Der Prozeß gegen Michael Genner hat also nicht stattgefunden. Aber die Debatte geht weiter. Flüchtlinge brauchen Schlepper, um ihr Leben zu retten und in ein sicheres Asylland zu kommen.
Wir veröffentlichen hier die anonymisierten Berichte einiger in Österreich asylberechtigter Flüchtlinge, die sich auch bereit erklärt hatten, für Genner als Zeugen auszusagen. Was sie zu erzählen haben, behält seinen Wert auch über diesen Prozeß hinaus.
Fallbeispiel 1
Flüchtlinge brauchen Schlepper- Bericht einer afghanischen Frau
Warum ich (auch) meinen Fluchthelfern mein Leben und meine Freiheit verdanke:
Ich komme aus Afghanistan und mußte mein Land im Jahr 2000 verlassen; als eine von tausenden, aufgrund lebensbedrohlicher Schwierigkeiten und nicht freiwillig. Ich war gezwungen, mit meinem Sohn, der damals erst 15 Monate alt war, im tiefsten Winter eine Reise zu beginnen, deren Ausgang mehr als ungewiss war.
Der Artikel „Schlepper und Lumpen“ von Michael Genner hat mich tief berührt, weil er die Situation von Menschen auf der Flucht so gut verstanden hat. Beim Lesen musste ich immer wieder auch an meine eigene Flucht denken.
Als ich mich entscheiden musste, mein Land zu verlassen, waren die Fluchthelfer mein Schlüssel zur Freiheit, da es mir sonst nicht gelungen wäre, die lange Reise aus Afghanistan bis Europa überhaupt anzutreten. Ich bin mir sicher, ohne sie hätte ich es nicht geschafft. Der Flugweg war mir gänzlich verschlossen, um Afghanistan zu verlassen. Ich konnte mir von den Behörden keine Reisedokumente ausstellen lassen.
Die Menschen, die meine Flucht aus Afghanistan über viele Grenzen hinweg ermöglicht haben, waren nicht alle gut. Ich habe Gutes und Schlechtes erlebt, aber von einigen kann ich zweifellos sagen, dass sie mein Leben gerettet haben. Ohne sie wäre ich nie in ein sicheres Land gekommen und würde heute nicht in Sicherheit leben.
Ich bin nicht grundsätzlich für Schlepperarbeit. Solange es aber keinen einfacheren und ungefährlicheren Weg gibt, um nach Europa zu kommen, ist Fluchthilfe eine Notwendigkeit.
NN., 3.4.2014
Fallbeispiel 2
Flüchtlinge brauchen Schlepper – Bericht einer afghanischen Frau
Ich, Z.N., geb. in Afghanistan, wohnhaft in Wien, österreichischer Staatsbürger, vorher in Österreich asylberechtigt, bin 2001 nach Österreich geflüchtet.
In Afghanistan war mein Leben aus politischen Gründen in Gefahr (ich bin, wie meine ganze Familie, ein Gegner der Islamisten), sodaß ich zunächst in den Iran flüchtete. Ich hatte dort aber nur anfangs drei Monate lang ein Visum, danach hielt ich mich illegal im Iran auf und war ständig von der Abschiebung bedroht.
Da mein Bruder W. mittlerweile in Österreich als Asylberechtigter anerkannt worden war, begab ich mich im Jahre 2000 zur österreichischen Botschaft in Teheran und stellte (was damals noch möglich war) einen Asylantrag. Dieser wurde jedoch trotz Urgenzen meines Bruders in Wien nicht bearbeitet.
Unterdessen wurde ich von den iranischen Behörden zweimal verhaftet und nach Afghanistan abgeschoben, das erste Mal allein, das zweite Mal mit meiner Frau und meinen Kindern. Nur durch Zahlung von Bestechungsgeld in Höhe von 20.000 Tuman pro Person an das iranische Militär konnte ich mein/unser Leben retten und illegal in den Iran zurückkehren.
Nun war es mir nicht länger zumutbar, auf eine Antwort der österreichischen Behörden zu warten. Ich engagierte daher einen Schlepper, dem ich 4000.- Dollar zahlte, und flüchtete nach Österreich, wo ich Herrn Michael Genner (Asyl in Not) mit meiner Rechtsvertretung beauftragte und schon in erster Instanz Asyl erhielt. Nach wiederholten Urgenzen konnten dann auch meine Frau und Kinder (diese nun legal mit Visum) nach Österreich nachkommen.
Ohne den Schlepper hätte ich es nicht geschafft. Ich war im Iran ständig von der Abschiebung nach Afghanistan bedroht. In Afghanistan aber hätten die Taliban mich ohne Zweifel umgebracht, da ich ihnen (ebenso wie meine ganze Familie) als ihr Gegner bekannt bin.
Ich verdanke daher diesem Schlepper mein Leben, meine Freiheit und Sicherheit.
Z.N., Wien 31.1.2014
Angemerkt sei, daß die Möglichkeit, bei einer österreichischen Botschaft Asyl zu beantragen, bald darauf abgeschafft wurde; wie das Schicksal Herrn Z.‘ zeigt, war sie ohnedies nur auf dem Papier gestanden…
Fallbeispiel 3
Mein Leben als Gegner der Taliban war in Pakistan aus politischen Gründen in Gefahr
Ich, A.N.., geb. in Kabul, wohnhaft in Wien, österreichischer Staatsbürger, vorher in Österreich asylberechtigt, bin Ende 2000 aus Pakistan, wo ich mich nach meiner Flucht aus Afghanistan einige Jahre aufgehalten hatte, nach Österreich geflüchtet. In Afghanistan war mein Leben aus politischen Gründen in Gefahr: Ich wurde (wie meine ganze Familie) von den Taliban verfolgt. Aber auch in Pakistan hatte ich keinen dauerhaften Schutz gefunden, da die Taliban auch dort politisch Andersdenkende wie mich verfolgten.
Mein Leben als Gegner der Taliban war daher auch in Pakistan aus politischen Gründen in Gefahr. Um sicher nach Österreich zu kommen, brauchte ich die Hilfe eines Schleppers. Ich bezahlte ihm ungefähr 7000.- Dollar. Das Geld hat meine Familie für mich aufgebracht.
Das war zwar sehr teuer, aber ohne den Schlepper hätte ich es nicht geschafft. Da die Taliban mich verfolgten, wäre ich ohne seine Hilfe heute wohl nicht mehr am Leben.
In Österreich wurde ich von Michael Genner (Asyl in Not) im Asylverfahren vertreten und wurde als Asylberechtigter anerkannt.
Weitere Berichte folgen.
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