Anfang Dezember eroeffnet eine neue linke Buchhandlung im 15. Bezirk in Wien. Und es soll mehr als eine Buchhandlung werden, ein kleines linkes Zentrum zwischen Westbahnhof und Stadthalle. Akin war zu Gast auf der Noch-Baustelle und hat mit *Stefanie Klamuth* und *Pablo Hoertner* gesprochen, die ihre gesamte Energie in dieses Projekt stecken.
akin:Steffie, als Du mir Ende Juli das erste Mal erzaehlt hast, dass ihr sowas vorhabt, hab ich mir gedacht: ‘Die spinnt! Wenn sie sich das wirklich einmal ernsthaft ueberlegt, macht sie das nie!’ Aber jetzt sitz ich da auf dieser Baustelle, es kugeln aber auch schon Buecher rum und das wirkt alles sehr ernsthaft. Am 2.Dezember soll die Buchhandlung mit einer Lesung eroeffnet werden. Seid Ihr Euch immer noch so sicher, dass das eine gute Idee war?
Stefanie: Dass das ganze vielleicht ein bisserl wahnwitzig anmutet, kann ich durchaus nachvollziehen. Wir haben gesagt, es gibt in Wien keine ernstzunehmende gutsortierte linke Buchhandlung, schon gar nicht mit einem angeschlossenen Café, wo man sich hinsetzen und trinken und eine Kleinigkeit essen kann. Und nachdem wir Buecher verschlingen und viel Geld im Monat fuer Buecher ausgegeben haben, aber nie so recht wussten, wo man Buecher herkriegen kann, haben wir beschlossen, wir machen das Ganze selber. Das Ganze wird eine dezidiert linke Fachbuchhandlung werden, mit einer kleinen Auswahl an politischer Belletristik, gesellschaftskritischen Kinderbuechern, mit einem integrierten Antiquariat und eben dem Lesecafé. Und ja, die wirtschaftlichen Bedenken haben viele, viele Bekannte in unserem Freundeskreis geaeussert und genau deswegen zwar nicht versucht, abzuraten, aber schon gefragt, wie sinnvoll das Ganze ist. Aber ich muss sagen, je weiter das Projekt voranschreitet, je naeher die Realisierung kommt, desto positiver werden die Rueckmeldungen, desto optimistischer sind wir, dass das Ganze funktioniert — eben deswegen, weil wir das Ganze nicht als klassische Buchhandlung aufziehen wollen, sondern mit einem regelmaessigen Veranstaltungsangebot den Raum zur Verfuegung stellen wollen, fuer linke Initiativen, die sich treffen wollen, oder fuer junge KuenstlerInnen.
akin: Das Ganze kommt mir eh eher vor als Veranstaltungsbereich mit angeschlossener Buchhandlung, auch die Oeffnungszeiten wochentags ab 15 Uhr finde ich ja nicht unspannend. Ihr habt ja ein sehr ausfuehrliches Programm fuer die Eroeffnung. Aber ist das nicht auch ein ziemlicher Aufwand, regelmaessig ‘das Haus zu fuellen’?
Pablo: Also die Eroeffnungswoche zu organisieren, war der geringste Aufwand bisher. Die Leute haben sich uns angeboten, da haben wir nicht viel nachfragen muessen. Fuer kommende Lesungen gibts bereits einige Leute, die Interesse haben. Die merken, dass wir eher das Publikum ansprechen, das fuer sie interessant ist als z.B. bei der Thalia oder aehnlichem. Wir haben versucht, das Ganze sehr community-maessig aufzubauen. Ich haetts nett gefunden, wenn in der Anfangsphase nicht nur Steffie und ich allein dagewesen waeren, sondern wir es als Cooperative oder aehnliches haetten aufziehen koennen. Momentan ist das Interesse diesbezueglich noch eher flau. Aber wir haben ein recht weites Netzwerk, wo wir glauben, dass wir das nicht nur in der Anfangsphase fuellen koennen.
akin: Als digitaler Einwanderer und als Beteiligter einer der letzten linken Zeitungsprojekte, die tatsaechlich noch auf Papier erscheinen, habe ich natuerlich grosse Sympathie fuer analoge Projekte. Aber: Habt ihr hier nur Buecher oder wollt ihr auch das, was man „Neue Medien“ nennt?
Stefanie: Was es jetzt zumindest mittelfristig nicht geben wird, sind e-Books und dessen Varianten. Was wir aber diesbezueglich haben werden neben den klassischen Buechern ist ein kleines-feines DVD-Sortiment, mit historischen Dokumentationen oder philosophischen Themen. Wir wollen die Website, die jetzt noch sehr duerftig besetzt ist, ausbauen zu einem Online-Shop und einem weitgehenden Forum, wo sich die Leute via Social Media einklinken koennen. Diese Interaktivitaet ist uns wichtig, vor allem fuer Menschen, die nicht die Moeglichkeit haben, ein oder zweimal die Woche vorbeizukommen — und auch um ein juengeres Publikum anzusprechen, die mit Social Media grossgeworden sind.
akin: Euer Flyer ist fuer mich ja recht spannend in der Symbolik „radical bookstore vienna – librería utopía“ und dazu ein Pandabaer mit einem Kaperl mit rotem Stern, der ein rotes Buecherl in der Hand haelt, wo man an die Mao-Bibel denken muss. Das „Librería Utopía“ klingt irgendwie als Tribut an die Lateinamerikafreaks und das Englische gilt halt so als international. Habt Ihr Euch das so ueberlegt?
Pablo: Also die Steffie hat gemeint, das mit Utopia klingt nett als Name fuer die Buchhandlung. Als ich das meiner Mutter erzaehlt hab — auf Spanisch –, hab ich gesagt „Librería Utopía“ und dann hab ich gemerkt, das reimt sich. Was wir nicht bedacht haben, dass manche Leute gemeint haben, dass das was mit „Liberty“ zu tun haben koennte.
Was das Internationale betrifft, ist es schon so, dass wir nicht nur Buecher aus dem deutschsprachigen Raum fuehren wollen, sondern dass wir bereits Spanischsprachiges fuehren werden — in erster Linie aus Kolumbien, weil meine Tante dort eine eigene kritische Edition fuehrt.
Wir werden kritische Literatur aus der Tuerkei und den serbokroatischen Raum fuehren. Es gibt hier in der Gegend auch eine polnische Community, die wir mit kritischer Literatur versorgen wollen. Aber dazu muessen wir natuerlich auch erst Bruecken schlagen:
Wir werden Graphic Novels haben, Kinderbuecher, Kochbuecher, z.B. von Mandelbaum, die halt nicht so traditionell sind. Und wir wollen auch Sprachkurse anbieten.
akin: Utopos, der Nicht-Ort. Also hier ist so ein Nicht-Ort in einem Seitengassel irgendwo zwischen Westbahnhof und Stadthalle, noch sehr migrantisch-proletarisch, aber leicht schon in Gefahr, gentrifiziert zu werden. Meint ihr, dass das hier jemand findet? Oder wandert Bobostan eh schon in eure Richtung? Weil: Der durchschnittliche proletarische Migrant wird wohl nicht euer typischer Kunde sein.
Stefanie: Also wir haben uns ganz bewusst dagegen entschieden, direkt in Boboville sesshaft zu werden. Yppenplatzgegend oder 7.Bezirk, das passt uns so gar nicht ins Konzept. Wir haben urspruenglich etwas im 16.Bezirk etwas weiter draussen etwas gesucht, haben dort nichts Adaequates gefunden, finden das jetzt aber hier mit U-Bahn-Anbindung ganz gut. Es war uns wichtig, dass das eben in noch nicht gentrifiziertem Bereich stattfindet. Dass der 15. wahrscheinlich der naechste Bezirk ist, der dran kommt, ist aber klar. Was das migrantische Publikum betrifft, ist das eine extreme Herausforderung, deswegen wollen wir auch unser Angebot an Buechern und Veranstaltungen entsprechend abstimmen. Wir wollen jetzt nicht unbedingt die Buchhandlung fuer einen elitaeren linke Zirkel sein, wo es ausschliesslich Theoriewaelzer gibt, sondern auch etwas, wo man die Leute dort abholt, wo sie in ihren Alltagserfahrungen stehen. Da wollen wir auch Nachhilfe fuer Kinder organisieren und Kooperationen mit Schulen, die in der Gegend sind, eingehen. Und ich glaub, dass es gerade unter den migrantischen ProletarierInnen eine grosse Anzahl an Menschen gibt, die man fuer linke gesellschaftskritische Ideen begeistern kann, wenn man ihnen ein entsprechendes Angebot gibt. Ich glaub, dass sich migrantische ProletarierInnen hier wohler fuehlen koennten, als der klassischen 7.Bezirk-Gruenwaehler, der wahrscheinlich mit der Literaturauswahl hier ein bisserl ein Problem haben wird, weil es eben doch sehr — deswegen „radical“ — sehr radikale Literatur sein wird jenseits von Attac und Global 2000. Auch wenn sich die Bobos als links begreifen, ist das nicht unser Verstaendnis von links.
akin: Da gibts aber das Problem des radikalen Lebens im buergerlichen.
Das ist ein teurer Spass. Ich finde das ja sehr mutig, aber wie vorfinanziert ihr das?
Pablo: Ich sehe da jetzt nicht das grosse Problem. Wir werden in zwei Jahren sehen, ob es nicht geht. Das liegt dann aber wohl nicht nur an uns, sondern auch an den gesellschaftlichen Verhaeltnissen und nicht zuletzt an der Linken in Wien. Wir haben nicht viel investiert und werden versuchen, die Buecher auch nur in Kommission zu nehmen. Ich glaube nicht, dass wir ein wahnsinnig grosses Warensortiment aufbauen werden, wo wir gleich 5000 Euro in Buecher investieren, die wir dann nie wieder loswerden. Und wir haben gesagt, wir koennen uns das naechste halbe Jahr halbwegs ausfinanzieren. Wir haben bis jetzt beide gute Jobs gehabt, die wir aufgegeben haben dafuer, uns einen Lebenstraum zu erfuellen. Viele Leute beneiden uns darum — die haetten auch so einen Traum gehabt, ihn aber nicht erfuellt aus der Angst, dass sie im Kapitalismus damit nicht ueberleben koennen. Ich glaub, wenn man das so angeht, dann scheitern von vornherein alle radikalen Konzepte.
akin: Also ich kann Euch nur alles Gute wuenschen und bedanke mich fuer das Interview.
(Interviewer: Bernhard Redl, Radiofassung: http://cba.fro.at/249824)
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Kontakt:
Librería Utopía — radical bookstore vienna Wien 15, Preysinggasse 26-28 (U3 Schweglerstrasse) Langschlaeferfreundliche Oeffnungszeiten: Mo-Fr ab 15 Uhr, Sa ab 12 Uhr http://radicalbookstore.com/ https://www.facebook.com/radicalbookstore
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Eroeffnungprogramm
Mo, 2.12. 18 Uhr: Ilija Trojanow liest aus seinem neuen Buch „Der ueberfluessige Mensch“. Anschliessend Diskussion „Was bedeutet ‚Radikalsein‘ heute?“
Di, 3.12. 18 Uhr: Robert Misik liest aus seinem aktuellen Buch „Ist unsere Politik noch zu retten?“. Anschliessend Diskussion Mi, 4.12. 18 Uhr: Siebenschlafer Akustikset Do, 5.12. 18 Uhr: Frauen im bewaffneten Widerstand im 20.
Jahrhundert – Podiumsdiskussion mit Tanja Mikolasch (Irland), Maria Hoertner (Kolumbien) und Stefanie Klamuth (Spanien) Fr, 6.12. 19 Uhr: Dirk Bernemann (D), HC Roth (A), Alex Grabeldinger
(D) lesen „Texte, die an der Oberflaeche kratzen, in die Tiefe wollen und haeufig wie das Leben selbst sind, pointenlos, dramaturgisch schlecht arrangiert, aber immer gut vorgetragen“.
Sa, 7.12.: radical closing – 16 Uhr creative writing. 18 Uhr poetry slam – utopia, radicalism & reading. final chillout vibes by DJane „Funkypawz“.