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*Suedwind* und die Gewerkschaft PRO-GE machen anlaesslich des Welttages fuer menschenwuerdige Arbeit am 7. Oktober auf die Missstaende in der Schokoladeindustrie aufmerksam und fordern von den Unternehmen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Schokoladeproduktion.
Schon Anfang Oktober fuellen sich wieder die Regale in den Supermaerkten mit (vor)weihnachtlichen Schokoladeprodukten zu teilweise sehr niedrigen Preisen. Der Kakaopreis am Weltmarkt ist guenstig und der Schokoladekonsum hierzulande hoch: Oesterreich rangiert mit rund 9 Kilogramm pro Kopf auf Platz sechs weltweit.
Bis zu 14 Millionen ArbeiterInnen sind auf Kakaoplantagen und -farmen weltweit damit beschaeftigt, Kakaoschoten von den Baeumen zu pfluecken und sie anschliessend muehselig aufzuhacken, um die Bohnen fuer die Fermentierung und Trocknung freizulegen. Trotz der arbeitsintensiven Pflege und Ernte der Kakaobohne erhalten Kakaobaeuerinnen und -bauern aktuell nur mehr 6% am Anteil des Verkaufspreises einer Tafel Schokolade. Im Vergleich dazu waren es 1980 noch 16%.
Die seit den 1980er Jahren real um fast die Haelfte gefallenen Preise haben sukzessive zu einer Verarmung von Kakaobaeuerinnen und -bauern und zu einem Anstieg von ausbeuterischer Kinderarbeit gefuehrt. Zudem fehlt es nun an Kapital, um in die Vitalitaet und Produktivitaet der Kakaoplantagen zu investieren. Diese Missstaende koennen nun letztendlich der Schokoladeindustrie selbst zum Verhaengnis werden.
„Viele Jahrzehnte war es fuer Industriestaaten und multinationale Konzerne ganz einfach, Menschen aus dem Sueden auszubeuten. Die Strukturen in den Erzeugerlaendern haben auch dazu beigetragen, dass sich wenig politisch veraendert. Wir stehen nun vor einer voellig neuen Situation – Sinkende Ertraege, Perspektivlosigkeit und Abwanderung in die Staedte fuehren dazu, dass der steigende Bedarf der Industrie an Kakaobohnen bald nicht mehr gedeckt werden kann“, erklaert Gerhard Riess von der Gewerkschaft PRO-GE.
Laut Einschaetzung des groessten Kakaoverarbeiters Barry Callebaut aus der Schweiz wird bis 2020 ein Kakao-Versorgungsengpass von einer Million Tonnen erwartet. Um diesen zu verhindern, muesste der weltweite Ertrag um ca. 100.000 Tonnen pro Jahr steigen. Derzeit werden jaehrlich 3,5 Mio. Tonnen weltweit produziert.
Gift fuer Suesses
Viele Schokoladekonzerne reagieren auf die zu erwartenden Lieferengpaesse, indem sie sogenannte Foerderprogramme zur Steigerung der Produktivitaet der Kakaoplantagen ins Leben rufen. Viele dieser Programme zielten darauf ab, den Baeuerinnen und Bauern die Verwendung von hochgiftigen Pestiziden und Duengemitteln nahezulegen und sie dabei auch finanziell zu unterstuetzen.
Hans-Peter Hutter, Facharzt fuer Hygiene und Mikrobiologie sowie Landschaftsoekologe an der Medizinischen Universitaet Wien, hat diesbezueglich auf Kakaoplantagen in Westafrika und der Dominikanischen Republik im Zuge der Vorbereitung einer medizinischen Studie recherchiert. Seine Augenzeugenberichte sind schockierend: „Ich fand es sehr schlimm, wie sorglos mit hochgradig gesundheitsschaedlichen Chemikalien umgegangen wird. Chemikalien, die aufgrund ihrer Gefaehrlichkeit in der EU schon laengst verboten sind, stehen dort noch tagtaeglich am Einsatzplan. Erschreckend ist vor allem, dass die Pestizide ohne jeglichen Schutz fuer die ArbeiterInnen ausgebracht werden, oft auch im Beisein ihrer Kinder. Viele von ihnen koennen nicht lesen und schreiben und sind oftmals voellig im Unklaren darueber, welchen Gesundheitsrisiken sie sich aussetzen. Trotz der schlechten Arbeitsbedingungen sind diese Menschen auf diese Arbeit angewiesen, um ihre Familien versorgen zu koennen.“
ArbeiterInnen beklagen in erster Linie akute Symptome wie Augen- und Hautreizungen oder Uebelkeit. „An Langzeitfolgen wie Schaeden der Atemwege und des Nervensystems, Beeintraechtigung der Fortpflanzungsfaehigkeit wird hingegen ueberhaupt nicht gedacht“, so Hutter.
„Es ist keineswegs nachhaltig den Baeuerinnen und Bauern guenstige Pestizide zur Verfuegung zu stellen, nur um kurzfristig deren Ertraege zu steigern, sondern menschenverachtend und auch in oekologischer Sicht hoechst problematisch“, kritisiert Zeilinger von der NGO Suedwind. „All die heutigen Missstaende im Kakaoanbau sind bereits Folgen der jahrzehntelangen Niedrigpreispolitik der Schokoladenkonzerne. Wir fordern daher die Schokoladenunternehmen auf, Verantwortung zu uebernehmen und unseren Forderungen nach einer nachhaltigen Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen fuer Millionen von ArbeiterInnen nachzukommen“ verweist Zeilinger auf eine Petition von Suedwind, PRO-GE, Weltumspannend Arbeiten, Dreikoenigsaktion sowie Nichtregierungsorganisationen aus insgesamt 16 EU-Laendern.
Petition
In der gemeinsamen Petition treten diese ein fuer:
– faire Preise fuer Kakaobaeuerinnen und Kakaobauern;
– die Zahlung existenzsichernder Loehne und menschenwuerdige Arbeitsbedingungen fuer ArbeiterInnen;
– die bedingungslose Einhaltung des Verbots von ausbeuterischer Kinderarbeit;
– die Unterstuetzung fuer eine oekologisch nachhaltige und diversifizierte Landwirtschaft und eine unabhaengige Kontrolle der Zulieferkette.
Das FAIRTRADE-System kann dabei als gutes Vorbild dienen. So bietet FAIRTRADE ihren Kontraktbauern und –baeuerinnen einen existenzsichernden Mindestlohn, umfangreiche Schulungsprogramme im Bereich Biolandbau und Produktqualitaet sowie Vorfinanzierungen bei Investitionen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und in die Gesundheit der Kakaobaeume.
(Ausendung Suedwind/gek.)
Petition und Kampagnen-Website: http://www.makechocolatefair.org