Michael Schiffmann: Richter Yohn’s Entscheidung von 2001 (Antwort an das Mumia-Komitee Wien)

MumiaVon: „Michael Schiffmann“ <……..>
An: „LabourNet-Austria“ <
labournetaustria@utanet.at >; „Mumia Netzwerk“ < MumiaNetzwerk@yahoogroups.de >

Betreff: Yohn’s Entscheidung 2001(….)

Datum: Montag, 17. November 2003 00:57

Unten eine Mail von unseren tapferen Kameraden vom Labournet Austria; darüber meine Antwort. Da es sich hier wieder einmal um die verwirrende Frage der Gerichtsinstanzen handelt, schicke ich sie an alle.
_____________________________________________________________

Lieber Karl,

(….)

Die Entscheidung von Richter Yohn (er ist Richter am 3. Bundesbezirksgericht in Philadelphia) fiel am 18. Dezember 2001, (…). Das halbe Jahr, innerhalb dessen die Staatsanwaltschaft nach dieser Entscheidung erneut eine Verhandlung verlangen konnte, um dort wieder die Todesstrafe zu beantragen, w re an sich also schon im Juni 2002 abgelaufen.

Dass dies nicht der Fall ist, liegt daran, dass beide Seiten gegen die Entscheidung Berufung eingelegt haben. Die Verteidigung will Mumia freibekommen, die Anklage will, dass das Todesurteil gegen in in Kraft bleibt und nicht neu beantragt werden muss.

Uber diese Berufung entscheidet das 3. Bundesberufungsgericht, ebenfalls in Philadelphia.

Das Bundesbezirksgericht und seine Berufungsinstanz, das Bundesberufungsgericht, sind die höchsten Gerichtsinstanzen in den USA unterhalb des Supreme Court of the United States. Wenn Mumia hier verliert, hat er angesichts der rechts gerichteten Richterschaft im Supreme Court praktisch keine Chance mehr.

Dazu muss gesagt werden, dass die USA in dieser Hinsicht in zehn Bezirke eingeteilt sind, daher diese Nummerierungen wie 3. Bundesbezirksgericht. Zum 3. Bundesbezirk gehören demnach noch ein paar Staaten mehr als nur der Staat Pennsylvania, in dem Mumias Verfahren anhängig ist.

Die Sache ist aber noch komplizierter. Unterhalb dieser Bundesgerichte sind die Gerichte der Einzelstaaten. Bevor sich die Bundesgerichte mit irgendeiner Frage befassen, muss diese Angelegenheit erst durch alle Instanzen im jeweiligen Einzelstaat gegangen sein.

Das war bei Mumia noch nicht der Fall, das heißt, diverse Eingaben, wie z.B. zur Anhö rung Arnold Beverlys, aber auch zur Anhörung der Gerichtsstenographin Terri Maurer-Carter, die gehört hat, wie der Prozessrichter Albert F. Sabo während Mumias Prozess sagte: „Ja, und ich werde ihnen [der Anklage] helfen, den Nigger zu grillen“, waren bis jetzt zwar vor dem Ortsgericht in Philadelphia bereits abgelehnt worden, nicht aber von der obersten Berufungsinstanz des betreffenden Einzelstaates, dem Obersten Gerichtshof Pennsylvanias.

Der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias ist eine Instanz unterhalb der Bundesgerichte und der Bundesberufungsgerichte. Was letztere betrifft, ist das Berufungsgericht natürlich mächtiger, weil es ja über die Richtigkeit der Entscheidungen des Bundesgerichts befindet.

Seit dem 8. Oktober ist die einzelstaatliche Ebene in Mumias Fall abgehakt und alles weitere findet nunmehr auf Bundesebene statt. Momentan ist die Berufung von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gegen die Entscheidung von Yohn vom 18. Dezember 2001 anhängig. Mumias Verteidiger Robert Bryan wird sich als nächstes bemühen, möglichst viele Punkte in der Entscheidung Yohns anfechten zu dürfen.

Yohn hatten damals 29 Klagen Mumias auf Versto gegen die Verfassung vorgelegen, von denen er 28 abgelehnt und nur die eine, die dann zur vorläufigen Aufhebung des Todesurteils geführt hat, für berechtigt erklärt hat. Außerdem hat er von sich aus nur einen einzigen kümmerlichen Punkt zur Berufung zugelassen, nämlich die Klage Mumias auf eine verfassungswidrige rassistische Geschworenenauswahl. Bryan wird beim Berufungsgericht beantragen, dass etliche weitere Punkte zur Berufung zugelassen werden.

Das ist der momentane Stand der Dinge.

Informationen dazu findest zu auch auf der Website www.freedom-now.de , auf der sich die Reden Robert Bryans, Angela Davis‘ und anderer bei der Feier zur Ehrenbürgerwürde an Mumia in Paris und ein Interview mit Bryan finden.

Für weitere Infos auf Englisch siehe www.freemumia.org unter News. Das ist die Website der San Francisco Mobilization to Free Mumia Abu-Jamal.

Dir, lieber Karl, herzliche Grüße. Ich hoffe, ihr findet die Zeit, zu der Michael Moore Veranstaltung in Wien zu gehen. Die Soli-Gruppe in Berlin war dort und hat sich dort sehr erfolgreich behauptet; ich schicke dir den Bericht nach.

Ona move,

Mick

_____________________________________________________________

.

.

Lieber Steve, liebe Annette,

könntet ihr mir/uns die widersprüchlichen Tatsachen hinsichtlich der Entscheidung von Richter Yohn (im Jahr 2001) erklären:
Die Entscheidung Richter Yohns vom 18. Dezember erhält Mumias Schuldspruch wegen Mordes ersten Grades aufrecht, legte aber fest, dass der Staat innerhalb von sechs Monaten eine neue Verhandlung über das Strafmaß ansetzen muss und dass andernfalls automatisch eine lebenslange Haftstrafe ohne Bewährungsmöglichkeit festgelegt wird.

Diese sechs Monate waren Mitte Juni (2002) vorbei! Aber die erneute Ablehnung der Berufung Mumias vom Obersten Gerichtshof Pennsylvanias erfolgte am 8. Oktober 2003. Hat der Oberste Gerichtshof Pennsylvanias höhere Befugnisse als Richter Yohn? Welche Position nimmt Yohn ein?

Bitte antwortet mir bald –
in tiefer Solidarität mit Mumia,
Karl, Wien.

„LabourNet-Austria“ labournetaustria@utanet.at schrieb:
> Dear Steve, dear Annette,
> could you explain me/us the contradictionary facts of the decision of judge Yohn of (2001):
> >>Judge Yohn’s decision issued Dec. 18, upholds Jamal’s first degree
> murder conviction, but ruled that the state must conduct a new
> sentencing hearing within six months, or a life sentence without parole
> would be imposed<<
>
> These six months were over mid of June (2002)! But the new refusal of Mumias appeal by the High Court of Pennsylvania took place on October 8th 2003. Has the High Court of Pennsyvania more power than judge Yohn? Which position has Yohn?
>
> Please answer soon,
> in deep solidarity with Mumia,
> Karl, Vienna