Im vergangenen Jahr haben wir von der Gruppe Klassenkampf unter dem Slogan “Helfen wir der Ameise” eine Solidaritätskampagne mit To Mirmigi begonnen. To Mirmigi („Die Ameise“) ist eine Selbsthilfegruppe, die sich im 6. Bezirk von Athen gebildet hat, um Opfer der Krise, die das Land seit 2010 im Würgegriff hält, zu unterstützen. Denn die angebliche „Milliardenhilfe“ für Griechenland kommt nicht den Arbeitslosen, den Kindern und Jugendlichen, den Fischern oder Asylsuchenden zu Gute, sondern nur den ausländischen Banken.
Es gelang uns damals, eine Spendensammlung anzustoßen, bei der wir drei Paletten mit Kleidung, hauptsächlich für Babys und Kleinkinder, sowie Decken und Windeln nach Athen befördern konnten. Die Aktivistinnen und Aktivisten von To Mirmigi haben uns damals geschrieben. dass sie hofften, dass dies der letzte Hilfskonvoi nach Athen sein würde.
Dieser Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen. Es war für uns klar, dass die Genossinnen und Genossen von To Mirmigi selbst nicht glauben konnten, dass sich binnen einiger Monate die Situation in Griechenland grundlegend zum Besseren wenden würde. Aber dieser Wunsch nach einem menschenwürdigen Leben, ohne auf Spenden und solidarische Hilfe angewiesen zu sein, war Ausdruck des ungebrochenen Willens unserer griechischen Brüder und Schwestern, das Krisendiktat von EU, IWF und Weltbank abzuschütteln.
Aufschwung in Griechenland? Ein Hohn!
“Was früher schlimm war, hat sich jetzt ins Furchtbare gedreht”, sagt uns Ioanna von To Mirmigi. “Trotz aller Probleme unterstützen wir von der ‘Ameise’ nach wie vor neue Hilgfesuchende. Wir hatten in den letzten Monaten gewaltige Probleme, Nahrungsmittel zu sammeln. Wir machen ja Infotische vor Supermärkten und bitten dort um Sachspenden. Aber die Menschen können ganz einfach immer weniger geben. Die Arbeitslosigkeit ist gewachsen, und die Unternehmer zahlen die Löhne derer, die noch Arbeit haben, verspätet oder auf Raten aus”.
Solidarity4all, ein von der linksreformistischen SYRIZA kontrolliertes Netzwerk, spendete der ‘Ameise” eine LKW-Ladung mit Lebensmitteln, damit über den Sommer wenigstens eine Grundversorgung möglich wäre. Und die ist bitter notwendig: Während Gläubigerbanken neue Auszahlungen aus der sogenannten “Griechenlandhilfe” der Troika bekommen und die “Intelligenzblätter” des deutschen Bürgertums jubeln: “Griechenland lässt Rezession hinter sich” (so Die Zeit vom 1. August 2014), schaut die Realität anders aus. Im ersten Quartal 2014 war das Wirtschaftswachstum in Griechenland um 0,9 Prozent zurück gegangen, im 2. Quartal wegen steigender Touristenzahlen aber um 0,38 % gestiegen. Eine saisonale Zunahme wird also zum Aufschwung – und die Tatsache, dass die Griechen wieder “mehr Geld” ausgeben zum Indiz, dass die Krise überwunden wäre. In Wirklichkeit müssen die griechischen Arbeiterinnen, Arbeiter, Angestellten, Beamten, Bauern… einfach Geld ausgeben, egal ob sie es (schon) haben oder nicht, weil die Menschen bis an den Rand der Existenz “zurückgespart” wurden. “Die Zeit” streut in ihren Jubelbericht von der “griechischen Front” dann auch noch nonchalant ein, dass die Löhne und Pensionen der Griechen heuer – laut Schätzung der EU-Kommission – um 1,5 Prozent sinken werden. “Vorsicht, Aufschwung, schnell ducken”, kann man da wohl nur rufen!
Während im vorigen November die Arbeitslosigkeit auf 62 % hochschnellte, kürzte die Regierung die Arbeitslosenunterstützung: Diese kann nun innerhalb von zwei Jahren für maximal fünf Monate beantragt werden und beträgt 360 Euro pro Monat. Gleichzeitig nutzte die regierende Koalition aus bürgerlicher Nea Demokratia und der “sozialdemokratischen” PASOK die Parlamentsferien, um ein lange diskutiertes “Eigentumssteuergesetz” in Kraft zu setzen. Was nach Umverteilung klingt, ist in Wirklichkeit ein neuer Raubzug gegen die arbeitenden und arbeitslosen Massen in Stadt und Land: In Griechenland beträgt der Anteil an “Wohnungseigentum” 70 % und das soll nun mit Steuern von 300 – 700 Euro pro Jahr belastet werden, ebenso wie landwirtschaftliche Nutzflächen ab 1.000 (!) Quadratmetern! Während Reeder und Spekulanten ihre Vermögen sicher bei den ausländischen Banken gebunkert haben, werden die arbeitenden Klassen in den Würgegriff der Steuerpolizei genommen.
Neue Angriffe, neues Elend
“Die Arbeitsämter sollen abgeschafft und privatisiert werden”, sagt Ioanna. Tatsächlich treibt seit Jahresanfang das Zentrum für Planung und Wirtschaftsforschung KEPE solche Pläne voran. Damit verbunden ist die geplante Beseitigung des Mindestlohns von 511 Euro/Monat für junge Arbeiterinnen und Arbeiter. Gleichzeitig sollen jugendliche Arbeitslose durch Subventionen für griechische Unternehmen im Ausland (!) eben dorthin verlagert werden – ein neuer Exportartikel also: junge Arbeitslose!
Auf ein weiteres Problem, das die Sparpolitik verursacht, weist Ioanna ebenfalls hin: “Heuer werden 40.000 Kinder keine Kindergartenplätze mehr haben. Es gibt sie einfach nicht mehr! Die Regierung sagt, dass Arbeitslose eh genug Zeit haben, sich um die Kinder zu kümmern; wie vor allem arbeitslose Frauen dann auch noch Arbeit suchen sollen ist schleierhaft.” In einigen Gemeinden haben jetzt arbeitslose Eltern gemeinsame “Solidaritätskindergruppen” eingerichtet.
Die Regierung arbeitet derweil an ihrer eigenen Imagepolitur: “Jetzt denkt die Koalition darüber nach, Familien, die weniger als 4.800 Euro im Jahr zum Leben haben, eine Unterstützung zu gewähren. Klingt großzügig, wird aber kaum an viele Bedürftige ausbezahlt werden: Denn jeder, der über Wohnungs- oder Hauseigentum verfügt, bekommt nichts!”.
“Vorwärts, nicht vergessen …
die Solidarität”! Wir setzen unsere Kampagne “Helfen wir der Ameise!” fort.
Ja – es ist uns bewusst, wenn wir auf die Ukraine, auf die Krim, nach Gaza, nach Lampedusa, in die Auffanglager für Sinti und Roma in Frankreich, an die Grenze zwischen USA und Mexiko, nach Nigeria, Zaire, Syrien … schauen: In der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts leben wir in einer Welt, die wie noch nie in der Geschichte der Menschheit durch Seuchen, Elend, Hunger, Krieg, Verzweiflung, Vertreibung, Völkermord, ethnischen, religiösen und rassistischen Fanatismus gekennzeichnet ist. Wir können unsere Solidarität nicht allen “Verdammten dieser Erde” gleichermaßen zuteil werden lassen – die Barbarei, die Imperialismus und kapitalistische Profitgier über den Planeten bringt, kann aber auch keine Entschuldigung dafür sein, nichts zu tun, fatalistisch zu sagen: “Hat eh alles keinen Zweck”.
Wir haben uns entschlossen, unsere Energie auf die Solidarität mit den Opfern der kapitalistischen Krise in Griechenland zu konzentrieren, die von der “Ameise” betreut werden. Und ganz besonders wichtig ist uns die Hilfe für die Kinder, die To Mirmigi betreut, denn sie sind die Träger einer besseren Zukunft, die es aufzubauen gilt.
To Mirmigi benötigt heuer Schul- und Lernmaterial: Hefte, Blöcke, Bleistifte, Buntstifte, Wachskreiden – was auch immer euch einfällt!
Und: Nahrungsmittel! Ja, wir sind soweit, dass wir innerhalb der angeblichen “Europäischen Union” durch das Spenden von Konserven, Teigwaren, Reis, Öl, Babynahrung … Menschen vor Unterernährung, im Extremfall vor dem Verhungern, bewahren müssen.
Wir werden bis Mitte September genaue Listen erstellen, was benötigt wird und sind dabei, den Transport zu organisieren. Das bezieht sich vor allem auf die Nahrungsmittel. Schulmaterial kann jederzeit gesammelt werden!