft wendet.
Sie kritisieren, dass das Refugee Status Detemination-Verfahren auf sehr unprofessionelle Weise vom UNHCR durchgeführt wurde. In Bezug auf Übersetzung, Unparteilichkeit und Intimät der Asylverfahren sind den UNHCR-Mitarbeitenden schwerwiegende Fehler unterlaufen.
Ich bin schockiert über die unerträglichen Lebensbedingungen im Camp und darüber, dass sich die Menschen dort vom UNHCR alleingelassen, angefeindet und ausgegrenzt fühlen. Hinzu kommt, dass Menschen in diesem UNHCR-Camp seit Oktober 2012 sogar der Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung verwehrt wird.
Das Budget des UNHCR für das Choucha-Camp ist 2012 stark gesunken ist. Nichtsdestotrotz ist es uns absolut unverständlich, wie der UNHCR diejenigen, die als abgelehnte Asylsuchende markiert wurden, von jeglichem Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung ausschließen konnte. Selbst Kleinkindern wird Milch verweigert. Natürlich, laut Ihrer Definition fallen diese “Migrantinnen und Migranten” nicht unter Ihren Zuständigkeitsbereich – wie Sie aber vermutlich selber schon erfahren durften, ist es diesen Menschen nicht möglich zurück nach Libyen oder in ihre Herkunftsländer zu reisen.
Aufgrund ihres irregulären Status in Tunesien sowie der Verweigerung des Rechtes auf freie Bewegung innerhalb Tunesiens, sind diese Menschen faktisch im Camp gefangen und werden so unter Druck gesetzt, ?freiwillig? die Rückkehr in Länder anzunehmen, in denen sie Verfolgung befürchten. Ihnen das mindeste an humanitärer Versorgung zu verwehren, ist nicht hinnehmbar!
Das Choucha-Camp wird noch bis Juni 2013 existieren. Sie haben also noch die Möglichkeit bisherige Fehler auszubessern, und vor allem auf die mehr als berechtigte Forderung der Protestierenden nach Neuaufnahme der Asylverfahren unter akzeptablen Bedingungen einzugehen.
Aus diesen Gründen schließe ich mich den Forderungen der streikenden Freundinnen und Freunde aus
Choucha an:
- Wiederaufnahme der Verfahren aller abgelehnten Asylsuchenden!
- Die Anerkennung der Rechte aller im Camp Verweilenden, das heißt:
- Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung für alle!
- Und Zugang zum Resettlement-Verfahren für alle!
Ich bitte Sie nachdrücklich diese Forderungen ernst zu nehmen und fordere Sie auf sich für eine Lösung im Sinne der streikenden Flüchtlinge aus Choucha einzusetzen!
Mit freundlichen Grüßen,