Im “ak” 581 erschien ein Beitrag von Dario Azzellini, indem er die doktrinäre Linke sympathisch gut kritisiert.
“In bewegten Zeiten, wenn altbekannte Parameter wanken, ist Heilssuche in Sicherheit bietende Kategorien stets besonders verbreitet. Trotzdem macht es selten so wenig Sinn, die Reihen zu schließen und die Fahnen hochzuhalten. Eine Linke, die etwas bewegen will, muss – in Anlehnung an Ernst Bloch – Politik als Herausforderung der Praxis erfahren.”
Die Politisierung und Radikalisierung der Menschen, so Azzellini, fände in den “kleinen Kämpfen” und Massenmobilisierungen statt. “Die Beteiligung von radikalen Linken mit praktischen Protesterfahrungen kann hierbei helfen – aber nur dann, wenn die AktivistInnen nicht versuchen, den aufkeimenden Bewegungen ihre Praktiken und Identitäten überzustülpen, sondern wenn sie sich darauf einlassen, das Neue gemeinsam zu entwickeln.”
Einem weiteren seiner Gedankgänge stimme ich ebenso zu: Wenn z.B. DIE LINKE aktuelle Proteste unterstützt, so sei das willkommen. So lange diese nicht der Bewegung eine andere Agenda und Dynamik verleiht. Die Anti-Zwangsräumungs-Bewegung in Spanien oder der besetzte Baustoffe-Betrieb in Thessaloniki Vio.Me kämpfen für neue Gesetze (gegen Zwangsräumungen) bzw. für eine Legalisierung der Selbstverwaltung. “Die Autonomie der Bewegungen definiert sich nicht über die Ablehnung staatlicher Finanzierung oder Anerkennung. Vielmehr kommt es darauf an, inwieweit die Bewegungen ihre Autonomie in Organisation, Diskussion, Entscheidung und Agenda behalten und die eigenen Energien in den Aufbau von autonomen Strukturen der Selbstorganisierung und Selbstverwaltung investieren.”
Denn der Staat ist nicht neutral, ergänzt Azzellini völlig marxistisch. Wenn Azzellini allerdings weiter auf die Machtfrage eingeht, scheint es, dass er mehr einer autonomen-anarchistischen Tendenz folgt, wenn er ausführt: “Die konstituierende Macht gilt als Quelle der Legitimation einer jeden Revolution, Demokratie und Republik. Sie ist allerdings bisher paradoxerweise immer gleich von der in ihrem Namen errichteten konstituierten Macht wieder eingeschränkt worden. Wenn wir Revolution als breiten Prozess der kollektiven Schöpfung und Erfindung und nicht mehr als Machtübernahme verstehen, dann muss es darum gehen, diesen konstituierenden Prozess zu organisieren.”
Jede bisherige Machtübernahme habe sozusagen nur wieder jede anfängliche revolutionäre und demokratische Macht wieder eingeschränkt. Doch wie stellt sich Azzellini eine “Neue mögliche Welt” anders vor, als dass die Proftmacht der Geld- und politischen Eliten entmachtet und die mörderische Militärmacht zumindest paralysiert ist? Versteckt sich hinter Azzellinis Gedanken das Zapatistische Konzept, dass dem bürgerlichen Staat die Basisstrukturen des Volkes entgegengebaut werden müssen? Freilich, in allen bisherigen Revolutionen bzw. vorrevolutionären Situationen, wie sie Dario Azzellinie ohnehin in diesem Artikel gut beschreibt, wurden bzw. werden dem kapitalistischen Staat Gegenmachtstrukturen des revoltierenden Volkes “entgegengebaut”. Vielleicht meint Azzellini ohnehin nur diese Phase, die bis zu einer echten Doppelmacht führt? Doch eines ist klar, eine solche Doppelmachtphase war bisher nur und kann nur ziemlich kurz sein und muss kippen – in die alte Macht – und wahrscheinlich eher diktatorische – des Kapitals zurück. Oder in eine “Neue mögliche Welt “.
ka*fi