Martin Mair (Aktive Arbeitslose): Offener Brief betreffend sittenwidrige Transitarbeitskräfteregelung

Wien/Graz 5.2.2013

Sehr geehrte Frau Guglberger,
sehr geehrter Herr Bödenauer,
sehr geehrte Gewerkschaftsvorsitzende,

der Verein AKTIVE ARBEITSLOSE ist Österreichs grösste Selbstorganisation Arbeit suchender ArbeitnehmerInnen und wir verstehen uns sowohl als Menschenrechtsverein als auch als Basisgewerkschaft.

Ein wichtiges Thema für uns ist die Umgehung regulärer Branchenkollektivverträge durch die „Transitarbeitskräfteregelung“ in dem von Ihnen mit ausgehandelten KV Sozialwirtschaft Österreich.

Wir haben uns auch schon an ÖGB-Präsident Erich Folgar gewandt, der uns ans Sie weiter verwiesen hat. Wir haben nun erfahren, dass wieder ein Abschluss erzielt worden ist, ohne dass die TransiatarbeitskräftemitarbeiterInnen in die Verhandlungen einbezogen worden wären. Wir möchten daher wissen, wie Ihre Stellung dazu ist uns wie sie es mit dem Grundsatz der Solidarität halten, der ja vor allem Solidarität mit den Schwächsten bedeuten sollte.

Die Transitarbeitskräfteregelung entzieht den Betroffenen ArbeitnehmerInnen fol­gende Rechte, die sonst üblicherweise ein Kollektivvertrag bietet:

  • Recht auf Anrechnung der Vordienstzeiten
  • Recht auf Anrechnung der Qualifikationen
  • Recht auf Gehaltsvorrückungen

Die Transitarbeitskräfteregelung bietet nur vier Verwendungsgruppen, die sich in der Bezahlung nur sehr gering unterscheiden und ist somit als Pauschallohn über alle Branchen und Verwendungsarten hinweg zu bezeichnen, die mitunter sehr weit unter einerregulären Bezahlung liegen. Das ist nichts doch anderes als von Hartz IV bekannte Ein-Euro-Jobs auf Österreichisch!

Mit Urteil 9ObA80/11x vom 27.2.2012 stellt der Oberste Gerichtshof fest (OGH), dass auch Kollektivverträge rechtswidrig sein können: Laut OGH haben die Gerichte „die Kollektivverträge dahin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, also die Verfassung, europäisches Gemeinschaftsrecht, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen“

Damit verletzt die BAGS-Transitarbeitskräfteregelung das Grundprinzip von Kollektivverträgen, nämlich die „kollektivvertraglichen Differen­zierungs­kriterien, die das ausnützen der sozialen Schwäche der Arbeit­nehmer erschweren“ (Csebrenyak , Geppert, Maßl, Rabofsky: ABGB und Vertragsrecht. Wien 1987, ÖGB-Verlag, Seite 128). Diese Regelung ist aus unserer Sicht daher sittenwidrig (§ 879 ABGB). Das (Menschen)Recht auf gleichen Lohn auf gleiche Arbeit bzw. das Gleichheits­gebot der Verfassung wird ebenso gebrochen!

Wir möchten nun von Ihnen wissen, was Sie zu tun gedenken, damit auch wir Arbeit Suchende nicht mehr länger in den Grundrechten durch den von Ihnen mit zu verantwortenden KV Sozialwirtschaft Österreich verletzt werden und wie wir in die nächsten Kollektivvertragsverhandlung eingebunden werden.

Es darf doch nicht sein, dass Sie einen „zweiten Arbeitsmarkt“ zulassen, auf den wir als ArbeitnehmerInnen zweiter Klasse behandelt werden.

Das wäre zutiefst eine Verletzung der ursprünglichen Idealen der Gewerkschaftsbewegung, die in Ihren Gründungsjahren sogar vom Staat verfolgt wurde, weil sie sich konsequent für die Rechte ALLER ArbeitnehmerInnen, egal ob mit oder ohne Erwerbsarbeit, eingesetzt hatte.

Eines sollte Ihnen klar sein: Als konsequent gewerkschaftlich orientierter Verein werden wir Ihnen so lange keine Ruhe geben, bis die Verletzung unserer grundlegender Rechte beseitigt wird.

Mit solidarischen Grüssen

Mag. Ing. Martin Mair
Obmann „AKTIVE ARBEITSLOSE“
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