Ermittlungen gegen 8 Kollegen eingestellt – Staatsanwaltschaft beantragt Strafbefehle gegen 13 – Die Unterstützung geht in die nächste Runde
Liebe KollegInnen,
mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Köln Strafbefehle gegen 13 Kollegen verschicken lassen. Ein Kollege soll zehn Monate Haft auf Bewährung bekommen.
Da alle Kollegen, die bis jetzt Strafbefehle erhalten haben, Widerspruch dagegen eingelegt haben, werden auf Köln in Kürze hochbrisante politische Prozesse zukommen. Bereiten wir uns darauf vor!
Wir bitten Euch um die Weiterleitung, Verbreitung und Veröffentlichung der folgenden aktuellen Erklärung und um weitere Solidaritätserklärungen!
Mit solidarischen Grüßen aus Köln
Solikreis „7. November“
http://solikreis07nov.wordpress.com/
Ermittlungen gegen 8 Kollegen eingestellt – Staatsanwaltschaft beantragt Strafbefehle gegen 13 – Die Unterstützung geht in die nächste Runde
Nach der Veröffentlichung der Ermittlungsverfahren durch die Solikampagne hat es eine breite und grenzüberschreitende Solidarität mit den verfolgten Kollegen aus Genk und Köln gegeben: Kollegen aus dem Werk, Betriebsaktivisten, Gewerkschafter, Aktivisten aus politischen Gruppen und Parteien aus ganz Deutschland, Belgien und der Schweiz haben sich mit den Ford-Kollegen solidarisiert. Medien in Deutschland und Belgien haben darüber berichtet.
Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Köln am Freitag über die Lokalpresse angekündigt, dass gegen 13 Kollegen Strafbefehle verschickt werden: 12 Kollegen sollen Geldstrafen bekommen. Der Strafbefehl gegen einen „Hauptverdächtigen“ sieht zehn Monate Haft auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung vor (angebliche Knalltraumata bei Polizisten durch Böllerwürfe). Die Ermittlungen gegen 8 Kollegen werden eingestellt.
Diese Ankündigung eine Woche nach dem Start der Unterstützungsaktivitäten ist ganz offensichtlich eine Reaktion darauf:
Die Einstellung der Verfahren gegen 8 Kollegen ist ein erster Teilerfolg für alle UnterstützerInnen.
Eines ist jedoch klar: Die durchsichtige Strategie der Staatsanwaltschaft, mit der Einstellung eines Teils der Verfahren und Strafbefehlen gegen den Rest (insbesondere der Bewährungsstrafe gegen den “Haupttäter”) die betroffenen Kollegen zu spalten, werden wir nicht hinnehmen.
Wir bekräftigen nochmals: Das wahre Verbrechen besteht darin, Fabriken und Firmen zu schließen und Menschen auf die Straße zu setzen. Der Widerstand gegen Arbeitsplatzvernichtung ist uneingeschränkt gerechtfertigt: Das schließt die Selbstverteidigung gegen amoklaufende Polizisten ein.
Soll die Polizei sich nicht in Streiks und Arbeiterproteste einmischen – dann gibt es auch kein Knalltrauma.
Wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir für unsere Arbeitsplätze zu kämpfen haben.
Wir fordern die Einstellung aller Ermittlungsverfahren und die Rücknahme aller Strafbefehle.
Die betroffenen Kollegen, die bis jetzt Strafbefehle erhalten haben, haben bereits Widersprüche dagegen eingelegt. Damit werden auf Köln hochbrisante politische Prozesse zukommen. Darauf werden wir uns vorbereiten.
Wir rufen alle dazu auf, solidarisch zu sein, weitere Solierklärungen zu schicken und das Thema in Betriebe und proletarische Stadtteile hineinzutragen.
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Liebe KollegInnen,
wir bitten Euch um die Weiterleitung, Verbreitung und Veröffentlichung der folgenden Erklärung des Solikreises „7. November“.
Am 7. November 2012 demonstrierten 250 KollegInnen von Ford Genk in Köln gegen die Schließung ihres Werks. Die Folge war ein Amoklauf der Polizei, die mit mehreren Hundertschaften anrückte. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen insgesamt 16 Kollegen aus Belgien und Köln eingeleitet – wegen „besonders schwerem Landfriedensbruch“.
Wir sagen dazu: Das wirkliche Verbrechen ist die Werksschließung. Der Widerstand dagegen ist voll und ganz gerechtfertigt. Wir wenden uns gegen die Kriminalisierung.
Wir bitten Euch um Solidaritätserklärungen!
Mit solidarischen Grüßen aus Köln
Solikreis „7. November“
http://solikreis07nov.wordpress.com/
Solidarität mit den Ford-KollegInnen!
„Wir wollten unsere Kölner Kollegen warnen. Jeden Tag kann es passieren, dass die da oben weitere Stellenstreichungen und ganze Werksschließungen verabschieden.“ (Zitat eines Genker Kollegen im Express, 8.11.12)
Am 7. November protestierten 250 Beschäftigte und Gewerkschafter aus dem belgischen Genk vor der Ford-Europazentrale in Köln gegen die geplante Schließung ihres Werks.
Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungsverfahren gegen 15 belgische Ford-Arbeiter und einen solidarischen Kollegen aus Köln eingeleitet. Der Vorwurf lautet auf “Rädelsführerschaft” in einem “besonders schweren Fall von Landfriedensbruch”. Die Strafandrohung darauf lautet auf Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
Was war passiert?
Zwei Wochen zuvor, am 24. Oktober, hatte der US-Autobauer Ford angekündigt, den Produktionsstandort Genk mit 4300 Beschäftigten bis Ende 2014 zu schließen. Rechnet man alle Arbeitsplätze zusammen, die vom Genker Werk abhängen, kommt man auf etwa 10.000. Die Werksschließung bedeutet also das wirtschaftliche Ausbluten einer ganzen Region in Belgien.
Als Ford-Beschäftigte aus Köln von der Werksschließung und den beginnenden Protesten ihrer Genker Kollegen erfahren haben, wandten sie sich an ihren Betriebsrat mit dem Vorschlag, die Kollegen zu unterstützen. Die lapidare Antwort der IG-Metall-Funktionäre: Man habe leider keine Telefonnummer in Belgien. Die Koordination einer Solidaritätsaktion sei daher nicht möglich.
Daraufhin haben einige Kölner KollegInnen selbst die Initiative ergriffen und sind zu einem Solidaritätsbesuch nach Genk gefahren. Dort wurden sie mit offenen Armen empfangen. Aus dem Treffen entstand die Idee einer Aktion der Genker Beschäftigten während der Sitzung des Europäischen Betriebsrats in der Europazentrale in Köln. Die Forderung der Genker Kollegen: Verteilung der Produktion von Ford auf alle europäischen Standorte statt Schließung des Genker Werks.
Am 7. November brachen etwa 250 Genker Autobauer in 5 Bussen nach Köln auf. Sie betraten das Werksgelände, gingen zu Gebäude A und forderten dort den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Hinkelmann zu einem Gespräch auf. Statt die BesucherInnen mit offenen Armen zu empfangen und zu unterstützen, versuchte dieser die Kollegen mit Verweis auf die von ihnen in Genk geplante Demonstration am folgenden Sonntag zu beschwichtigen. Viele der Zuhörer beantworteten Hinkelmanns Rede mit Buh- und Zwischenrufen.
Amoklauf der Polizei
Was dann folgte, verschlug vielen die Sprache: Als die Genker KollegInnen das Werksgelände nach einer kurzen Besetzungsaktion verließen, wurden sie von einem massiven Polizeiaufgebot aus mehreren Hundertschaften angegriffen und eingekesselt. 120 Streifenwagen und ein Hubschrauber wurden gegen die protestierenden ArbeiterInnen eingesetzt.
Offensichtlich zum Zwecke einer späteren Strafverfolgung fertigte die Polizei jeden einzelnen im Polizeikessel festgehaltenen Arbeiter mit Personalienkontrolle, Fotografien, Taschen- und Körperkontrollen ab. Nicht wenige KollegInnen fühlten sich an die faschistische deutsche Besetzung Belgiens während des Zweiten Weltkriegs erinnert. In einem empörten Redebeitrag mit dem Megaphon wurde deutlich, dass die anwesenden Beschäftigten, das verantwortliche Managment bei Ford Bernhard Matthes (aus Köln), Phelipe Verbeek (aus Genk) und Stephen Odell (für ganz Europa) für die wahren Verbrecher halten: “Sie und nicht wir sollten kriminalisiert werden!”
Parallelen zum Ford-Streik 1973
Zeitgleich zum Polizeiangriff wurden Kölner KollegInnen, die sich solidarisieren wollten, daran gehindert, indem die Werkshallen geschlossen und sie darin eingesperrt wurden.
Wie wir auf einer Veranstaltung anlässlich des 40sten Jahrestages des Ford-Streiks von 1973* erfahren haben, liegen diesem Agieren Notfallpläne gegen Arbeiterunruhen bei Ford zugrunde, die ein abgestimmtes Handeln von Werksschutz, Polizei, Geschäftsleitung, Gewerkschaft und Medien im Fall von Protesten vorsehen.
Wie schon damals beim Ford-Streik, als innerhalb und außerhalb des Werks rassistische Pogrom-Stimmungen gegen den „Türken-Terror“ geschürt wurden, haben die Kölner Medien am 7. und 8. November gegen den „Aufstand bei Ford“ (Express) gehetzt.
Auf sich allein gestellt sterben oder gemeinsam kämpfen?
Die Autoindustrie ist heute hochmonopolisiert und der Konkurrenzkampf zwischen den Autobauern hat sich ungemein verschärft. Während VW aus der weltweiten Wirtschaftskrise gestärkt hervorgegangen ist, ungemein viel Kapital nach Asien exportiert und den Plan verfolgt, Weltmarktführer zu werden, hatten Firmen wie Opel/General Motors und Ford in Europa das Nachsehen und wollen sich jetzt auf Kosten der Beschäftigten gesund sanieren.
In einer Zeit, in der die Industrieproduktion in globalen Produktionsketten organisiert ist, funktioniert das für die kapitalistischen Firmen nur, wenn sie es verstehen, ihre Beschäftigten „im Griff“ zu behalten.
Mit diesem Ziel werden verschiedenste Methoden eingesetzt, um die Belegschaften zu spalten und gegeneinander auszuspielen. Beispielsweise durch die Spaltung in Stamm- und Leihbelegschaften, die den deutschen Konzernen während der Krise „gute Dienste“ geleistet hat.
Ein weiteres Mittel ist der Standort-Chauvinismus, an dem sich gerade Gewerkschaften wie die IG Metall beteiligen: Im Fall von Opel schoss der Bochumer Betriebsratschef Einenkel im Jahr 2010 zunächst gegen den Standort Antwerpen („Das belgische Werk dürfe nicht auf Bochums Kosten gerettet werden.“, WAZ vom 7.4.10). Jetzt, da Antwerpen dicht ist, soll es Bochum an den Kragen gehen.
Die Produktion der Fahrzeuge Ford Mondeo, S-Max und Galaxy soll nach den Plänen von Ford nach der Schließung von Genk ins spanische Valencia gehen. Von dort soll die Fertigung des C-Max und Grand C-Max ins saarländische Saarlouis verlagert werden. Die deutschen Belegschaften sollen damit vorübergehend in Sicherheit gewiegt werden – nach dem Motto: „Das Gewitter ist nochmal an uns vorbeigezogen.“ Das Beispiel Opel zeigt aber: Selbst wenn hier vorübergehend ein paar Jobs erhalten bleiben, weil eine Belegschaft mehr Zugeständnisse macht als die anderen, hält das die Gesamtbewegung nicht auf, die am Ende alle in die Arbeitslosigkeit reisst.
Als Beschäftigte können wir uns überlegen, ob wir uns auf diese Logik einlassen und einer nach dem anderen auf sich allein gestellt stirbt. Oder ob wir uns zusammentun und eigenständig Kämpfe führen, die über Standort-, Konzern- und Ländergrenzen hinausgehen und sich nicht an den vorgeschriebenen „Dienstweg“ halten.
Die Aktion der Genker Kollegen hat vorgemacht, wie das gehen kann. Lassen wir sie jetzt also nicht allein!
Solidarität ist notwendig
Durch die Ermittlungsverfahren wird jeder, der gegen die Vernichtung seines Arbeitsplatzes kämpft, mit strafrechtlicher Verfolgung bedroht (denken wir nur an Nokia Bochum, Schlecker, TSTG Duisburg, Opel Bochum, Siemens, Outokumpu u.v.m.). Die Kriminalisierung der Aktion der Genker KollegInnen und ihrer UnterstützerInnen ist daher ein Angriff auf jeden, der in Deutschland einer Lohnarbeit nachgeht.
Neben dem drohenden hohen Strafmaß könnte Ford mögliche Verurteilungen außerdem zum Anlass nehmen, um die Beschäftigten zu kündigen.
Deshalb haben wir einen Solidaritätskreis ins Leben gerufen, um die KollegInnen zu unterstützen. Wir bekräftigen die Ansage der eingekesselten KollegInnen vom 7. November: Das wahre Verbrechen besteht darin, Fabriken und Firmen zu schließen, tausende Menschen auf die Straße zu setzen und ihnen ihre Existenz zu rauben. Der Widerstand gegen Arbeitsplatzvernichtung ist voll und ganz gerechtfertigt. Wir lassen uns nicht vorschreiben, wie wir für unsere Arbeitsplätze zu kämpfen haben.
Wir rufen Kolleginnen und Kollegen und alle Interessierten – unabhängig von Weltanschauung, Parteibuch oder Gewerkschaftsmitgliedschaft – dazu auf, sich zu solidarisieren!
Schickt uns Solidaritätsadressen! Informiert Euch auf unserer Webseite!
Wir fordern die sofortige Einstellung aller Ermittlungsverfahren!
Der Widerstand gegen Massenentlassungen ist legitim!
Für internationale Klassensolidarität statt Standortlogik!
E-Mail: solikreis0711@gmail.com
Spendenkonto: Klaus Dillmann, Postbank Saarbrücken, BLZ 590 100 66, Kto. 098 858 0668, Stichwort: “7. November”