2014 wird – sicher nicht nur für den NaO-Prozess – zu einem Jahr der Bewährungsprobe. In diesem Jahr wird sich wohl entscheiden, ob dieses Umgruppierungsprojekt zu einem substantiellen Fortschritt bei der Schaffung einer schlagkräftigeren antikapitalistisch-revolutionären Organisation führt.
Das programmatische Manifest
Mit der Verabschiedung seines Manifests ist der NAO-Prozess einen wichtigen Schritt voran gekommen. Auch wenn es noch weit davon entfernt ist, ein umfassendes revolutionäres Programm darzustellen, so fasst es doch den aktuellen Stand der Gemeinsamkeit zusammen. Es ist eine gemeinsame politische Erklärung, auf deren Grundlage die nächsten Schritte zur Überwindung politisch-programmatischer Differenzen und zur Entwicklung einer gemeinsamen Praxis gemacht werden können.
Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, eine ausführlichere Zusammenfassung des Manifests und eine kritische Darstellung dessen zu liefern. Wohl aber können einige Kerngedanken angeführt werden, die zentral sind:
a) Der Text geht von in einer grundlegenden Krisenperiode des kapitalistischen Weltsystems aus. Ihre Ursache ist im Kapitalismus selbst, nicht in einer „Fehlentwicklung“ oder „falscher Politik“ zu suchen.
b) Die Krise ruft auch Widerstand auf den Plan und stellt das bestehende System in Frage. Aber seine Überwindung geht nicht automatisch vor sich, wie selbst die revolutionären Bewegungen in der arabischen Welt zeigen, sondern erfordert eine klare Vorstellung, wohin die Reise gehen soll – sie erfordert ein politisches Programm und eine revolutionäre Organisation.
c) Die Krise umfasst nicht „nur“ die Ökonomie, sondern das Gesamtsystem sowie die Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit.
d) Der NaO-Prozess geht davon aus, dass es nur eine Kraft gibt, welche diese Verhältnisse überwinden kann: die Arbeiterklasse. Daher ist ein klarer Klassenstandpunkt für uns Pflicht und nicht „verhandelbar“. Das bedeutet auch, dass sich das NaO aktiv den Kämpfen der Klasse zuwenden muss.
e) „Klassenstandpunkt“ heißt jedoch nicht, dass für den NaO-Prozesse „nur“ die betrieblichen und gewerkschaftlichen Belange der Lohnabhängigen von Bedeutung wären. Wir treten gegen alle Formen gesellschaftlicher Unterdrückung auf: der Frauen, der Jugend, von MigrantInnen und von unterdrückten Nationen.
f) Anti-Imperialismus, der Kampf gegen jede imperialistische Intervention, ist für uns Pflicht. Das heißt v.a. Kampf gegen den stärker werdenden deutschen Imperialismus und die Formierung des EU-Imperialismus unter seiner Vorherrschaft.
g) Diesem stellt das Manifest jedoch nicht die Rückkehr zum scheinbar „unabhängigen Nationalstaat“, sondern den grenzüberschreitenden gemeinsamen Kampf um die Schaffung eines sozialistischen Europas entgegen.
i) Der Kampf für eine neue antikapitalistische und revolutionäre Organisation geht mit dem Eintreten für eine möglichst große, „breite“ Einheit in der Aktion gegen Ausbeutung, Unterdrückung, gegen die Regierung und Unternehmer oder gegen rechte Angriffe einher. Das Manifest spricht sich im Sinne der Einheitsfrontpolitik und entgegen jeder Volksfrontpolitik für die Einheit in der Aktion aus – ohne dabei politische Differenzen zu verwischen oder auf Kritik am „Bündnispartner“ zu verzichten.
j) In den Gewerkschaften bekämpfen wir bürokratische und undemokratische Strukturen und treten wir für den Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung ein.
h) Das Manifest lehnt jede Übernahme der Verantwortung für die Krise, jede Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung ab. Wir machen aber zugleich deutlich, dass wir mögliche linke Regierung (wie sie z.B. in Griechenland unter Syriza entstehen könnte) gegen die offen bürgerlichen und neoliberalen Kräfte wie gegen den Imperialismus verteidigen (ohne dabei auf Kritik zu verzichten).
i) Das Manifest geht im Unterschied zur Linkspartei davon aus, dass der Kapitalismus nicht „wegreformiert“ werden kann, sondern nur durch Massenmobilisierungen und letztlich die revolutionäre Tat gestürzt werden kann.
j) Wir stellen die Herrschaft der Arbeiterräte und eine demokratische Planwirtschaft dem Marktchaos und der bürgerlichen Ordnung entgegen.
Entwicklungsstadium des NaO-Prozesses
Das Manifest stellt auch klar, was NaO noch nicht ist, und was das Manifest selbst noch nicht ist.
Es ist kein „fertiges“ Programm, sondern vielmehr eine Zusammenfassung von grundsätzlichen Positionen und Ausrichtungen in wichtigen Politikfeldern. Die Gründung einer NaO erfordert zweifellos die Ausarbeitung eines detaillierten Aktionsprogramms, eines Programms von Übergangsforderungen.
Zweitens ist NaO auch noch keine neue bundesweite Organisation, sondern vielmehr ein „Block“ von verschiedenen Gruppierungen. Gegenwärtig sind darin vertreten die Gruppe Arbeitermacht, die „Internationale Sozialistische Linke“ (ISL), die Jugendorganisation REVOLUTION, die „Sozialistische Initiative Berlin“ (SIB), die „Sozialistische Koordinierung“ (SoKo), die „Revolutionäre Initiative Ruhrgebiet“ (RIR) sowie seit wenigen Wochen die in Deutschland lebenden GenossInnen der „SYKP“ (Partei des sozialistischen Wiederaufbaus). Letztere hat sich in den letzten Wochen in der Türkei formiert und in Deutschland dem NaO-Prozess angeschlossen. Im „Revolutionär-Sozialistischen Bund“ (RSB) ist die Frage umstritten, wie das künftige Verhältnis zum NaO-Prozess aussehen soll. Während eine Minderheit das Manifest und den Prozess unterstützt, hat sich die aktuelle Mehrheit davon zurückgezogen.
Schritte zum Aufbau
Am Wochenende vom 6.-8. Dezember fand in Berlin die „Winterdebatte“ des NaO statt, die weitgehend den Charakter eines Delegiertentreffens der verschiedenen Gruppen hatte. Dort wurden auch wichtige Verabredungen für den weiteren Aufbau getroffen, die von der bundesweiten Koordinierung noch konkretisiert werden müssen:
1. Mit der Veröffentlichung des Manifests sollen in möglichst vielen Städten, v.a. dort, wo es schon UnterstützerInnen gibt, Veranstaltungen zur Präsentation des Manifests und zum Aufbau des NaO durchgeführt werden.
2. In Berlin und Potsdam – und hoffentlich bald in anderen Städten – werden erste NaO-Ortsgruppen Anfang 2014 gebildet, an denen auch GenossInnen teilnehmen, die in keiner der bisherigen Gruppierungen organisiert sind.
3. Für 2014 müssen zentrale Mobilisierungsschwerpunkte und Interventionsfelder im Vordergrund stehen: Blockupy 2014; Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit und der Aufbau der „Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken“ (IVG); Solidarität mit Griechenland. Diese Arbeit – sowie jene in anderen Feldern (Mieterbewegung, Kampf gegen Rassismus, Ökologiebewegung) – ist eng verbunden mit der weiteren programmatischen Arbeit, sprich der Erarbeitung von Aktionsprogrammen für diese Bereiche. Eine wichtige Aufgabe in dieser Hinsicht wird die Erarbeitung einer Stellungnahme mit kurzem Aktionsprogramm zu den Europawahlen im Mai 2014 sein. Darüber hinaus wollen wir im Herbst 2014 eine große internationale sozialistische Konferenz anlässlich zweier wichtiger Jahrestage – 150 Jahre Gründung der 1. Internationale und 100 Jahre Ausbruch der 1. Weltkriegs – organisieren, die nicht nur dem Austausch und der Debatte dienen soll, sondern auch in konkreten und verbindlichen Verabredungen zum europaweiten koordinierten Kampf gegen die Kapitalismus und Imperialismus münden soll.
4. Ziel dieser Arbeit insgesamt ist es, 2014 die Grundsteine für eine bundesweite anti-kapitalistische und revolutionäre Organisation Anfang 2015 zu schaffen. Ohne Zweifel wird eine zentrale Aufgabe dabei die politische und praktische Vereinheitlichung, die Diskussion und die Überwindung politischer Differenzen sein. Aber der NaO-Prozess hat sich nie und wird sich auch 2014 nicht als „abgeschlossener“ Prozess verstehen. Wir sind daher offen für den Beitritt weiterer Gruppierungen. Dieser ist – auf Grundlage einer grundsätzlichen Übereinstimmung zum Manifest – ausdrücklich erwünscht. So suchen wir Diskussion und Zusammenarbeit mit Gruppierungen wie der „Interventionistischen Linken“ (IL), links-autonomen Gruppierungen, MigrantInnenorganisationen oder der „Antikapitalistischen Linken“.
Aber – und auch das hat der Prozess im letzten Jahr gezeigt – der Aufbau wird nicht vorankommen, wenn er sich nur auf die Diskussion beschränkt. Vielmehr muss die praktische gemeinsame Intervention in den Klassenkampf, in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zu einem realen Schwerpunkt werden, auf dessen Basis die bestehenden Gemeinsamkeiten konkretisiert und weiterentwickelt, v.a. aber überhaupt erst Organisationsstrukturen aufgebaut werden können.
5. Um sicherzustellen, dass die gemeinsamen Vereinbarungen auch Realität werden (können), wird sich der NaO-Prozess eine Koordinierung geben, die als arbeitendes Gremium für die Umsetzung der Beschlüsse verantwortlich ist. 2014 – wir kommen!