Das interessante und äußerst materialreiche Buch gibt einen guten Einblick in das „Repertoire der Macht“ von Imperien. Es schildert die Vielfältigkeit von Herrschaftsformen, die sich bekanntlich nicht in Repression erschöpfen.
Die Studie von Jane Burbank und Frederick Cooper- sie ist Professorin für Geschichte und Slawistik, er Professor für Geschichte und Afrikanistik- hat eine enorme Spannweite. Behandelt werden u.a. das alte Rom und China, das Reich des Nomadenvolks(!)der Mongolen (das größte Imperium in der Geschichte der Menschheit), Byzanz, das Reich der Osmanen, das britische Empire, das Zarenreich, die Vereinigten Saaten von Amerika, usw.
Sichtbar wird, daß Machtausübung („Politik der Differnz“-S.24) in keiner Weise eindimensional erfolgt: sie kann vielmehr in- oder exklusiv über die Bühne gehen, mit einer dominanten Religion oder via religiöse Pluralität (oder gar Indifferenz), mit einer sehr eng bzw. relativ weit gefaßten Staatsbürgerschaft (wie in der Spätphase des Imperium Romanum).
Während das katholische Christentum – etwa im spanischen Weltreich- Andersgläubige brutalst verfolgte und die Scheiterhaufen brennen ließ, gewährten die Mongolen mehreren Religionen Freiraum. Ebenso das Reich der Osmanen: es war geprägt von -relativer- religiöser Toleranz gegenüber dem monotheistischen Christentum und Judentum.
Obwohl es wichtig ist die Vielfältigkeit von Herrschaftsformen zu analysieren, sollte nicht der falsche Eindruck erweckt werden, daß es sich dabei um ein „totales Novum “ handelt. Schon Machiavelli hatte im „Pricipe“ (Fürst) die breite Palette von Herrschaftstechniken dargelegt- und bezeichnenderweise wird er von den beiden AutorInnen nur einmal ganz nebenbei zitiert. Das -theoretische- Lebenswerk Gramscis ist durch das Studium des Herrschafts-Zwillingspaares „Zwang“ und „Konsens“ geprägt- Gramsci wird jedoch in dem Buch überhaupt nicht erwähnt.
Das Buch teilt mit anderen „Imperien-Analysen“ die Schwäche der Einseitigkeit. Während in dem -hervorragenden- Buch von Paul Kennedy “ Aufstieg und Fall der großen Mächte“ der Begriff der „Überdehnung“ von Imperien (der schließlich zu ihrem Untergang führt) überstrapaziert wird, ist es bei Burbank/ Cooper die weitestgehende Konzentration auf die politische Ausübung von Macht- ohne entsprechende Berücksichtigung der -jeweils unterschiedlichen- ökonomischen Basis. Das theoretische Defizit beginnt bereits mit der gänzlich allgemein gehaltenen Defintion eines Imperiums: „Imperien sind große politische Einheiten, expansionistisch oder mit einer Erinnerung an eine räumlich ausgedehnte Macht“(S. 24).
In der Folge wird der Imperiumsbegriff geradezu inflationär gebraucht- auch vom „Sowjetreich“ (S.11)ist die Rede- obwohl in der Sowjetunion und ihren „Satelliten“ gänzlich andere Eigentums- und Produktionsverhältnisse herrschten.
Generell läßt sich sagen, daß von den AutorInnen die jeweilige spezifische ökonomische Basis der von ihnen beschriebenen Imperien ziemlich schludrig behandelt wird. Für China fehlt der Schlüsselbegriff der „asiatiatischen Produktionsweise“( Marx)- nicht einmal eine kritische Auseinandersetzung mit dieser zentralen Kategorie gibt es. Dafür wird der Begriff „Magnaten“ undifferenziert für Großgrundbesitzer in unterschiedlichen Gesellschaften gehandhabt.
Eine kritische Lektüre des Buches ist trotz dieser Defizite zu empfehlen. Die hier gewonnen Einsichten sollten kombiniert werden mit anderen Studien, um dem komplexen Wechselspiel von gesellschaftlichem Unter- und Überbau gerecht zu werden.
Hermann Dworczak
Jane Burbank/ Frederick Cooper Imperien der Weltgeschichte. Das Repertoire der Macht vom alten Rom und China bis heute.
Campus Verlag Frankfurt / New York 2012. 612 Seiten . 41,20 Euro