17. April 2013 – Internationaler Tag des kleinbäuerlichen Widerstands
Eine neue internationale Studie* deckt auf: Land Grabbing ist nicht
nur ein Problem des globalen Südens sondern schreitet auch in Europa
voran: Drei Prozent der Grundbesitzer kontrollieren die Hälfte der
landwirtschaftlichen Flächen in Europa. Diese „Landeliten“ werden im
Rahmen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) aktiv durch
öffentliche Gelder gefördert. Kleinbäuerliche Betriebe hingegen
erhalten immer weniger Förderungen und werden zunehmend verdrängt.
In Spanien haben 2009 16 Prozent der größten Produzenten 75 Prozent
der Subventionen erhalten. In Italien haben 2011 0,29 Prozent der Höfe
18 Prozent der gesamten GAP-Förderungen für sich beansprucht. In
Ungarn war es dagegen der Mehrheit der Kleinbauern in den ersten sechs
Jahren nach dem EU-Beitritt rechtlich nicht möglich Förderungen zu
beantragen 93 Prozent der ungarischen bäuerlichen Bevölkerung vom
Fördersystem ausgeschlossen. Zusammen mit den niedrigen Bodenpreisen
war das eine Einladung für Land Grabbing.
„Die Konzentration von Landbesitz hat sich in den letzten Jahrzehnten
vor allem in Osteuropa extrem beschleunigt und erreicht Dimensionen
wie in Brasilien, Kolumbien oder den Philippinen – alle bekannt für
ihre ungleiche Verteilung von Land“, kritisiert Brigitte Reisenberger
von FIAN Österreich. Die Studie befasst sich mit der enormen
Landkonzentration in Spanien, Frankreich, Deutschland, Italien und
Österreich und behandelt Fallbeispiele für Land Grabbing in Rumänien,
Ungarn, der Ukraine, Bulgarien und Serbien. „So wie ihre Pendants in
Äthiopien, Kambodscha oder Paraguay gehen die großflächigen Landdeals
geheim und höchst intransparent über die Bühne.“
In der Ukraine kontrollieren die zehn größten Agrarholdings ungefähr
2,8 Millionen Hektar, in Serbien die vier größten Landbesitzer
zusammen mehr als 100.000 Hektar. In Rumänien sollen bereits sechs
Prozent des Agrarlands in den Händen von transnationalen Konzernen
sein. Der mit italienischem Kapital gefütterte Konzern Emiliana West
Rom bewirtschaftet über 10.000 Hektar. Agro Chirnogi mit den größten
Anteilseignern im Libanon kontrolliert stolze 20.000 Hektar. In
Rumänien, Serbien und Ungarn sind auch österreichische Investoren
aktiv, die sich im großen Stil Land angeeignet haben. In Ungarn
befinden sich ungefähr 1 – 1,5 Millionen Hektar Land in den Händen von
ausländischen Investoren, viele von ihnen aus Österreich. Laut der
Studie wurden in Dörfern nahe der österreichischen Grenze bereits 80
Prozent des Agrarlandes von ihnen aufgekauft. Der Bericht dokumentiert
auch chinesische Unternehmen in Bulgarien, oder Hedge-Fonds aus dem
mittleren Osten in Rumänien, die in die großflächige
Getreideproduktion drängen, um Profit aus der zunehmenden Spekulation
mit Land und Agrargütern zu schlagen.
Der Bericht zeigt jedoch auch, dass die Menschen in Europa
eindrucksvoll Widerstand leisten. In der Gemeinde Narbolia auf
Sardinien kämpfen die Menschen gegen die Umwandlung von ursprünglichem
Agrarland in riesige Solar-Gewächshaus-Projekte; in Nantes,
Frankreich, gegen das „Notre-Dame-des-Landes“ Flughafen-Projekt. Wie
bei vielen sozialen Bewegungen im globalen Süden kommt es auch in
Europa immer öfter zu Landbesetzungen. In Andalusien besetzen landlose
Landarbeiter Agrarflächen und bewirtschaften sie agroökologisch. „Auch
in Wien hat die Initiative Solidarisch Landwirtschaften! (SoliLa!) in
Jedlersdorf 2012 Agrarflächen der Universität für Bodenkultur besetzt,
um die Umwandlung für kommerzielle Zwecke zu verhindern und für den
Aufbau einer Solidarischen Landwirtschaft (CSA) zu nutzen“, erklärt
Franziskus Forster von AgrarAttac.
„Der Zugang zu Land ist eine Grundvoraussetzung um
Ernährungssouveränität in Europa zu erreichen. Doch die aktuelle
EU-Agrarpolitik erschwert diesen Zugang, indem sie Landkonzentration
und Land Grabbing fördert und verschärft“, so Irmi Salzer von der ÖBV
– Via Campesina Austria. „Wir alle sind von der Ressource Land
abhängig. Land muss daher als öffentliches Gut betrachtet werden.
Zugang zu Land sollten jene bekommen, die darauf arbeiten.
Kleinbäuerliche und ökologische Landwirtschaft muss Vorrang gegenüber
konzentrierter, kommerzialisierter und industrialisierter
Landwirtschaft bekommen, die nur den Profitinteressen einiger Weniger
dient.“
* Landkonzentration, Land Grabbing und Widerstand in Europa. Studie
der Europäischen Koordination Via Campesina (ECVC) und des Netzwerks
„Hands-Off The Land“ (HOTL)
Zusammenfassung:
http://www.fian.at/assets/HOTL-ECVC-Executive-Summary-FINAL-GESPERRT.pdf
Gesamte Studie und Länderfallstudien auf Anfrage:
brigitte.reisenberger@fian.at 0699 18 33 00 33
HINWEIS: Am 24.4. werden die Mitautoren Robert Fidrich, MTVSZ/Friends
of the Earth Ungarn und Attila Szocs, EcoRuralis, Rumänien in Wien
sein und für Interviews zur Verfügung stehen, um über Fälle in ihren
Ländern zu berichten.
Für Interviewanfragen und weitere Informationen kontaktieren Sie:
Brigitte Reisenberger, FIAN Österreich, brigitte.reisenberger@fian.at
0699 18 33 00 33
Franziskus Forster, AgrarAttac, franziskus.forster@attac.at, 0650 68
888 89
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Matthias Reichl, Pressesprecher/ press speaker,
Begegnungszentrum fuer aktive Gewaltlosigkeit
Center for Encounter and active Non-Violence
Wolfgangerstr. 26, 4820 Bad Ischl, Austria,
fon: +43 6132 24590, Informationen/ informations,
Impressum in: http://www.begegnungszentrum.at