Interview mit Didi Zach (KPÖ) über das Wahlbündnis: „Sehr optimistisch, daß das eine neue Qualität ist“ (akin)

*Didi Zach* hat am 6.Februar namens der KPÖ gemeinsam mit einer Vertreterin der Partei „Der Wandel“ und einem „Piraten“ das gemeinsame EU-Wahlprojekt „Europa anders“ vorgestellt. Bernhard Redl, der mit Zach vor 27 Jahren schon Hörsäle besetzt hat, hat den Wiener Landesvorsitzenden der KPÖ zu den Widersprüchen dieses Wahlprojekts, aber auch den Zuständen in seiner Partei zum Gespräch gebeten.

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akin: „Europa anders“ heißt ja nicht viel. Das ist inhaltlich ein bißchen vage. Da treffen sich die eher sozialliberalen Parteien „Der Wandel“ und Piratenpartei und die immer noch antikapitalistische, also systemkritische KPÖ. Wie paßt das zusammen?

 Didi Zach: Menschen ändern sich, politische Organisationen ändern sich. Die KPÖ hat sich ja auch in den letzten 20 Jahren verändert — ich würde meinen: Zum Positiven. Und sozialliberal würde ich die Leute vom Wandel nicht nennen oder beschreiben und auch nicht die Piraten und Piratinnen, mit denen ich jetzt im Rahmen dieses Wahlprojekts viel zu tun habe. Wobei: Die Piraten sind eine recht heterogene Gruppierung. Zur Zeit gibt es ja erst verschiedene Entwürfe für das gemeinsame Wahlprogramm. Das ist ein Prozeß und ich glaub wir sind schon beim zehnten Entwurf. Da steht schon viel drinnen, was mir zwar keine schlaflosen Nächte bereitet, wo ich mir aber denke, das ist jetzt nicht gerade das Gelbe vom EI – das geht den anderen aber vielleicht auch so.

 akin: Das bisserl, was bekannt ist: Kritik an der Macht der Banken, Datenschutz, Kritik, daß die EU nichts gegen die NSA-Aktivitäten tut, ein soziales, demokratisches, ökologisches und friedliches Europa.

Menschenrechte etc. — das klingt wie ein Wahlaufruf der Grünen. Wo ist da der Unterschied?

 DZ: Papier ist geduldig und ich glaub, die Sozialdemokraten werden wieder ein schönes Wahlprogramm formulieren und im ORF schön reden, aber sie sind für die Austeritäts- und Sozialabbaupolitik in ganz Europa mitverantwortlich und die Grünen haben in Österreich auch dem ESM zugestimmt. Das heißt, daß Österreich sich diesem volkwirtschaftlich gesehen total irrsinnigen Regelungen mit soundsoviel Staatsschuld und soundsoviel Prozent Neuverschuldung unterwirft. Ich würde davon ausgehen, daß wir als Wahlallianz so etwas nicht zustimmen würden.

 akin: Die KPÖ war ja bislang mit ihren Wahlbündnissen nicht viel erfolgreicher als allein. Auf EU-Ebene gab es 1996 die Kandidatur mit der SLP und 2004 als Linke Liste. 2009 hat sie wieder alleine kandidiert. Viel Unterschied war da nicht im Ergebnis. Ich fürchte, das Ganze ist ein bisserl weniger als die Summe seiner Teile, weil traditionelle KPÖ-Wähler sich fragen, ob man dem zustimmen soll, und Piratenwähler sich vielleicht denken: Jössas, Kommunistische Partei, kann man so etwas überhaupt wählen? Also: Bringts das so? Oder hängt das mit der von EU-Mandatar Martin Ehrenhauser geschenkten Kandidatur zusammen?

 DZ: Geschenkte Kandidatur ist ein Blödsinn. Wir werden die 2600 Unterschriften sammeln, das ist vereinbart. Das begreifen wir schon als Wahlkampfaktivität, wo wir unsere Positionen interessierten und weniger interessierten Leuten darlegen wollen.

Wir haben letzte Woche in Wien eine erste öffentliche Veranstaltung gehabt im Siebenstern, waren mehr als hundert Leute, die haben im Veranstaltungssaal gar nicht Platz gehabt, und die haben dann im Vorraum in Untergruppen debattiert. Und das war eine sehr solidarische Diskussion, wo auch versucht worden ist das gemeinsame in den Vordergrund zu rücken. es waren irrsinnig viele Leute, die ich meinem Leben noch nicht gesehen habe. Ich bin da schon sehr optimistisch, daß das eine neue Qualität ist und nicht vergleichbar mit dem, was wir 2004 oder 1996 gemacht haben.

 akin: Ihr wollt das also ohne Unterschrift Ehrenhausers machen.

Trotzdem wird das Projekt von ihm unterstützt. Wie ist es zu dieser Kooperation gekommen?

 DZ: Ende Oktober, Anfang November ist von zwei Seiten ausgehend, sowohl vom Wandel als auch von Leuten aus der Piratenpartei, die Idee gekommen, wir müssen uns jetzt einmal zusammensetzen um über eine Kooperation bei konkreten Fragen zu reden. Und da war es dann aber so, daß recht schnell, so nach 2, 3 Sitzungen, die Frage aufgekommen ist, wenn wir uns in sovielen Punkten relativ einig sind – die Terminologie ist halt manchmal eine andere -: Warum überlegen wir nicht bei der kommenden EU-Wahl ein Projekt zu machen. Da hats dann Gespräche in kleineren Gruppen gegeben und Anfang Jänner war es soweit, daß ein Kooperationsvertrag vorgelegt werden konnte, den man dann den einzelnen Parteien zur Begutachtung vorlegen konnte. Und in diesem Vertrag sind die Mechanismen dargelegt, wie dieses Werkl funktionieren sollte, damit man sich nicht binnen kürzester Zeit zerstreitet. Da ist eben dargelegt, daß es am 1.März einen Gründungskonvent geben soll und daß auf den ersten zwei Listenplätzen Unabhängige von uns gewählt werden. Da ist aber auch definiert, was so ganz grob die politische Stoßrichtung sein soll. Das waren nur Schlagwörter, aber wir haben als KPÖ das ohne Bedenken unterchreiben können, weil wir ja die Diskussionen dazu im Hinterkopf hatten. Ein Beispiel: „Gegen die Festung Europa“ – daß tagtäglich Menschen im Mittelmeer ertrinken, dagegen sind wir alle drei. Und das werden wir klipp und klar in diesem Wahlkampf kundtun.

 akin: Ich weiß, ihr mögt die Frage nicht, aber was für eine Rolle spielt der Ehrenhauser in diesem Zusammenhang?

 DZ: Das kann ich schon aufklären. Als wir versucht haben, mehr Leute in diesen Prozeß einzubeziehen, war da so eine Art „Base Camp“, wie das neudeutsch heißt, und da war auch der Martin Ehrenhauser anwesend.

Und der hat dort erklärt, er finde dieses Projekt unterstützenswert und er könne sich gut vorstellen, seine Unterschrift für eine Kandidatur herzugeben. Und jetzt hat er sich hochoffiziell beworben als Kandidat. Meine Stimme wird er bekommen, weil was ich aus den Diskussionen mit ihm weiß, ist er ganz sicher – soweit ich das jetzt überblicken kann – der beste Kandidat.

 akin: Der Kandidat ist das eine, das andere ist das Parteiprogramm.

Ihr habt von den Piraten das Prinzip der „Liquid Democracy“, also salopp formuliert, Programmerstellung nach dem Wikipedia-Prinzip, übernommen. Am 1.März soll das fertig sein. Und dann will man sich

überlegen: Wer ist der Spitzenkandidat oder die Kandidatin? Wir diese Person danach ausgewählt, inwieweit sie sich mit dem Programm identifizieren kann oder danach, wer am besten rüberkommt?

 DZ: Also für die meisten Leute wird das eher eine „Sowohl-als-auch“ als eine „Entweder-Oder“-Frage sein. Meines Wissens gibt es etwa 10 Personen, die sich beworben haben für Platz 1 und 2. Und ich geh zu 100% davon aus, daß Personen nur gewählt werden, die sich im Großen und Ganzen mit dem Programm, das da vorliegt, identifizieren.

 akin: Naja, mehr als einer oder eine wird es wohl nicht werden und selbst das ist extrem unwahrscheinlich. Da brauchst du ein Wunder.

 DZ: Da widersprech ich dir! Wir haben bei der letzten Nationalratswahl gemeinsam 90.000 Stimmen gemacht und wenn man davon ausgeht, daß die Wahlbeteiligung etwa sein wird wie 2009, also bei 50%, wären 150.000 Stimmen höchtswahrscheinlich ausreichend für ein Mandat, also müßten wir uns nichtmal verdoppeln. Also ich glaub nicht, daß das ein Wunder wäre.

 akin: Der mögliche Mandatar würde aber wohl seine Meinung vertreten und nicht die der Plattform. Aber erwartet man von diesem zumindest, daß er sich zwingend der Linksfraktion anschließt – oder könnte der dann vielleicht auch zu den Liberalen gehen oder zu den Grünen?

 DZ: Also über die Sache mit dem freien Mandat debattieren ja Linke schon seit Jahrzehnten. Fakt ist, daß es das gibt. Und wenn, sagen wir mal, die KPÖ-Gemeinderätin in Linz auf die Idee kommt, sie stimmt für etwas ab, was die ganze Partei etwas anders sieht, dann hat man auch keien andere Möglichkeit, als zu versuchen, sie zu überzeugen, daß das ein Fehler war. Genauso wirds in dieser Wahlallianz auch sein.

 akin: Nein, meine Frage zielt auf etwas anderes ab. Hat diese Plattform die Idee, daß dieser mögliche Mandatar in der Linksfraktion landen dürfte – oder ist das gar kein mehrheitlicher Konsens?

 DZ: Wir werden sehen. Also die meisten KPÖler sehen diese Fragen entspannt und relaxed. Man braucht nicht über die nichtgelegten Eier streiten. Der Kandidat hätte ein freies Mandat, was auch in der Kooperationsvereinbarung niedergeschrieben ist. Ich hoffe, der Mandatar läßt sich von guten Argumenten überzeugen. Es gäbe dann auch noch die Möglichkiet fraktionslos zu bleiben, da weiß ich aber vom Martin Ehrenhauser, er hätte das jetzt einige Jahre praktiziert und das ist nicht die optimale Lösung.

akin: Aber als Wähler stellt sich für mich schon die Frage: Was ist, wenn ich für diese Plattform stimme und dann feststelle, scheiße, ich hab für einen Liberalen gestimmt?

 DZ (grinst): In Österreich ist es oft so, daß Menschen was wählen und dann stellen sie überrascht fest, daß die Versprechungen nicht eingehalten worden sind…

Ich würde sagen, gedulde dich noch ein bißchen, das würde ich auch den potentiellen Wählerinnen und Wählern sagen. Ich kann mir gut vorstellen, daß im April ode Mai dezidierte Aussagen kommen, zu welcher Fraktion sich der Spitzenkandidat oder die -kandidatin bekennen will, und daß auch dezidierte Aussagen zu anderen wichtigen Fragen kommen werden.

 akin: Die Haltung der KPÖ zur EU ist ja genausowenig wie in der deutschen Linkspartei einheitlich. Und diese Auseinandersetzungen beziehen sich in der KPÖ ja nicht nur auf die EU-Wahl, sondern sind ja sehr allgemeiner Natur. Franz Parteder von der steirischen KPÖ hat ja jüngst in einer Rede gemeint, Kritik innerhalb der EU sei schon auch wichtig und speziell jetzt wegen des EU-US-Freihandelsabkommens. Und meint: „Deshalb setzen wir in der Steiermark dem entstehenden Wahlbündnis von Bundes-KPÖ, Piratenpartei und dem linksliberalen EU-Parlamentarier Martin Ehrenhauser für die EU-Wahl keinen Widerstand entgegen. Wir hätten uns aber eine Bewegung gewünscht, die vor den Verbotstafeln nicht haltmacht, die von den Mächtigen in der EU und in Österreich aufgestellt werden. Für die steirische KPÖ ist der Austritt aus EU und Euro nämlich kein Tabu.“

Jetzt frage ich: Siehst du den Moloch EU prinzipiell für erhaltenswert an oder siehst du die Kandidatur einfach als Akzeptanz des derzeit Unvermeidbaren?

 DZ: Also ich glaub, Konsens unter den Allianzpartnern – und dazu wollen wir noch möglichst viele Unabhängige gewinnen – ist: das Projekt EU als solches ist nicht schlecht, die gegenwärtige Verfaßtheit ist schärfstens zu kritiseren und abzulehnen. Und wenn man in drei oder fünf oder zehn Jahren feststellen muß, daß eine Demokratisierung und Transformierung der EU nicht möglich ist, dann wird man sich zu diesem Zeitpunkt auch überlegen müssen, ob man aus dieser EU austreten will. Aber einen Austritt stellt derzeit nicht einmal die KPÖ Steiermark in den Vordergrund.

Das andere ist: Ich bin der Meinung, daß durch einen EU-Austritt Österreichs sich jetzt nichts prinzipiell ändern wird an den ökonomischen Rahmenbedingungen, mit denen wir konfrontiert sind.

Insofern sehe ich nicht, wie ein Austritt das Kraut fett machen würde.

Und drittens: Der Franz Stefan Parteder und andere Genossinnen und Genossen in der Steiermark sind ja sowieso der Meinung, man müsse den Widerstand von unten aufbauen. Und die Kandidatur bei Gemeinderats- oder AK-Wahlen ist viel wichtiger als die Beschäftigung mit dem „Moloch EU“ — um mit deinen Worten zu sprechen. Ich teile das nicht, ich halte das eher für ein Sowohl-als-auch. Und daher habe ich die Befürchtung, hätte die KPÖ bei dieser EU-Wahl alleine kandidiert, sich die Unterstützung der steirischen KPÖ auch in Grenzen gehalten hätte.

 akin: Spätestens 2015 sind in Wien Landtagswahlen und da wird die KPÖ wohl wieder antreten. In Wien, genauso wie in sieben anderen Bundesländern außer der Steiermark gibt es jetzt eine „Partei der Arbeit“, die mehr oder weniger Stellvertreterpartei der steirischen KPÖ in den anderen Bundesländern ist. Diese PdA wird wohl auch bei den Landtagswahlen kandidieren. Kann man das akzeptieren, daß einem eine Schwesterlandespartei das Leben so schwer macht?

 DZ: Also erstens würde ich die PdA nicht als Ableger der steirischen KPÖ sehen. Was ich aber sehe, ist, daß es politisch notwendig wäre, daß die KPÖ Steiermark deutlicher kundtut, wo sie sich zugehörig fühlt. Und sie heissen nicht PdA, sondern KPÖ; trotz aller Differenzen, die es gibt. Also insofern würde ich mir klarere und deutlichere Worte wünschen und fordere ich auch hie und da ein im persönlichen Gespräch. Es ist das gute Recht der PdA bei der Gemeinderatswhl zu kandidieren. Und wir werden uns dann auf gute solidarische Art damit auseinandersetzen — oder auch nicht.

 akin: Kann das so weitergehen auf die Dauer; dieses Verhältnis zwischen der starken steirischen Partei und den 8 übrigen Landespartei resp. der Bundespartei?

DZ: Es geht schon einige Zeit so, insofern kann das noch einige Zeit so weitergehen. Ich persönlich erachte das als suboptimal. Ich glaube, daß es in der KPÖ Steiermark auch viele Genossinnen und Genossen gibt, die dieses Verhältnis oder Nicht-Verhältnis als suboptimal betrachten.

Da muß man schauen, was sich ändert. Soweit ich wahrnehme, aber da bin ich wahrscheinlich fast so außenstehend wie du, gibt es in der Steiuermark manche, die dieses Projekt einer EU-Wahlallianz sehr positiv sehen, und einen anderen Teil, der vielleicht quantitativ genauso groß ist, der das negativ sieht und sagt, das ist das Falsche, und ein dritter Teil, der noch nicht genau weiß, wie er die Dinge sehen will. Vielleicht ist ja sogar diese Wahlallianz ein Beitrag, um das Verhältnis zwischen den KPÖ-Gruppierungen zu verbessern.

 akin: Lieber Didi, ich danke dir für das Interview.

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 Infos zum Wahlprojekt: http://www.europaanders.at

 Der Gründungskonvent des Wahlallianz findet am 1.März im JUFA-Hotel, 1110, Mautner-Markhof-Gasse 50, statt. Beginn: 9 Uhr. Anmeldung: kontakt@europaanders.at