Die „Schuldenkrise“ ist in der EU, insbesondere in der Euro-Zone, der neueste Hammer der Herrschenden. Mit diesem Schlagwort werden „Krise“ und „Katastrophe“ beschworen – und zugleich die Massensteuern in die Höhe und die Löhne und Sozialversorgung in den Keller gedrückt.
Wieso wird in den meisten Ländern der EU seit neuestem eine Staatsverschuldung mit dem Schlagwort „Schuldenkrise“ verknüpft? Seit dem 2. imperialistischen Weltkrieg war die Staatsverschuldung fast immer hoch und bis in die 1990er Jahre hinein war in allen imperialistischen Ländern eine Staatsverschuldung immer ein hoch gelobtes Mittel der Herrschenden zur Ankurbelung der kapitalistischen Wirtschaft. Im Jahr 1950 lag z.B. die Staatsschuld der heutigen G7-Länder bei 120% ihres BIP und damit ziemlich genau auf demselben Niveau wie 2010. Als in den Zeiten des „Wirtschaftswunders“ der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre das BIP rasant anstieg, sank damit die Staatsverschuldung prozentuell auf 40% des BIP (obwohl sie nominell gleich blieb oder zunahm), dann stieg sie prozentuell wieder an, weil das BIP zurückging. Mit „Krise“ oder „Schuldenkrise“ hat eine Staatsverschuldung grundsätzlich jedenfalls nichts zu tun! Die US-Staatsschuld lag 2009 schon bei 85% des BIP und die japanische bei 194,1%, beides deutlich über dem Durchschnitt der Eurozone (79,9%), aber das stellte anscheinend auch schon damals kein Problem dar, ebenso wenig wie die heutigen beachtlichen 108.9% der USA und die 219% (!) Japans im Vergleich zu den 91,8% der Euro-Zone. Da stimmt doch etwas nicht! Auch die Verdoppelung der Schulden Großbritanniens auf 91,2% scheint niemanden sonderlich zu beunruhigen. Auch hier stimmt etwas nicht! Als die europäischen Finanzbourgeoisien Ende der 1980er Jahre den Euro aus der Taufe hoben, wurden als „Maastricht-Kriterien“ eine Obergrenze für die Staatsverschuldung in Höhe von 60% des BIP und eine Beschränkung der jährlichen Neuverschuldung auf 3% des BIP beschlossen. Die 60%-Obergrenze entsprach aber von Anfang an nicht der Realität und war von vornherein nur als ideologischer Knüppel zur Erhöhung der Ausbeutung und Ausplünderung der Volksmassen gedacht. Als der Euro eingeführt wurde, lagen nur Luxemburg, Finnland, Irland, Portugal und gerade halt noch Frankreich (59,4%) unter diesen 60%. Alle anderen lagen darüber. (Der gewichtete Durchschnitt lag bei 72,8%.) Ab 2001 wurde auch das zweite „Maastricht-Kriterium“ (Neuverschuldung 3%) massiv verletzt – und zwar speziell von Deutschland und Frankreich. Das alles war damals kein Problem, normale Staatsschuld eben, eigentlich gut für „die Wirtschaft“. In den Jahren bis 2008 sank die Staatsschuld der Länder der Eurozone zuerst leicht (aber nie unter 68%), um dann wieder anzusteigen, aber nicht mehr auf das Niveau von 1998. Zugleich gab es in allen Ländern unglaubliche Steuergeschenke an die Bourgeoisie. Diese wurden aber durch Erhöhung der Massensteuern, v.a. der indirekten Steuern, und massiven Abbau der Sozialsysteme kompensiert. Dann kam 2008 die nächste Finanz- und Wirtschaftskrise und sie wurde die schwerste seit 1945. 2009 stieg die Staatsschuld in der Euro-Zone sprunghaft von 70,1% auf 79,9%. Eine Reihe von staatlichen Maßnahmen, nicht nur die „Bankenrettungen“, sondern auch alle sonstigen direkten und indirekten Subventionen („Verschrottungsprämie“ usw.) sowie besondere Steuererleichterungen für das Kapital führte zum sprunghaften Anstieg – natürlich auch die Wirkungen der Krise auf das Steueraufkommen. 2011 lag die Staatsschuld bei 87,2% des BIP und für 2012 werden 91,8% erwartet. Warum galten Staatsverschuldungen um die 70% herum früher als normal und nicht als „Schuldenkrise“- auch nicht bei den US-Ratingagenturen und den „Märkten“ – und jetzt stellen sie plötzlich eine Katastrophe dar?! 2008 war „Bankenkrise“ und das Hochziehen der Staatsschuld um Tausende Milliarden war überhaupt kein Thema – die EU-„Rettungspakete“ von 2008 summierten sich immerhin auf 2.200 Mrd. €! Die beiden „Maastricht-Kriterien“ waren sowieso nur Augenauswischerei und mit Ausbruch der Krise 2008 wurden sie kurzerhand mit einem Federstrich ausgesetzt, als ob es sie gar nicht gäbe. Aber heute wird genau dasselbe wieder propagiert, ein bisschen anders verpackt, als „Schuldenbremse“ oder sogar als „Goldene Regel“ möglichst im Verfassungsrang – aber es bleibt nur Augenauswischerei. Den als große Neuerung und Durchbruch ausgegebenen „automatischen Sanktionen“ wird es genauso ergehen wie den bisherigen nicht-automatischen: sobald sie einen bedeutenden Imperialisten beträfen, wird man sie wohl wegrechnen oder eine Ausnahme genehmigen. In Wahrheit gibt es seit 2008 eine anhaltende kapitalistische Wirtschaftskrise. Diese durchläuft verschiedene Stadien und Formen. Die bourgeoise Propaganda, von ihren „Wissenschaftern“ bis zu ihrer Journaille, richtet sich banal danach, wo die jeweils vorherrschenden Interessen des Finanzkapitals liegen. Damals hieß es „Bankenkrise“, denn man wollte den Bankensektor, d.h. seinen Profit und sein Aktienkapital, unbedingt „retten“ und die Milliardenzuschüsse an ihn rechtfertigen. Heute heißt es „Schuldenkrise“, weil man die staatliche Ausplünderung der Massen erhöhen und alles Sozial- und Arbeitsrecht kaputt machen will. Wenn morgen wieder „Bankenkrise“ ist, muss man für eine gewisse Zeit die „Schuldenbremse“ wieder ganz vergessen, natürlich bei gleichen Auswirkungen auf Arbeiter/innenklasse und Volk, bloß dann mit einer anderen Begründung. Die “ Staatsschuld“ wird als Katastrophe hingestellt. In Wahrheit wäre eine ernsthafte Reduzierung der Staatschuld eine wirkliche Katastrophe für das Finanzkapital! Es würden nicht nur dem Geldkapital „Geschäftsfelder“ für die Spekulation gegen die griechische, spanische etc. Staatsschuld entzogen. Der gesamte Prozess der Kapitalakkumulation würde beeinträchtigt. Grob gesprochen könnte man die segensreiche Wirkung der Staatsschuld auf die Kapitalverwertung in folgendem Kreislauf darstellen: Der Staat verschuldet sich, um den Profit des Kapitals zu stützen, weil dieser durch den Akkumulationsprozess des Kapitals selbst, vor allem durch die unvermeidbare Überakkumulation (samt der regelmäßig auftretenden Krisen) bedroht wird. Dies befördert die weitere Überakkumulation von Kapital und damit auch die von Geldkapital. Dieses „Überschusskapital“ drängt in die reine Geldkapitalspekulation, es sucht dort profitable Verwertungsmöglichkeiten – und findet solche (unter anderem) sehr maßgeblich in der Staatsschuld. Die Staatsschuld ist also auf der einen Seite eine Maschinerie zur Stützung des Profits und damit auch zur „Produktion“ noch mehr überschüssigen Geldkapitals und auf der anderen eine Sphäre zur Absorption überschüssigen Geldkapitals (vgl. MEW 25, S.429). Wieso muss der Profit überhaupt vom Staat gestützt werden? Kurz gesagt erzeugt (nach Marx) der tendenzielle Fall der Profitrate beständig eine wachsende Überproduktion und Überakkumulation insbesondere von Geldkapital. Das ist die Grundlage der regelmäßigen kapitalistischen Wirtschaftskrisen – und der Notwendigkeit der Beseitigung des kapitalistischen Ausbeuterszstems. Das zugrunde liegende Problem sind nicht die „Zocker“ und „Heuschrecken“, sondern das bestehende Wirtschaftssystem!
Außerdem bietet die „Schuldenkrise“ den imperialistischen Ländern (darunter Österreich) die Möglichkeit, sich fremden Mehrwert bzw. Profit schwächerer Länder anzueignen, indem man z.B. fremde Märkte noch leichter erobert, Firmen und Banken billigst erwirbt, sich deren Rohstoffe zu günstigsten Konditionen aneignet usw. (siehe Griechenland etc.) Jahr für Jahr verschärfen sich dabei die Widersprüche zwischen den Imperialisten gegenüber den unterdrückten Völkern und untereinander. Das führt zu immer mehr Kriegen und treibt auf große zwischenimperialistische Kriege zu. Und die Aufrüstung treibt notwendig die Staatsverschuldung weiter in die Höhe – aber mit dem Ziel, im Krieg neue Profite zu machen! Die „Schuldenkrise“ ist ein Knüppel, der gegen Arbeiter/innenklasse und Volk geschwungen wird, während die Bourgeoisie – trotz aller Sorge, dass ihr die Kontrolle noch mehr entgleitet, und bei allem Schaden, den sie dem Profit einzelner Kapitalisten zufügt – gut von ihr lebt und nicht im Traum daran denkt, auch nur eine der vielen segensreichen Elemente dieser Krise aufzugeben. Der bürgerliche Staat macht Schulden und die Bourgeoisie profitiert davon. Es handelt sich unzweifelhaft um ihre Schulden, nicht um unsere. Wir sollen bloß dafür bluten. Gelöst wird dadurch die „Schuldenkrise“ dadurch trotzdem nicht. Das Problem kann sowieso nur eines Tages radikal gelöst werden durch eine Annullierung dieser Schulden, also durch die Vernichtung dieses fiktiven Kapitals, und das wiederum geht nur im Zuge der generellen Enteignung des Kapitals und indem sich die Arbeiter/innenklasse den ganzen kapitalistischen Krempel insgesamt vom Hals schafft, alles Kapital, nicht nur das fiktive und Geldkapital. Mit einem Wort: Die Staatsschuld kümmert uns nicht, wir führen den Abwehrkampf um unsere Interessen ohne Rücksicht auf Profit und Interessen der Bourgeoisie, wir werden dabei Kräfte sammeln, wir werden eines Tages in die Offensive kommen und schließlich die längst überfällige sozialistische Revolution vollbringen. Und mit der sozialistischen Revolution wird die Staatsschuld sowieso aufgehoben. ==================================== IA.RKP Stiftgasse 8 ia.rkp2017@yahoo.com |
IA-RKP: Staatsverschuldung – eine Keule gegen Arbeiter/innenklasse und Volk !
– 4. Oktober 2012Eingestellt unter: Diskussion