-pc- (für die Junge Linke): Antifa – Zurück in die Zwanziger? – Homophobie und Antifaschismus (akin)

Warum der Kampf gegen Homophobie auch antifaschistisch sein muss

Es ist gerade mal eine Woche verstrichen, seit dem sich fundamentalistische Christ*innen und europäische Neofaschisten auf dem Stephansplatz beim „Marsch für die Familie“ ekelhafte Flyer in die Hand drückten. Aber auf der Facebook-Seite „To Russia with Love“ (Demoaufruf gegen Homophobie zum Putinbesuch am 24.6.) hielt es offensichtlich ein*e Organisator*in für notwendig, Antifaschist*innen und Angehörige des NOWKR-Bündnisses von der Demo auszuladen 1). Während der Entstehung dieser Zeilen wurde das betreffende Posting allerdings wieder gelöscht und es wurde eine Gegendarstellung veröffentlicht.

Die Gegenkundgebung zur Regenbogenparade war bereits im Jahr 2013 mit sehr bedenklichen Aussagen eines Martin Stiglmayr, damals stellvertretender BZÖ-Obmann in Niederösterreich, aufgefallen. 200 Menschen protestierten gegen den Aufmarsch. Diese bedrohte Stiglmayr in einer Brandrede, indem er ihnen ihre Hinrichtung in islamistischen Ländern vor Augen führte. Die Protestierenden sollten seinen Aussagen zu Folge doch froh sein, dass Stiglmayr und sein Mob sie ließen wie sie seien. Sie sollten froh sein, dass er sie AM LEBEN LASSE! 2)

Ebenso wurde damals ein sehr merkwürdiges Grußschreiben aus Frankreich verlesen, dessen Tonfall sich deutlich an das Motto des nationalkonservativen Blogs „Gates of Vienna“ anlehnte, auf dem Wien als die Stadt abgefeiert wird, in der zum ersten Mal die christlich-europäische Tradition vor einem Islamismus gerettet worden sei. 3)

Beim diesjährigen „Marsch für die Familie“ waren dann, als bedürften Stiglmayrs Drohungen auch noch einer Verkörperung, Aktivisten der Bewegung „Europäische Aktion“ anwesend, sowie Rechtsradikale aus Ungarn und der Slowakei. Man sollte meinen, dass das Schwenken einer Kruckenkreuzfahne (in Österreich !!!) durch Angehörige einer Bewegung, die faschistische Schriften (zB „Grundrisse einer faschistischen Rassenlehre“ von Julius Evola) auf ihrer Homepage veröffentlicht, selbst die Fundis beim „Marsch für die Famile“ störe.

Dem war nicht so, weshalb die Wiener Polizei es einmal mehr nicht für notwendig hielt, hier einzuschreiten. Stattdessen verteilte sie lieber Anzeigen an die auch heuer zahlreich erschienenen GegenGegendemonstrant*innen (und zwar auch noch, als die Kundgebung bereits zu Ende war 4) ).

Die Ereignisse beim „Marsch für die Familie“ 2013 und 2014 sollten nun eigentlich Anlass genug sein, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie sich Homophobie im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gestaltet und äußert, und woher sie kommt. Wem das aber immer noch nicht reicht, der/die informiere sich über homophobe Morde und die Gesetzgebung / Rechtsprechung in Russland oder beobachte die Facebook-Seite der Identitären Bewegung Österreichs bzw. Wiens, wo immer wieder schwulenfeindliche Postings zu lesen sind bzw. Hetero-Familien gegen den sogenannten „Gender-Wahn“ in Stellung gebracht werden.

Warum wir all diese Gruppierungen in einen Topf werfen, ist schnell erklärt.

Derzeit weht ein Wind durch unsere Städte, der versucht, ein Europa der Völker gegen einen vermeintlichen US-amerikanischen Kulturimperialismus in Stellung zu bringen. Ob in den Wahlkämpfen für die Wahlen zum Europa-Parlament, in den nationalkonservativen Schriften des Anders Breivik, in der Identitären Bewegung Frankreichs, Deutschlands, Österreichs, Italiens, beim „Marsch für die Familie“, in den Organisationstrukturen des Vereins „Väter ohne Rechte“ oder den Wiener Mahnwachen, überall werden reaktionäre Werte betont, um die christlich-europäische Gesellschaft zu retten, die angeblich kurz vor dem Untergang stehe.

Man bekennt sich neuerdings zu einer Vielfalt der Völker, stellt ebendiese Völker unter dem Vorwand des Ethnopluralismus sogar unter eine Glasglocke, und übergeht dabei Individuen.

Man behauptet, die Familie zu schützen und stellt sich als friedfertig da, weil man die lesbischen und schwulen Kinder nicht auf der Stelle steinigen lassen möchte. Die Freiheit des Willens anderer wird der eigenen Definition von Natur – und der Erhaltung der Gesellschaft – untergeordnet.

Wenn ihr uns fragt: Wir finden das ist irgendwie soooo 1920. Europa der Völker, starke Familie, um Himmels willen nicht der Gesellschaft (früher hieß das eben Volkskörper) schaden – das stinkt nach Mussolini, Seipel und Dolfuß. Russische Ideologen, wie der nationalbolschewistische Alexander Dugin (auf den sich auch „unsere“ Identitären freudig beziehen [„hat nen cooleren Bart als Marx 😀 :D“] bilden „Heilige Allianzen“ mit Strache, Le Pen und Siderow; während verwirrte Mahnwächter wie Jürgen Elsässer Putin und seine homophobe Politik unbefangen in Schutz nehmen.

Wir fassen zusammen: Der neue Faschismus steckt nicht (wie das vielleicht damals sogar niemals jemand gesagt hat) im Antifaschismus, sondern er steckt tief drin im guten, alten Europa. Und er ist homophob.

Mehr noch als dass, er macht virulente Homolobbies gemeinsam mit dem „Kulturmarxismus“ für den vermeintlichen Untergang der christlichen Kultur in Europa verantwortlich. Früher hieß das Freikorps, Heimwehr, Christlichsoziale – heute heißt das Reconquista, Heilige Allianz, Identitär, REKOS.

Und selbstverständlich! äußern sich die alle legal, demokratisch, gewaltverzichtend, friedensbewegt, pluralistisch, tolerant. Denn etwas Anderes ist heute – nach dem Zweiten Weltkrieg, nach der SA, nach den Pogromen – in einem von Allierten erkämpften, modernen Rechtsstaat nicht mehr möglich. Der Aufruf zur Gewalt ist strafbar und wird geahndet.

Das geht so weit, dass es schon reicht, einer Organisation Gewaltbereitschaft zu unterstellen, um sie als faschistisch in Verruf zu bringen. Bevorzugt passiert das bei linken Organisationen, und es reicht wenn sie großmäulig „Unseren Hass, den könnt ihr haben“ affichieren.

Wir nehmen mal davon Abstand, und behaupten nicht, dass etwa die Besucher oder Inhalte des „Marsches für die Familie“ selbst gewaltbereit, und allein deshalb faschistisch seien. Wir rufen dazu auf, deren Inhalte mit den Inhalten von Faschisten des zweiten Jahrzehnts des zwanzigsten Jahrhunderts zu vergleichen, und sich selber ein Bild zu machen.

-pc- (für die Junge Linke)

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1) „Es ist uns wichtig klarzustellen, das wir nicht zusammen mit anderen Gruppen wie NOWKR, Antifa oder ukrainischen Nationalisten demonstrieren werden! Es soll ein friedlicher Marsch gegen die homophobe Gesetzgebung in Russland und für Menschenrechte, Liebe und Akzeptanz werden!!!“

Nach den heftigen Protesten hieß es dann: „Wir möchte hier eine Klarstellung

abgeben: Diese Posting stammt von einer/mAktivistin/en der es nicht mit dem Netzwerk abgesprochen hat, und ist NICHT Meinung des Netzwerkes ‚To Russia With Love Austria‘. Deswegen wurde es auch nach ein paar Minuten wieder gelöscht. Wir ENTSCHULDIGEN uns bei Allen die gedacht haben es ist Meinung unseres Netzwerkes, Wir wollen und wollten niemals jemanden ausgrenzen oder etwas unterstellen. Wir rufen zu einem friedlichen Marsch für Menschenrechte, Liebe und Akzeptanz auf und hoffen auf Rege Beteiligung!“

(Facebook-Seite „To Russia with Love“

https://www.facebook.com/events/1432957723638164/ ) Am Abend des 23.6. entschied sich dann auch die HOSI zu einem Aufruf zur Demo.

2) http://www.youtube.com/watch?v=7Zj2J8QQam8

„Freiheit bedeutet nicht, dass man tun kann, was man will, schon gar nicht wenn es wider die Natur ist und die Gesellschaft zerstört.“ (…) Wir bringen euch nicht um, wir lassen euch wie ihr seid. Im Unterschied zu manchen islamistischen Ländern, dort werdet ihr nämlich umgebracht. Was ist euer Dank dafür, dass wir euch Leben lassen?“

3) http://www.youtube.com/watch?v=gVDAtFLD8iY

„1683 wurde in Wien das Eindringen des Islam nach Europa aufgehalten.

Schreiben uns die französischen Freunde. Es war also in eurer schönen Stadt Wien, dass unsere große und wertvolle, westliche und christliche Zivilisation das erste Mal gerettet wurde. Eure Rolle im Jahr 2013 soll nicht weniger bedeutend sein, in der Verteidigung der Familie, der Vernunft und der ganzen österreichischen und europäischen Gesellschaft.

4)

http://www.sigimaurer.at/2014/06/wie-die-polizei-mit-nationalratsabgeordneten-und-demonstrant_innen-umgeht/