Karl Fischbacher: 125 Jahre Sozialdemokratie – wir brauchen eine neue linke Partei

 „Die ersten 100 Jahre“ feierte die SPÖ noch mit einer großen Ausstellung im Simmeringer Gasometer. Auf über 40% konnte sich der SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky noch stützen. Da war aber schon Vranitzkys Spruch, dass ‚wer Visionen habe, krank sei‘ das Dogma der Sozialdemokratie.

Die reformistische Sozialdemokratie unter Victor Adler erkämpfte für die Arbeiter_innenklasse noch das allgemeine Wahlrecht, die gesetzliche Gleichstellung der Frauen, freie Bildung u.a. – wirkliche Verbesserungen für die Arbeiter_innenklasse und das verarmte Volk. Inzwischen ist die SPÖ zur SPÖVP geworden, d.h. politisch der vielleicht noch demokratischere und sozialere Flügel in der Regierung, was ihr bei den letzten Wahlen 2013 offenbar die fast drei Prozent vor der ÖVP gebracht hatte. Vermögenssteuer, Gemeinsame Schule, keine Erhöhung des Frauenpensionierungsalters bis 2024… Das alles hat ihr ohnehin schon fast keine/r mehr geglaubt und das Frauenpensionierungsalter wird nun doch schon gleich erhöht …

Von dem haben seitdem die semifaschistische FPÖ und die neoliberalen Neos zuwachsmäßig profitiert.

Eine wirkliche soziale und antirassistische Partei, selbst eine reformistische, hätte heute auch in Österreich ein breites Feld des parlamentarischen und Straßenkampfes angesichts einer wachsenden Verarmung über eine Million Menschen hierzulande; der vielen working poor und Pensionist_innen mit ihren Mindestpensionen, der Asylsuchenden, deren „Servitenkloster“-Avantgarde seit über einem Jahr einen großartigen Kampf führen für mehr Demokratie in Österreich.

Die SPÖ hat sich indes von den Verarmten und dem zugewanderten „Proletariat“ längst abgewandt, ja führt gegen Letztere einen regelrechten Deportationskrieg.

Die SPÖ ist meiner Meinung nach trotzdem noch keine völlig bürgerliche Partei. Sie vertritt keine Kapitalfraktion, viel mehr das „Gesamtkapital“, d.h. den kapitalistischen Wirtschaftsstandort Österreich – in der imperialen EU allerdings auf verlorenem Posten wie jede reformistische Partei! So wie Conrad Seidl schreibt. „Dort (im Gasometer 1988), wo sie ihre 100-Jahr-Ausstellung hatte, ist heute ein Einkaufszentrum“ (der standard, 30.12.2013).

Österreich braucht in der Tat eine neue linke Partei, abseits jeder Sozialpartnerschaft und stalinistischer Vergangenheit, die sich ausschließlich den Verarmten, working-poor, den Lohnarbeitenden, den kleinen Bauern und Zugewanderten verpflichtet fühlt. Die Kapitalist_innen und Aktionär_innen scheffeln seit 2010 Profite bzw. Gewinne wieder immens, die Aktiengewinne, schreibt eine Zeitung, sind jetzt das Gold. Auf der anderen Seite wächst die Erwerbslosigkeit und die Armut: Weder die SPÖ noch der ÖGB erheben jetzt den Ruf nach einer gehörigen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn, etwa eine 30 Stundenwoche für’s erste; ein lebenswertes Mindesteinkommen, etwa von 1.500 Euro – alles bei gesetzlicher gleitender Lohnskala, d.h. proportionalen Lohn-, Pensions- und Mindesteinkommen-Erhöhungen gemäß den Preis-, Tarif- u.ä. Steigerungen. Über dem allen steht natürlich die Erhöhung der Vermögens- und Erbschaftssteuern (etwa ab einer Million Euro).  Im unteren (Lohn-) Steuerbereich gilt es, die Steuerprogression radikal zu senken. Eine konsequente soziale Politik ist die eine zentrale Grundlage einer neuen linken Partei; die andere ist der Antirassismus und Antifaschismus gegen  jede diskriminierende Politik gegen Minderheiten und Zugewanderte.

Das wären einige Basics, auf die sich radikale Linke, Antirassismus-, antimilitaristische- ökologische-, feministische, schwule-lesbische- u.ä. Gruppierungen und Persönlichkeiten einigen könnten. Aus diesem linken und fortschrittlichen Spektrum könnte sich sozusagen der Kern einer neuen linken Partei gründen, der weiter mit allen Organisationen, Initiativen und Persönlichkeiten, die außerhalb geblieben sind, in Diskussion und gemeinsamen Aktionen zusammen arbeitet. Diese „Außen vor“- Organisationen könnten natürlich ihre Vertreter_innen in die Partei entsenden und ihre Delegiert_innen bilden auf Kongressen gemeinsam mit jenen der Partei das höchste Organ der Partei.

ka*fi

Wien, 6.1.2014