Neues Geständnis im “Fall” Mumia Abu-Jamal – Cynthia White

Von: „MikSchiff“ < MikSchiff@PowerOnline.net >
Betreff: Rundbrief Mumia 2002 Nr. 3
Datum: Donnerstag, 14. Februar 2002
 
Freiheit für Mumia Abu-Jamal Heidelberg
 
Annette & Michael Schiffmann
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Heidelberg, den 11.Februar 2002
 
Liebe FreundInnen, liebe Gruppenmitglieder,
 
 
am Sonntag, den 3. Februar hatten wir hier in Heidelberg zum bundesweiten Treffen der Mumia-Gruppen eingeladen, an dem seit Jahren viele Gruppen aus ganz Deutschland teilnehmen.
 
Ein Protokoll bekommt ihr am Wochenende nachgeliefert, das haben dankenswerter Weise zwei Frauen aus Wiesbaden geschrieben.
 
Teilgenommen haben jedenfalls 13 Mitglieder unserer Gruppe (Donnerwetter!), Leute aus Saarbrücken, aus Renchen, aus Münster, aus Karlsruhe und aus Wiesbaden.
 
Die Mumia-Gruppe Berlin hat eigens einen Grußbrief für das Treffen geschrieben und uns energisch versichert, daß sie sehr gerne mit uns allen zusammen arbeiten wollen. Super.
 
Das Highlight waren die 5 SchülerInnen von SchülerAktivFürMumia aus Hamburg, die wir eingeladen hatten, um zusammen zu überlegen, wie wir unserem Plan für eine bundesweite Aktionskonferenz aller Interessierten näherkommen könnten.
 
Wir danken ihnen hiermit nochmals besonders dafür, die weite Reise auf sich genommen zu haben, um uns kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen.
 
Solche Sitzungen mit vielen Leuten sind immer sehr anstrengend, aber dafür ist es wirklich gut gelaufen – danke für Geduld und Ausdauer und trotzdem gute Laune!
 
Wir haben viele Ideen gesammelt – die bekommt ihr mit dem Protokoll am Wochenende.
 
Die im Moment wichtigste Vereinbarung war, daß Mick und Monika am Samstag, den 16. Februar als Delegierte unserer Gruppen nach Hamburg zu einem Treffen der Hamburger Schüler Aktiv für Mumia fahren werden, wo auch die Hamburger und Berliner Mumia-Gruppen anwesend sein werden, um weitere Pläne für die Aktionskonferenz zu schmieden und die Zusammenarbeit der Gruppen im Vorfeld möglichst gut zu gestalten.
 
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Die Nachricht der Woche ist ein neues Geständnis in Mumias Fall!

 Yvette Williams, eine Frau aus Philadelphia, hat sich Ende Januar bei Mumias Anwalt Michael Farrell in Philadelphia gemeldet und erklärt, sie wolle nun nach all den Jahren endlich eine Aussage machen, weil sie ihr schlechtes Gewissen nicht mehr aushalten könnte, seitdem Mumias Fall im Dezember wieder in allen Zeitungen und im Fernsehen gewesen war.
Ihre Erklärung ist als Anhang beigefügt.
 
Sie war 1981 zusammen mit Cynthia White im Gefängnis – der Hauptbelastungszeugin in Mumias Prozeß, die damals ausgesagt hatte, sie habe gesehen, wie Mumia den Polizisten Faulkner erschossen habe. Für alle weiteren Prozesse war Cynthia White dann verschwunden, und sie ist es bis heute geblieben. Nun bezeugt Yvette Williams, daß Cynthia White ihr damals im Gefängnis immer wieder erzählt habe, daß sie von der Polizei zu der Aussage gezwungen worden sei, indem sie ihr angedroht hätten, andernfalls ihre gesamten anhängigen Verfahren gegen sie aufzurollen und sie für viele Jahre ins Gefängnis zu stecken. Sie habe sich entsetzlich gefürchtet und deshalb getan, was ihr gesagt worden sei. Aber Tatsache sei, daß sie definitiv nicht gesehen habe, wer geschossen hätte, und daß sie an jenem Abend, wie so oft schon vollkommen auf Drogen gewesen sei.
 
Yvette Williams hat diese Aussage am 28. Januar vor einer Notarin in Philadelphia zu Protokoll gegeben und erklärt, vor Gericht aussagen zu wollen.
 
 
Mit dieser Aussage ist praktisch der gesamte Prozeß von damals hinfällig – von allen Vorwürfen gegen Mumia ist damit kein einziger mehr haltbar.
 
Es gibt einen Verurteilten – Mumia – der die Tat, die ihm vorgeworfen wird, bestreitet.
 
Es gibt einen geständigen Täter – Beverly – dessen Vernehmung von den Gerichten abgelehnt wird.
 
Es gibt lauter Aussagen von anderen Zeugen, die dessen Aussage aus ihrer Sicht bestätigen.
 
Und mit der Erklärung von Yvette Williams gibt es nun keinen einzigen Zeugen mehr, dessen Aussage nicht grundsätzlich angefochten werden kann.
 
Dieser Prozeß muß neu aufgerollt werden!
 
Mumia muß freigelassen werden!
 
on a move!
 
Unser nächstes Gruppentreffen ist
 
am Donnerstag, den 13. Februar, um 19.00 Uhr
 
im Gemeindesaal der Christuskirche, Zähringer Straße 26, Heidelberg Weststadt.
 
Free Mumia
 
Für die Heidelberger Gruppe: Annette und Mick
 
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Erklärung von Yvette Williams
 
Ich, Yvette Williams, erkläre:
 
  1.. Wenn ich als Zeugin in diesem Fall aufgerufen werde, dann werde ich das folgende aus eigenem persönlichem Wissen wahrheitsgemäß und korrekt bezeugen.
 
2.. Im Dezember 1981, nach der Erschießung des Polizeibeamten Daniel Faulkner, war ich zusammen mit Cynthia White im Gefängnis. Cynthia White erzählte mir, daß die Polizei sie dazu gebracht hatte zu lügen und auszusagen, sie hätte gesehen, wie Mr. Jamal den Beamten Faulkner erschossen hätte, während sie in Wirklichkeit gar nicht gesehen hatte, wer es gewesen war. Sie sagte, daß sie Mumia vom Sehen kannte, weil er Taxi fuhr.
 
3.. Ich war mit Cynthia White im Gefängnis und wußte, daß sie Prostituierte in Philadelphias Center City in der Gegend rund um die 13. Straße war. Sie benutzte eine Menge verschiedener Namen außer Cynthia White, einer davon war Lucky, und so nannte ich sie auch. Sie trug immer gern eine Menge verschiedener Perücken. Auf der Straße ging die Rede, daß sie ein Polizeispitzel war. Cynthia und ich trafen uns im Gefängnis, weil wir beide nicht in Mordfällen aussagen wollten.
 
4.. Im Dezember 1981 war Lucky (Cynthia White) im „Loch“ für Frauen im G-Flügel in „SH“ (Schutzhaft). Ich war im Gefängnis, weil die Polizei dachte, ich wüßte etwas über einen Mord – was aber nicht stimmte – aber sie wollten Informationen aus mir raus kriegen.
 
5.. Unsere Zellen waren direkt gegenüber. Ab und zu benutzten die Insassinnen mich als Botin für Schmuggelwaren zwischen den Frauen im Loch und denen im Normalvollzug, und ich hielt ab und zu bei Lucky an und redete mit ihr, wenn ich zu ihrer Zelle ging. Ich war in Gewaltverbrechen verwickelt und es interessierte mich, was es mit der Prostitution so auf sich hatte, und so fragte ich Lucky immer wieder danach, weil das eine gute Gelegenheit war. Sie war nervös und verängstigt und froh, jemanden zum reden zu haben. Sie war ständig am weinen und traurig. Sie erzählte mir, daß sie um ihr Leben fürchtete. Ich fragte sie: „Fürchten vor wem?“ und sie sagte: „Vor den Wärtern und den Leuten von der Sitte“.
 
6.. Als Lucky mir erzählte, daß sie nicht mal gesehen hatte, wer den Beamten Faulkner erschossen hatte, fragte ich sie, warum sie „über diesen Mann so lügen würde“ (Mumia Abu-Jamal). Sie erzählte mir, das wäre, weil die Polizei und Leute von der Sitte ihr Leben bedrohen würden. Und außerdem würde die Polizei ihr Geld für ihre Lügen geben. So wie sie darüber redete, redeten wir über „Gs“ (Grands – ein Grand sind 1000 Dollar). Sie sagte auch, sie hätte schreckliche Angst davor, was die Polizei mit ihr machen würde, wenn sie nicht aussagte, daß Mumia den Beamten Faulkner erschossen hätte. Laut Lucky hatte die Polizei ihr erzählt, daß sie all ihre Fälle zusammenfassen und sie „rauf“ (nach Muncy), ins Frauengefängnis schicken würden, wenn sie nicht so aussagen würde, wie sie es ihr befohlen hatten. Lucky erzählte mir, daß sie eine Menge offener Fälle und außerstaatlicher Haftbefehle hätte und daß sie große Angst davor hätte, nach Muncy zu müssen. Sie hatte Angst, ihr Zuhälter könnte „die Schnauze voll haben“ davon, daß er so viel Geld verlieren würde, wenn sie eingesperrt und nicht mehr auf der Straße war. Sie hatte Angst davor, daß er sie zusammenschlagen und töten würde, wenn sie wieder rauskäme.
 
7.. Lucky machte sich Sorgen, daß die Polizei sie töten würde, wenn sie nicht aussagte, was die wollten. Sie hatte Angst davor, was die MOVE-Leute ihr antun würden, nachdem sie gegen Mumia ausgesagt hätte, aber MOVE bedrohte Lucky niemals, während sie eingesperrt war. Sie hatte große Angst, während sie mir das alles erzählte, und sie weinte und zitterte. Jedesmal, wenn sie über die Aussagen gegen Mumia erzählte und darüber, wie die Polizei sie zum Lügen zwang, war sie nervös und sehr aufgeregt, und ich konnte an der Art, wie sie erzählte und weinte erkennen, wie verängstigt sie war.
 
 8.. Lucky erzählte mir, daß das, was in jener Nacht wirklich passierte war, daß sie in der Gegend von 13. und Locust „auf dem Strich“ war, als der Beamte Faulkner erschossen wurde, aber daß sie definitiv nicht gesehen hatte, wer es gewesen war. Sie erzählte mir auch, daß sie ein Drogenproblem hatte und total high war, als es passierte. Sie versuchte, nach der Schießerei davon zu laufen, aber die Polizei schnappte sie und ließ sie nicht mehr laufen. Sie nahmen sie (zuerst) im Auto mit und sagten ihr, daß sie gesehen hätte, daß Mumia den Beamten Faulkner erschossen hatte.
 
9.. Während Lucky und ich im Loch eingesperrt waren, kamen immer wieder Polizeibeamte ins Gefängnis und nahmen sie mit raus zum reden. Wenn sie zurück kam, hatte sie jedesmal Sachen dabei, die wir da drin nicht haben durften – wie Zigaretten, Süßigkeiten, Sandwiches, Spritzen und weißes Pulver. Sie ließen sie auch dauernd für zwei Stunden zur Erholung raus, während das ganze Gefängnis zum „Appell“ geschlossen war.
 
10.. Ich fühle mich am Rande eines Nervenzusammenbruchs, weil ich all die Jahre lang darüber nichts gesagt habe. Ich habe nichts gesagt, weil ich Angst hatte. Ich hatte Angst vor der Polizei. Sie sind gefährlich. Sie können dich verletzen und damit davon kommen. Ich weiß, daß ich Probleme mit dem Gesetz hatte und daß sie mich kennen. Ich habe immer noch Angst davor, was sie tun könnten, aber als Mr. Jamals Fall Mitte Dezember im Fernsehen und in der Daily News war, konnte ich es nicht mehr aus meinem Kopf raus kriegen, immerzu mußte ich denken, daß dieser Mann sterben könnte wegen all der Lügen, die Lucky damals im Zeugenstand erzählt hatte und daß Mrs. Faulkner niemals die Wahrheit wissen würde.
 
11.. In der Zeitung las ich, daß Mr. Jamals Anwalt in Kalifornien war, aber ich hatte keinen Telefonservice für große Entfernungen. Als ich sah, daß Mr. Jamal einen Anwalt namens Michael Farrell in Philadelphia hatte, fand ich seine Nummer in den Gelben Seiten heraus und rief am 18. oder 19. Dezember 2001 in seinem Büro an. Ich sprach mit einem von Mr. Farrells Angestellten und erzählte ihm, daß ich Informationen darüber hatte, wie Cynthia White in Mumias Verfahren gelogen hatte. Er schrieb meine Nummer auf und sagte mir, jemand würde mich zurückrufen.
 
 12.. Zwei oder drei Tage später bekam ich einen Anruf von Mr. Mike Newman, der mir erzählte, er sei privater Ermittler für Mumia Abu-Jamals Anwälte. Ich gab ihm im wesentlichen die selben Informationen wie sie in dieser Erklärung enthalten sind. Er rief mich ein paar mal mit neuen Fragen und der Bitte nach mehr Einzelheiten zurück.
 
13.. Bevor ich Rechtsanwalt Farrells Büro am 18. oder 19. Dezember 2001 anrief, hatte ich niemals irgend einen Kontakt zu irgend einem von Mumia Abu-Jamals Anwälten – weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart. Bevor ich mit Mr. Newman, wie oben erklärt, sprach, hatte ich niemals irgend einen Kontakt zur irgend einem der Ermittler, Angestellten oder anderen Mitarbeitern von Mumia Abu-Jamals Anwälten. Ich kenne Mr. Mumia Abu-Jamal nicht. Ich habe ihn nie getroffen, nie mit ihm gesprochen und nie irgend einen Kontakt zu ihm gehabt.
 
14.. Ich habe diese Erklärung sorgfältig gelesen, bevor ich sie unterzeichnet habe, um sicher zu sein, daß sie der Wahrheit entspricht und korrekt ist.
Diese Erklärung unterliegt den Strafen des Bundesstaates Pennsylvania C.1S.A. 4904 für uneidliche Falschaussagen.
 
Ich erkläre…. daß die vorliegende Erklärung wahr und korrekt ist und von mir am 28.1.2002 in Philadelphia, Pennsylvania unterzeichnet wurde.
 
Yvette Williams
 
Vereidigt und unterzeichnet in meiner Anwesenheit am 28. Januar 2002
 
Amy Stein
 
Staatliche Notarin in New Jersey