Helga Müller (Arbeitermacht): Landtagswahlen in Bayern – Die Schlappe der Linkspartei

Kurz vor der Bundestagswahl sorgte Bayern für einiges Aufsehen. Die absolute Mehrheit für die CSU war zwar nach den Vorhersagen keine Sensation mehr, doch der Absturz der FDP und ihr Ausscheiden aus dem Landtag war zumindest deftig genug, dass den FDP-Granden das Lächeln komplett verging. Mindestens genauso deutlich fiel die Schlappe für die LINKE aus.

Das Wahlergebnis

Die CSU kommt auf 47,7% mit einem Plus von 4,3% gegenüber der letzten Landtagswahl in Bayern 2008. Die SPD macht 2,0 Prozentpunkte gut und kommt auf 20,6%. Die Freien Wähler kommen auf 9,0% (-1,2%). Die Grünen erreichen 8,6% (-0,8%).Die großen Verlierer sind die FDP mit einem Minus von 4,7%, was nur zu 3,3% reichte, und die LINKE, die 2,1% erreichte und mit 2,3% mehr als die Hälfte ihrer WählerInnen von 2008 verlor. 2% erreichten auch die Piratenpartei, die allerdings zum ersten Mal in Bayern kandidierte.
Die Schlappe der FDP ist umso bemerkenswerter, als sie immerhin Teil einer von vielen WählerInnen als „erfolgreich“ eingeschätzten Landesregierung war. Das bayerische Ergebnis bestätigt erneut, dass die FDP in fast allen Bundesländern ohne Leihstimmen von der Union keine Chance hat, über die 5 Prozent zu kommen.
Der Sieg der CSU ist v.a. auf die aktuell gute wirtschaftliche Lage in Bayern zurück zu führen. Zweitens ist die fast schon historisch saft- und kraftlose bayerische SPD zu nennen. Eine Rolle spielte aber auch die „Scheinopposition“ der CSU in etlichen Punkten gegenüber der CDU und Seehofers reaktionär-borniert-nationalistischer Populismus, der angesichts einer schwachen Opposition und relativer Klassenkampfruhe einige Wirksamkeit hat.

Die Verluste bei der Linkspartei

Die meisten Wahlanalysen beschäftigen sich mit dem Erfolg der CSU und dem hohen Verlust der FDP. Wir wollen uns hier aber mit dem erheblichen Verlust der Linkspartei von über 2 Prozent gegenüber der letzten Bayernwahl, in der die Linke noch 4,4 % erreichte, näher auseinandersetzen. Viele Analysen verweisen auf die inneren Querelen in der Linkspartei in den letzten Jahren und die mangelnde Verankerung in den Kommunen und im Land – das mag ein Teil des Problems sein, ist aber sicher nicht entscheidend. Eher ist da zu nennen, dass 2008, auf dem bisherigen Höhepunkt der Krise in Deutschland, die Menschen eher geneigt waren, eine linke „Protestpartei“ zu wählen. Die Frage ist aber, warum es der LINKEN in 4 Jahren nicht gelang, sich stärker zu verankern, um zumindest so einen Einbruch zu vermeiden?
Schauen wir uns die Wählerwanderungen und welche Schichten der Gesellschaft welche Partei gewählt haben, kommen wir der Sache schon ein Stück näher:
40.000 WählerInnen von 2008 wanderten 2013 zur SPD ab (bei insgesamt rund 251.000 Stimmen). 20.000 gingen sogar zur CSU! Bei den ErstwählerInnen erreichte die Linke immerhin noch 3%. Bei den Arbeitslosen punktet die Linkspartei überdurchschnittlich mit 7 Prozent (hier liegt die neu angetretene Piratenpartei gleichauf). Über dem Trend liegt sie auch bei den ArbeiterInnen mit 4%, aber auch die CSU ist hier sehr stark mit 50 Prozent, während die andere bürgerliche Arbeiterpartei, die SPD, bei den ArbeiterInnen auch nur auf 22% kommt (nach: sueddeutsche-online von infratest dimap).
Die Wählerwanderung Richtung SPD zeigt, dass es der LINKEN fast nicht gelingt, sich bundespolitisch wirklich von der SPD abzusetzen. Obzwar sie in etlichen Positionen linker ist als diese, unterhöhlt sie dieses Plus erstens damit, dass sie ihr gegenüber permanent Kniefälle macht, um ihr eine Koalition schmackhaft zu machen. Da weiß doch jede(r) sofort, dass sie – wie in Berlin oder Brandenburg praktiziert – als Regierungspartei auf ihre hehren Versprechen bald pfeift. Zweitens setzt die LINKE fast nur auf den Parlamentarismus und ist in Mobilisierungen sehr schwach. Auf die Frage, wie ihre Vorschläge praktisch umgesetzt werden könnten, hat sie im Endeffekt die gleichen alten reformistischen Antworten parat wie die SPD.
Zwar ist mit Klaus Ernst z.B. ein ehemals wichtiger bayrischer IGM-Funktionär führendes Mitglied der Linkspartei. Doch wer nun dachte, dass dieses Pfund dafür genutzt würde, eine organisierte linke Opposition im DGB aufzubauen, der wird komplett enttäuscht.
Kein Wunder, dass da viele eher das größere Original SPD als die kleinere linke Kopie wählen. Da mag viel davon die Rede sein, dass in Bayern die Uhren anders gehen – wer politisch in der Vergangenheit lebt, dem schlägt eben keine Stunde.

Schöngeredet

Da reicht auch die Antwort des Bundesgeschäftsführers Matthias Höhn nicht: „Das Ergebnis entmutigt uns nicht, andere Parteien brauchten auch drei Anläufe, bevor es mit dem Einzug in den Landtag geklappt hat.“ (zit. nach ND, 15.09.13); oder die des neuen Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger, der meinte, das Ergebnis liege „im Rahmen unserer Erwartungen. Die bayerische Linke hat erkämpft, was bei der Landtagswahl zu erkämpfen war. Wir wussten, dass die Linke-Hochburgen woanders liegen, aber wir haben den Landtagswahlkampf alle miteinander auch als Mobilisierungskampf für die Bundestagswahl geführt.“ (zit. nach ND 16.09.13).
Die Stellungnahme von Bernd Riexinger trifft die Sache überhaupt nicht. Er sollte als ehemaliger Geschäftsführer von ver.di Stuttgart und einer der Mitbegründer der „Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken“ und der in ver.di dafür bekannt ist, Tarifstreiks demokratisiert zu haben und damit auch im Einzelhandel und bei den Erzieherinnen Erfolg hatte, nur zu gut wissen, dass die Kolleginnen und Kollegen nur dadurch gewonnen werden können, wenn man sie auch zu kämpferischen Aktionen aufruft und als Partei praktisch mobilisiert und gegen den sozialdemokratischen Apparat der Bremser kämpft.
Auch an der „Pforte zum Paradies“, wie der neue alte Ministerpräsident Seehofer Bayern nennt, gibt es genügend Probleme, mit denen KollegInnen, Arbeitslose, RentnerInnen, SchülerInnen oder Asylsuchende zu kämpfen haben. Auch hier gibt es z.B. KollegInnen aus dem Einzelhandel, die sich mit Niedriglohnjobs und Teilzeitarbeit rumschlagen müssen und jetzt noch weitere Angriffe auf ihre Errungenschaften abwehren müssen. Wo ist hier die Linkspartei? Welche Rolle spielt sie als politische Organisation in den Gewerkschaften, um hier einen möglichen Ausverkauf der Errungenschaften durch ver.di zu verhindern, wie es leider die KollegInnen in den letzten Jahren all zu oft erleben mussten?!
München und Umgebung ist zwar eine boomende Stadt in Bayern, aber auch hier gibt es KollegInnen, die mit schlecht bezahlten und unsicheren Leiharbeitsjobs und Werkverträgen abgespeist werden oder mit Kurzarbeit wie bei MAN oder dem zunehmenden Niedriglohnsektor, z.B. am Münchner Flughafen, wo es gilt, politisch aktiv zu werden.
Nicht zuletzt haben die 60 Asylsuchenden durch ihre 12tägige Besetzung des DGB-Hauses in München auf spektakuläre Art und Weise auf die desaströse Asylpolitik der CSU-Landesregierung aufmerksam gemacht und sich damit auch an die Organisationen der Arbeiterbewegung gewandt, sich für ihre Interessen einzusetzen. Außer der Teilnahme der Linke-Stadträtin Brigitte Wolf an einer Podiumsdiskussion mit verschiedenen Parteien – organisiert von ver.di – im DGB-Haus war hier auch nicht sehr viel Initiative von Seiten der Linken zu spüren.
Wie das Wahlergebnis in Bayern gezeigt hat, reicht es nicht aus, einige Wochen oder Monate vor dem Wahltermin ein schönes Programm zu haben, mit durchaus korrekten Forderungen, durch’s Land zu ziehen und zu denken, die WählerInnen haben es in der Hand, die richtige Partei mit den richtigen Forderungen zu wählen.
Auch in Bayern gilt: eine Politik im Interesse der Lohnabhängigen kann nur im konsequenten Kampf gegen die Unternehmer und ihre politischen Vertreter gewonnen werden. Da ticken die Uhren auch in Bayern nicht anders. Dazu gehört auch, in den Gewerkschaften den Kampf für eine klassenkämpferische Basisbewegung, die die Gewerkschaften wieder zu Klassenorganen zur Verteidigung der Interessen der Arbeiterschaft macht zu führen. Von all dem ist leider in der LINKEN in Bayern nur sehr wenig zu sehen. Insofern muss sich auch niemand wundern, dass die LINKE in den Landtagswahlen in Bayern abgestraft wurde.