Für die Auflösung der schon lange vor der Ära Schüssel zum Selbstbedienungs-Saustall für das Kapital und seine Agenten verkommenen ÖIAG und die Zuordnung der Verwaltung der öffentlichen Anteile bei den zuständigen Ministerien tritt die Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) ein.
„Es ist eine Bankrotterklärung der Bundesregierung, wenn man jetzt so tut, als ob die als großartige Errungenschaft der Liberalisierung gefeierte von der schwarzblauen Regierung eingeführte Selbsterneuerung der ÖIAG-Gremien nicht umgehend abgeschafft werden könnte“, meint GLB-Bundesvorsitzender Josef Stingl. Muss es doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Eigentümer von Unternehmen, im Falle der ÖIAG also die Republik, vertreten durch die Regierung, die Zusammensetzung von Aufsichtsrat und Vorstand bestimmt und diese keine Selbstläufer sein können.
Es ist eine Schande, dass als Nachfolger des Industriellen Peter Mitterbauer der 1995 bis 2010 als Magna-Manager tätige und seither für den russischen Oligarchen Oleg Deripaska agierende und damit hochgradig befangene Siegfried Wolf zum ÖIAG-Aufsichtsratschef gemacht wurde: „Wenn erklärte Feinde des öffentlichen Eigentums für die Verwaltung desselben verantwortlich gemacht werden, wird der sprichwörtliche Bock zum Gärtner gemacht“, so Stingl.
Dass Wolfs Stellvertreter Wolfgang Bernhard (Daimler) und Thomas Winkler (Lenzing) ebenfalls hochgradige Vertreter großer Konzerne sind bestätigt dies zusätzlich. Wenn jetzt sogar der ehemalige Wirtschaftsberater von Kanzler Schüssel, Ex-Böhler-Chef Claus Raidl, feststellen muss, dass die angebliche Entpolitisierung der ÖIAG völlig daneben ging, dann muss wohl Feuer am Dach sein. Von einer „Erfolgsgeschichte“ der ÖIAG, wie etwa Industriellen-Generalsekretär Neumayer behauptet, kann daher nur für das private Kapital, aber keinesfalls für die Republik eine Rede sein.
Es spricht für die gezielte Zerstörungspolitik aller Regierungen seit Ende der 1980er Jahre, egal ob rotschwarz oder schwarzblau, dass die ÖIAG von der Verwaltung des öffentlichen Eigentums zur Privatisierungsagentur verkommen ist. Nach der Verscherbelung der ehemaligen unter dem Dach der ÖIAG zusammengefassten Verstaatlichten unter Verantwortung von SPÖ, ÖVP und FPÖ ist ohnehin nur mehr ein Restbestand dort angesiedelt.
Immerhin haben die Anteile von Telekom (28,4 Prozent), OMV (31,5 Prozent) und Post (52,9 Prozent) einen Wert von 5,6 Milliarden Euro. Bezeichnend für das ÖIAG-Management ist, dass die Telekom seit der schwarzblauen Regierung schwer korruptionsgeschädigt ist und einem mexikanischen Oligarchen ausgeliefert wurde, die Post seit dem Börsegang zum Zwecke der Dividendenausschüttung auf Kosten des Personals zu Tode saniert wird und die OMV ebenfalls unter erheblichen Turbulenzen leidet. Bei allen drei Unternehmen fällt auf, dass sie sich vom eigentlichen Versorgungsauftrag im Inland entfernt haben und mit spekulativen Auslandsgeschäfte ins Trudeln geraten sind
Zudem ist die ÖIAG ein teurer Privilegienstadl: Laut vida-Gewerkschafter Roman Hebenstreit kosten allein die ÖIAG-Gehälter mit 2,6 Millionen Euro jährlich mehr als die Hälfte der Bezüge der Bundesregierung (4,1 Millionen Euro). Laut Aussagen von Raidl, der ebenso wie Ex-Finanzminister Hannes Androsch für eine ÖIAG-Auflösung plädiert, handelt es sich bei ÖIAG-Vorstandsposten zudem nur um „Halbtagsjobs“. Der gesamte Personal- und Sachaufwand der ÖIAG betrug 2012 satte 6,6 Millionen Euro.
Mit der Auflösung der ÖIAG und Zuordnung der von ihr verwalteten Unternehmen an die zuständigen Ministerien sollte die politische Verantwortung für das öffentliche Eigentum deutlich gemacht werden. Dies muss allerdings durch eine verfassungsmäßige Verankerung desselben als Schutz vor Ausverkauf und Privatisierung sowie durch eine entsprechende Mitbestimmung der Beschäftigten der betroffenen Unternehmen ergänzt werden.
Bereits mit der Bildung der ÖIAG im Jahre 1967 unter der damaligen ÖVP-Regierung wurde die bislang von einem eigenen Ministerium verwaltete Verstaatlichte aus der politischen Verantwortung ausgelagert, 1970 in die ÖIVG und 1986 in die heutige ÖIAG umgestaltet, die 1993 den expliziten Auftrag zur Privatisierung großer Teile bislang öffentlichen Eigentums erhielt. Auf den Punkt gebracht hat die sowohl von ÖVP als auch SPÖ vertretene Philosophie der frühere Verstaatlichtenminister und ÖIAG-Chef Rudolf Streicher (SPÖ) mit der Aussage: „Unser Katechismus ist das Aktienrecht“ zur Privatisierungsbilanz von 1986 bis 2000 (Arbeit und Wirtschaft, 9/2000). Auch seine Nachfolger haben als einzige Qualifikation den Ausverkauf öffentlichen Eigentums geliefert und wurden damit mit horrenden Gagen entlohnt.
Das Resümee der Privatisierung öffentlichen Eigentums seit Anfang der 90er Jahre zeigt deutlich, dass diese mit einem massiven Druck auf Arbeitsplätze, Löhne, Sozialleistungen sowie betriebliche und gewerkschaftliche Mitbestimmung und im Fall der Telekom einer Reihe von Korruptionsskandalen verbunden ist: „Privatisierung bedeutet aber auch den Verlust der Grundlage für eine eigenständige österreichische Wirtschaftspolitik, da mangels ausreichendem Privatkapital ein Ausverkauf an ausländische Multis und obskure Spekulanten das logische Ergebnis ist“, so Stingl.