ÖKG, 30.1.2013: NACHTRAG zur PK „Wahlen in Kuba“

Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte MedienvertreterInnen,

als Nachtrag zur gestern stattgefundenen Pressekonferenz „Wahlen in Kuba“ und als Vorschau auf die Parlamentswahlen in Kuba diesen Sonntag (3.2.), sende ich Ihnen gerne die entsprechenden Unterlagen zu. Scheuen Sie sich nicht, davon Gebrauch zu machen! Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung!

Mit solidarischen Grüßen!

Mag. Michael Wögerer
(Vorsitzender der Österreichisch-Kubanischen Gesellschaft/ÖKG)
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Österreichisch-Kubanische Gesellschaft
Asociación de Amistad Austria-Cuba
Seisgasse 1
A-1040 Wien
(0043)650 346 02 43
www.cuba.or.at
oekg@utanet.at

Am 3. Februar 2013 finden in Kuba die Wahlen für die Provinzparlamente (Asambleas Provinciales) und die Nationalversammlung (Asamblea Nacional) statt. Rund 8,5 Millionen Wahlberechtigte – alle im Land lebenden Kubanerinnen und Kubaner ab 16 Jahren – sind aufgerufen die Abgeordneten der Provinzparlamente und der Nationalversammlung für die Dauer von fünf Jahren in freier und geheimer Abstimmung direkt zu wählen. Die Nationalversammlung der Volksmacht (Asamblea Popular del Poder Popular) hat nach der kubanischen Verfassung konstituierende und gesetzgeberische Macht. Die ersten allgemeinen Wahlen zu allen parlamentarischen Ebenen seit der im April 2011 begonnenen Diskussion über die Modernisierung des sozialistischen Gesellschaftsmodells sind auch ein wichtiger Stimmungsmesser für die Akzeptanz in der Bevölkerung und den Erfolg dieses Prozesses. Im Verlauf der Pressekonferenz werden die Vertreter Kubas und der österreichischen Solidaritätsbewegung über das kubanische Wahlsystem und die aktuelle Entwicklung der karibischen Insel informieren und dabei mit weitverbreiteten Vorurteilen aufräumen.

Rückfragehinweis:
Mag. Michael Wögerer: 0650/2537036

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Das kubanische Wahlsystem im Überblick

Am 3. Februar finden in Kuba landesweite Wahlen (elecciones generales) statt, ein Prozess, in dem die gesamte kubanische Bevölkerung eingebunden ist.

 Das kubanische Wahlgesetz sieht zwei Typen von Wahlprozessen vor:

 

  • Elecciones generales: finden alle 5 Jahre statt, gewählt werden dabei die 612 Abgeordneten der Nationalversammlung (Asamblea Nacional del Poder Popular) und im weiteren Verlauf deren Präsident, Vizepräsident und Sekretär; weiters der Staatspräsident, seine Vizepräsidenten und die restlichen 23 Mitglieder des Staatsrates; ebenfalls werden die Abgeordneten zu den 15 Provinzparlamenten  gewählt.
  • Elecciones parciales: finden alle 2 ½ Jahre statt, gewählt werden dabei 14.537 Abgeordnete der 168 Asambleas Municipales del Poder Popular (Bezirksparlamente) sowie deren Präsidenten und Vizepräsidenten

 Nachdem sich bis Ende November 2012 in Kuba alle 168 Kommunalparlamente konstituiert haben, hat der Staatsrat den Wahltermin für die Provinzparlamente und die Nationalversammlung auf den 3. Februar 2013 festgelegt. Stimmberechtigt und wählbar sind alle im Land lebenden Kubanerinnen und Kubaner ab 16 Jahren (rund 8,5 Millionen Wahlberechtigte). Wer für die Nationalversammlung kandidiert, muss mindestens 18 Jahre alt sein.

 

 Zentrale Prinzipien des kubanischen Wahlsystems:

  • ganzheitliche, automatische und kostenlose Eintragung ins Wahlregister
  • freie, direkte und geheime Wahl
  • totale Transparenz in den Wahlversammlungen
  • die Kommunistische Partei Kubas (PCC) kandidiert weder selbst, noch schlägt sie Kandidaten vor oder unterstützt sie formal; es sind ausschließlich die Wähler die dieses Recht besitzen und die dies durch einen freien und souveränen Akt in öffentlichen Versammlungen ausüben
  • bis zu 50 Prozent der Kandidaten werden von den sozialen Massenorganisationen (Studenten, Bauern, Gewerkschafter, Frauen, Intelektuelle,…) vorgeschlagen
  • es gibt keine von Millionären durchgeführten, diskriminierenden, offensiven und diffamierenden Wahlkampagnen. Für alle Kandidaten gelten die selben Voraussetzungen.
  • ein Kandidat ist gewählt, wenn er mehr als 50 Prozent der abgegebenen und gültigen Stimmen auf sich vereint
  • breite Beteiligung der Bevölkerung: In allen bisherigen Wahlprozessen haben mehr als 95 Prozent der Wähler teilgenommen, und dies ohne Wahlpflicht.
  • die gewählten Kandidaten sind verpflichtet regelmäßig über ihre Tätigkeit Rechenschaft abzulegen und können zu jedem Moment von ihrem Mandat enthoben werden
  • die Abgeordneten werden für ihre Tätigkeit nicht bezahlt
  • durch die Verbindung von repräsentativen und partizipativen Elementen entsteht eine breite demokratische Beteiligung. Durch die Einbeziehung der Zivilgesellschaft entwickelt sich eine partizipative Kultur im ganzen Land, die weit über die tägliche Arbeit der Abgeordneten hinausgeht.

Rückfragehinweis:

Frau Yahima MARTINEZ MILLAN, 2secretario@ecuaustria.at, (+43 / 1) 877 81 98

Mag. Michael WÖGERER, oekg@utanet.at, 0650/2537036

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Demokratie in Kuba? – Gibt´s nicht! – Oder doch….

von Michael Wögerer*

 Von den westlichen Medien kaum beachtet wurde im Herbst vergangenen Jahres in Kuba die Wahlperiode 2012/2013 eröffnet. Rund 8,5 Millionen Wahlberechtigte waren am 21. Oktober 2012 zur Abstimmung über die Zusammensetzung der 168 Kommunalparlamente (Asambleas Municipales) aufgerufen, um deren Mandate sich mehr als 32.000 Kandidatinnen und Kandidaten beworben. Nach Stichwahlen in mehreren Bezirken begann die zweieinhalbjährige Amtszeit der insgesamt 14.537 Abgeordneten am 25. November. Viele der kommunalen Vertreter sind jünger als ihre Vorgänger. Rund 64 Prozent sind zwischen 41 und 50 Jahre alt, knapp 46 Prozent der Gewählten sind Frauen. Unter den Abgeordneten der Kommunalparlamente befindet sich erstmals auch Adela Hernández (48), sie ist die erste transsexuelle Abgeordnete Kubas. Sie kam unter einfachen Verhältnissen als Mann zur Welt, fühlte sich aber bereits seit ihrer Kindheit als Frau. Nun wurde sie in die Lokalregierung der Provinz Villa Clara gewählt. Als langjähriges Mitglied des lokalen Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDR) konnte sie  das Vertrauen ihrer Wähler gewinnen und setzte sich klar gegen ihre zwei Gegenkandidaten durch.

Nachdem sich also bis Ende November in Kuba alle 168 Kommunalparlamente konstituiert haben, hat der Staatsrat den Wahltermin für die Provinzparlamente (Asambleas Provinciales) und die Nationalversammlung (Asamblea Nacional) auf den 3. Februar 2013 festgelegt. Stimmberechtigt und wählbar sind alle im Land lebenden Kubanerinnen und Kubaner ab 16 Jahren. Wer für die Nationalversammlung kandidiert, muss mindestens 18 Jahre alt sein.

Nach der kubanischen Verfassung und dem Wahlgesetz aus dem Jahr 1992 werden die Bürger auf der Gemeindeebene alle zweieinhalb Jahre zu den Urnen gerufen, während die Provinzparlamente und die Nationalversammlung alle fünf Jahre gewählt werden.

Am 16. Dezember stellen die Kommunalparlamente in außerordentlichen Sitzungen die Hälfte der Kandidaten für die beiden höheren Ebenen auf. Die anderen 50 Prozent werden von sozialen Organisationen wie den Gewerkschaften, den Verbänden der Frauen, Bauern, Studenten und den CDRs nominiert. Entgegen einer weit verbreiteten Annahme sind viele Kandidaten nicht Mitglieder der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) und werden auch nicht von ihr nominiert.

Auch die Abgeordneten der Provinzparlamente und der Nationalversammlung werden von den wahlberechtigten Bürgern für die Dauer von fünf Jahren direkt gewählt. Die Abstimmungen sind frei und geheim. Dafür stehen Kabinen und Wahlurnen zur Verfügung, die Schüler symbolisch bewachen. Eine Wahlpflicht gibt es in Kuba nicht, obwohl auch dies von Gegnern des dortigen Systems häufig behauptet wird.

Die Nationalversammlung der Volksmacht (Asamblea Popular del Poder Popular) hat nach der kubanischen Verfassung konstituierende und gesetzgeberische Macht. Ihr jetziger Präsident ist der Politiker und Doktor der Philosophie Ricardo Alarcón de Quesada. Das derzeitige 2008 gewählte Parlament besteht aus 614 Abgeordneten. Die vom Volk in direkter Wahl legitimierten Vertreter wählen in der ersten Parlamentssitzung aus ihren Reihen den Staatsrat, der die Aufgaben der Nationalversammlung zwischen den in der Regel zweimal jährlich stattfindenden Sitzungen wahrnimmt. Auch der Vorsitzende des Staatsrats wird von den Parlamentariern in geheimer Abstimmung gewählt. Als höchster Repräsentant Kubas ist der Staatsrat gegenüber der Nationalversammlung berichts- und rechenschaftspflichtig und wird vom Parlament kontrolliert. Nationalversammlung und Staatsrat berufen den Ministerrat. Vorsitzender des Staats- und des Ministerrats ist seit 2008 Raúl Castro Ruz.

Laut Angaben der Nationalen Wahlkommission sind in der Nationalversammlung Kubas alle sozialen Sektoren vertreten. 481 der 614 Parlamentarier (78,34 %) haben einen Universitätsabschluss, 127 (20,68)% haben die höhere Mittelschule abgeschlossen, darunter Ingenieure, Pädagogen, Ökonomen, Anwälte, Ärzte und Sozialarbeiter. Weitere offizielle Daten zeigen, dass 390 Abgeordnete (63,52%) in der vorangegangenen Legislaturperiode (2003-2008) noch nicht im Parlament vertreten waren, 224 der damals 609 Abgeordneten wurden wiedergewählt.

374 (60,91%) der gewählten Volksvertreter in der Asamblea Nacional wurden nach dem Sieg der Revolution (1.1.1959)  geboren, 134 (21,82%) waren zu dieser Zeit noch unter 10 Jahre alt. 106 Abgeordnete (17,26%) hatten den Kapitalismus in Kuba noch hautnah kennengelernt.

Der Frauenanteil in der 2008 konstituierten Nationalversammlung betrug 43,16 Prozent (vgl. Österreich 2012: 27,9 % Frauen im Nationalrat).

Das kubanische Wahlsystem ist mit parlamentarischen Parteiendemokratien westlicher Prägung nicht vergleichbar und strebt dies auch nicht an. Millionen verschlingende und von Werbeagenturen entworfene Medienwahlkämpfe, in denen von der Wirtschaft und Interessenverbänden gesponserte Parteien Programme präsentieren, die für die Politiker nach der Wahl nicht mehr verbindlich und für deren Wähler nicht mehr einklagbar sind, gelten in Kuba nicht als Vorbild. Obwohl auch das Wahlsystem der sozialistischen Inselrepublik verändert und modernisiert werden wird, stehen das basisdemokratische Prinzip der direkten Wahl durch die Bürger und die Möglichkeiten zur Absetzung von Abgeordneten durch die Wähler nicht zur Disposition. Von letzterem wird – zumindest auf den unteren Ebenen – auch des öfteren Gebrauch gemacht.

Diskutiert wird aber, wie Transparenz und Beteiligung der Basis an den Entscheidungen künftig gestärkt werden können. Die ersten allgemeinen Wahlen zu allen drei parlamentarischen Ebenen seit der auf dem 6. Parteitag der PCC im April 2011 begonnenen Diskussion über die Modernisierung des sozialistischen Gesellschaftsmodells sind auch ein wichtiger Stimmungsmesser. Denn Akzeptanz und Erfolg dieses Prozesses sind für die Zukunft Kubas und seiner sozialistischen Ordnung von existentieller Bedeutung.

*Mag. Michael Wögerer (31) ist Vorsitzender der Österreichisch-Kubanischen Gesellschaft

 

(Quellen: Volker Hermsdorf / jungewelt.de / amerika21.de / parlamentocubano.cu)

 Rückfragehinweis:

 

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