Warum trage die KPÖ weiter ihren Namen und schleppe damit die Bürden der Vergangenheit mit sich herum, wollten zahlreiche ORF.at-Leserinnen und -Leser von KPÖ-Spitzenkandidat Mirko Messner wissen. Messner erklärte im Gespräch, dass eine Namensänderung Thema interner Diskussionen gewesen sei – man sich aber entschieden habe, beim Namen KPÖ zu bleiben. Alles andere wäre ein Kostümtausch gewesen, so Messner.
Allerdings wolle man an der Bildung einer neuen Linken in Österreich mitwirken, so Messner im Rahmen der Reihe „Fragen Sie nach!“ In Sachen Verhältnis zu UdSSR und Stalinismus verwies Messner auf klare Abgrenzung. In Sachen Vergangenheitsbezug sieht Messner nicht die KPÖ als problematisch an, sondern die FPÖ.
1. Viele Menschen stehen politisch links der SPÖ, haben aber ein moralisches Problem, die KPÖ zu wählen. Warum wollen Sie den Parteinamen nicht ändern, denn Kommunistische Partei steht für über hundert Millionen Tote weltweit. Warum fällt Ihnen eine konsequente Distanzierung von dieser mörderischen Ideologie so schwer? Anonym
Der Name KPÖ steht für die Tausenden Opfer, die ihr Leben im Kampf gegen den Nationalsozialismus gegeben haben. Natürlich hat jede politische Bewegung auch ihre dunkle Seite – und der Stalinismus war so eine. Mit diesem haben wir radikal gebrochen. Was den Namen betrifft: Wir hatten uns entschieden, den Namen nicht zu ändern. Wir hatten eine Diskussion darüber und sind zum Schluss gekommen: Ein Namenswechsel wäre wie ein Kostümwechsel. Die KPÖ ist ein Teil der Linken in Österreich. Und wir wollen unseren Beitrag leisten zur Entstehung einer neuen österreichischen Linken, wo wir als Gleicher unter Gleichen zusammenarbeiten.
Die „Spielregeln“
Die Spitzenkandidaten aller bundesweit zur Wahl antretenden Parteien stellen sich den Fragen der Leserinnen und Leser von ORF.at. Die Redaktion wählt die zwölf repräsentativsten bzw. pointiertesten aus. Die Kandidaten beantworten diese, wenn sie zu Gast bei ORF.at sind.
Debatte: Überzeugen die Antworten?
2. Wie stehen Sie zur UdSSR? In meinen Augen war sie ein Desaster, menschlich wie wirtschaftlich. Kann Kommunismus danach überhaupt noch funktionieren?„Frank123“
Ich glaube, dass die UdSSR aufgrund von vielen Faktoren gescheitert ist. Die waren nicht nur wirtschaftlicher Natur. Meiner Meinung nach ist es nicht richtig, den Kommunismus mit der UdSSR zu identifizieren, weder historisch und schon gar nicht aktuell, was nichts daran ändert, dass die Sowjetunion unabhängig von ihren inneren Zuständen die Hauptlast des Krieges gegen die Hitlerei getragen hat und zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus beigetragen hat.
Was mir bei dieser Gelegenheit seltsam erscheint, ist, immer mit dieser selben Frage konfrontiert zu werden in einem Staat, wo die Befreigung vom Faschismus unter anderem durch sowjetische Truppen geschehen ist und wo doch viel interessanter die Frage wäre, wie es möglich ist, dass in unserem Staat trozt der Befreigung vom Nationalsozialismus Kräfte, die an nationalsozialistische Tradition anknüfen, sich breitmachen können.
Nachfrage: Meinen Sie damit eine konkrete Partei?
Die FPÖ natürlich.
3. Wie kann eine Partei über so viele Jahre finanziell bestehen, wenn sie nie in den Nationalrat kommt? Wer finanziert die KPÖ? Kommt da vielleicht sogar finanzielle Unterstützung aus Russland? Harry
Es kommt keine finanzielle Unterstützung aus Russland noch aus Südafrika oder Luxemburg. Ein Teil unseres Budgets besteht aus den Erlösen des Verkaufs des Globus-Gebäudes in Wien, durch Vermietung einiger Parteilokale, vor allem aber finanziert sich die KPÖ durch Mitgliedsbeiträge, Spenden ihrer Mitglieder und vor allem durch die Tätigkeit ihrer Mitglieder, die sie unbezahlt machen. Dort, wo wir die Position haben, zum Beispiel in der Steiermark, wird ein großer Teil der Bezüge, die aus dem Gemeinderat oder Stadtratspositionen sich ergeben, zur Verfügung gestellt für den Sozialfonds, was ein klarer Hinweis darauf ist, dass unsere Abgeordneten ihre Politik anders verstehen als die der anderen Parteien.
4. Wie würden Sie mit sieben Stichworten Ihr Parteiprogramm zusammenfassen? Anonym
Erstens: sozialen Widerstand organisieren; zweitens: die Umverteilung der gesellschaftlichen Werte von oben nach unten erreichen; drittens: für eine demokratische und interkulturelle Kulturlandschaft; viertens: für die Rechte der arbeitenden Menschen und die Gleichberechtigung der Frauen bzw. gleiche Rechte für alle Menschen; fünftens: für einen anderen gesellschaftspolitischen Entwurf; sechstens: gegen die Unterordnung des Lebens unter das Diktat der Profitmaximierung; siebentens: für eine solidarische, sozialistische Gesellschaft.
5. Wie steht die KPÖ dazu, dass jemand, der viel arbeitet, eigentlich auch belohnt werden sollte. Oder muss der dann bestraft werden, nur weil er fleißiger ist? Peter Zyks
Tatsache ist, dass derzeit die Menschen, die fleißig arbeiten, nicht belohnt werden. Tatsache ist, dass sich Arbeit de facto nicht lohnt. Als Hinweis: Die Produktivität ist in den letzten zehn Jahren in Österreich um ein Drittel gestiegen, im selben Zeitraum sind die Löhne gleich geblieben oder gesunken. Das heißt anders gesagt: Obwohl mehr und produktiver gearbeitet worden ist, ist nicht mehr verdient worden. Die Leistungsträger und Leistungsträgerinnen – Putzfrauen, Lehrende, Angestellte im Gesundheitswesen, Lohnarbeitende usw. – werden bestraft. Die Armut nimmt zu. 1,5 Millionen Menschen sind armutsgefährdet oder akut arm, und das in einem der reichsten Staaten der Welt.
Nachfrage: Arbeit wird nicht entsprechend entlohnt?
Fleiß wird nicht belohnt. Wir sind dafür, dass der Fleiß belohnt wird, deshalb sind wir unter anderem für die Festlegung eines gesetzlichen Mindestlohns, darüber hinaus natürlich für den gleichen Lohn von Frauen und Männer für die gleiche Arbeit.
6. Wie stellt sich Ihr wirtschaftspolitischer Ansatz dar? Nachdem das Wirtschaften mit zentralistischen, auf Jahre im Voraus festgelegten Produktionsplänen ja in der Geschichte versagt hat, verfügen Sie über eine Alternative? Ist es für Sie vertretbar, die Produktion von manchen (nicht lebensnotwendigen) Gütern einem privaten Sektor bzw. Markt zu überlassen? Lassen sich gewisse marktwirtschaftliche „Mechanismen“ vielleicht in einem modernen Kommunismus auch verwenden? Stefan Holzapfel
Ich glaube schon, dass ein Teil der Ökonomie dem überlassen werden kann, was man gemeinhin Markt nennt. Aber das Problem, mit dem die Ökonomie heute konfrontiert ist: dass es diesen freien Markt, von dem hier die Rede ist, nicht mehr gibt. Es gibt stattdessen eine Marktherrschaft, eine Marktmacht der großen Konzerne, die letztlich nicht nur die Ökonomie, sondern auch die Politik dominiert. Ein Wort von Finanzmarktmächtigen genügt, und schon heben in den europäischen Parlamenten die Parlamentarier, mit Ausnahme der Linken, die Hände zur Zustimmung für Maßnahmen, die den Finanzmarktmächtigen nutzen und den Reichtum an der Spitze der Gesellschaft mehren.
Und bezüglich der Planung: Wir haben in der Ökonomie eine unglaublich diffizile Planung, und zwar im einzelwirtschaftlichen Konzernbereich wird die Planung bis zum letzten Arbeitsplatz durchgeführt, nicht aber gesamtgesellschaftlich. Das ist einer der Widersprüche, die die Gesellschaften weltweit zu lösen haben werden, denn es ist offensichtlich, dass bisher der Plan der Konzerne – nämlich wie wird der Profit maximiert – zu einem globalen Desaster führt. Und dass es an der Zeit ist, diese Zusammenballung der ökonomischen und politischen Macht zu brechen.
7. Die KPÖ ist für mich als Protestwähler die einzige Alternative. Die KPÖ könnte auch mit den richtigen Ideen etwas erreichen. Nun meine Anregung an Sie: Spätestens seit den 80er Jahren hat sich ein neuer Industriezweig breitgemacht, nicht nur in Österreich, weltweit: die Geldwirtschaft. Während die Realwirtschaft mit kleinen Schwenkern linear gewachsen ist, hat sich die Geldwirtschaft exponentiell entwickelt. Es hat sich eine riesen Kluft aufgetan. Für Investoren war es und ist es noch immer lukrativer, in Finanzprodukte zu investieren als in die gewerbliche Wirtschaft. Dass dies aber auf Dauer nicht funktioniert, haben wir in der Lehman-Pleite gesehen. Um dieses Ungleichgewicht wieder ins Lot zu bringen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Hier eine ganz einfache: Die Besteuerung der Einnahmen der Geldwirtschaft müsste jener der Realwirtschaft gleichgestellt werden. Je mehr Einnahmen, desto höher die Steuern. Denken Sie, dass sich die KPÖ dafür starkmachen könnte? Reinhard Holzegger
Ich glaube, dass das ein richtiger Ansatz ist, dass man aber unbedingt darüber hinausgehen muss, denn die Konzerne beschäftigen Armeen von Steuerberatern, um der Steuerleistung zu entgehen. Und die Summe zum Beispiel innerhalb der EU, die durch legale und illegale Steuerflucht jährlich zusammenkommt, macht 1.000 Milliarden Euro aus.
Also wenn wir darüber sprechen, dass die Besteuerung notwendig ist, dann stimmt das einerseits, andererseits denke ich, dass die Eigentumsverhältnisse geändert werden müssen. Das heißt zum Beispiel im fall der Banken, dass die Banken vergesellschaftet werden müssen, wobei ich da schon voraussetze, dass die Banken die Investitionstätigkeit von der normalen Tätigkeit zu trennen haben. Es geht nicht nur um Umverteilung durch Steuerpolitik, sondern auch um Änderung der Eigentumsverhältnisse. Was alle benötigen, soll auch allen gehören.
8. Wie steht die KPÖ zu eine etwaigen Erhöhung der Grunderwerbssteuer bzw. einer Anhebung der Grundsteuer, da die bisherige Steuerberechnungsbasis (Einheitswert) vom OGH mit 1.5.2014 als unrechtmäßig aufgehoben wurde? „HBenedikt“
Positiv. Vor allem der Großgrundbesitz soll dadurch zur Kassa gebeten werden.
9. Im europäischen Vergleich nimmt Österreich in Bezug auf die Entwicklungszusammenarbeit eine Schlusslichtrolle ein. Würden Sie sich für eine Aufwertung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit einsetzen und die entsprechenden finanziellen Mittel erhöhen? Sarah A.
Selbstverständlich. Österreich hat wie der gesamte Norden historisch von der Ausbeutung des Südens profitiert und demnach einiges gutzumachen.
10. Warum hat die KPÖ in Graz mehr Stimmen als in Wien? „helene“
Wir haben zu einem Zeitpunkt, als wir die KPÖ-Positionen in den österreichischen Gemeinden verloren haben, in Graz knapp die Position gehalten. Und das war der Ausgangspunkt dafür, dass durch eine kluge, engagierte und konzentrierte Politik auf dem Wohnbausektor zugunsten der Mieterinnen und Mieter in Graz die KPÖ ihren Einfluss allgemein hat verbreitern können. Das heißt, es waren einerseits sehr spezielle Bedingungen in Graz dafür vorhanden. Andererseits haben wir die richtigen Menschen zum richtigen Zeitpunkt mit einer richtigen Politik gehabt. Aber diese Situation lässt sich nicht einfach auf andere Städte übertragen.
11. Dass bei Wahlen die konkreten Taten (nicht die Worte) auch nicht so mächtiger Bewegungen/Parteien honoriert werden, das konnte man vor einigen Jahren in Graz eindrucksvoll sehen. Wo bleiben die bundesweiten konkreten Taten? Volksstimmefest einmal pro Jahr wird wohl nicht reichen, um die KPÖ bundesweit positiv bekanntzumachen. Anonym
Die Aktivistinnen und Aktivisten der KPÖ arbeiten in verschiedensten Bewegungen, Initiativen, sozialen, kulturellen, feministischen Zusammenhängen, und jede und jeder, der sich den Kopf der KPÖ zerbricht, ist herzlich eingeladen mitzumachen.
12. Wo sehen Sie Ihre Chancen, die Vierprozenthürde zu meistern und ins Parlament einzuziehen? Anonym
Die KPÖ ist die Partei mit dem höchsten Wechselwählerstimmanteil. Das liegt unter anderem an der Tatsache, dass wir kein konsequentes Verhältniswahlrecht in Österreich haben. Das führt zum Beispiel dazu, dass es bei Nationalratswahlen immer einen bestimmten Prozentsatz von Stimmen gibt, die nicht in die Mandatsermittlungsverfahren einbezogen werden. Anders gesagt: Die Propaganda von der verlorenen Stimme führt dazu, dass Menschen, die uns bereits einmal gewählt haben, dann aufgrund der Erfahrung, dass die Grundmandatshürde nicht genommen wurde, wieder zurück zum kleineren Übel kehren. Und das kleinere Übel stützt immer das größere.
Darum habe ich die Hoffnung, dass die Menschen, die uns schon einmal gewählt haben, diesmal nicht zurückkehren zur Philosophie des kleineren Übels und uns wählen. Es gibt eine Umfrage, dass 15 Prozent der Befragten sich eine Vertretung der KPÖ im Parlament wünschen. Wenn ein Drittel davon die KPÖ wählt, haben wir die Mandate. Mit einem Wort: Das Potenzial ist vorhanden. Es kommt darauf an, dass man was draus macht.
Die Fragen für die Leserinnen und Leser stellte Gerald Heidegger, ORF.at
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