Hat es legendären mexikanischen Rebellenführer überhaupt je gegeben?
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In Mexiko hat der Rebellenführer Subcomandante Marcos im Rahmen einer politischen Veranstaltung seinen Rückzug bekannt gegeben. Der bekannteste Vertreter der Zapatistischen Armee zur Nationalen Befreiung (EZLN) nutzte für diese Ankündigung eine Gedenkfeier für den ermordeten Basisaktivisten José Luis Solís López alias „Galeano“. An der Veranstaltung nahmen mehr als
2.500 BasisaktivistInnen der zapatistischen Bewegung sowie zahlreiche MedienvertreterInnen teil. Vor den Gästen verlas der stets maskiert auftretende Guerillero einen fünfteiligen Abschiedsbrief, in dem er bekannt gab, dass es „Marcos“ ab sofort nicht mehr geben wird. „Es war eine kollektive Entscheidung“, sagte er. Marcos sei nie eine reale Person gewesen, sondern vielmehr eine Kunstfigur, hinter der sich mehrere Personen verborgen hätten.
Marcos war unmittelbar nach dem Aufstand der EZLN 1994 international bekannt geworden. Die wahre Identität des Rebellenführers konnte nie geklärt werden.
Mutmaßungen des mexikanischen Geheimdienstes, nach denen sich ein Philosoph und Maoist von der Universität UNAM hinter der Maske verbirgt, konnten nie bestätigt werden.
Wahl zwischen Leben und Tod
Die Rebellion der EZLN fand Anfang 1994 in dem südmexikanischen Bundesstaat Chiapas statt, einer der ärmsten Regionen Mexikos. In seiner Nachricht führte Marcos aus, dass die Zapatisten 1994 etwas gegen diese prekäre Situation hatten unternehmen müssen. „Wir standen nicht vor dem Dilemma zwischen Handeln oder Kämpfen, sondern vor der Wahl zwischen Leben und Tod“, erinnerte Marcos.
KritikerInnen hätten damals prognostiziert, „dass wir keine Guerilleros und keine Soldaten ausbilden und dass wir unsere veraltete Militärausrüstung nicht ersetzen“, sagte Marcos. Man habe sich jedoch dafür entschieden, in die soziale Infrastruktur zu investieren, statt in militärische Ausrüstung.
Als Grund für seinen Rückzug nannte der Guerilla-Kommandant die interne Entwicklung der EZLN und das Aufkommen einer neuen Generation von
ZapatistInnen: „Die Kinder von gestern kämpfen heute und leiten den Widerstand. Heute hat die EZLN eine rein indigene Führung.“ Diese Struktur sei für manche PolitikerInnen, PolitologInnen und KritikerInnen der EZLN offenbar schwer zu verstehen, fügte er an.
Das Unverständnis in Bezug auf die EZLN hänge auch mit dem medialen Umgang zusammen, so Marcos in seiner Erklärung. Als die Guerilla-Organisation am ersten Januar 1994 an die Öffentlichkeit trat, richteten die Medien ihre Aufmerksamkeit sofort auf den einzigen Mestizen: Subkommandant Marcos. Sie bezeichneten ihn umgehend als Sprecher und Führer der bewaffneten Gruppe. In den folgenden Jahren habe man sich auf dieses Spiel der Medien eingelassen.
„Marcos hatte mal blaue Augen, mal waren sie grün, braun, hellbraun oder schwarz – je nachdem, wer das Interview durchführte und das Foto machte.“
Dies habe zugleich die Ignoranz und Arroganz der kommerziellen Medien und der PolitikerInnen belegt, welche die Indigenen nie als HauptakteurInnen der Bewegung akzeptiert hätten. „Sie haben den Kampf der Zapatisten nicht verstanden“, so Marcos. Die Figur des stets vermummten Subcomandante sei dafür geschaffen worden, die mediale Aufmerksamkeit auf die Bewegung zu lenken. Nach 20 Jahren sei die Figur nun nicht mehr nötig. „Denn nun hat eine neue Phase des zapatistischen Kampfes begonnen“.
„Neue Phase des Kampfes“
Schließlich verlas Marcos eine lange Liste von Verschwundenen, Ermordeten und politischen Gefangenen, um am Ende das Verschwinden der Figur des Subcomandante Marcos zu verkünden. Sie würde durch den neuen Subcomandante Insurgente Galeano ersetzt. „Damit Galeano weiter lebt, ist es nötig, dass Marcos stirbt. Damit schlagen wird dem Tod ein Schnippchen, denn er wird nur einen Namen mitnehmen“.
(Leticia Hillenbrand, 29.5./amerika21.de/poonal)
Quelle: http://www.npla.de/de/poonal/4723