»Mumias Leben hängt am seidenen Faden« Ein Gespräch mit Robert R. Bryan (J.Heiser / L.Neißl)

Lieber Karl Fischbacher,
 
dieser Artikel aus der jungen Welt vom 05.11.2008 wird Ihnen empfohlen von Lukas Neißl.
05.11.2008 / Ausland / Seite 2
  
Der US-Bürgerrechtler könnte innerhalb eines Jahres hingerichtet werden, falls der Oberste Gerichtshof das Todesurteil bestätigt.
 Jürgen Heiser
 Rechtsanwalt Robert R. Bryan aus San Francisco ist der Hauptverteidiger des zum Tode verurteilten Journalisten Mumia Abu-Jamal
Sie waren von fortschrittlichen Juristenorganisationen und Amnesty International eingeladen, am Montag abend in der Humboldt Universität Berlin über Ihren Mandanten Mumia Abu-Jamal zu reden. Was stand im Zentrum dieses Abends?
 
Daß Mumia Abu-Jamal ein Todeskandidat ist, der eine besondere Stellung innehat unter den Gefangenen rund um den Globus. Er hat in den fast drei Jahrzehnten seiner Haft im Todestrakt fünf Bücher geschrieben, seine Kolumnen werden im Radio gesendet und in vielen Ländern veröffentlicht. Er schreibt über die Kriege und gibt den Armen und Unterdrückten eine Stimme. Er ist ein Vorkämpfer und ein Symbol im weltweiten Kampf gegen die Todesstrafe und gegen Menschenrechtsverletzungen. Er ist ein politischer Gefangener.
 
Juristisch führen Sie den Kampf nun vor dem Obersten Gerichtshof. Dieses höchste Gericht der USA ist als Bollwerk erzkonservativer Politik bekannt und läßt nicht gerade auf eine positive Entscheidung hoffen. Wie sehen Sie das?
 
Ich bin extrem optimistisch, weil wir bei der vorangegangen Auseinandersetzung vor den Bundesgerichten einen von drei Bundesrichtern auf unsere Seite ziehen konnten, der in einer abweichenden Meinung schriftlich geäußert hat, wegen der rassistischen Motive der Staatsanwaltschaft bei der Ablehnung von afroamerikanischen Geschworenen im Prozeß von 1982 müsse Abu-Jamal ein neues Verfahren gewährt werden. Außerdem haben wir zumindest erreicht, daß das 3. Bundesberufungsgericht entschieden hat, es müsse eine neue Verhandlung vor einer Jury über das Strafmaß geben. Das bedeutet noch nicht, daß unser Mandant frei ist, aber das Todesurteil ist infrage gestellt und könnte in lebenslange Haft umgewandelt werden.
 
Wie stellt sich die Staatsanwaltschaft dazu?
 
Sie will Mumia hinrichten lassen und hat angekündigt, am 19. November beim Obersten Gerichtshof einen Berufungsantrag gegen diese potentielle Verhandlung über das Strafmaß einzureichen. Bis 19. Dezember stellen wir unseren Antrag für einen komplett neuen Prozeß dagegen. Darin werden wir die Verletzung der Verfassungsrechte unseres Mandanten durch die rassistische Prozeßführung des vorsitzenden Richters und der Anklage belegen und für die Aufhebung des Gesamturteils plädieren.
 
Was würde eine negative Entscheidung des Gerichts bedeuten?
 
Wenn der Oberste Gerichtshof uns einen neuen Prozeß verweigert und auch das Todesurteil bestätigt, dann könnte Mumia innerhalb eines Jahres hingerichtet werden.
 
Stehen dann noch weitere Berufungsmöglichkeiten offen?
 
Wer mich kennt und weiß, wie ich in anderen Fällen gekämpft habe, der weiß, daß ich nie aufgeben werde. Aber nach dem Obersten Gerichtshof gibt es keine höheren Instanzen mehr.
 
Was braucht die Verteidigung jetzt?
 
Mumias Leben hängt jetzt am seidenen Faden. Seit er am 9. Dezember 1981 unter dem Vorwurf des Polizistenmordes verhaftet wurde, war er nie so nahe an der dünnen Trennlinie zwischen Leben und Tod wie heute. Deswegen braucht er jetzt jede denkbare Unterstützung der Öffentlichkeit. Die Unterstützer müssen jetzt wirklich Krach schlagen und der internationale Druck verstärkt werden!
 
Wie steht die Verteidigung finanziell da?
 
Schlecht. Der Schritt vor den Obersten Gerichtshof ist teuer. Wir brauchen jetzt monatlich bis zu 15000 US-Dollar, um die notwendige Arbeit machen zu können. Wir Verteidiger arbeiten alle ehrenamtlich, aber Gefängnisbesuche, Sachverständige etc. kosten viel Geld.
 
Sollte die Öffentlichkeit Proteste und Petitionen an eine bestimmte Adresse richten?
 
Es gibt keine unmittelbare Adresse. Wichtig ist, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und dafür zu sorgen, daß die Verantwortlichen in den USA das auch zu hören bekommen.
 
Im Beisein zahlreicher Besucher der Veranstaltung in der Humboldt Universität konnten Sie am Ende des Abends per Telefon mit Ihrem Mandanten sprechen. Was hat er gesagt?
 
Er sprach über das Leben im Todes­trakt und wie andere Gefangen daran zerbrechen. Und wie wichtig es ist, daß eine internationale Bewegung es durchsetzt, daß die Todesstrafe abgeschafft wird.
 
Spendenaufruf und Videoaufzeichnung der Veranstaltung: freedom-now.de
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