Johannes Wiener (RKOB): Sozialpazifismus – eine imperialistische Krankheit! Zu den jüngsten politischen Bauchflecken von AST/LFI

Von Johannes Wiener

Opportunismus und LFI

Seit unserem Ausschluss aus der Liga der Sozialistischen Revolution (LSR) im Frühjahr 2011, hat sich diese – gemeinsam mit ihrer internationalen Organisation – deutlich nach rechts, ins Fahrwasser des Zentrismus entwickelt. Obwohl diese Organisation fast ausschließlich aus Studenten und Studentinnen besteht hat sie sich – um sich vom revolutionären Erbe der LSR zu distanzieren – in ArbeiterInnenstandpunkt umbenannt. Sie liess sich dabei von der Hoffnung leiten, dass Tarnung eine ausreichende Verteidigung sei. Um von ihren politischen Rechtsruck abzulenken, warfen sie uns vor, dass wir „ultralinks“, „sektiererisch“, „Arbeitertümler“ wären oder gar dem „Antisemitismus“ in die Hände spielen würden. Wir haben in verschiedenen Dokumenten nachgewiesen, dass dies ein Unsinn ist und dass die Genossen in Neo-AST und LFI eine bolschewistische Politik verwässern und sich an verschieden kleinbürgerliche oder pro-imperialistische Strömungen anpassen. Das abenteuerliche und prinzipienlose Projekt mit einer neuen „antikapitalistischen“ Organisation in Großbritannien (und vielleicht in Zukunft in Deutschland), bei dem sie 2012 mehr als ein Drittel ihrer Mitglieder verloren haben, spricht Bände.

Ein untypischer Vorwurf

Jetzt werfen sie aber uns von einer anderen Seite vor, eine falsche Politik zu betreiben. Wir haben bei der vor kurzem stattgefundenen Volksbefragung aufgerufen, für die Beibehaltung der Wehrpflicht zu stimmen. Der Neo-AST, sonst meist rechts-opportunistisch, nahm hier formell eine ultralinke Position ein und rief auf, die Wahl zu boykottieren und weder die eine noch die andere Form des bürgerlichen Heer zu befürworten. Unsere Haltung war: „Nein zur bürgerlichen Armee, aber Berufsheer verhindern!“. Wir nahmen diese Position ein, weil ein Berufsheer in der jetzigen Situation eine Verschlechterung der Kampfbedingungen der Arbeiterklasse bedeuten und des der herrschenden Klasse erleichtern würde, ihre Angriffe auf die Arbeiterklasse und die unterdrückten Völker durchzuführen. So eine Armee möchte sich der österreichische Imperialismus schaffen, um an Kolonialkriegen wie in Mali teilnehmen zu können und besser gegen innere Unruhen oder „Migrationsströme“ aus Süd- und Osteuropa gewappnet zu sein.

Anpassung an den Pazifismus

Was ist aber die materielle Basis für das scheinbare Ultralinkstum des Neo-AST? Ist das nicht ein Widerspruch zu ihrer sonstigen Politik? Nein, dieser Schwenk stimmt vollkommen mit dem Wesen dieser Organisation überein, denn in Wirklichkeit handelt es sich um einen opportunistischen Fehler, der hofft sich mit linken Phrasen zu vertuschen. Wir haben oft nachgewiesen, dass der Neo-AST, aber auch andere zentristische Gruppen sich an die das kleinbürgerliche Milieu der Studenten, Studentinnen und der fortschrittlichen (oder nicht so fortschrittlichen) Intellektuellen anpassen. Dieses Milieu war mehrheitlich für ein Berufsheer, das zeigt sich, wenn man betrachtet, dass es in Wien im 7. und 8. Bezirk (Wiens Parade-Kleinbürgerbezirke) die größten Zustimmungswerte für die Wehrpflicht gab.

Aus naheliegenden Gründen ist es aber für „marxistische“ Linke schwer, für eine aggressive imperialistische Politik, also für ein Berufsheer zu sein. Sie taten das, was verschiedene pazifistische Gruppen oder Individuen auch taten, sie riefen zum Boykott auf, doch im Gegensatz zu den Pazifisten fügten sie der Losung: „Jede Armee ist schlecht!“, das kleine marxistische Wort „bürgerlich“ hinzu. In Wirklichkeit hat sich die LFI seit unserem Ausschluss in Richtung Sozialpazifismus bewegt. Sie weigerte sich, in irgendeiner Form praktisch an den Aufständen der Arbeiterjugend in Großbritannien im August 2011 teilzunehmen, obwohl sie zur gleichen Zeit viele junge Aktivisten in der Nähe in einem Camp hatte. Sie warf uns vor, dass wir dem Antisemitismus in die Hände spielen würden, weil wir dafür sind, dass nur jene Israelis in einem gemeinsamen jüdisch-arabischen sozialistischen Staat willkommen sind, die für die Gleichberechtigung der arabischen Mehrheit sind. (Wie absurd zu glauben, dass die rassistischen Siedler für den Sozialismus gewonnen werden können!) Jetzt weigert sie sich, für den Sieg der Rebellen in Mali gegen die französischen und EU-Imperialisten einzutreten und biedern sich so an einen Sozialpazifismus a la NPA an (die sie nebenbei in den Himmel loben).

Parallelen zur KPÖ?

Ein weiteres Beispiel für einen „Scheinradikalismus“ in der Wehrpflichtdebatte ist die KPÖ. Die KPÖ betreibt normalerweise eine linksreformistische, pazifistische, vorsichtig pro-imperialistische Politik und hat längst ihre revolutionären Wurzeln erwürgt. Heute geht sie auf Stimmenfang im kleinbürgerlich-pazifistischen Milieu mit der Losung „Berufsheer abschaffen“. Deutlich linkere Gruppen wie die Kommunistische Initiative, vertreten (trotz vieler Illusionen zum „demokratischen“ Bundesheer) eine richtige Position in dieser Debatte.

Zersetzung und Rote Armee

Der Neo-AST wirft uns vor: (die RKOB, d.A.) unterschlägt aber, dass die bürgerliche Armee – egal in welcher Form – immer ein Instrument der herrschenden Klasse ist. Das heißt aber auch, dass eine „kritische“ Unterstützung des Bundesheers in seiner aktuellen Form eben nicht bloß eine Unterstützung der Möglichkeit zur – wie auch immer eingeschränkten – militärischen Ausbildung ist, sondern notwendigerweise die „kritische“ Unterstützung der Ausbildung unter dem Kommando der bürgerlichen Offiziere inkludiert. Eine „kritische“ Unterstützung der Wehrpflicht läuft daher letztlich auf die politische Unterstützung einer bestimmten Form der bürgerlichen Armee hinaus – ähnlich der Unterstützung für ein Militärbudget.“*

Der Autor dieser Zeilen schrieb im Herbst 2011 als er selbst Dienst beim Bundeheer machen musste: „Das Bundesheer ist eine bürgerliche Armee des imperialistischen Österreich, die dazu dient die Interessen der österreichischen herrschenden Klasse durchzusetzen.“ ** Hört sich das nach einer Unterschlagung der Rolle des Bundesheers an? In diesem Artikel vertraten wir schon die Meinung, dass es sinnvoll ist die Wehrpflicht gegenüber einem Berufsheer zu verteidigen. Unsere Verteidigung der Wehrpflicht kann man mit der Verteidigung der bürgerlichen Republik gegen einen Militärputsch vergleichen. Die bürgerliche Republik ist auch – egal in welcher Form – immer ein Instrument der herrschenden Klasse ist. Deswegen würden wir nirgends und niemals die Errichtung einer bürgerlichen Republik (oder der Wehrpflicht) fordern. Wir verteidigen aber die bürgerliche Republik (oder die Wehrpflicht) gegen Angriffe im Interesse des Imperialismus/der Bourgeoisie. Deswegen verwehren wir uns auch gegenüber dem Vergleich mit der Einführung der Wehrpflichtarmeen vor beiden Weltkriegen. Keine antiimperialistische, revolutionäre Organisation kann so etwas unterstützen!

Aus dem gleichen Grund lehnen wir zum Beispiel einen Beitritt Österreichs (oder anderer Länder) zur NATO ab, weil es der Beitritt zu einem solchen imperialistischen Militärbündnis eine Stärkung des Militarismus bedeuten würde. Deswegen sind wir aber noch lange keine Befürworter der kapitalistischen Neutralitätspolitik Österreichs oder des österreichischen Bundesheeres in seiner heutigen Form. In seiner revolutionären Vergangenheit hat ASt/LSR diese Position geteilt.

Oder nehmen wir ein anderes Beispiel. Als der ASt noch revolutionär war, forderte er in seinem Aktionsprogramm aus dem Jahr 2000 die „Abschaffung der Staatspolizei und aller Geheimdienste!“.

Müßte der Neo-AST – gefangen in seiner zentristischen Verwirrtheit – nicht auch sagen, dass er nicht länger die „Neutralität“ Österreichs gegen den NATO-Beitritt verteidigt und dass er nicht länger die Abschaffung bestimmter besonders reaktionärer Institutionen im Staatsapparat fordert, denn „die bürgerliche Armee (Polizei) – egal in welcher Form – ist immer ein Instrument der herrschenden Klasse.“ Aber politische Klarheit und Prinzipienfestigkeit ist ein rares Gut im heutigen AST/LFI geworden.

Für uns als revolutionäre Kommunistinnen und Kommunisten ist die einzige positive Alternative zum Bundesheer die Rote Armee unserer Klasse. Doch wir lehnen keineswegs Reformen innerhalb des bürgerlichen System und seiner Streitkräfte ab. Ebenso fordern Kommunisten zum Beispiel die Auflösung besonders reaktionäre Einheiten im Bundesheer (wie das Jagdkommando). Glaubt jemand dass, das Bundesheer ohne Jagdkommando keine Waffe mehr ist? Natürlich nicht, aber es ist eine stumpfere Waffe! Glaubt jemand, dass das Bundeheer mit Wehrpflicht keine Waffe mehr ist? Nein, aber eine stumpfere!

Dies war auch die Haltung der marxistischen Klassiker, die – solange der Kapitalismus existiert – eine auf Wehrpflicht beruhende bürgerliche Armee gegenüber einer Berufsarmee vorzogen.

Was ist Sozialpazifismus?

Als Sozialpazifismus verstehen wird die Anpassung von zentristischen Organisationen und Parteien an den Imperialismus. Dies führt nicht wie bei der Sozialdemokratie dazu, dass sie ins imperialistische Lager übergehen (Sozialimperialismus), sondern dass sie sich an den Pazifismus anpassen. Das drückt sich darin aus, dass sie sich in einem Krieg eines imperialistischen Landes gegen ein unterdrücktes halbkoloniales oder koloniales Volk, nicht konsequent auf die Seite des unterdrückten Volks stellen. Oft wird das verbunden mit Phrasen über die „politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse“ in der Halbkolonie. Für diese Organisationen spielt die Einheitsfront gegenüber den Massen-Arbeiterorganisationen, die eine kleinbürgerliche oder bürgerliche Führung haben eine wichtige Rolle, nicht aber militärische Einheitsfront mit den Organisationen der halbkolonialen Volksmassen, die eine kleinbürgerliche oder bürgerliche Führung haben. Oft ignorieren sie die nationale Frage in den Halbkolonien, weil diese doch in den imperialistischen Ländern schon geklärt wäre. Doch selbst das ist ein Unsinn, denn was ist mit der nationalen Frage der Migranten und Migrantinnen Europas, den Iren in Britannien, den Basken in Spanien und Frankreich, den Schotten, den Katalanen, den Schwarzen oder Latinos in den USA, der Tschetschenen oder Dagestaner in Russland oder der vielen nationalen Minderheiten in China. Sozialpazifistische Kräfte passen sich auch an die Illusion des „friedlichen“ Übergangs zum Sozialismus an oder lehnen gewisse Taktiken in Klassenkampf ab.

Wie stehen wir zum Wehrdienst?

Es kommt noch ein weiteres, eher organisatorisches Argument dazu. Der Neo-AST lehnt es ab, im Gegensatz zu uns, ihre jungen Genossen (sofern sie körperlich dazu in der Lage sind) ins Bundesheer zu schicken, um eine militärische Ausbildung zu bekommen, bei den Massen zu sein und revolutionäre Zersetzungsarbeit zu machen. Ihre Haltung dazu ist: „Die Entscheidung, Genossen das Bundesheer zu empfehlen oder sich selbst dafür oder dagegen zu entscheiden ist daher keine Frage persönlicher Stärke, „Heldentums“ oder Durchhaltevermögens. Vielmehr ist es eine taktische Frage – aber auch Sache persönlicher Einschätzung. Niemand hat etwas davon, wenn Genossen beim Heer gebrochen werden. Auch muss klar sein, das eine effiziente, systematische Intervention eine enorme Belastung für Organisationressourcen darstellt und mit vernünftiger Planung angegangen werden muss. In der gegenwärtigen Klassenkampfsituation mag es vernünftigere Einsatzmöglichkeiten geben als im Bundesheer.“***

Wir wollen junge Genossen zum revolutionären Kampf erziehen, dieser braucht Stärke, Opferbereitschaft, Zähigkeit, Disziplin und Durchhaltungsvermögen. Außerdem kann man im Bundesheer relativ gut politische Arbeit unter Bedingungen der Illegalität erlernen. Wir glauben, dass es wenig Möglichkeiten gibt, um in sehr ruhigen Österreich, mit einer relativ privilegierten Arbeiterklasse, Genossen und Genossinnen auf die kommenden scharfen Klassenkämpf in Europa richtig vorzubereiten, denn diese werden uns viel abverlangen. Außerdem stellt man sich schon die Frage: „Was bitte ist das für eine Organisation, bei der es ihre Kämpfer nicht schaffen, 6 Monate im Bundesheer zu überstehen?

Boykott-Fehler von der anderen Seite

Es gibt auch eine andere – nicht sozialpazifistische, aber auch falsche – Form der Boykotthaltung zur Wehrpflicht. Diese Haltung vertreten „klassisch ultralinke“ Strömungen, wie die Maoisten und teilweise Anarchisten. Man kann sie relativ einfach mit der Ablehnung bürgerlichen Institutionen und der Weigerung in ihnen zu arbeiten oder sie zu benutzen erklären. Ähnlich wie die Weigerung an Parlamentswahlen teilzunehmen und das Parlament als Tribüne für revolutionäre Politik zu benutzen. Das ist aber eine andere Frage, die wir hier nicht näher diskutieren können.

Wehrpflicht und LRKI

Kurz noch zur traditionellen Position der LFI/LRKI im Bezug zur Wehrpflicht/Berufsheer. Die LRKI wurde in vielerlei Hinsicht in einer britischen Tradition erzogen. Sie brach mit vielen Traditionen der britischen Arbeiterbewegung und hielt ihre besten hoch, doch erkrankte schließlich an einigen anderen (Aristokratismus). In Großbritannien existierte immer (mit Ausnahme von 1916-19 und 1939-60) eine Berufsarmee und diese Besonderheit beeinflußte zweifellos die Haltung der britischen Führungskader der LFI/LRKI. Die Taktik der LRKI war jedoch schon immer falsch und wurde von führenden Mitgliedern der RKOB/RCIT auch schon früher in ihrer Zeit innerhalb der LRKI/LFI bekämpft. Doch fanden entsprechende Anträge (z.B. im Jahr 2003) zur Änderung der Position in Richtung kritische Verteidigung der Wehrpflicht gegenüber dem Berufsheer keine Mehrheit.

*http://arbeiterinnenstandpunkt.net.www231.your-server.de/?p=509

**http://www.rkob.net/inland/bundesheer-und-antimilitarismus/

*** http://arbeiterinnenstandpunkt.net.www231.your-server.de/?p=388

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