Nach Ungarn abgeschoben – und jetzt ist die aufschiebende Wirkung da!
Kürzlich hat das „Profil“ über zwei unserer „Fälle“ berichtet: afghanische Flüchtlinge, die Österreich ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe nach Ungarn abgeschoben hat, wo sie sofort eingesperrt wurden. Einer von ihnen hat Tuberkulose und sitzt jetzt im Gefängnis in Györ:
http://www.profil.at/articles/1228/560/333867/asyl-ungarn-mit-haft-polizeigewalt-asylwerber
„Amirkhan kam in Afghanistan auf die Welt. Seine Schwester lebt seit Jahren in Österreich. Sie hat hier Asyl gefunden. Der junge Mann will sich über den Iran und die Türkei zu ihr durchschlagen. Er setzt mit 20 Leuten in einem Schlauchboot nach Griechenland über und landet mit einer Lungen-Tbc im Krankenhaus. Als er wieder auf den Beinen ist, hilft ihm ein Schlepper bis nach Serbien weiter und verfrachtet ihn in einen weißen Bus, der an der Grenze bei Nikolsdorf von der Polizei gestoppt wird. Amirkhan sagt zu den Polizisten: Asyl!
Die Behörde glaubt ihm nicht, dass er 16 ist, und beordert ihn zur Altersfeststellung. Hier fällt seine nicht ausgeheilte Tbc auf. Wieder liegt er wochenlang im Spital. Danach soll er nach Ungarn zurück. Doch inzwischen ist der junge Afghane am Ende seiner Kräfte. Aus der Schubhaft heraus ruft er Judith Ruderstaller, Rechtsberaterin bei „Asyl in Not“, an: Man möge ihn nach Hause lassen. Amirkhan meint Afghanistan.
Vergangene Woche wurde er nach Ungarn abgeschoben. Jetzt sitzt er in Györ in Haft – ohne ärztliche Versorgung. Ein Vertreter des ungarischen Helsinki-Komitees bemüht sich darum, dass seine Tbc-Behandlung fortgesetzt wird. Judith Ruderstaller von Asyl in Not hat inzwischen erfahren, dass Amirkhan nach Serbien abgeschoben werden soll. Eine schlechte Nachricht, sagt sie: „Er ist seit einem Jahr unterwegs. Er kann nicht mehr.“
Die Rechtsberaterin hat von keinem einzigen Dublin-Rückkehrer gehört, der in Ungarn Asyl gefunden hätte. Auch der 29-jährige Abbas nicht. Für seine Reise von Kabul nach Wien brauchte er zwar nur zwei Monate. Doch auch er war erschöpft und verzweifelt, als Ruderstaller ihn das letzte Mal sah. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt, um ein Land zu verlassen, in dem „ständig Bomben explodieren“, hatte er ihr erzählt. In Wien fiel er bei einem „Großaufgriff“ der Polizei in die Hände. Die Asylbehörde beschied, Ungarn sei für sein Verfahren zuständig. Der Bescheid wurde aufgehoben, die Causa neu verhandelt und ein zweites Mal abgeschmettert. Seine letzte Spur verliert sich in Nyírbátor, dem berüchtigten Internierungslager an der rumänischen Grenze.“
Soweit der Bericht im „Profil“.
Vor wenigen Tagen erhielten wir einen Beschluß des Asylgerichtshofes zugestellt: Der Beschwerde im Fall Amirkhan wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt! Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß seine Abschiebung eine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung mit sich bringen würde.
Ein bißchen spät, oder? Angesichts der ihm in Ungarn drohenden realen Gefahr hätte Amirkhan dorthin gar nicht abgeschoben werden dürfen. Diese Entscheidung hätte der Asylgerichtshof nach dem Wortlaut des Asylgesetzes (§ 37) binnen einer Woche nach Einlangen der Beschwerdevorlage zu treffen gehabt.
Nun, besser spät als gar nicht, könnte man zwar sagen; aber die Amirkhan zugefügte Menschenrechtsverletzung ist schon real eingetreten, er sitzt nämlich in Györ im Gefängnis. Wenn er nicht schon weitergeschoben worden ist.
Wir bemühen uns jetzt darum, ihn nach Österreich zurückzuholen. Aber das allein kann es jetzt auch nicht sein. Dieser Vorfall zeigt die ganze Absurdität und Unmenschlichkeit des Dublin-Systems.
Asyl in Not fordert daher die sofortige Annullierung der Dublin II-Verordnung. Sie ist ein permanenter Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention.
Michael Genner
Obmann von Asyl in Not
Spendenkonto:
Raiffeisen (BLZ 32000),
Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not