Fritz Edlinger/ Tyma Kraitt SYRIEN
Mit dem von Fritz Edlinger und Tyma Kraitt herausgegebenen Syrien-Buch liegt liegt ein weiterer Reader in deutscher Sprache über den Konfliktherd in Nahen Osten vor, der schon längst eine weltpolitische Dimension angenommen hat.
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Der Beitrag von Liselotte Abid „Die Religion ist für Gott- das Land ist für uns alle“ (S 7. ff) führt gut in die religiöse (Parteien-) Landschaft Syriens ein. Die Alawiten etwa sind ideologisch eine Mischung aus – schiitischem- Islam, Gnosis, Christentum und Zoroastrismus (S.16). Diese Gruppierung, denen auch Baschar al-Assad angehört, hat im heutigen syrischen Staat eine dominante Position. Aber „erst ein säkularer Staat, der die religiöse Differenzierung unterdrückte, (bot) den den Minoritäten Aufstiegschancen, die sie nutzten “ (S. 27).
Die lange Tradition von religiöser Toleranz und gegenseitigem Respekt ist im gegenwärtigen Syrien stark zurückgedrängt, weggebomt. Es regieren Haß und wechselseitige Schmähungen. „Nur in einer wiederum überkonfessionellen, aber demokratischen Struktur wird sich das menschliche Miteinander über Religionen, Ethnien und Sprachen hinweg entwickeln können “ (S.29).
Der Beitrag von Tyma Kraitt „Eine alawitische Militärdiktatur. Zum Verhältnis von Staat, Militär und Religion in Syrien“ (S.31 ff) baut auf den Anlalysen von Liselotte Abid auf, konkretisiert bzw. aktualisiert sie.
In einem weiteren Artikel von ihr „Das Scheitern des Damaszener Frühlings: Baschar-al Assads uneingelöste Versprechen“ (S. 45 ff). wird dicht der Niedergang der Baath-Diktatur geschildert. „Stabilität vor Demokratie “ (ebd.) galt lange Zeit als politische Leitplanke- auch auf dem internationalen Parkett erfolgten auf der Basis dieser Kurzschlüssigkeit reihenweise Unterstützungen.
Heute läuft in Syrien ein „Stellvertreterkrieg“ (S. 46)- mit ausgeprägt konfessioneller Komponente. „Die Konfessionalisierung des aktuellen Konflikts ist nicht nur auf das Engagement von Golfstaaten wie Saudi-Arabien und Katar zurückzuführen. Sie ist vom Assad- Regime selbst verschuldet worden“ ( S. 57).
Sehr aufschlußreich der Beitrag Karin Leukefeld “ Vom Aufstand zum Krieg“(S. 59 ff). Er zeigt die Entwicklung von den anfänglichen friedlichen Prostesten -beginnend mit Aktionen von Schülern (sic !) im südsyrischen Daraa, den brutalen, intransingenten Reaktionen des Regimes bis hin zum heutigen Inferno.
Bei Lektüre des Artikels „Syrien und Irak: Panarabische Paradoxien und der Bankrott des Baathismus“ (S. 89) von Carsten Wieland verschwinden jegliche Illusionen das es hier je um „Sozialismus“ ging. Vielmehr handelte es sich um ein ein nationalistisches Projekt. Diejenigen Linken , die sich in die Baath- Partei integrierten, hatten das limitierte Konzept „sozialistische Revolution in EINEM Land vor dem Fernziel des panarabischen Staates „(S. 95), was bekanntlich schon in der Sowjetunion unter Stalin nicht klappte.
Wichtig Karin Kneissls Artikel über den Libanon weil auch er- abermals- ein Fokus der Konfrontationen ist (S.101ff.)
Schließlich möchte ich noch auf den Beitrag von Werner Ruf verweisen: „“Revolution und Konterrevolution in Nahost: Vom arabischen Frühling zum islamistischen Winter?“ (S. 157 ff). Er beleuchtet die kompelexe internationale Verflechtung des Konflikts- wenn auch mit der Schlagseite der Unterbewertung der innersyrischen Faktoren.
Eine übersichtliche „Zeittafel“ (von 1914 bis Jänner 2013) von Fritz Edlinger schließt das Buch ab.
Alles in allem viele Infos, Einblicke und interessante Analysen- auch wenn manchen Schlußfolgerungen nicht zugestimmt werden kann. Schade, daß wichtige Arbeiten von kritischen MarxistInnen wie die von Maxime Rodinson („Islam und Kapitalismus“; „Die Araber“) oder Gilbert Achcar von den AutorInnen nicht berücksichtigt wurden. Sie hätten einige zusätzliche Erhellungen gebracht- insbesonders hinsichtlich der Nachtrabpolitik kommunistischer Parteien hinter dem arabischen Nationalismus.
Hermann Dworczak ( 0676 / 972 31 10 )
Fritz Edlinger/ Tyma Kraitt (Hg.)
SYRIEN. Hintergründe, Analysen, Berichte
Promedia Verlag, Wien. 2013. 238 Seiten