*Rosso: Gegen die Vereinigung auf der Linken. Eine neue Arbeiterpartei!

* Rosso:

Die infolge der Gründung der Demokratischen Partei durch die ehemals kommunistischen Linksdemokraten (DS) sowie die christlich-liberale Margerite ausgelöste Debatte um die organisatorische und politische Neuorientierung der radikalen Linken spielt sich nicht nur innerhalb von Rifondazione Comunista (PRC) und den anderen Parteien der so genannten „Regierungslinken“ (PdCI, SD, Verdi / Grüne) ab, sondern auch links davon. Unter anderem in der Anfang Mai 2006 vollzogenen Linksabspaltung von Rifondazione Comunista, die um den ehemaligen Kopf der linkstrotzkistischen „Progetto Comunista“-Strömung Marco Ferrando herum nun eine eigenständige, nicht unbedingt trotzkistische, aber bewegungsorientierte Kommunistischen Arbeiterpartei (PCL) aufzubauen versucht. Auf dem letzten Parteitag von Rifondazione Anfang März 2005 in Venedig vertrat Progetto Comunista 6,5% der damals 95.000 PRC-Mitglieder. Im Januar 2006 spaltete sich die Strömung in zwei etwa gleich große Teile: die Gruppe um Ferrando und die Gruppe um Francesco Ricci (heute Partei der Kommunistischen Alternative – PdAC). Die Differenzen zwischen beiden hat Franco Crisecci Ende Mai 2006 sehr prägnant umrissen (siehe: http://antifa.unihannover.tripod.com/5_Differenzen_PC-ROL.htm). Ganz kurz zusammengefasst kann man sagen, dass Ferrando & Genossen stärker kurzfristig orientiert und auf Medienresonanz bedacht sind, wobei die Führerfigur Ferrando und seine Prominenz eine große Rolle spielen und sie inhaltlich / theoretisch zu relativ weitgehend Zugeständnissen an den (linksradikalen) Zeitgeist bereit sind, während Ricci & Genossen eher einen kollektiven, theoretisch eindeutigen und fundierten Ansatz vertreten und mehr auf eine langfristige Verankerung in der Arbeiterklasse und linken Teilen der Jugend schauen.

In einem Beitrag für die unabhängige linke Tageszeitung „il manifesto“ vom 12.6.2007 legt der aus Genua stammende, 52jährige Gymnasiallehrer für Philosophie und Geschichte, Marco Ferrando, seine Position dar.

 

Die Intervention:

Gegen die Vereinigung auf der Linken. Eine neue Arbeiterpartei!

Marco Ferrando*

Die Neuzusammensetzung, die in der italienischen Linken stattfindet, hat objektiv eine historische Tragweite. Der Zyklus, der mit der Auflösung der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) vor dem Hintergrund von `89 begonnen hatte, geht zu Ende und definiert die Konstellationen der Repräsentanz auf der Linken neu. Die Schaffung der Demokratischen Partei (PD) ist das Muster für die Neuzusammensetzung einer zentralen Vertretung der Leitungsklassen des Landes nach dem Zusammenbruch der Democrazia Cristiana <1994> und der Unfähigkeit von Forza Italia dieses Vakuum zu füllen. Hinter seinen kulturellen Selbstdarstellungen und seinen ermüdenden internen Streitereien verfügt das Projekt PD über sehr solide materielle Wurzeln: über die Unterstützung eines Großteils der <Industriellenvereinigung> Confindustria, der wichtigsten Banken, der großen Zeitungen und der oberen Staatsbürokratie. Hier liegt seine Stärke und gewiss nicht in der Zustimmung, die diese Partei bei Wahlen erfährt. (Die ist sehr viel bescheidener als erwartet.) Und sie liegt auch nicht in der institutionellen Konstellation, die noch unvorhersehbaren Variablen ausgesetzt ist, sondern in der Nabelschnur zu den guten Stuben der Bourgeoisie und des großen Finanzkapitals. Der Aufruhr, der parallel dazu in diesen Monaten links vom PD hervorgerufen wird, ist von diesem Prozess nicht zu trennen und ihm zugleich untergeordnet.

Die gegenwärtigen Komponenten der Regierungslinken mit dem PRC an der Spitze zielen darauf ab ihre Kräfte in einer sozialdemokratischen Neugründung (Rifondazione socialdemocratica) zu vereinigen. Mit gutem Grund: „Wenn die Linksdemokraten (DS) das Terrain der Sozialdemokratie räumen, warum diesen Raum dann nicht besetzen?“ Das ist der wahre Antrieb der Vereinigung, jenseits ihrer Formen und Zeiträume. Auch hier zählen nicht die (vielfältigen) ideologischen Selbstdarstellungen der neuen Baustelle, sondern die Materialität einer grundlegenden Positionierung: einer Linken der Mitte-Linken, die mit der Demokratischen Partei (PD) verbündet ist und damit Teil des Interessenblockes, den diese repräsentiert; solide verankert in der Regierung, mit den Sprachrohren der starken Mächte und damit in die Konzertierte Aktion von Militärmissionen und sozialen Opfern einbezogen; die darauf abzielt, eine eigene Kontrolle über die Bewegungen, ihre Unterordnung unter den politischen Rahmen der Alternanz <Anm.1> und die Ausgrenzung der radikalen Impulse in ihrem Innern als Mitgift in die Demokratische Partei und die Mitte-Linke einzubringen. Ist das vielleicht nicht die klassische Funktion einer Sozialdemokratie und sei sie noch so klein? Dieses Projekt ist heute in Italien schwach und stark. Schwach weil es zwei besiegte Geschichten summiert (die des PRC und der DS-Linken <d.h. seit Mai 2007 der Demokratischen Linken – SD>). Weil diese durch die tagtägliche Kompromittierung ihrer treibenden Kräfte in der Regierung verschlissen sind, wie die Halbierung des PRC bei den Wahlen und sein Flop auf der Straße <bei dem Versuch am 9.6.2007 eine separate Anti-Bush-Kundgebung in Rom, ohne Kritik an der Regierung Prodi abzuhalten> zeigt. Weil es in einer Zeit der historischen Krise des Reformismus der eigenen sozialen Basis nichts zu bieten hat und daher zu keiner großen Begeisterung führt. Es ist allerdings stark aufgrund der materiellen Funktion, die es abdecken will: der gewerkschaftlichen Sozialpartnerschaft ein Ufer und einen Faktor für die Entschärfung einer möglichen sozialen Massenopposition zu bieten. Eine für die Leitungsklassen und das Gleichgewicht des Systems nützliche Funktion. Weshalb es von angesehenen Presseorganen als Element zur Rationalisierung der Mitte-Linken begrüßt wird.

Wenn die Dinge so stehen ist die Notwendigkeit einer antikapitalistischen, politisch und organisatorisch autonomen Linken heute umso unverzichtbarer und unaufschiebbar. Es handelt sich nicht um eine „ideologische“ Petition, sondern um das objektive Erfordernis einer unabhängigen Vertretung der Arbeiterbewegung und der Kampfbewegungen. Diesem Zweck dienen „kritische“ und amphibische Strömungen des PRC nicht. Und auch nicht die soundsovielte Neuauflage von politischen „lighten“ Zusammenschlüssen, einer regenbogenartigen Zusammenstellung von Antagonismen ohne strategisches Bindemittel und soziales Barizentrum und somit (wie immer) zur Auflösung oder zur Unterordnung unter ein Wahlkartell ohne Zukunft verdammt. Angesichts des organischen Charakters der stattfindenden politischen Prozesse glauben wir, dass der Aufbau einer unabhängigen Klassenpartei notwendig ist. Einer organisierten und gesellschaftlich verankerten Kraft, die über historische Erinnerung verfügt und auf einem Gesamtkonzept basiert; die daran arbeitet die Autonomie der Bewegungen vor der bipolaren Alternanz zu verteidigen und ihre Beweggründe zu vereinen; die die vielfältigen Formen der eigenen (gewerkschaftlichen, politischen und institutionellen) Intervention auf ein Gesamtkonzept zurückführt; die in der Lage ist in jedem Teilkampf die Aktualität einer allgemeinen, nationalen und internationalen antikapitalistischen Perspektive zu rekonstruieren und lebendig werden zu lassen; die in der Lage ist auf dieser Perspektive die eigene Opposition gegen alle Regierungen der lokalen und nationalen herrschenden Klassen zu gründen.

Man sage nicht, dass „es dafür keinen Platz gibt“ oder „die Zeiten nicht so sind“. Die Zeiten und der Raum erleben den rapiden Untergang zahlreicher Illusionen über die „befreundete“ Regierung: Im Wahlstreik bedeutender Teile der Massen; im Abdriften einer Regierungslinken, die so weit gekommen ist, dass sie für den Krieg stimmt und die „Folgore“ abfeiert <Anm.2>; in der Beschleunigung der Neuzusammensetzung auf der Linken. Wann, wenn nicht jetzt?

Die Schaffung der Kommunistischen Arbeiterpartei (Partito Comunista dei Lavoratori – PCL), die im Herbst ihren Gründungskongress abhalten wird, will auf diese Notwendigkeit eine Antwort geben. Unsere Kandidatur bei den letzten Kommunalwahlen (mit dem schmeichelhaften Ergebnis von 1%, obwohl wir erst ´seit einem Jahr existieren) steht in dieser geduldigen und zähen Perspektive. Mit der maximalen Öffnung für alle kämpferischen Werktätigen, für die Bewegungsaktivisten und die kritischen Militanten der Linken, unabhängig von ihrer Herkunft und den zurückgelegten Wegen. Aber mit der maximalen Rigorosität was die Prinzipien des Antikapitalismus und des Antistalinismus anbelangt. Weil wir 15 Jahre später die Parabel Rifondazione, die in der Opposition entstanden und in den Ministerien gelandet ist, nicht noch einmal erleben wollen. Ebenso wenig wollen wir, hinter der ideologischen Vereinfachung der „Einheit der Kommunisten“ die Notwendigkeit einer realen Bilanz des 20.Jahrhunderts verdrängen. Kurz gesagt: „eine Linke, die nicht verrät“ gegen die lange historische Tradition der Wendehälse (des „trasformismo“).

* nationaler Sprecher des Movimento per il Partito Comunista dei Lavoratori (Bewegung für die Schaffung der Kommunistischen Arbeiterpartei)

 

Anmerkungen:

1.) Alternanz steht hier für den periodischen Wechsel zwischen Mitte-Rechter und Mitte-Linker ohne wesentliche inhaltliche Unterschiede.

2.) Die Fallschirmjägerbrigade „Folgore“ (Blitz) ist eine der Eliteeinheiten der italienischen Armee und war in den letzten Jahrzehnten an zahlreichen Auslandseinsätzen der NATO- und G8-Macht Italien beteiligt. Bei einem Besuch der italienischen Einheiten der UNIFIL 2-Truppe im Libanon Anfang Mai 2007 lobte der langjährige PRC-Generalsekretär und jetzigen Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer Fausto Bertinotti, der die radikale Linke in ihrem Kampf stets zu absoluter Gewaltfreiheit verpflichten will, diese Soldateska in den höchsten Tönen. Unter anderem bezeichnete er das italienische Militärkontingent als „bestes Schaufenster des Landes“. Und erklärte: „Diese Mission ist das beste Schaufenster für Italien. Ich bin stolz und dankbar, das ich diesem Land angehöre. Es wäre nötig, dass die Politiker diesen Militärs zuhören, hierher in den Libanon kommen und ihre Fähigkeit zum Verständnis erleben. Ihre Präsenz hier ist wirklich eine militärische Friedenspräsenz…“ Die von Bertinotti abgefeierten „Folgore“-Kompanien tragen Namen wie: „Schwarze Teufel“, „Vampire“ oder „Pest“.

 

Vorbemerkung, Übersetzung, Anmerkung und Einfügungen in eckigen Klammern:

* Rosso

Der Name* Rosso steht für ein Mitglied des Gewerkschaftsforums Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover, die sich nach mehr als 17jähriger Arbeit Ende Oktober 2006 aufgelöst hat (siehe: http://www.freewebtown.com/antifauni/ Rubrik „Aktuelles“).

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