Von: < koepruner.info>
- Betreff: Rundbrief Srebrenica
- Datum: Montag, 14. November 2005
- Sehr geehrte Damen und Herren,
- aufgrund mehrerer Anfragen und mit freundlicher Genehmigung des Autors übermittle ich in der Anlage per Rundbrief den viel beachteten Text
- „Srebrenica und das Video“ von Dr. Werner Sauer, Graz.
- (…)
- Mit der Bitte um Beachtung und besten Grüßen
- Kurt Köpruner
Werner Sauer
SREBRENICA und das VIDEO
(für Zoran Mirkovic, begonnen am 18.7.05)
Dieser Tage wurde dessen gedacht, was vor 10 Jahren so oder auch nicht ganz so bei der ostbosnischen Stadt Srebrenica geschah, und aus diesem Anlaß erhielt das, was man geradezu als eine eigene Literaturgattung namens mainstream-Artikel über Srebrenica bezeichnen könnte, naturgemäß wieder kräftigen Zuwachs. Etwas besonders Auffälliges an dieser Literaturgattung – ja, man könnte geradezu sagen: ihre Eigentümlichkeit, ihr proprium – ist die völlige Absenz eines Kontexts, und diese Dekontextualisierung macht das Geschehen bei Srebrenica im Juli 1995 zu SREBRENICA: zu einem unfaßbaren Geschehen, vor dem der Verstand zu schweigen hat und nur Erschütterung walten darf, anderenfalls man sich der Komplizenschaft mit den Tätern schuldig mache anstatt sich mit den Opfern zu solidarisieren. Das ist natürlich pure Mystifikation zu dem Zweck, die »den Serben« zugedachte Rolle für immer festzuschreiben, in dem blutigen Drama des Zerfalls oder besser der Zerstörung des alten Jugoslawien die eigentlichen, des schlimmsten Verbrechens in Europa seit den Naziverbrechen schuldigen Unholde gewesen zu sein: pure Mystifikation, denn die Geschehnisse bei Srebrenica im Juli 1995 haben eine Vorgeschichte, eine grausige Vorgeschichte als Kontext, nur hat man das nie an die große Glocke gehängt, geschweige denn, daß man darüber in der Öffentlichkeit der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft jemals besondere Erschütterung hätte walten lassen. Warum? Die Antwort ist so einfach wie nur was: Für die Satanisierung der serbischen Seite gab das nichts her, es waren die falschen Täter und die falschen, weil serbischen Opfer.
I
Srebrenica war der Stützpunkt, von dem aus Naser Oric mit seinen in der Stadt stationierten muslimischen Truppen unter der serbischen Bevölkerung in der Region wütete, und das auch noch nachdem die Stadt im April 1993 zur UNO-Schutzzone erklärt worden war, was ihre Demilitarisierung zur Folge hätte haben müssen; noch Ende Juni 1995 fanden solche Angriffe statt. Im April 93 übergab die jugoslawische Staatskommission für Kriegsverbrechen dem Sicherheitsrat ein 132 Seiten langesMemorandum on War Crimes and Crimes of Genocide in Eastern Bosnia (Communes of Bratunac, Skelani and Srebrenica) comitted against the Serbian population from April 1992 to April 1993, beinhaltend u.a.:
Liste der Opfer (22 Seiten lang), Aufzählung der Massaker, Anführung muslimischer Täter, Aussagen von Überlebenden.
Der Sicherheitsrat akzeptierte das Memorandum als offizielles UNO-Dokument;
aber das Medienecho war überhörbar: eben die falschen Opfer, lautet auch hier die schlichte Antwort auf die vom US-Journalisten Peter Brock in anderem Zusammenhang im Bosnienkrieg gestellte beunruhigende Frage, warum die Presse ein derart minimales Interesse an … Grausamkeiten gegenüber Serben zeigte.
Nun ja, wird man vielleicht sagen, das sind doch serbische Angaben, und wie kann man denen trauen? (Die zur Verfügung stehende Glaubenskraft ist ja für die politisch korrekten, weil von der anderen Seite kommenden Berichte reserviert, da freilich spielend jedes Maß übersteigend, ja bisweilen sich geradezu in die theologische Dimension des Credo quia absurdum erhebend). Gewiß wären die in dem Memorandum gemachten Angaben zu überprüfen, nur hat man es gar nicht erst versucht – vielleicht auch aus dem mulmigen Gefühl heraus, sie könnten sich im großen und ganzen als wahr herausstellen. Und sieht man sich das Dokument an, so bekommt man auch nicht den Eindruck, die Verfasser neigten zur Übertreibung. So z.B. wird zu der Angabe auf S.41, daß in Podravanje Leute aufgespießt und geröstetworden seien, gewissenhaft vorschnellen Schlußfolgerungen vorgebeugt: Auf der Grundlage der gefundenen Leichen konnte nicht festgestellt werden, ob die Opfer bereits tot waren oder ob sie noch lebend auf diese Weise gefoltert wurden. (Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um sich ausmalen zu können, was in den Propagandazentralen in Sarajewo daraus geworden wäre, um dann, von der perversen Phantasie eines Meutenjournalismus, um Peter Brocks treffliches Titelwort zu verwenden, nochmals aufs schaurigste weiter aus- gestaltet, durch unsere Medien zu geistern!).
Doch wie dem auch sei, man muß sich auch gar nicht auf dieses Memorandum verlassen, um eine Ahnung davon zu bekommen, was sich da in der Region Srebrenica zutrug, denn Naser Oric selbst präsentierte mindestens zwei westlichen Journalisten voller Stolz Beweise für sein Tun. Washington Post, 16.2.94:
Naser Orics Kriegstrophäen säumen nicht die Wand seiner komfortablen Wohnung. Sie sind auf Videoband: niedergebrannte serbische Häuser und geköpfte serbische Männer … „In der Nacht mußten wir es mit kalten Waffen machen“, erklärt Oric Szenen mit toten Männern, die mit Messern zerstückelt worden waren. Auch ein Journalist des Toronto Star bekam Orics »Kriegstrophäen« zu sehen und berichtete darüber am 16.7.95: Er sah auf Videoband brennende Häuser, Leichen, abgetrennte Köpfe und Leute auf der Flucht. Oric grinste die ganze Zeit, sein Werk bewundernd. „Wir legten ihnen einen Hinterhalt“, sagte er, als eine Anzahl toter Serben auf dem Bildschirm erschien. Die nächste Sequenz von Toten war mit Sprengstoff umgebracht worden. „Wir haben diese Kerle auf den Mond geschossen“, prahlte er. Als das Band eine von Geschoßen gezeichnete Geisterstadt ohne Leichen zeigte, beeilte er sich, dazu zu erklären: „Dort töteten wir 114 Serben“. Später sah man Feiern mit Sängern, die sein Lob sangen.
Kein Sturm in der Westlichenwertegemeinschaftsöffentlichkeit, kein wortgewaltiger Auftritt eines Chefanklägers oder einer Chefanklägerin des Haager Tribunals. (Man fand es damals, 1996, viel wichtiger, z.B. nach einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher der bosnisch-serbischen Seite, von dem man nur den Vornamen Gruban kannte und nichts sonst, unter der Beschuldigung zu fahnden, im Lager Omarska mindestens eine vom Tribunal identifizierte Insassin vergewaltigt zu haben; Herr Gruban war freilich nicht zu fassen – wie denn auch, ist er ja eine Romanfigur, für deren doch gewiß ganz unglaubhafte Untaten in der realen Welt man gleichwohl schon mindestens ein Opfer aufgetrieben hatte!). Oric lebte jahrelang unbehelligt in Tuzla; vor zwei Jahren bequemte sich das Tribunal zwar endlich doch zu einer Anklage gegen ihn, aber bloß wegen der Tötung von sieben (!) Serben und der mutwilligen Zerstörung von Dörfern, denn das Tribunal fand keine Beweise, daß es bei den Angriffen auf serbische Dörfer in seinem Operationsgebiet zivile Opfer gab, meldete BBC am 11.4.03. Oric ist halt einfach ein falscher Täter, seine Opfer halt nur lästige falsche, weil serbische Opfer!
Orics Wüten in der Region um Srebrenica hatte freilich selbst wieder einen Kontext, eine Vorgeschichte. Wie Mira Beham mitteilt, faßte Izetbegovics Partei SDA auf ihrem letzten Parteikongreß vor Kriegsbeginn den Beschluß, Ostbosnien bis zur Drinaschnell und massenweise mit Muslimen zu besiedeln. Worum es da ging, war der Plan, eine geschlossene islamische Region von Bosnien über den südserbischen Sandschak bis zum Kosovo und nach Albanien zu schaffen, und dabei stand die serbische Bevölkerung Ostbosniens im Wege. Dieses Ziel der islamistischen Fundamentalistenriege um Izetbegovic wird gerne als serbische Wahnphantasie abgetan, aber es läßt sich dafür mindestens ein ganz unverdächtiger Zeuge anführen: der britische General Rose, 1994 Kommandeur der UNO-Truppen in Bosnien. In seinem Buch Fighting for Peace schreibt er über den
damaligen bosnischen Vizepräsidenten Ganic (S.38): Als Leiter der bosnischen Armee war Ganic verantwortlich für die Implementierung der Strategie der Regierung, die bezweckte, die USA und die NATO auf seiten Bosniens in den Krieg hineinzuziehen. Ihn schien weder der Frieden noch die Verlängerung der Leiden der bosnischen Bevölkerung zu interessieren. Stattdessen verfütterte er an die Medien das politische Konzept des „Opferstaates“. Einmal sagte er, die Muslime von Bosnien, Sandschak, Kosovo und Albanien würden letztendlich ein einziges politisches Gemeinwesen bilden. (Hervorhebung W.S.).
Und im Lichte dieses Ziels der Errichtung nicht eines Großserbien, sondern eines Balkangroßislamien, wie man sagen könnte, ist auch Orics Mordbrennen in der Region um Srebrenica zu sehen. (Freilich schließt das andere, vielleicht zuerst noch nicht oder nur konkomitant vorhandene und später für das aktuelle Handeln dominant gewordene Motive nicht aus; doch greifen wir nicht vor!).
Angesichts der Untaten Orics kein Wunder, daß die aus der Region stammenden Soldaten des Drina-Korps der bosnisch-serbischen Armee auf Rache sannen! Schon bei der Srebrenica-Krise im Frühjahr 93, als bosnisch-serbische Truppen aus nun ganz verständlichen Gründen begannen, die Enklave einzuschnüren und damit Orics Truppen die Bewegungsfreiheit zu nehmen, befürchteten Kenner der Lage für den Fall der Einnahme Srebrenicas Schlimmes. Der damalige EG-Vermittler Lord Owen schreibt darüber in seinem Buch Balkan Odyssey (S.143): Am 16. April sprach ich telephonisch mit Präsident Milosevic über meine Befürchtung, daß trotz wiederholter Versicherungen von Dr. Karadzic, er habe nicht die Absicht, Srebrenica einzunehmen, die bosnisch-serbische Armee jetzt darangehe, eben das zu tun … Selten habe ich Milosevic so aufgebracht, aber auch so besorgt gehört. Er befürchtete, daß es im Falle des Eindringens bosnisch-serbischer Truppen in Srebrenica ein Blutbad geben würde, weil zwischen den beiden Armeen extrem böses Blut bestand. Die bosnischen Serben machten den jungen muslimischen Kommandanten in Srebrenica, Naser Oric, für ein Massaker in der Nähe von Bratunac im Dezember 1992 verantwortlich, bei dem viele serbische Zivilisten getötet worden waren. Milosevic war der Meinung, daß es ein großer Fehler der bosnischen Serben wäre, Srebrenica einzunehmen, und er versprach, Karadzic das zu sagen.
Sehr eindringlich über den durch Orics Treiben akkumulierten Haß in der Region sprach der französische General Morillon, der als Kommandeur der UNO-Truppen in Bosnien vom September 92 bis Juli 93 mit der Situation direkt konfrontiert gewesen war, als er am 12.2.04 als letzter Zeuge der Anklage im Prozeß gegen Milosevic aussagte. Sollte die Anklage gehofft haben, mit diesem Zeugen so etwas wie einen letzten entscheidenden Punch landen zu können, dann erlebte sie gewiß eine herbe Enttäuschung (wieder einmal eine). Es lohnt, ausgiebig zu zitieren.
Frage des Anklagevertreters Groome: Herr General, Ihr Zeugenstatement beschreibt ausführlich Überfälle von Naser Oric, im besonderen den Überfall am orthodoxen Heiligen Abend [6. Jänner]. Kam es dazu, daß Sie mit Naser Oric ein Gespräch hatten, in dem Sie ihn auf seine Politik oder darauf, was er mit den bei seinen Operationen Gefangengenommenen machte, ansprachen?
Morillon: Ich traf Naser Oric erst viel später, im März [93] , als ich direkt vor Ort intervenierte. Die Aktionen, auf die Sie verweisen, waren einer der Gründe für die Verschlechterung der Situation in diesem Gebiet, besonders im Monat Jänner. Naser Oric unternahm Überfälle während der orthodoxen Weihnachtsfeiertage und zerstörte Dörfer, wobei er alle Einwohner massakrierte. Das erzeugte ein ganz außerordentliches Ausmaß an Haß in der Region.
Und auf die Frage, was ihm Oric über die Behandlung von Gefangenen gesagt habe:Ich glaube, das werden Sie auch in anderen Zeugenaussagen finden, nicht nur in meiner. Naser Oric war ein Warlord, der mit Terror in seinem Gebiet und über die Bevölkerung selbst herrschte … Nach meiner Erinnerung suchte er nicht einmal nach einer Ausrede. Es war einfach ein Statement: Man kann sich mit Gefangenen nicht belasten.
Daher, so Morillon weiter, war ich nicht überrascht, als mich die Serben zu einem Dorf in der Nähe von Bratunac brachten, um mir den Abtransport der Leichen der Einwohner zu zeigen, die in eine Grube geworfen worden waren. Und das ließ mich das Ausmaß begreifen, in dem diese infernalische Situation von Blut und Vergeltung zu einer Situation geführt hatte, bei der ich persönlich fürchtete, daß das Schlimmste geschehen würde, würde es den bosnischen Ser-ben gelingen, in die Enklaven und in Srebrenica einzudringen.
Im weiteren sagte Morillon dann aus, daß er Ende März 93 nach Belgrad ging, dennich wußte von Anfang an, daß die einzige Person, die mir beim Versuch helfen konnte, die Menschen [in Srebrenica] zu retten, Milosevic war.
Er habe Milosevic eindringlich auf die Folgen einer Einnahme Srebrenicas durch bosnisch-serbische Kräfte aufmerksam gemacht, daß etwas geschehen würde, das in der Meinung der Weltöffentlichkeit den Serben nicht vergeben werden würde, und er glaube, Milosevic hörte die Botschaft und half später mit, den Friedensprozeß [den Versuch zur Implementierung des Vance-Owen-Friedensplans für Bosnien] in Gang zu bringen, der wenigstens einen Anfang machte, um diese Bombe zu entschärfen, wenigstens vorübergehend.
Diese Bombe, das war ein fürchterlicher Racheakt, den Morillon kommen sah:
Ich sagte [Milosevic] , in Srebrenica könnte etwas Schreckliches geschehen, das den ganzen Friedensprozeß blockieren würde … Das war mein persönlicher Eindruck, und zum Unglück erwiesen sich meine Ängste zwei Jahre später als wahr, und das verfolgt mich immer noch.
Der Anklagevertreter will genau wissen, was das Schreckliche ist, das Sie 1993 voraussahen und das zwei Jahre später eintraf.
Morillon: Ich fürchtete, daß die lokalen Serben, die Serben von Bratunac, diese Milizionäre, Rache für alles nehmen wollten, das sie Naser Oric zuschrieben. Es war nicht nur Naser Oric, an dem sie Rache nehmen wollten, sie wollten ihre Toten der orthodoxen Weihnachten rächen.
Richter Robinson fragt nach, ob Morillon sagen wolle, daß das, was 1995 geschah, eine direkte Reaktion auf das war, was Naser Oric zwei Jahre vorher den Serben angetan hatte.
Morillon bejaht mit Nachdruck: Ja, Ja, Euer Ehren. Ich bin davon überzeugt. Das heißt nicht, die Leute, die das Verbrechen begingen, zu entschuldigen oder ihre Verantwortung zu verringern, aber ich bin davon überzeugt, ja.
Milosevic, als die Reihe an ihn gekommen war, den Zeugen im Kreuzverhör zu befragen: Ich vermittelte, und ich nehme nicht an, Sie werden bestreiten, daß ich dabei Erfolg hatte, denn es wurde alles gestoppt. Ist es nicht so?
Morillon: Genau.
Milosevic: Also, der Einfluß, den ich ausüben konnte, und das war ein politischer Einfluß, wurde eingesetzt, um jeder Art von Blutvergießen, das dort drüben stattfand, ein Ende zu setzen. Stimmt das, Herr General?
Morillon: Ja.
Wir brauchen hier Morillons Aussagen nicht auf diese oder jene Einzelheit hin abzuklopfen; so z.B. ist es hier ganz gleichgültig, ob Milosevic wirklich erst durch ihn über die Situation in Srebrenica aufgeklärt wurde. Es geht hier nur um seine Kernaussagen, und die lassen an Klarheit und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Und was Milosevics Hilfe bei der Bereinigung der Srebrenica-Krise im Frühjahr 93 betrifft, so hatte sich dazu bereits zuvor am 4.11.03 Lord Owen als Zeuge in ganz unzweideutigen Worten geäußert:
Herr Milosevic, so Owen auf die diesbezügliche Frage des Angeklagten, viele Leute mögen es nicht, wenn ich das sage, aber ich glaube wirklich, daß Sie 1993 eine große Hilfe dabei waren, General Mladic davon abzuhalten, Srebrenica anzugreifen und einzunehmen. Und ich rief Sie persönlich an … Ich denke, die Tatsachenlage ist ganz klar, Sie intervenierten und waren in jener Situation eine beträchtliche Hilfe. Ich denke, Sie waren sich der großen Gefahr für die Reputation der Serben genau bewußt.
Owen und Milosevic sind sich einig, daß, in dessen Worten, nichts Schändlicheres hätte geschehen können als dann im Juli 95. Und daher bin ich daran interessiert zu sehen, daß das, was 1995 geschah, behandelt wird und daß so klar wie nur möglich Licht darauf geworfen wird. Wie wir zu sehen noch reichlich Gelegenheit haben werden, wird dieses Interesse des Angeklagten im »Jahrhundertprozeß« von jenem merkwürdigen Gericht, das sich International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia nennt, anscheinend nicht ganz so vorbehaltlos geteilt (um es, vorläufig, milde auszudrücken).
Um es auch gleich zu sagen, wenn Milosevic auf Aufklärung dessen dringt, was bei Srebrenica im Juli 95 geschah, so hat das wenig mit seiner Person selbst zu tun, so als ginge es ihm in Wirklichkeit nur darum, den Kopf irgendwie aus der Schlinge zu ziehen: Der im Auftrag der Niederländischen Regierung erstellte und im April 02 veröffentlichte Srebrenica-Bericht des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation (NIOD; der Bericht im weiteren: NIOD-Bericht) sieht da keinerlei Verbindung. Schon über den bevorstehenden Angriff auf Srebrenica scheint Milosevic nicht einmal informiert gewesen zu sein: Ein Interview [von NIOD] mit [dem bosnisch-serbischen Politiker] Rajko Dukic, der nach dem Fall der Enklave mit Milosevic sprach, deutet an, daß der Präsident wirklich überrascht war. Der Präsident hatte die Gruppe von Personen, zu der Dukic gehörte, gefragt, „welcher Idiot“ die Entscheidung getroffen hatte, Srebrenica anzugreifen (Wiebes [Fußnote 15] S.388). Das harmoniert auch vollkommen mit dem, was wir über Milosevics Haltung bei dem im April 93 drohenden Angriff auf Srebrenica wissen. NIOD beruft sich u.a. auch auf einen früheren französischen Nachrichtendienstler, der bestätigt, daß Milosevic kein Vorwissen über den Angriff auf Srebrenica hatte (Wiebes S.251). Hingegen muß nach NIOD die Frage des Vorwissens für die Armeespitze in Belgrad bejahend beantwortet werden, und außerdem, NIOD Interviews zeigten, daß es in den Kreisen um den vormaligen jugoslawischen Präsidenten Cosic am 4. Juli weitgehend bekannt war, daß etwas im Begriffe war, zu geschehen, aber es war auch nicht genau bekannt, was … Die Regierung der Bundesrepublik Jugoslawien erhielt aber aus diesen Kreisen auch keine Warnung, aus Furcht, daß sie beschuldigt würden, Agenten des Auslandes zu sein (NIOD-Bericht, Teil III, Kapitel 7.7; die Begründung der Cosic-Kreise klingt zwar seltsam, aber lassen wir das). Und was eine Beteiligung Belgrads an darauffolgenden Exekutionen betrifft, so stellt NIOD dezidiert fest: Es gibt keinen Beleg, der eine Beteiligung von Personal der jugoslawischen Armee oder des Sicherheitsdienstes (security agency) an den Vorbereitungen für die Exekutionen nahelegen würde. In der Tat ist es so, daß es einiges an Belegen zur Stützung der entgegengesetzten Ansicht gibt (IV, 2.20). US-Geheimdienstleute bestätigten das NIOD gegenüber, indem sie erklärten, daß es keine abgefangenen Meldungen gibt, die eine mögliche Involvierung Milosevics in die Kriegsverbrechen um Srebrenica andeuten könnten. „Schließlich ist er kein Idiot“, bemerkte ein CIA-Beamter (Wiebes S.250f.). Überraschen kann dieser Befund freilich in keiner Weise, wäre ja schon von vornherein eine höchst abwegige Annahme, Milosevic hätte im Juli 95 bei etwas mitgemacht (gar an führender Stelle), bei dessen Verhinderung er im April 93, in Owens Worten, eine große Hilfe war: der Anrichtung eines Blutbades in bzw. bei Srebrenica.
Die Vorgeschichte einigermaßen ins Licht gerückt, wollen wir jetzt noch ein konkretes Beispiel für die zu Beginn angesprochene Dekontextualisierung bringen. Es ist ein ganz rezentes. Vom 20. Juni bis 1. Juli d.J. gab’s eine Photoausstellung „Srebrenica. Erinnerungen an die Zukunft“, veranstaltet von der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit dem Research and Documentation Center Sarajevo. Im Begleittext lesen wir als Prolog des Abschnitts „Chronik des Genozids“ Folgendes:
Die Stadt Srebrenica liegt im Tal des Drina-Flusses in Ostbosnien, ungefähr 15 Kilometer von der Grenze nach Serbien entfernt. Im Jahr 1991 zählte die Gemeinde 37.000 EinwohnerInnen, 73% Bosnische Muslime (Bosniaken) und 25% Serben, die vor dem Krieg ohne größere Konflikte zusammenlebten.
Im April 1992 nahmen serbische paramilitärische Truppen aus diesem und benachbarten Gebieten Ostbosniens die Stadt für mehrere Wochen ein. Einen Monat später eroberten Soldaten der Armee Bosnien-Herzegowinas Srebrenica zurück. Bis September 1992 gelang es den bosnischen Streitkräften, die Stadt Srebrenica mit der benachbarten Enklave Zepa zu verbinden. Diese vereinigte Enklave erreichte im Januar 1993 mit 900 km² ihre größte territoriale Ausdehnung. Dennoch konnte sie nie aus ihrer territorialen Isoliertheit befreit und mit dem übrigen von der bosnischen Armee kontrollierten Territorium vereinigt werden.
Im Januar 1993 starteten Einheiten der Republika Srpska (RS) eine mehrmonatige Offensive, an deren Ende sie die Dörfer Konjevic Polje und Cerska eroberten. Damit war die Verbindung zwischen Srebrenica und Zepa wieder unterbrochen; die Srebrenica-Enklave schrumpfte auf eine Größe von 150km². Die bosniakischen Einwohner der umliegenden Gebiete strömten in die Stadt Srebrenica, deren Bevölkerungsanzahl auf 50.000 bis 60.000 anstieg.
Der Kommandant der UN-Schutztruppen (UNPROFOR), der französische General Philippe Morillon, besuchte Srebrenica im März 1993. Zu dieser Zeit war die Stadt bereits übervölkert und von der Belagerung geprägt. Die Truppen der bosnischen Serben unterbrachen die Wasserversorgung, es mangelte an Nahrungsmitteln, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern. Vor seiner Abreise versprach General Morillon den von Panik ergriffenen Einwohnern Srebrenicas, daß sich die Stadt unter dem Schutz der UN befinde und er sie nie im Stich lassen werde.
Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete am 16. April 1993 eine Resolution, wonach „alle Seiten und alle anderen Srebrenica und ihre Umgebung als ‚Schutzzone‘ zu betrachten haben, die weder militärisch angegriffen noch irgendeiner anderen feindlichen Handlung ausgesetzt werden darf“. Die erste Gruppe von UNPROFOR-Soldaten kam am 18. April in Srebrenica an. Diese wurde nach dem Rotationsprinzip alle sechs Monate von neuen Soldaten abgelöst. Im Januar 1995 zog ein niederländisches Bataillon, auch „Dutchbat“ genannt, in der Enklave ein.
Ab Anfang 1995 gelang es den UN-Hilfskonvois kaum mehr, zur Enklave vorzudringen. Die Versorgung der Bevölkerung verschlechterte sich rapide. Dafür erreichten die Stadt andere schlimme Nachrichten. Im März und April registrierten niederländische Beobachtungsposten, daß in der Umgebung Truppen der Armee der Republika Srpska zusammengezogen wurden. Es war offensichtlich, daß serbische Truppen einen Großangriff auf Srebrenica vorbereiteten.
Wir erfahren aus diesem Prolog (vollständig wiedergegeben) dies und jenes, auch verhältnismäßig so Nebensächliches wie die Rotation der UNO-Truppen. Doch was geschah mit dem serbischen Viertel der Einwohnerschaft von Srebrenica? Schweigen. Was geschah mit der serbischen Bevölkerung des betreffenden Gebiets, als die Enklave ihre größte territoriale Ausdehnung erreichte, in welcher Weise vollzog sich dieses »Erreichen«? Nochmals Schweigen, selbst das Wort ‘Offensive’ wird vermieden, wohl weil es den Verfassern des Textes schon zu wenig verschleiernd, dem wahren Sachverhalt bereits zu nahekommend erschienen sein dürfte. Etwas so Grimmiges wie eine Offensive, das machen die bosnischen Serben: Aber warum? Und wieder nichts als Schweigen. Dekontextualisierung pur im Dienste der Mystifikation SREBRENICA.
II
Und der letzte Satz des Textes ist eine grelle Fehlinformation, die seit der Veröffentlichung des NIOD-Berichts – und das ist immerhin schon drei Jahre her – nicht mehr zu entschuldigen ist. Der Angriff auf Srebrenica im Juli 95 war keine von langer Hand vorbereitete Großoffensive, sondern eine eher hastige Reaktion auf den Überfall aus der Enklave auf das Dorf Visnjica am 26. Juni; die Entscheidung zu dem am 6. Juli beginnenden Angriff auf die Enklave, zunächst nur mit dem beschränkten Ziel ihrer weiteren Einschnürung, fiel nur ein paar Tage vorher, erst als sich der geleistete Widerstand als überraschend gering herausstellte, fiel am 9. Juli die Entscheidung, Srebrenica selbst anzugreifen. Naser Oric und sein Stab waren vorher nach Tuzla beordert worden, die ihrer gewohnten Führung beraubten bosnisch-muslimischen Truppen (28. Infanteriedivision) versuchten, sich in muslimisch kontrolliertes Gebiet durchzuschlagen, die Stadt selbst wurde am 11. Juli zur leichten Beute geringer bosnisch-serbischer Kräfte: Ernstzunehmende Stimmen sprachen davon, die bosnisch-muslimische Führung habe Srebrenica absichtlich der bosnisch-serbischen Seite ausgeliefert, um die NATO auf ihrer Seite in den Krieg zu ziehen (womit wir bei den oben angedeuteten anderen Motiven wären).
So erhob der Begründer der SDA in Srebrenica, Ibran Mustafic, nach dem Fall der Stadt Gefangener der bosnisch-serbischen Armee, in einem in dem bosnischen Blatt Slobodna Bosna am 17.6.96 erschienenen Interview schwere Vorwürfe gegen seine Staats- und Armeeführung:
Das Szenario für den Verrat von Srebrenica wurde bewußt vorbereitet. Leider waren die Präsidentschaft und die Armeeführung in die Sache involviert; wenn Sie die Namen wollen, so kriegen Sie es selbst heraus. Ich wußte über die Situation in Srebrenica Bescheid, und – da können Sie mir vertrauen – wäre ich nicht von einer Gruppe von Kriminellen gehindert worden, so wären heute viel mehr Einwohner von Srebrenica am Leben. Hätte ich einen Befehl erhalten, die serbische Armee aus der demilitarisierten Zone anzugreifen, so hätte ich es bedenkenlos abgelehnt, diesen Befehl auszuführen … Ich weiß, daß solch schändliche, kalkulierte Schritte meine Leute in eine Katastrophe führten … Die Befehle kamen aus Sarajewo und Kakanj.
Die Angriffe aus der demilitarisierten Zone, so Mustafic weiter, waren eine bewußte Lieferung eines Vorwandes für die serbischen Kräfte, die demilitarisierte Zone anzugreifen … Nach unserer Sitte schlachtet man ein Tier auf der Grundmauer eines Hauses, wenn man sie fertiggestellt hat. Es scheint, Srebrenica war das Opferlamm für die Grundmauer dieses Staates.
Mustafic spricht über die Zeit, da Srebrenica bereits UNO-Schutzzone war, und die Anschuldigung gegen seine Staats- und Armeeführung ist keine geringere als die, daß sie mithilfe einer Gruppe von Kriminellen – gemeint sind Naser Oric und seine Gefolgsleute, über deren verbrecherisches Treiben in Srebrenica er auch einiges zu berichten weiß – den Plan ausführte, Srebrenica im Sinne einer übrigens auch von der sogenannten internationalen Gemeinschaft vielfach geforderten »ethnischen Frontbegradigung« der bosnisch-serbischen Seite zu überlassen, aber nicht durch einen vertragsmäßigen Austausch von Territorium und Bevölkerung (wie von bosnisch-serbischer Seite 1993 vorgeschlagen worden war), sondern durch eine politisch opportunere Kabale auf Kosten der Einwohner Srebrenicas: Hätten einige Leute damals oder später, 1994 und 1995, es akzeptiert, die Menschen zu evakuieren und das Territorium aufzugeben, so hätte das die öffentliche Teilung Bosniens dargestellt. Es scheint, daß sie den Staat in einer heimlichen und perfiden Weise teilen wollen.
Die bosnisch-serbische Seite durch Überfälle aus der Schutzzone heraus zu einem Angriff auf sie provozieren, ihr eine militärisch günstige Gelegenheit dafür bieten, die Einwohner von Srebrenica dem aufgestauten Vergeltungsdrang der bosnischen Serben auszuliefern und die daraus erwachsenden politischen Früchte zu ernten – nichts weniger als das ist es, was da der gläubige Muslim Mustafic, der mit dem verbrecherischen Treiben Orics und seiner Gefolgsleute nichts zu tun haben wollte, seiner Staats- und Armeeführung vorwarf.
Auch aus der von Mustafic verabscheuten Gruppe von Gefolgsleuten Orics meldete sich eine Stimme mit einer konvergenten Aussage: der Polizeichef von Srebrenica in der betreffenden Zeit, Hakija Meholjic, in einem im bosnischen Blatt Dani am 22.6.98 erschienenen Interview. Meholjic war Mitglied der Srebrenica-Delegation, die Ende September 93 in Sarajewo war, um an Beratungen über (wieder) eine Friedensinitiative (Owen-Stoltenberg-Plan) teilzunehmen. Die Delegation führte auch ein separates Gespräch mit Izetbegovic, in dem dieser ihnen eine sehr erstaunliche Mitteilung machte: „Wißt ihr“, habe er ihnen gesagt, „Clinton machte mir im April 1993 … das Angebot, daß die Streitkräfte der Tschetniks in Srebrenica eindringen und 5.000 Muslime abschlachten, und dann wird es eine militärische Intervention geben“. Unsere Delegation bestand aus neun Personen, einer von uns war aus Bratunac, und er ist der einzige, der, leider, nicht mehr am Leben ist, aber alle anderen Mitglieder der Delegation sind am Leben und können das bestätigen.(Hervorhebung W.S.).
Das fand auch Eingang in einen Bericht Kofi Annans vom 15.11.99, in dem es über jenes Treffen Ende September 93 heißt:
Vertreter der bosniakischen Gemeinschaft trafen sich am 28. und 29. September [93], um über das Friedenspaket abzustimmen. Eine Delegation von Bosniaken aus Srebrenica wurde mit UNPROFOR-Hubschrauber nach Sarajewo gebracht, um an der Debatte teilzunehmen. Vor dem Meeting hatte sich die Delegation vertraulich mit Izetbegovic getroffen, der ihnen sagte, es gebe serbische Vorschläge, Srebrenica und Zepa für Territorien um Sarajewo zu tauschen. Die Delegation widersetzte sich dieser Idee, und das Thema wurde nicht weiter besprochen. Einige überlebende Mitglieder der Srebrenica-Delegation haben behauptet, daß Präsident Izetbegovic ihnen auch gesagt habe, er habe erfahren, daß eine NATO-Intervention in Bosnien-Herzegowina möglich sei, aber nur in dem Fall stattfinden könne, daß die Serben in Srebrenica eindringen und dabei mindestens 5.000 Einwohner töten würden. Präsident Izetbegovic hat entschieden bestritten, eine solche Aussage gemacht zu haben. (Hervorhebung W.S.).
Sollte sich wirklich alles so begeben haben, wie Meholjic behauptet, dann gab’s da dieses zynische Angebot: »Inszeniert doch das wirklich große Massaker, dann ist es politisch ohne weiteres machbar, was euer sehnlichster Wunsch ist und uns ebenfalls gelegen käme: eine massive militärische Intervention gegen die bosnischen Serben!«.
Und schließlich nochmals Morillon. Im Verlaufe seiner Befragung des Generals am 12.2.04 zitiert Milosevic Aussagen von ihm vor französischen Parlamentariern. Hier ein Auszug:
Ich [Morillon] sagte, daß Mladic in Srebrenica in einen Hinterhalt geraten war, in der Tat, in eine Falle. Er erwartete, auf Widerstand zu stoßen, aber es gab keinen. Er erwartete nicht, daß das Massaker geschehen würde, aber er unterschätzte völlig das Ausmaß an Haß, das entstanden war. Ich glaube nicht, daß er die Massaker anordnete, aber ich weiß es nicht. Das ist meine persönliche Meinung. — Ich war überzeugt, daß die Bevölkerung von Srebrenica Opfer eines höheren Interesses, einer Staatsräson war. — Ich sagte, daß meiner Meinung nach Naser Oric sich den Befehlen zum Verlassen des Gebiets, die er aus Sarajewo erhielt, fügte … Dieses Drama … wurde von der Präsidentschaft, es wurde von Izetbegovic verursacht. Naser Oric hörte in Sarajewo auf die Präsidentschaft. — Wenn ich sage, daß Mladic in eine Falle ging und daß sie eine beabsichtigte war, so kritisiere ich damit Izetbegovic nicht. In meiner Meinung hatte er keine andere Wahl, das herbeizuführen, was er wollte, und das heißt, die internationale Gemeinschaft auf seine Seite zu bringen.
Nein, Morillon will Izetbegovic beileibe nicht kritisieren, er will nur sagen …
Man sollte sich nicht durch irgendwelches Reden von »Verschwörungstheorie« – und sollte es auch von so seriöser Seite kommen wie von NIOD – davon abschrecken lassen, diese von ganz verschiedenen Seiten stammenden, doch im wesentlichen konvergierenden Aussagen als das zu betrachten, was sie sind: als Daten, die bei der Erstellung eines umfassenden Bildes dessen, was im Juli 95 bei Srebrenica geschah, jedenfalls im Auge zu behalten wären, als Spuren, denen nachzugehen wäre; nur hat man es eben nicht getan, wie bei der Vorgeschichte verbietet es die Mystifikation SREBRENICA, die um jeden Preis aufrechterhalten werden muß – zu viel an investiertem Kapital politischer und medialer Art hängt an ihr, dieser Rute, mit der die bosnische Republika Srpska und Serbien selbst als die underdogs der aus dem alten Jugoslawien hervorgegangenen politischen Gebilde immer wieder aufs Neue gezüchtigt und gedemütigt werden können, der ultimativen Rechtfertigung auch für das Treiben von Quislingen aller Art, die, wohldotiert, ihren westlichenwertegemeinschaftlichen Overlords beim Bemühen zur Niederwerfung der serbischen Nation zu einem stiefelleckenden Kolonialvolk – nation building nennt man das – beflissen zur Hand gehen.
Nochmals der NIOD-Bericht, damit kein Mißverständnis aufkomme. Auch wenn in ihm die These, die bosnisch-muslimische Führung habe Srebrenica auf dem Altare eines höheren politischen Zwecks als Opfer dargebracht, als »Verschwörungstheorie« abgetan wird, so ist er doch vollkommen klar, was die Motive auf bosnisch-serbischer Seite für den Angriff angeht: Der Hauptgrund für den Angriff auf Srebrenica muß … in den Aktivitäten gesucht werden, welche die ABiH [die bosnisch-muslimische Armee]außerhalb der Grenzen der Enklave unternahm (III, 5.10). Freilich ist uns das inzwischen absolut nichts Neues mehr.
III
Damit es dieser politisch-moralische Totschläger sein konnte, mußte SREBRENICA sich von allen Verbrechen, die von bosnisch-muslimischer und von kroatischer Seite an der serbischen Bevölkerung in Bosnien und Kroatien begangen wurden, auch qualitativ, ganz im grundsätzlichen, unterscheiden: Es mußte Völkermord sein, und dieses Urteil mußte auch offiziell festgeschrieben werden, damit es jene unantastbare Geltung erlange, die den Nürnberger Urteilssprüchen gegen die NS-Hauptkriegsverbrecher eignet. Und diese Aufgabe übernahm die hierfür zuständige Institution der sogenannten internationalen Gemeinschaft: das Haager Tribunal in seinem Urteil gegen den bosnisch-serbischen General Krstic (August 01), den Kommandeur des Drina-Korps, in dem es auf Völkermord erkannte. An diesem Urteil können wir also nicht vorbeigehen. Ich möchte auf zwei Dinge darin die Aufmerksamkeit lenken.
Erstens, dem Gericht standen etwas über 2.000 obduzierte Leichen als Evidenzbasis zur Verfügung, und selbst die Richter räumten ein: Der Gerichtshof kann die Möglichkeit nicht ausschließen, daß ein Prozentsatz der in den Gräbern gefundenen Leichen Männer sein könnten, die im Kampf [beim Versuch, aus der angegriffenen Enklave in bosnisch-muslimisches Territorium auszubrechen] getötet wurden. An Fesseln und Augenbinden waren zusammen gegen 900 gefunden worden, welche Anzahl also eine absolute Obergrenze für die zweifelsfrei Exekutierten unter den Exhumierten ist bzw. für das Gericht bei der Urteilssprechung war, denn bei den Exhumierungsstätten, so die Richter selbst, wo keine
Augenbinden oder Fesseln gefunden wurden, war die Evidenz dafür, daß die Opfer nicht im Kampf getötet wurden, weniger zwingend. Und könnten unter den Toten nicht auch Opfer früherer Kämpfe in der Region sein? Überhaupt, handelt es sich nur um Muslime oder sind darunter auch serbische Opfer von Kämpfen oder auch von Mordtaten an Wehrlosen? Gleichwohl aber wurde Krstic dafür verantwortlich gemacht, daß nach der Einnahme von Srebrenica bosnisch-serbische Kräfte mehrere tausend bosnisch-muslimische Männer exekutierten, wobei die Gesamtzahl wahrscheinlich zwischen 7.000 und 8.000 liegt. Nun, an diese vom Haager Tribunal statuierte wahrscheinliche Gesamtzahl kann man glauben, und man kann sie mit Gründen bezweifeln. Immerhin, auch der NIOD-Bericht vermerkt, die vom Tribunal angestellte Schätzung der Gesamtanzahl an Exekutionen scheint um etwas höher zu sein, als auf der Basis des Beweismaterials begründet werden kann (IV, 2.2): Zumal in Anbetracht des Umstandes, daß NIOD sich bei der Darstellung der Geschehnisse bei Srebrenica nach der Einnahme der Stadt weitgehend an die des Tribunals beim Krstic-Prozeß hält (siehe IV, 2.1), worin sich die politischen Vorgaben des Berichts, von denen schon die Rede war (Fußnote 25), besonders deutlich manifestieren, ist das eine bedeutsame Aussage.
Ich ziehe es vor, da nicht zu spekulieren; die eine oder andere Anmerkung sei aber doch gestattet.
1., es ist in diesem Zusammenhang nicht ohne Interesse, was Bernard Kouchner in einer Publikation des Vorjahres über einen Besuch bei Izetbegovic kurz vor dessen Tod veröffentlichte: Izetbegovic, so der einer »proserbischen« Gesinnung gewiß ganz unverdächtige Kouchner, habe eingestanden, daß die Behauptungen über serbische Konzentrationslager übertrieben worden seien, um die NATO dazu zu bringen, die Serben zu bombardieren (was ja auch schon Morillon, Rose und andere als strategisches Ziel von Izetbegovic & Co erkannt hatten). Damit haben wir aus berufenstem Munde einen geradezu zwingenden Grund, Angaben über bosnisch-muslimische Opfer von offizieller bosnisch-muslimischer Seite, etwa von der Staatskommission zur Sammlung von Informationen über Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina mit Sitz in Sarajewo, auch im Falle Srebrenica nicht von vornherein schon für sehr vertrauenswürdig zu halten. – Solche, die den Bauch für ein besseres Denkorgan halten als das Hirn, mögen sich da entrüsten und etwas von Beleidigung der Opfer schreien. Logik ist solchen Bauchdenkern ohnehin nicht zuzumuten, daher hier an ihre Adresse nur das: Entrüstet euch zuerst einmal über die zynische Instrumentalisierung der tatsächlichen muslimischen Opfer des Bosnienkrieges durch die bosnisch-muslimische Führung, die ja der Grund ist, der uns zur Skepsis gegenüber den aus dieser Ecke kommenden Angaben auch über Srebrenica zwingt!
2., auch mit der Glaubwürdigkeit des Haager Tribunals (wie viel man dort auch von Wahrheit reden mag) ist es nicht zum besten bestellt, jedenfalls dann nicht, wenn es um die Ecksteine der politisch korrekten Erzählung über die Zerstörung des alten Jugoslawien und ihre Folgen geht. Im Milosevic-Prozeß konzentriert und verflicht sich das alles zu dem phantastischen Anklagegewebe einer kriminellen Verschwörung mit dem Ziel der Zerstörung des multiethnischen Jugoslawien und der Errichtung eines ethnisch reinen Großserbien in einem Prozeß von ethnischen Säuberungen und systematischen Massenmorden, kulminierend mit SREBRENICA. So nimmt es nicht wunder, daß in diesem Fall auch das Verhältnis des Tribunals zur Wahrhaftigkeit besonders prekär ist. Wer den Milosevic-Prozeß mit ein wenig Aufmerksamkeit verfolgt, wird wissen, daß man die Gestalt des lügenden oder auch präparierten Zeugen der Anklage fast schon als zum Standardrepertoire der Prozeßführung gehörend bezeichnen könnte. Je ein Beispiel.
Da hatte unter Eid der Weltstatthalter Bosniens versichert, er habe 1998 von einem Berg in Nordalbanien aus mit dem Fernglas schlimme Untaten der jugoslawischen Armee im Kosovo beobachtet: Aber am 29. Juni d.J. bewies der Armeegeneral und Experte in Topographie Delic im Zeugenstand, daß es bei den topographischen Verhältnisse des betreffenden Gebiets physikalisch unmöglich ist, daß Herr Ashdown hätte sehen können, was er gesehen zu haben vorgab. Wie konnte dieser feine Herr des Westlichenwertegemeinschaftsestablishments überhaupt auf den Gedanken verfallen, er könne ohne Schaden für seine Reputation derart dreiste Behauptungen aufstellen? Da gibt es einen einfachen Grund: Er konnte sicher sein, daß dieses Gericht nichts tun würde, um für seine Aussage, weil eine mit dem phantastischen Anklagegewebe konforme Aussage, erst einmal nachzuprüfen, ob sie überhaupt nur der Möglichkeit nach wahrheitsgemäß sein könne; für diese Wiederbelebung des in den Hexenprozessen ganz üblich gewesenen Brauchs, passende Zeugenaussagen nicht an den Tatsachen zuschanden kommen zu lassen, wird uns dann in Abschnitt IVnoch ein viel dramatischerer und direkt Srebrenica betreffender Fall begegnen.
Für ein Beispiel eines präparierten Zeugen müssen wir uns mehr an die »kleinen« Zeugen halten, wir nehmen die geschützte Zeugin B-1746, die am 24.11.03 u.a. etwas über paramilitärische serbische Verbände im bosnischen Doboj aussagte und dabei in ein Durcheinander geriet; damit die Präparierung deutlich wird, brauchen wir aber etwas mehr Platz.
Von Frau B-1746 gab es zwei Zeugenstatements, eines vom April 2000, das andere vom April 02. Milosevic zitiert aus dem ersten: Sie sagen hier wörtlich: „Es waren da ein paar Männer mit dem Abzeichen von Arkans Weißen Adlern“.
B-1746 stimmt zu: Ja, und sie hatten …
Milosevic: Aber die Adler hatten mit Arkan nichts zu tun. Wie kamen Sie mit dem daher, daß Arkan die Weißen Adler hatte?
B-1746: Sie hatten so viele paramilitärische Organisationen, daß niemand alle ihre Namen kennen kann.
Milosevic erklärt Frau B-1746, daß paramilitärische Verbände keine staatlichen Einrichtungen sind, um auf den Punkt mit Arkan und den Weißen Adlern zurückzukommen: Ist es also nicht ganz klar, daß die Weißen Adler und Arkans Freiwilligengarde nicht dasselbe waren? Sie aber behaupten hier, es ist dasselbe.
B-1746: Entschuldigen Sie, für uns war es die Armee der Republik Serbien. Milosevic:Gut, Frau 1746. Da Sie über Arkans Weiße Adler reden, mußte ich Ihnen dazu eine Frage stellen. Ich habe Sie nicht über eine Armee der Republik Serbien befragt, weil es nichts dergleichen gab. Es gab die Armee von Jugoslawien, wie Sie wissen, nehme ich an.
Frau B-1746 bringt also ziemlich was durcheinander. Die Anklagevertreterin Pack versucht am Ende, die Sache mit Arkan und den Weißen Adlern ins Lot zu bringen. Die Fehlidentifikation sei nur im ersten, vorläufigen Statement der Zeugin enthalten, nicht mehr im zweiten, korrigierten und endgültigen. Die Zeugin stimmt zu: Ja, ja, genau. Und wir korrigierten dabei die Fehler, die wir in der ersten Version fanden. Wir korrigierten sie gemeinsam.
Pack: Euer Ehren, nur eine kleine Konfusion. Vielleicht war es meine Konfusion. Das zweite Statement identifiziert die Weißen Adler nicht als Arkans Weiße Adler, auch das ist [neben anderem] etwas, das im ersten Entwurf steht.
So lief es also ab: Frau B-1746 erzählte im April 2000 den Leuten vom Tribunal, was sie zu erzählen wußte, so auch von Weißen Adlern Arkans in Doboj. Das Tribunal glättete die Aussage durch Ausmerzung von offensichtlich Falschem, um sie vor Entwertung zu schützen, und ließ dann die Zeugin diese bearbeitete Version als ihre authentische Aussage unterschreiben. Doch wie wenig authentisch diese Aussage war, zeigte sich ein Jahr darauf im Kreuzverhör: Da erinnert sich Frau B-1746 in dem betreffenden Punkt gar nicht mehr an die nur ein Jahr zurückliegende Version, sie erwidert auf Milosevics Frage bezüglich der Weißen Adler nicht, das sei nur ein Flüchtigkeitsfehler in der ersten Version ihres Zeugenstatements, sondern antwortet darauf auf der Basis ihres recht mangelhaften Wissensstandes im weiter zurückliegenden Jahr 2000: Man hatte Frau B-1746 nicht einmal die zu erlernende Lektion gründlich genug eingebleut. Wenn auch nicht sehr glücklich, nachgeholfen und nachgebessert wurde da. So etwas nennt man Manipulation. – Die Sache mit Arkans Weißen Adlern in Doboj ist an sich natürlich gänzlich nebensächlich, aber gerade diese Unwichtigkeit ermöglicht es auch, die Manipulation, die Zeugenpräparierung, besonders leicht zu sehen.
Das sind keine Zufälle, Betriebsunfälle sozusagen, die jedem Gericht passieren können. Die anklagende und zugleich die Rolle des Untersuchungsrichters wahrnehmende Instanz ist Teil dieses Gerichts, und das Tribunal wendet sich nicht gegen sich selbst: Die Anklagevertretung muß keine ernsthaften Reaktionen der Richterschaft befürchten, desgleichen keiner ihrer sich des Meineids verdächtig gemacht habenden Zeugen. Im Milosevic-Prozeß arbeiten Anklagevertretung und Richterschaft für das politisch einzig denkbare Ergebnis der Verurteilung des Angeklagten Hand in Hand; dementsprechend oft genug rettendes Eingreifen des vorsitzenden Richters bei den Zeugen der Anklage, geriet einer im Kreuzverhör in ernstere Schwierigkeiten; die lächerlich kurz bemessene Vorbereitungszeit des Angeklagten für seine Verteidigung von ganzen drei Monaten (!) und anderes mehr, wie die Duldung der oft geübten Praxis der Anklagevertretung, dem Angeklagten die Unterlagen für die Aussagen ihrer Zeugen erst am Vortag zukommen zu lassen, durch den vorsitzenden Richter; für das, was sich ein Anklagevertreter sonst noch alles erlauben kann, werden wir dann bei der Videogeschichte ohnehin einprägsamen Anschauungsunterricht erhalten.
So wäre es auch nur naiv, der Bestätigung des im herrschenden »Diskurs« längst gefällten Urteils über Srebrenica, dieses so wesentlichen Ecksteins in der politisch korrekten Erzählung von der Zerstörung Ex-Jugoslawiens und so wesentlichen Instruments der Serbensatanisierung und Serbenzüchtigung, durch das Haager Tribunal ein besonderes vorgängiges Vertrauen entgegenzubringen: Und muß es nicht mißtrauisch stimmen, daß das Tribunal im Krstic-Urteil just auf genau die Zahl wahrscheinlich Exekutierter kam, die von der herrschenden Vorverurteilung erwartet wurde? Wie leichtfertig das Tribunal Aussagen akzeptiert, wenn als Lohn der Glaubensseligkeit die von der politischen Korrektheit verlangte große Zahl winkt, wird uns dann der schon angesprochene Fall in Abschnitt IV in grellster Deutlichkeit vor Augen führen.
Gerade im Zusammenhang mit Srebrenica ist aber noch eine besonders dubiose Einrichtung des Tribunals zu erwähnen: die der plea agreements, eines Kuhhandels mit Geständnissen: X wird der Verbrechen A, B, C, … angeklagt, von denen sagen wir A das schwerste ist; die Anklagevertretung bietet X an, für die Gegenleistung eines Geständnisses und der Bereitschaft, gegen andere Angeklagte auszusagen, A fallen zu lassen und sich für ein geringeres Strafausmaß einzusetzen. Die Einrichtung desplea agreement mag ja in diesem oder jenem Rechtssystem durchaus sinnvoll sein; im Falle des Haager Tribunals, wo für einen serbischen Angeklagten die Aussicht auf einen Freispruch ohnehin beinahe schon so gering ist wie für Kafkas Herrn Josef K., ist es für einen solchen aber nur ein Anreiz, für den erhofften Vorteil eines geringeren Strafausmaßes die Anklagevertretung gegen andere Angeklagte mit dem Nötigen zu versorgen, und sei es um den Preis der glatten Lüge. So nachweislich geschehenanno 2003: der Fall Momir Nikolic.
Der bosnisch-serbische Offizier war wegen einer führenden Rolle in Massenexekutionen bei Srebrenica angeklagt worden. Zuerst hatte er auf unschuldig plädiert, dann aber schloß er mit der Anklagevertretung ein plea agreement ab: Er gestand Verbrechen gegen die Menschheit, gab eine detaillierte Insider-Darstellung der Organisierung des der bosnisch-serbischen Armee zur Last gelegten Gesamtverbrechens inklusive Befehlskette, und er gab an, am 13.7.95 eine Massenexekution mit etwa 1.000 Opfern in einem Lagerhaus in dem Ort Kravica persönlich befehligt zu haben; die Anklagevertretung ließ dafür den Anklagepunkt Völkermord fallen und versprach, sich für ein Strafausmaß von 15 bis 20 Jahren einzusetzen. Ein „Ground-Breaking Srebrenica Guilty Plea“, jubelte das dem Tribunal nahestehende Institute for War and Peace Reporting (IWPR): Während General Krstic durch sein bis zum Ende durchgehaltenes Leugnen der Anklagepunkte es den ihm gegenüber Loyalen ermöglicht, weiter abzustreiten, daß das Morden überhaupt stattfand, könnte nun Nikolics Geständnis einen Wandel in der Weise bewirken, in der die meisten bosnischen Serben das wahrnehmen, was in Srebrenica geschah; der Hintergrund Nikolics wird ihm sowohl in der serbischen Gemeinschaft wie auch im Zeugenstand Glaubwürdigkeit verleihen. Im zweiten jedenfalls sollte die Prognose des Schreibers aber ganz gründlich danebengehen. Als Nikolic am 29.9.03 gegen frühere Offizierskollegen aussagte, wurde er vom Verteidiger (einem US-Anwalt) der Lüge überführt: Er gab zu, jene Massenexekution nicht kommandiert zu haben, ja zum fraglichen Zeitpunkt nicht einmal dort gewesen zu sein. Der Verteidiger: Sie mußten ihm [dem Anklagevertreter] etwas geben, das er nicht hatte, richtig? Sie wollten Ihre Gefängnisstrafe auf 20 Jahre begrenzen, das war Teil des Übereinkommens. Ja? Quid pro quo?; Nikolic darauf: Ich sagte nicht die Wahrheit, als ich das sagte; Verteidiger, Klartext redend: Ich denke, wir sollten es beim Namen nennen: eine unverschämte Lüge. „Key Srebrenica Witness Admits Lying“, titelte IWPR tribunal project manager Chris Stephen, für einen IWPR-Mitarbeiter eigentlich ganz ungehörig, um gleich im Untertitel gar auch noch Kritik an dem ganzen Kuhhandelssystem der plea agreements anzumelden: „Momir Nicolic’s fictional account of massacre raises questions about pleabargain system“. Der Stern Nikolic, am Srebrenica-Zeugenhimmel gerade erst aufgegangen, war mit einem Mal verblaßt. (Nikolic wurde dann zu 27 Jahren verurteilt).
Wir haben die Einrichtung der plea agreements ein Kuhhandelssystem genannt. Das war ein Euphemismus: Es ist ein Erpressungssystem. Für Serben steht über den Toren des Gefängnisses von Scheveningen das Wort geschrieben, das Dante überm Höllentor geschrieben sah: Laßt alle Hoffnung, wenn ihr eingetreten. Wie könnte auch jemand ein so furchtbares Verbrechen gestehen, das er nicht begangen hat, hoffend, damit und mit falschem Zeugnis gegen frühere Armeekameraden selbst mit 20 Jahren davonzukommen – wie könnte jemand das tun, hätte er noch Hoffnung auf einen fairen Prozeß?
Ein Gericht, das zu solchen Methoden greift, verdient nicht nur kein Vertrauen; es verdient Verachtung.
3., nach dem Haager Tribunal sollen die großen Massenexekutionen vom 13. bis zum 17. Juli stattgefunden haben. NIOD folgt dem, stellt aber auch das fest: Am 19. Juli, als der britische General Smith, Kommandeur der UNO-Truppen in Bosnien zu der Zeit, und Mladic über die Formalitäten des Abzugs der holländischen Blauhelme aus dem Raum Srebrenica verhandelten, wußte UNPROFOR nichts von den Massenexekutionen (IV, 2.3). Wie? Da werden 7.000 bis 8.000 Menschen über fünf Tage hinweg systematisch exekutiert, mit dem unvermeidlichen logistischen Beiwerk: Bagger rücken nach vollbrachtem Massenmord an usw., da sind niederländische UNO-Soldaten vor Ort, und es wird nichts bemerkt? Das will erst einmal verstanden werden!
4., am 10.8.95 präsentierte Frau Albright dem Sicherheitsrat Luftaufnahmen, welche die Existenz großer Massengräber bei Srebrenica dartun sollten. Und sie warnte: Wir werden weiter aufpassen, damit wir es sehen, wenn die bosnischen Serben versuchen, die Beweise für das, was sie getan haben, zu vernichten. Nun, seitdem Powell im Feber 03 mit rgendwelchen Luftaufnahmen im Sicherheitsrat die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen bewies, die dann nicht gefunden werden konnten, ist alle Welt sensibilisiert für die Unverfrorenheit, mit der das politische Establishment der USA den Rest der Welt an der Nase herumführen zu können glaubt. Das nährt retrospektiv natürlich auch einen Verdacht gegen Frau Albrights damaligen Auftritt im Sicherheitsrat, was die Beweiskraft der von ihr präsentierten Aufnahmen betrifft. Dazu der Zeitpunkt der Präsentation: Ging es darum, mit den Srebrenica-Aufnahmen die Aufmerksamkeit der Sicherheitsratsmitglieder von der US-unterstützten »Operation Sturm« der kroatischen Armee, durch die gerade gut 200.000 Serben aus der Krajina vertrieben wurden, abzulenken? Denn das stand als der Hauptpunkt auf der Agenda dieses Tages, Resolution 1000 des Sicherheitsrates über die Operation Sturm, die dann auch tatsächlich recht zahnlos ausfiel. Bei jeder früheren Veröffentlichung wäre der Überrumpelungseffekt im Sicherheitsrat dahin gewesen, Fragen, vielleicht für Frau Albright unbequeme Fragen über die Beweiskraft der Aufnahmen wären womöglich gestellt worden. – Damit wir uns nicht falsch verstehen: Das sind nur Verdachtsmomente (wenn auch keine willkürlich bei den Haaren herbeigezogenen), die selbstredend nicht auch schon die Aussagekraft der Aufnahmen selbst berühren.
Was das Letztere anlangt, steht man natürlich vor einem Problem, wenn man die Aufnahmen weder kennt noch, würde man sie kennen, sie fachkundig analysieren und interpretieren könnte. Aber vergessen wir nicht, die mangelnde Fachkunde zur selbständigen Interpretation bzw. zur verstehenden, zu eigenem Urteil befähigenden Aneignung der Expertenanalysen der Aufnahmen bestand auch bei den Richtern im Krstic-Prozeß: Sie akzeptierten eben bloß, was ihnen von (ihren oder ihrem!) Experten vorgetragen wurde. Wir können aber auch etwas anderes tun, als entweder blind zu glauben oder ebenso blind zu zweifeln: Wir können aus seriösen Quellen stammende Angaben über die Aufnahmen hernehmen, um zu sehen, was sie hergeben und welches Licht von ihnen auf die Behauptung fällt, im Umkreis von Srebrenica seien innerhalb jener wenigen Tage 7.000 bis 8.000 Menschen systematisch exekutiert worden; gewiß nur ein Zweitbestes, aber doch besser als die Alternative, blindes Glauben oder Zweifeln.
Hierfür halten wir uns am besten an den NIOD-Bericht, das Seriöseste, wonach man da greifen kann. Gleich zuallererst ist zu sagen, daß es nach NIOD keine Aufnahmen von Massenexekutionen selbst gibt: Es gab Gerüchte über Photos, die die summarischen Exekutionen zeigen. Wie aber der Researcher für das Jugoslawien-Tribunal, Ruez, vor der Französischen Parlamentarischen Untersuchung in Paris aussagte, gab es keine solchen Photos. Daher hatte das Jugoslawien-Tribunal nur Photos von vor und nach den Exekutionen. Das wurde von Nachrichtendienstlern bestätigt, die vollen Zugang zu dem Imint [Imagery Intelligence] während des Bosnienkonflikts hatten … Zusammenfassend kann man ruhig sagen, daß US-Spionagesatelliten, U-2s und UAVs [Unmanned Aerial Vehicles] eine Menge Imint sammelten, das Busse, Lastwagen, Panzer, männliche Gefangene, Leichen und aufgewühlten (disturbed) Boden zeigt, wo die exekutierten Männer begraben worden sein könnten (Wiebes S.348f.).
Wenn das eine einigermaßen treffende Beschreibung dessen ist, was die Luftaufnahmen hergeben – wozu wir die hier zwar nicht, aber sonst auch erwähnten Erdbewegungsmaschinen, Bagger also, hinzunehmen können –, so wird man wohl nicht sagen können, sie hätten Beweiskraft dafür, daß Massenexekutionen in der behaupteten Größenordnung stattgefunden hätten; und nehmen wir hinzu, daß es nach NIOD (unter Berufung auf einen niederländischen Photo-Analysten) extrem schwierig ist, von Satelliten und U-2s gemachte Photos zu analysieren (Wiebes S.349), dann dürfte es doch wohl eher umgekehrt so sein, daß die Hypothese von Massenexekutionen in der behaupteten Größenordnung ihrerseits den Interpretationsrahmen abgab für das, oder doch wenigstens für einen Gutteil dessen, was für die Analysten auf den Aufnahmen zu erkennen war; denn für den Informationsgehalt der Aufnahmen ist ja ein ganzes Spektrum denkbar: von solchen Photos, die dem kundigen Analysten nur eine Interpretation (welche es auch sei) vernünftig erscheinen lassen, bis zu solchen reichend, die ihm mit ganz verschiedenartigen Interpretationshypothesen gleich gut verträglich erscheinen.
Ja warum gibt es keine Aufnahmen von Massenexekutionen selbst? NIOD erwähnt ein US-Memorandum vom 25.8.95 auf eine Anfrage der Niederländischen Regierung, das eine Antwort enthalten würde. Zunächst, auf die Frage, wann die Massengräber zuerst entdeckt wurden, antworteten die US-Dienste, daß es am 2. August Evidenz für Grabungsarbeiten gab. Das kam zum Vorschein, als ein Imint-Analyst einen U-2 Film von einem Einsatz am 27. Juli untersuchte … Er entdeckte Areale, die das Vorhandensein von Massengräbern anzudeuten schienen. Ein Vergleich mit anderem Imint, aufgenommen von einem Satelliten am 13. Juli, verriet, daß in der Bodenstruktur (soil structure) Veränderungen geschehen waren. Es war dann, daß die Gruppen von Gefangenen auf dem Imint entdeckt wurden (Wiebes S.347).
Ein eher tastender Charakter der Auswertung von »Imint« kommt ziemlich klar zum Vorschein. Desgleichen in dem, womit NIOD fortfährt, worin auch die Abhängigkeit der Deutung der Luftaufnahmen von einem Interpretationsrahmen besonders gut herauskommt:
Der Umstand, daß das nicht früher entdeckt wurde, wurde damit erklärt, daß die Menschen auf dem Boden „irrtümlich für Vegetation gehalten und übersehen worden seien, wo der Analyst keine Kenntnis hatte von späteren Presseberichten von Flüchtlingen, die behaupteten, daß Menschen in dem Gebiet auf Fußballfeldern zusammengetrieben wurden“. Weiters gab die Erklärung an, daß es „aber zwischen dem 13. und dem 27. Juli aufgrund von schlechtem Wetter und schlechter Bildqualität keine brauchbare Coverage“ gab. Das bedeutete, daß die Amerikaner nur Bilder der Örtlichkeiten vor und nach den Exekutionen und keine Bilder von den Exekutionen selbst hatten (Wiebes S.347).
Das wäre eine einfache Erklärung, doch nach NIOD war das eine teilweise Falschinformation, denn es gab sicherlich „brauchbare Coverage“ … Am 17. Juli überflog eine U-2 den Branjevo Bauernhof bei Pilice, Stätte zahlloser Exekutionen. Ein – ziemlich unscharfes – Photo von Menschen, die kurz darauf exekutiert wurden, wurde später von niemand anderem als der US-Administration freigegeben. NIOD wurden sogar weitaus schärfere Photos von demselben Ziel gezeigt, die deutlich eine größere und eine kleinere Gruppe von Leichen, Lastwagenspuren und Grabungsarbeiten zeigten. Ähnliche, aber weniger scharfe Pho-tos wurden später dem Jugoslawien-Tribunal zur Verwendung im Prozeß gegen General Krstic übergeben (Wiebes S.351; auch im Krstic-Urteil erwähnt).
Von diesen Aufnahmen spricht der NIOD-Bericht auch an anderer Stelle, dort wo in ihm die betreffende Massenexekution – es handelt sich um den Fall, für den wir schon zweimal auf Abschnitt IV vorausverwiesen haben – selbst das Thema ist. Sie soll am 16. Juli stattgefunden haben, doch, so NIOD, das Morden setzte sich am nächsten Tag fort. Luftaufnahmen, die am 17. Juli gemacht wurden, zeigen eine große Anzahl von Leichen rund um die Stätte beim Branjevo-Armeebauernhof und die Spuren einer Erdbewegungsmaschine, die die Leichen zusammengesammelt hatte; und es zeige sich auf den Aufnahmen, daß an diesem Tag eine Grube ausgehoben worden war (NIOD-Bericht IV, 2.11).
Die beiden Beschreibungen passen nur unter der Annahme zusammen, daß sie sich auf verschiedene Phasen des Geschehens beziehen: In der ersten ist von Grabungsarbeiten die Rede, was man doch nur auf die Aushebung der Grube (des Massengrabs) beziehen kann, die in der zweiten aber schon ausgehoben ist! Nun wird in der ersten auch eine Aufnahme erwähnt, die Menschen zeigen soll, die kurz darauf exekutiert worden seien: Warum aber keine Aufnahme von der Exekution selbst, die vermutlich doch zwischen dem Zeitpunkt dieser Aufnahme und dem der Aufnahme mit der fertig ausgehobenen Grube stattgefunden haben müßte! Also auch in diesem Fall, in dem Exekutionen und Imint zeitlich ganz beisammen liegen sollen, keine Aufnahme direkt von Exekutionen selbst, was da jedoch sehr sonderbar ist. Also selbst in diesem Fall nichts Definitives, nur neue Fragen und Ungewißheiten. Außerdem, wir vermissen die Erwähnung von Busspuren, denn zu dieser Massenexekution sollen die Opfer in Bussen zur Exekutionsstätte gekarrt worden sein. Und des weiteren noch, nach Aussagen von Überlebenden der Exekutionen seien direkt nach – und manchmal auch während – der Exekutionen Erdbewegungsmaschinen eingetroffen, um die Opfer einzugraben (NIOD-Bericht IV, 2.4): So würde man erwarten, die Aufnahmen vom 17. Juli zeigten deutliche Spuren eines Massengrabs der Opfer der Exekutionen des Vortags, die spätestens um 16 Uhr beendet gewesen sein sollen: und zwar eines riesigen Massengrabs, wenn am 16. Juli gemäß der offiziellen, auch von NIOD akzeptierten Zahl dort gut 1.000 Opfer exekutiert wurden. Aber von solchen Spuren hören bzw. lesen wir nichts. Oder machte man in diesem einen Fall eine Ausnahme, ließ man die Leichen bis zum nächsten Tag einfach so herumliegen? Mitten im Sommer?, ohne Bedachtnahme möglicher Entdeckung?, des aasfressenden Getiers, das sich einfinden würde? Kaum glaublich. Oder fand NIOD solche Spuren im Vergleich z.B. mit Lastwagenspuren unwichtig, nicht erwähnenswert? Wieder eine abwegige Vermutung. – Man sieht, wie wenig sich da zusammenreimen will.
In Summe: Diese Luftaufnahmen, seit Frau Albrights Auftritt im Sicherheitsrat am 10.8.95 als so durchschlagende Beweise gehandelt, taugen, soweit wir unter den genannten Beschränkungen urteilen können, sehr wenig zur Erhärtung der vom Haager Tribunal aufgestellten Behauptungen über Ausmaß und Anzahl der Opfer von Massenexekutionen nach der Einnahme Srebrenicas: Im großen und Ganzen erscheint es vielmehr eher umgekehrt so, daß diese Behauptungen bereits als wahr vorausgesetzt werden müssen, damit die Luftaufnahmen ihnen konform »zum Sprechen gebracht« werden können.
Eine letzte Bemerkung. Frau Albright hatte damals auch angekündigt, es werde beobachtet werden, wenn die Täter darangingen, die Spuren ihres Tuns zu verwischen. Nach dem Haager Tribunal versuchten sie es durch die Transferierung der Leichen aus den »primären« Massengräbern in kleinere »sekundäre« Massengräber an weiter entfernten Örtlichkeiten, im September und Oktober 95. Gibt es davon, wie es nach Frau Albrights Ankündigung zu erwarten wäre, direktere Beweise durch Luftaufnahmen als für Exekutionen selbst? NIOD dazu: Solche Tätigkeiten konnten dem scharfen Auge von Satelliten und Aufklärungsflugzeugen nicht entgehen, am allerwenigsten aber der Fachkenntnis jener, die Luftaufnahmen analysieren (IV, 2.20). Nach dem Bisherigen aber klingt das, bei allem Respekt vor der Arbeit von NIOD, doch wohl mehr nach Rhetorik.
5., neueren Entwicklungen im Milosevic-Prozeß nach zu urteilen ist das Tribunal selbst auch nicht besonders überzeugt von dem, was im Krstic-Urteil sozusagen als die kanonische Version der Geschehnisse bei Srebrenica nach der Einnahme der Stadt festgeschrieben wurde: systematische Massenexekutionen in der näheren Umgebung wahrscheinlich mit 7.000 bis 8.000 Opfern während der darauffolgenden Tage, Verscharrung in »primären« Massengräbern vor Ort und spätere Transferierung der Leichen in kleinere »sekundäre« Massengräber an weiter entfernten Örtlichkeiten. Denn am 1. Juni nahm der Anklagevertreter, der allen, die den Prozeß ein wenig verfolgen, wohlbekannte Mister Nice, nichts weniger als eine radikale Revision der kanonischen Version vor: Nach den neuesten »Erkenntnissen« von Frau Del Ponte & Co soll nämlich ein beträchtlicher Teil der Opfer gar nicht in der Nähe von Srebrenica ermordet, sondern in einer aufwendigen Operation mit Lastwagen an zum Teil sogar sehr weit entfernte Örtlichkeiten gebracht worden sein, um erst dort exekutiert und verscharrt zu werden. Es ist natürlich die Videogeschichte, auf die wir da anspielen. Wir werden diese revidierte Version dann ja in Mister Nicens eigenen Worten kennenlernen; so sei sie hier erst einmal nur erwähnt, mit zwei Bemerkungen:
1., man erweitert damit den geographischen Raum, in dem man Srebrenica-Opfer »entdecken« kann, prinzipiell auf das gesamte in der fraglichen Zeit von der bosnisch-serbischen Armee kontrollierte Gebiet, sehr günstig, um letztlich doch noch die geforderten 7.000 bis 8.000 Opfer zusammentragen zu können; und
2., auch in Den Haag verzweifelt man anscheinend daran, mit der kanonischen Version an Milosevic herankommen zu können: Sie taugt also nichts, denn was wäre das ganze Anklagegewebe noch wert, würde es ausgerechnet am Kulminationspunkt: Verantwortung für Völkermord nach der Einnahme Srebrenicas, scheitern! Also muß eine revidierte Version her, denn das läßt neue Hoffnung schöpfen.
Nach diesen fünf Anmerkungen zur Behauptung im Krstic-Urteil, nach der Einnahme von Srebrenica seien wahrscheinlich zwischen 7.000 und 8.000 bosnische Muslime exekutiert worden, nun zum anderen, vielleicht noch wichtigeren Aspekt im Urteil!
Zweitens, der Völkermord. Dafür mußte die anerkannte Definition des Völkermords erfüllt sein: ein kriminelles Unternehmen mit der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche im ganzen oder teilweise zu zerstören. Da standen die Richter vor zwei hauptsächlichen Problemen:
1., Nachweis der Absicht, und
2., wie konnten sie von der Zerstörung eines Teils, nämlich des ostbosnischen
oder des in Srebrenica ansässigen Teils der ethnisch-religiösen Gruppe der bosnischen Muslime reden, wo doch für sie selbst die auserkorene Opfergruppe nur die männlichen Muslime im wehrfähigen Alter waren, die Opfer zum überwältigendsten Teil dieser Gruppe angehörten? Wie sich da über den gesunden common sensehinwegsetzen?, über die eminent vernünftige Ansicht, die der frühere kanadische General Lewis MacKenzie, erster Kommandeur der UNO-Truppen in Bosnien, im Toronto Globe and Mail vom 14. Juli d.J. über „The Real Story Behind Srebrenica“ schreibend, kurz und bündig deponierte: Es muß gesagt werden, will man Völkermord begehen, so läßt man nicht die Frauen [und, fügen wir hinzu: die Kinder] gehen, sind sie doch der Schlüssel für den Fortbestand eben der Gruppe, die man eliminieren will.
Das erste Problem, den Nachweis der Absicht, umschiffte man dadurch, daß man das Konzept der im Akt selbst liegenden Absicht bemühte, also das Konzept einer sozusagen objektiven, von den Absichten im Bewußtsein der Handelnden unabhängigen Absicht: Das Gericht betont die Notwendigkeit, zwischen der individuellen Absicht des Angeklagten und der in der Konzipierung und Verübung des Verbrechens involvierten Absicht zu unterscheiden. Die Schwere und das Ausmaß des Verbrechens des Genozids setzen gewöhnlich voraus, daß in seiner Verübung mehrere Protagonisten involviert waren. Mögen auch die Motive der einzelnen Beteiligten sich voneinander unterscheiden, so bleibt doch das Ziel des kriminellen Unternehmens dasselbe. In solchen Fällen einer gemeinsamen Beteiligung muß die Absicht, eine Gruppe als solche im ganzen oder teilweise zu zerstören, im kriminellen Akt selbst erkennbar sein, unabhängig (apart) von den Absichten einzelner Täter.
Es mischen sich hier Binsenwahrheiten mit einer konsequenten Verwischung des Unterschieds zwischen Absicht und Folge (so daß man sich unwillkürlich fragt, ob die Richter nicht etwa schon in der Schule Mühe hatten, das finale vom konsekutiven utzu unterscheiden). Natürlich verlangt das Verbrechen des Genozids die Beteiligung vieler, und natürlich mögen sich die Motive der einzelnen Beteiligten sehr unterscheiden, z.B., bei einer untergeordneten Charge mag es einfach nur der Wunsch sein, sich nicht selbst etwa durch Befehlsverweigerung irgendeiner Gefahr auszusetzen; aber gewiß ebenso natürlich, so denkt man wenigstens, mußte bei einigen, und zwar am kriminellen Akt führend Beteiligten die Absicht genau die sein, von der die angeführte Genozid-Definition spricht: Mitnichten, müssen wir uns jedoch von der zitierten Stelle belehren lassen. Die genozidale Absicht, wird uns gesagt, müsse im kriminellen Akt selbst erkennbar sein: Wer aber glaubt, das sei nur eine komprimierte Formulierung für den zweifellos wahren Satz ‘Der kriminelle Akt muß so beschaffen sein, daß er Rückschlüsse auf eine genozidale Absicht der leitenden Beteiligten zuläßt’, der irrt, denn das Erkennen der genozidalen Absicht im Akt selbst soll ja mit den Absichten einzelner Täter nichts zu tun haben – und zwar selbst leitender einzelner Täter, wie wir gleich dem Anfang des Zitats entnehmen. Eine Art von Absicht kommt zum Vorschein, die nur noch im Akt selbst definitiv lokalisiert, vom Bewußtsein der Akteure aber ablösbar ist. Das ist freilich ein Unding; und in der Tat, wir scheinen da gar nicht so weit weg zu sein von der Unterscheidung zwischen subjektiver und »objektiver« Schuld, die in den Moskauer Schauprozessen der 1930er Jahre eine ganz zentrale Rolle spielte.
In besonders ingeniöser Weise löste man das zweite Problem: Man argumentierte u.a. so, daß die bosnisch-serbischen Kräfte sich der katastrophalen Auswirkung bewußt sein mußten, die das Verschwinden von zwei oder drei männlichen Generationen für das Überleben einer traditionell patriarchalischen Gesellschaft haben würde … Als die bosnisch-serbischen Kräfte beschlossen, alle Männer im wehrfähigen Alter zu töten, wußten sie, daß die Verbindung dieser Tötungen mit dem zwangsweisen Transfer der Frauen, Kinder und Älteren unvermeidlich zum physischen Verschwinden der bosnisch-muslimischen Bevölkerung bei Srebrenica führen würde.
Und so hatte man auch die Zerstörung eines Teils der ethnisch-religiösen Gruppe der bosnischen Muslime, bei der der Zerstörungsakt auf das Zerstörungsobjekt »als solches« gerichtet war. Das Urteil konnte gesprochen werden.
Wenn aus all dem irgendetwas klar wird, dann ist es wohl das: Die Richter wolltendas von der Westlichenwertegemeinschaftsöffentlichkeit, vom herrschenden »Diskurs« längst gesprochene Urteil bestätigen – ein desto dringlicheres Anliegen,als es ja galt, die Basis zu schaffen für eine Genozidanklage gegen den Staatschef des Landes, gegen das sich besagte Gemeinschaft des Verbrechens des Angriffskriegs schuldig gemacht hatte. Hätten die Richter nicht als politische Erfüllungsgehilfen gehandelt, hätten sie in ihrer Urteilsfindung der Vorgeschichte den ihr gebührenden Platz eingeräumt, so wären sie wohl eher zu der Überzeugung gekommen, zu der sich General Morillon als Zeuge beim Milosevic-Prozeß bekannte: eine Reaktion auf die Massaker an der serbischen Bevölkerung durch Naser Oric und seine Truppen. Ein Racheakt welchen Ausmaßes auch immer – aber Völkermord?
Auch der NIOD-Bericht findet keine greifbaren Motive, die wesentlich anders wären:Emotionale Faktoren wie Rache, Wut und Frustration scheinen bei der Auslösung der Exekutionen die Oberhand gewonnen zu haben … Rache für die Ermordung bosnisch-serbischer Zivilisten in der Enklave und ihrer Umgebung in den Jahren 1992 und 1993 wird oft als Motiv für die Exekutionen angeführt, sowohl in der muslimisch-kroatischen Föderation wie auch in der Republika Srpska (IV, 2.3).
Daher findet es NIOD auch unwahrscheinlich, daß der Massenmord weit im voraus geplant war (IV, 2.20), bereits einen Teil des Plans zur Einnahme Srebrenicas vor der Operation selbst bildete (IV, 2.3), und hält es für plausibel, daß die Entscheidung, alle männlichen Muslime im wehrfähigen Alter zu töten, nach dem 11. Juli getroffen wurde, mit der Folge, daß diese Planung … mehr in der Natur einer improvisierten Weise erfolgte (IV, 2.20). Was NIOD hier Planung nennt, verdient kaum, so genannt zu werden, weil es kaum über das hinausgeht, was auch bei spontanem Handeln, soweit es nur absichtsgeleitetes Tun ist, an Vorkehrungen zur Verwirklichung der Absicht getroffen wird. NIOD sieht da sogar eine Art von Eigengesetzlichkeit wirken, was gewiß im geraden Gegensatz zu dem steht, was man gemeiniglich Planung nennt: Sobald der Prozeß der Massenexekutionen begonnen hatte, entwickelte er eine unaufhaltsame Eigendynamik (momentum) (IV, 2.20).
In scharfem Kontrast dazu bietet NIOD aber auch die Sicht, die politisch korrekte, im Krstic-Urteil festgeschriebene Sicht, daß es – trotz der extrem raren Informationsquellen dafür (IV, 2.1)! – kaum einen Zweifel daran geben kann, daß die Massenexekutionen sorgfältig geplant und organisiert waren. Die Hypothese, sie seien mehr oder weniger spontan gewesen, indem die Dinge ‘aus der Hand gerieten’, ist unhaltbar (IV, 2.20). Bei dem Ausmaß der Greueltaten müssen die Entscheidungen auf der Ebene des Drina-Korps getroffen worden sein … Ohne detaillierte Planung wäre es nicht möglich gewesen, so viele Menschen in einer so systematischen Weise niederzumetzeln und in so kurzer Zeit – in der Zeit zwischen dem 13. und dem 17. Juli (IV, 2.3), zusätzlich auch aus dem Grund, daß in einer allgemein wohlstrukturierten und disziplinierten Armee wie der VRS [der bosnisch-serbischen Armee] es nur so sein konnte, daß die VRS-Kommandeure den Befehlen von oben folgten und nicht von sich aus zu einem so weitreichenden Plan gelangt wären, wie er für die Massenexekutionen erforderlich war (IV, 2.20 und IV, 2.3).
Das ist gewiß eine Zwickmühle. Steckt man in einer solchen, so tut man gut daran, seine Prämissen zu überdenken. Eine Möglichkeit wäre gewesen, die Prämisse der Entscheidung, daß alle Muslime im wehrfähigen Alter zu töten seien, und mit ihr die vom Ausmaß der Exekutionen, fallen zu lassen. Die Zwickmühle wäre verschwunden – und mit ihr zugleich die Schwierigkeit, eigentlich auch erst noch erklären zu müssen, wie in nur zwei Tagen, vom 11., dem Tag der Einnahme Srebrenicas, bis zum 13. Juli, an dem die Massenexekutionen begonnen haben sollen, ein derartweitreichender Plan gefaßt und zugleich sorgfältig ausgearbeitet werden konnte! Der Preis aber wäre das Verschwinden der politisch korrekten Sicht der Dinge gewesen. Und das ging doch wohl nicht an.
IV
Es gibt für Srebrenica einen geständigen direkten Täter, den bosnischen Kroaten Drazan Erdemovic, Mitglied des Exekutionskommandos bei den auf S.22f. bereits in den Blick gerückten Exekutionen auf dem Gelände jenes Armeebauernhofes bei dem Ort Pilice am 16.7.95. Die causa Erdemovic verdient daher von vornherein unsere Aufmerksamkeit: Aber sowie wir sie ihr zuteil werden lassen, stellt sich nicht Klarheit ein, sondern sehen wir uns vielmehr mit einer ausgesprochen undurchsichtigen Sache konfrontiert.
Erdemovic wurde am 3.3.96 nach einem einschlägigen Interview, das er dem US-Sender ABC News gegeben hatte, in Serbien verhaftet, und aufgrund des Polizeiberichts über ihn vom 6. März wurde am 8. März vom zuständigen Staatsanwalt in Novi Sad gegen ihn eine Untersuchung eingeleitet, er wurde aber auf die Forderung des Haager Tribunals hin, und seiner eigenen Absicht entsprechend, Ende März nach Den Haag ausgeliefert. Dort gestand er, was er auch schon in Novi Sad gestanden hatte: an der Erschießung von etwa 1.000 bis 1.200 Zivi-listen beteiligt gewesen zu sein und selbst bis gegen 100 von ihnen exekutiert zu haben; gleichwohl wurde er am 29.11.96 zu gerade zehn Jahren verurteilt, welche Strafe dann 1998 gar auf fünf Jahre (!) herabgesetzt wurde! Zudem erhielt er eine neue Identität; als er als geschützter Zeuge der Anklage am 25.8.03 im Milosevic-Prozeß aussagte, war bei der Übertragung seine Erscheinung unkenntlich gemacht und seine Stimme technisch verzerrt. Der Tatbestand ist nach seinen eigenen Angaben bei diesem Auftritt in kurzen Zügen der. Er war Mitglied einer multiethnisch zusammengesetzten Spezialeinheit der bosnisch-serbischen Armee, der 10. Sabotageabteilung, Kommandant: ein Leutnant Milorad Pelemis, sein Vize: ein gewisser Radoslav Kremenovic; die Einheit war in zwei Züge gegliedert, Kommandant seines eigenen Zugs: ein gewisser Franc Kos; von dem des anderen Zugs kannte er nur den Spitznamen ‘Lule’. Es wurden Gehälter gezahlt, die durch Pelemis und für die Logistik in der Einheit Zuständige kamen, an deren auch nur ungefähre Höhe er sich aber angeblich nicht mehr erinnern konnte. Eine Söldnertruppe also. In der Kommandostruktur der bosnisch-serbischen Armee unterstand sie direkt dem Generalstab (Main Staff ), nicht dem Drina-Korps. Bevor sie am 11.7.95 in Srebrenica einrückten, habe ihnen Kommandant Pelemis gesagt, daß sie nicht auf Zivilisten schießen sollten; aber ein paar Tage später, am 16., habe ein ihm unbekannter Oberstleutnant des Drina-Korps angeordnet, jene Massenexekution auszuführen, und diesen Befehl habe eben ein ihn selbst einschließendes achtköpfiges Kommando seiner Einheit aus-geführt, so Erdemovic.
Schon jetzt tritt Verwirrendes hervor: angefangen von der einfach lächerlichen Strafe, mit der Erdemovic in Den Haag davonkam, bis zu diesem anonymen Oberstleutnant, der eigentlich gar keine Befehlsgewalt über die 10. Sabotageabteilung hätte haben können, dessen schauerlicher Befehl aber trotzdem und dazu noch gegen die vorherige Instruktion, nicht auf Zivilpersonen zu schießen, ohne Verzug ausgeführt wurde. Sehen wir uns jetzt Erdemovics Auftritt im Milosevic-Prozeß, in dem er als der Hauptzeuge der Anklage zu Srebrenica über jene Massenexekution im Juli 95 aussagte, näher an! Der interessantere Teil ist das Kreuz- verhör durch den Angeklagten, denn bei der Befragung durch Mister Nice geht es hauptsächlich nur darum, ihn die Aussagen wiederholen zu lassen, die er bereits 1996 gemacht hatte; und da zudem das alles im Kreuzverhör ohnehin wiederkehrt, können wir uns bei der Befragung durch Mister Nice kurz fassen.
Erdemovic auf dessen Frage, welche Anordnungen sie über das Verhalten Zivilpersonen gegenüber im Verlaufe des Angriffes auf Srebrenica erhalten hätten:Am Morgen des 11. [Juli] sagte uns Pelemis, daß wir die Zivilisten zum Fußballplatz schicken sollten und nicht auf Zivilisten schießen sollten.
Aber fünf Tage darauf die fürchterliche Wende. Mister Nice: Informierte Sie Brano Gojkovic am 16. Juli über neue Instruktionen?
Erdemovic bejaht und führt weiter aus: Brano Gojkovic sagte nur, Pelemis habe gesagt, daß wir zum Einsatz kommen würden. Zu dem Zeitpunkt erklärte er nichts, was diese Operation betraf oder was unser Auftrag sein würde.
Eine Zwischenbemerkung: Da tritt dieser Herr Gojkovic in den Vordergrund, der formell keine führende Stellung in der 10. Sabotageabteilung bekleidete – er war ja weder Pelemis’ Stellvertreter noch Zugskommandant –, aber von Pelemis mit der Leitung des kommenden Einsatzes betraut worden war. Das verwundert, weil auch Erdemovics eigener Zugskommandant Franc Kos Mitglied dieses von Gojkovic geführten Kommandos war: Außer ihm selbst habe das Kommando bestanden ausFranc Kos, Marko Boskic, Geronja Zoran, Stanko Savanovic, Brano Gojkovic, Aleksandar Cvetkovic, Vlastimir Golijan. Die Befehlskette bei den Exekutionen, die folgen sollte, war also die, wie Erdemovic schon früher in der Befragung sagte: Ich persönlich erhielt die Befehle von Brano Gojkovic, aber ein Oberstleutnant brachte uns zu diesem Bauernhof , … und er sagte Brano, was wir an diesem Tag zu tun hätten.
Zurück zum Ablauf der Geschehnisse nach Erdemovics Darstellung bei der Befragung durch Mister Nice. Wir – das von Gojkovic geführte Kommando – fuhren in Richtung Zvornik, wo sie bereits von jenem Oberstleutnant, der in Begleitung von zwei Militärpolizisten war, erwartet wurden. Sie sagten, daß wir in unser Fahrzeug einsteigen und … [ihnen] folgen sollten … Als wir den Bauernhof erreichten, waren dort mehrere Personen in Uniformen der Armee der Republika Srpska, und dieser Oberstleutnant befahl ihnen, den Bauernhof zu verlassen, nur ein Wächter sollte dableiben … Und dann sagte Brano, was geschehen würde. Brano sagte, es würden Busse mit Zivilisten aus Srebrenica einzutreffen beginnen. Sie sollten exekutiert werden.
Die ersten Busse seien zwischen 10 und 11 Uhr eingetroffen. Der Oberstleutnant sei mit den zwei Militärpolizisten bereits wieder abgefahren gewesen, als sie mit den Exekutionen begannen. Ich persönlich konnte nicht verstehen, warum das geschah. Ich konnte es nicht glauben. Dann nach »getaner Arbeit« sei der Oberstleutnant wieder aufgetaucht und habe sie nach Pilice beordert.
Milosevic geht es im Kreuzverhör zunächst darum, ganz deutlich herauszustellen, daß bereits 1996 die jugoslawischen Behörden genau das untersuchten, was Erdemovic gerade als Zeuge der Anklage ausgesagt hat. Sie waren in diese Ereignisse involviert, von denen Sie selbst sagten, sie seien unglaublich …; stimmt das?
Erdemovic: Ja.
Milosevic fährt dann damit fort, daß Erdemovic 1996 nur etwa 10 Tage nach seiner Einreise in Serbien am 3. März verhaftet worden sei, und zitiert hierauf aus-führlich aus dem Polizeibericht vom 6. März: Es besteht der Verdacht, daß er [Erdemovic] in Pilice zwischen Zvornik und Bijeljina als Mitglied der 10. Sabotageabteilung der Armee der Republika Srpska innerhalb des bewaffneten Konflikts auf dem Territorium des früheren Bosnien-Herzegowina zusammen mit sieben Mitgliedern der Armee der Republika Srpska Tötungen von Zivilbevölkerung in der folgenden Weise beging: In der Zeit von 10.30 bis 16 Uhr töteten sie mit Feuerwaffen ungefähr 1.200 ethnisch muslimische Bürger, die vorher mit Bussen zur Exekutionsstätte gebracht wurden, und die genannte Person selbst tötete ungefähr 100 Personen, … und in dieser Weise beging er das Verbrechen eines Kriegsverbrechens gegen die Zivilbevölkerung nach Artikel 142, Paragraph 1 des Strafgesetzbuches von Jugoslawien. Stimmt das, Herr Erdemovic?
Erdemovic: Ja.
Milosevic: Also nur ein paar Tage, nachdem Sie jugoslawischen Boden betreten hatten, wurden Sie genau deswegen verhaftet, worüber Sie gerade Ihre Aussage gemacht haben, und die Erläuterung verweist auf Gojkovic Brano, Savanovic Stanko, Goronja Zoran, Golijan Vlastimir, Boskic Marko, Kos Franc, und Cvetkovic Aleksandar. Stimmt das?
Erdemovic: Ja.
Milosevic: Das also ist es, worüber Sie hier als Zeuge aussagen?
Erdemovic: Ja.
Milosevic: Und was hier [im Polizeibericht] erwähnt wird, ist etwas, das Sie ebenfalls gesagt haben, und das ist ein Ihnen unbekannter Oberstleutnant der Armee der Republika Srpska, und daß Sie sich zum Dorf Pilice … begaben, und was dann beschrieben wird, ist im groben das, wovon Sie hier gesprochen haben. Stimmt das?
Erdemovic: Ja.
Milosevic präsentiert ein weiteres Dokument: Es ist das Büro des Distriktstaatsanwalts in Novi Sad, am 8. März 1996. Also zwei Tage nach dem Polizeibericht, und hier ist ein Ersuchen, daß eine Untersuchung gegen Drazan Erdemovic geführt werden möge. Und unter Nummer 2, gegen Radoslav Kremenovic. Und in diesem Dokument wird ebenfalls auf die Tatsache Bezug genommen, daß sie ungefähr 1.200 ethnische Muslime mit Feuerwaffen getötet und damit ein Kriegsverbrechen im Sinne des Strafgesetzbuch begangen hatten.
Milosevic hat seinen ersten Punkt deponiert: Was dachte sich die Anklage dabei, als sie Erdemovic als Belastungszeugen gegen ihn auftreten ließ? Wo der doch nur das wiederholen konnte, weswegen gegen ihn schon sieben Jahre vorher im Serbien der »Milosevic-Ära« gerichtliche Schritte eingeleitet worden waren! Er wird es selbst kurz darauf sagen, oder besser, zu sagen versuchen: Das ist der ganze Punkt, Herr May, daß das absurd ist, daß Sie da einen Zeugen bringen …, doch der vorsitzende Richter May (inzwischen ewig jung geworden aber der Nachwelt als tüchtiger »Milosevic-Bändiger« durch gekonntes Mikrophonabschalten gewiß in Erinnerung bleibend) fällt ihm sofort ins Wort: Nein. Verwenden Sie nicht solche Worte. Vielleicht hätte Richter May ihn doch besser ausreden lassen sollen, denn dann hätte er Milosevics Punkt gesehen, der ihm, einem späteren Wortwechsel zwischen den beiden nach zu urteilen, durchaus entgangen war. Da verlangt Milosevic mehr Zeit für das Kreuzverhör, Richter May darauf: Bis jetzt haben Sie nicht viel davon [von Erdemovics Zeugenaussage] angefochten. Das ist das Entscheidende, nicht der Hintergrund des Zeugen, sondern wieviel von seiner Aussage Sie tatsächlich anfechten. Bis jetzt war das sehr wenig. (Aber wie sagten doch die Alten? De mortuis nil nisi bene! ).
Sodann greift Milosevic die lächerlich geringe Strafe auf, zu der Erdemovic in Den Haag verurteilt worden war: Herr Erdemovic, Sie wurden wegen dieses Akts nicht vor ein jugoslawisches Gericht gestellt, sondern es wurde Ihre Auslieferung gefordert. Sie wissen das. Das stimmt doch?
Erdemovic: Ja.
Milosevic: Und so kam es, daß Sie hierher kamen und unter Anklage gestellt wurden. Stimmt das?
Erdemovic: Ja.
Milosevic: Genau für den Akt, wie er im Polizeibericht und in dem Ersuchen zur Durchführung einer Untersuchung … dargestellt wird. Stimmt das?
Erdemovic: Ja.
Milosevic weiter: Und es steht außer Streit, daß Sie für das Töten von über 1.000 Menschen und das persönliche Töten von ungefähr 100 Menschen zu einer Gefängnisstrafe von fünf Jahren verurteilt wurden?
Erdemovic: Ja.
Richter May fragt Mister Nice, weswegen Erdemovic verurteilt worden sei, und der informiert: Verletzung von Artikel 5 des Statuts, Verletzung des Kriegsrechts und der Gepflogenheiten der Kriegsführung (customs of war).
Milosevic zitiert aus Erdemovics plea agreement, durch das der Anklagepunkt Verbrechen gegen die Menschheit fallen gelassen wurde, obwohl, Zitat: Drazan Erdemovic bekennt sich dazu, daß ihm bewußt ist, daß er für schuldig befunden würde, Verbrechen gegen die Menschheit begangen zu haben … und alle die erwähnten Elemente über jeden vernünftigen Zweifel hinaus bewiesen worden wären.Und dazu noch, Milosevic zu Erdemovic: Sie verbrachten nicht einmal die vollen fünf Jahre [im Gefängnis]. Ist es nicht, resümiert er, für jedermann ganz klar, daß Sie für eine derartige Massenexekution nur unter der Bedingung fünf Jahre erhielten, daß Sie andere beschuldigen?
Erdemovic bestreitet vehement, jemals etwas anderes behauptet zu haben als das, daß für die Organisierung der Massenexekution irgendjemand sehr hoch obendahintergestanden haben müsse, niemals aber habe er über andere Personen gesprochen als über die, von denen er seine Befehle erhalten habe.
Und da ist Erdemovic zweifellos im Recht, wird er von Milosevic zu unrecht angegriffen: Er hat immer nur davon gesprochen, den Exekutionsbefehl von Gojkovic erhalten zu haben und daß der wieder von jenem unbekannten Oberstleutnant der bosnisch-serbischen Armee instruiert worden sei. Nur zu gerne hätte Mister Nice aus ihm herausgebracht, daß General Mladic am 11. Juli, als er in Srebrenica eingetroffen war, sich mit Pelemis getroffen habe, denn dann hätte er so etwas wie den Zipfel eines Hinweises auf eine Befehlskette von Mladic zur Massenexekution bei dem Dorf Pilice in der Hand gehabt; aber er hatte nur die Antwort erhalten, die Erdemovic auch Milosevic geben wird: Ich weiß nicht, ob sie sich überhaupt getroffen haben. Die Grundlage des plea agreement mußte also etwas anderes sein; wir kommen darauf zurück.
Im weiteren kommt Milosevic auf die eigenartige Befehlskette bei der Massenexekution zu sprechen. Erdemovic bestätigt erneut, was wir darüber schon erfahren haben, und daß die 10. Sabotageabteilung nicht zum Drina-Korps gehörte, sondern dem Main Staff der bosnisch-serbischen Armee unterstand. Also, faßt Milosevic diese vom Gedanken einer militärischen Befehlshierarchie her absurd erscheinende Sachlage zusammen, ein nicht identifizierter Oberstleutnant des Drina-Korps kommt daher und befiehlt euch, 1.000 Menschen zu töten, und ihr führt den Befehl aus. Ist es das, was Sie sagen wollen? Kann das ein normaler Mensch tun?Erdemovic kann nur schon Gesagtes wiederholen, er habe seine Befehle von Brano Gojkovic erhalten und der von jenem Oberstleutnant, aber ich weiß auch, daß dieser Oberstleutnant uns keinen solchen Befehl hätte geben können ohne die Zustimmung von Pelemis oder von jemandem vom Main Staff. Leider verabsäumt Milosevic es, zu fragen, wie es kommen konnte, daß der in der Hierarchie der 10. Sabotageabteilung auf jeden Fall über Gojkovic stehende Zugskommandant Franc Kos diesem im Erschießungskommando unterstellt war, was ja auch erklärungsbedürftig wäre; gewiß ein Detail nur, aber eines, dessen Aufklärung vielleicht Licht auf die inneren Verhältnisse in der 10. Sabotageabteilung werfen könnte; hierzu wäre auch noch zu bemerken, daß die Sache an Pelemis’ Vize Kremenovic vorbeilief (siehe Fußnote 40).
Zu der so absurd anmutenden Befehlskette kommt ja noch, daß vor dem Einrücken in Srebrenica die Einheit vom Kommandanten Pelemis instruiert wurde, daß auf Zivilisten nicht geschossen werden dürfe. Milosevic fragt nach: Auf die Frage von Mister Nice über Instruktionen betreffend das Verhalten gegenüber Zivilpersonen ist Ihre Antwort das: Uns wurde ausdrücklich gesagt, Zivilpersonen nicht anzurühren.Erdemovic bekräftigt, Pelemis habe ihnen das gesagt. Milosevic liest auch aus einer Weisung Karadzics vom 9. Juli anläßlich des bevorstehenden Angriffs auf Srebrenica vor, die direkt aus dem Main Staff kam, an alle Kampftruppen weiterzugeben war und u.a. befahl, der Zivilbevölkerung maximale Sicherheit zu gewährleisten, für vollen Schutz der Mitglieder von UNPROFOR und der muslimischen Zivilbevölkerung zu sorgen, und daß die Zivilbevölkerung und die Kriegsgefangenen gemäß der Genfer Konvention vom 12. August 1949 zu behandeln seien. Nein, davon wisse er, Erdemovic, nichts, er wisse nur, was Pelemis ihnen sagte.
Wußte der Kommandant der 10. Sabotageabteilung bereits, daß eine Aktion bevorstand oder bevorstehen könnte, die dieser Anordnung von höchster Stelle, die zudem direkt von der Stelle kam, der die Einheit befehlsmäßig unterstellt war, in schlimmster Weise widersprechen würde? Hielt er es deshalb für opportun, ihr, mit Wilhelm Busch gesprochen, nur das Nötigste mitzuteilen, sie erst gar nicht wissen zu lassen, welche Autoritäten da wirklich hinter seinem Wort standen, auf Zivilisten dürfe nicht geschossen werden? Hier ist auch ein grausiges Detail zu erwähnen, von dem Erdemovic zu berichten weiß. Als sie gegen Srebrenica vorrückten, befahl Pelemis einem Soldaten unserer Einheit, einen vorher von Mitgliedern anderer Einheiten mißhandelten Mann zu töten, und dieser Soldat schnitt dem Mann die Kehle durch. Auch Entsetzliches darf uns nicht hindern, Fragen zu stellen: Wollte der Kommandant in schockierender Deutlichkeit demonstrieren, daß sein vorher gesprochenes Wort nicht so ernst zu nehmen sei, oder vielleicht auch die Probe aufs Exempel machen, ob die Einheit wohl auch fit wäre für noch zu Kommendes?
Mit der abrupten Frage: Haben Sie von Jugoslav Petrusic gehört?, schneidet Milosevic zum erstenmal im Kreuzverhör das an, was er stets als den wahren Hintergrund des von der 10. Sabotageabteilung begangenen Massakers behauptet hat. Erdemovic bejaht die Frage, er habe in den Zeitungen gelesen, daß er [Petrusic]und Pelemis und gewisse Leute aus meiner Einheit nach Zaire gingen.
Eine Google-Suche unter dem Namen Petrusics läßt eine dunkle Gestalt erstehen, wie aus einem Spionagethriller: Ex-Fremdenlegionär mit französisch-jugoslawischer Doppelstaatsbürgerschaft, auch bekannt unter dem Spitznamen ‘Oberst Jugo Dominik’, im Dienste des französischen Geheimdienstes, soll eine Reihe von Liquidierungen für ihn ausgeführt haben, in Ex-Jugoslawien als Anwerber von Informanten und Agenten für ihn tätig und auch an Morden beteiligt gewesen sein, und anderes mehr. Ende 95 trieb er sich in Pale herum, wie der frühere französische Oberstarzt Barriot als Zeuge der Verteidigung im Milose-vic-Prozeß am 11. Jänner d.J. berichtete. 1997 mit Pelemis in Zaire, sollen die beiden 1998 als Kopfgeldjäger im Dienst der SFOR auf der Jagd nach Leuten, die auf der Haager Fahndungsliste standen, gewesen sein; so werden sie mit drei weiteren, deren Namen wir bald begegnen werden, auch mit der Verhaftung von Krstic im Dezember 98 in Verbindung gebracht. Über die Aktivitäten der beiden in Zaire weiß eine Quelle Folgendes zu berichten: Anfang 97 rekrutierte ein belgischer Söldnerführer namens Christian Tavernier für den Diktator Mobutu gegen die Revolte Kabilas eine »Weiße Legion«.Man nimmt an, daß an dieser Aktion auch der französische Geheimdienst beteiligt war, was aber von offizieller Seite immer bestritten wurde … Zudem kann man spekulieren, daß auch französische Konzerne ihre Hand im Spiel hatten … So wurden in den Medien mehrfach der französische Mineralienhändler Jean-Pierre Rozan und die Telekom-munikationsfirma Geolink in diesem Zusammenhang genannt. Gold, Diamanten und die weltgrößten Förderstätten von Coltanerz, aus dem das u.a. für Mobiltelephone verwendete Metall Tantalit gewonnen wird, das war der blutige Preis, um den es da letztlich ging. Nun standen nach den Kriegen in Kroatien und Bosnien, so die Quelle weiter, arbeitslose Kämpfer zahlreich und preisgünstig zur Verfügung, und Taverniers „Weiße Legion“ bestand dann auch zum Großteil aus Serben, die kurz zuvor noch in der Krajina und in Bosnien gekämpft hatten. Eine 80 Mann starke Gruppe, die an dem Massaker in Srebrenica 1995 beteiligt gewesen sein soll, stand unter dem Kommando eines Leutnants Milorad Pelemis. Eine weitere wichtige Figur soll ein gewisser Jugoslav Petrusic gewesen sein, ein ehemaliger Fremdenlegionär, dem ebenfalls die Beteiligung an mehreren Morden und Massakern in Ex-Jugoslawien vorgeworfen wird. Die Times schrieb, er habe im Kongo „wie ein kleiner Tyrann geherrscht“ und Dutzende von Menschen exekutiert.
Genaueres über diese Gruppe von Zaire-Söldnern erfahren wir aus einem erst jüngst in Slobodna Bosna erschienenen Interview mit einem anonym bleibenden Mitglied der 10. Sabotageabteilung:
Ich war drei Monate in Zaire und verdiente etwa 16.000 Dollar. Jugo [Petrusic] war der Kommandant, und Mischo Pelemis war sein Vize. Wir waren 80, … wir aus der Republika Srpska machten die Hälfte aus, einschließlich einiger von uns von der 10. Sabotageabteilung, hauptsächlich aus Bijeljina und Vlasenica. Wir kämpften für Präsident Mobutu. Wir waren Narren. Hätten wir für die Rebellen gekämpft, wären wir länger geblieben und hätten wir mehr verdient. Unsere Aufgabe war die Verhinderung von Rebellenoperationen. Wir führten einige große Operationen durch, so z.B. die Verminung eines Flugplatzes, dessen Einnahme durch die Rebellen gerade bevorstand. Auf diesem Fugplatz brachten wir 5.000 Kilo Sprengstoff an. Nach der Explosion hätten vier Gebäude in den Krater gepaßt. Auf die Frage, wie viele Tote es gegeben hatte: Ich weiß es nicht. Sie waren überall. Es war unmöglich, sie zusammenzutragen. In einem Umkreis von 10 Kilometern waren alle tot … Jugo Petrusic war der Anführer bei allen unseren Operationen. Er spricht mehrere Sprachen, auch irgendeine afrikanische, er hat nämlich einen Sohn mit einer Schwarzen aus irgendeinem Land in der Nähe von Somalia.
Der Anonymus gibt 1998 als das Jahr an, in dem er Petrusic in Bijeljina kennen gelernt habe und von ihm für den Zaire-Einsatz angeworben worden sei; da hat er sich vertan, weil ja Mobutu bereits im Mai 97 von Kabila gestürzt wurde.
Es gab da also eine »French connection«, die über Petrusic auf den französischen Geheimdienst und über Pelemis auf die 10. Sabotageabteilung der bosnisch-serbischen Armee verweist. 1999 war das Duo mit einer Gruppe im Kosovo unterwegs, und da war auch französisches Geld im Spiel. Der Anonymus, wieder mit von der Partie: Einige Freunde von Petrusic aus Frankreich, vielleicht von der Fremdenlegion, besuchten uns und brachten 24.000 Mark für die 24 von uns, aber wir bekamen nur 500 Mark pro Mann. Ob Mischo [Pelemis] das übrige Geld nahm oder sonst wer, weiß ich nicht. Zu einiger Publizität kam diese French connectiondann im November 99: Da wurde in Belgrad eine Gruppe mit dem Kodenamen »Spinne« verhaftet, Petrusic, Pelemis und drei weitere Männer, Branko Vlaco, Rade Petrovic, Slobodan Orasanin, die nach Angaben des jugoslawischen Informationsministers Matic ebenfalls zur 10. Sabotageabteilung gehört und am Zaire-Einsatz teilgenommen hatten; nach dem Anonymus der 10. Sabotageabteilung hatte jedoch von der Gruppe nur Pelemis ihr angehört. Die Gruppe, die im Vorjahr an der Verhaftung von Krstic beteiligt gewesen sein soll, wurde beschuldigt, für Frankreich zu spionieren und ein Attentat auf Milosevic geplant zu haben. Ende Juni 2000 begann der Prozeß gegen sie vor einem Belgrader Gericht; aber nach dem Regimewechsel in Belgrad im Oktober 2000 wurden die fünf wieder auf freien Fuß gesetzt, so der serbische Polizeigeneral Stevanovic als Zeuge Milosevics am 15. Juni d.J. Über Petrusics derzeitigen Verbleib Barriot in seiner Zeugenaussage am 11. Jänner d.J.: Ich traf Jugoslav Petrusic vor einigen Monaten. Er lebt in Paris, und er sagte mir, daß er von ICTY-Leuten ausführlich befragt worden sei. (Worüber, möchte man gerne wissen). Pelemis lebt in Belgrad, so der Anonymus der 10. Sabotageabteilung.
Zurück zum 25.8.03 in Den Haag! Milosevic beginnt, Erdemovic über diese French connection zu befragen. Was Personen anlangt, ist die Befragung unergiebig, denn Erdemovic kennt niemanden oder tut wenigstens so, nur mit dem Namen Branko Vlaco weiß er etwas anzufangen: Er kam recht oft mit Pelemis aus Serbien. Ein anderer Aspekt der Sache ist aber ergiebiger: der finanzielle. Milosevic: Wissen Sie irgendetwas über Geld oder Gold und solche Sachen?
Erdemovic bejaht und führt weiter aus: Ich hörte, daß Pelemis und einzelne Personen aus Vlasenica [Standort des von »Lulu« geführten Zugs der Einheit] sich nachher[nach den Exekutionen] eine Menge Geld teilten und eine Menge Gold fanden. Ich weiß nicht, ob das wahr ist, aber davon habe ich gehört, auch wisse er nicht, woher dieses Geld gekommen sei.
Milosevic: Gut. Ich möchte Sie daran erinnern, daß Sie zu der Journalistin von ABC News … sagten, daß das Massaker in Pilice für Geld stattfand, und Sie sagten sogar, daß jemand Pelemis für die Ausführung des Massakers zwölf Kilo Gold versprochen hatte.
Erdemovic wieder, er habe das nur gehört. Er weiß aber noch etwas zu berichten, das mit Geld zu tun hat: Als meine Frau nach Belgrad reiste, reiste sie zusammen mit der Freundin von Milorad Pelemis … Und diese Freundin sagte, daß sie eine schöne Zeit zusammen hatten. Milorad Pelemis’ Freunde aus Vlasenica, daß sie eine schöne Zeit in Belgrad hatten, … und daß sie Autos kauften.
Geld dürfte also doch wohl im Spiel gewesen sein, und Milosevic stellt die auf der Hand liegende Frage: Wurden diese Menschen getötet, weil die Täter dafür bezahlt wurden, dieses Massaker zu begehen?
Erdemovic: Ich weiß die Frage nicht zu beantworten. Ich selbst wurde überhaupt nicht bezahlt, aber die von mir erwähnten Personen, ich hörte, daß sie das alles getan hatten, und das alles ist wahrscheinlich wahr.
Von versprochenem Geld und Gold weiß auch der Anonymus der 10. Sabotageabteilung zu berichten, aber auch das ist nur aus zweiter Hand, er war nicht beim Erschießungskommando dabei. Letztlich also Hörensagen: aber bestimmt und detailreich genug, daß ihm hätte nachgegangen werden müssen, um es zu erhärten oder aber als Gerücht aus der Welt zu schaffen.
Dafür hätten aber auch andere Mitglieder des Erschießungskommandos und vor allem Pelemis selbst Rede und Antwort stehen müssen. Damit sind wir bei dem nächsten Aspekt, den Milosevic anspricht: Wissen Sie, ob irgendein anderer der an diesem Verbrechen Beteiligten zur Rechenschaft gezogen wurde, oder ob Untersuchungen gegen sie durchgeführt, sie vor Gericht gestellt oder gesucht wurden, Sie ausgenommen?
Erdemovic: Ich weiß es nicht. Ich kann diese Frage nicht beantworten. Ich bin nicht die Person, die zu entscheiden hat, wer vor Gericht zu stellen ist, gegen wen untersucht wird, wo und wann.
Milosevic: Erscheint es nicht sehr merkwürdig, daß Sie allein, der Sie verhaftet wurden von den jugoslawischen …
Richter May unterbricht sofort, will davon nichts hören: Es ist nicht Sache des Zeugen, das zu beantworten.
Milosevic: Herr May, ich werde beweisen – ich muß es nicht durch diesen Zeugen machen –, was der Hintergrund von dem ist und daß der französische und andere Nachrichtendienste involviert waren und daß denen, die das Verbrechen begingen, versprochen wurde …
Richter May unterbricht: Wir werden zur gegebenen Zeit alles über Ihre Beweismittel hören.
Vielleicht werden wir mehr erfahren, was es damit auf sich hat und wie weit in der Zeit die als solche ja doch außer Zweifel stehende French connection Petrusic-Pelemis zurückreicht, wenn Milosevic in seiner Verteidigung selbst auf Srebrenica zu sprechen kommen wird; vorderhand können wir seine Behauptung über die Involvierung des französischen und anderer Nachrichtendienste nur registrieren. Womit er da aber begonnen und was Richter May sofort abgeblockt hatte, war jedoch etwas, wo wir auf festerem Boden stehen: Warum hat das Tri-bunal kein Interesse gezeigt, die Identität jenes Oberstleutnants zu eruieren, warum forderte es von den neuen Machthabern in Belgrad nicht die Auslieferung Pelemis’, der vielmehr freigelassen wurde? Was ist mit den anderen, von Erdemovic namentlich genannten Mitgliedern des Exekutionskommandos?
Milosevic hat da den Finger auf eine ganz wunde Stelle in der ganzen Sache gelegt. Unter seiner Annahme, diese Massenexekution sei von ausländischen Diensten bestellt gewesen, ließe sich das Desinteresse des Tribunals an weiteren Beteiligten leicht erklären, im besonderen das an Pelemis, der die Schlüsselfigur für die Aufhellung der Hintergründe dieser Exekutionen ist. Wir, die wir mangels Informationen nicht in der Lage sind, in diese Richtung Überlegungen anzustellen, können einen anderen Zipfel anfassen, indem wir eine ganz einfache Frage stellen: Hat Erdemovic in seinem Geständnis überhaupt die Wahrheit gesagt? Diese doch im Grunde so naheliegende Frage pflegt ja nur deshalb nicht gestellt zu werden und erweckt ja nur deshalb den Anschein der Überflüssigkeit, weil man von vornherein nicht annimmt, es werde sich jemand selbst durch ein falsches Geständnis eines besonders schlimmen Verbrechens bezichtigen: Wie wir aber vom Fall Nikolic her bereits wissen, gilt diese Annahme nicht für das Haager Tribunal bzw. seine Angeklagten.
Für einen Experten in Sachen Massentötungen wie dem Anonymus der 10. Sabotageabteilung ist es keine Frage, daß Erdemovic übertreibt: Erdemovic sagt, [sie töteten] 1.200 Menschen. Haben Sie eine Ahnung, wie viel Arbeit das ist? Das würde mindestens zwei Tage dauern. Wenn sie es schafften, so viele in vier Stunden umzubringen, na dann gratuliere ich! Es läuft einem dabei kalt über den Rücken, aber Rechnung bleibt Rechnung: Stellen wir eine an!
Nach Erdemovics Darstellung, seit 1996 von ihm mehrmals wiederholt, wurden die Opfer in Zehnergruppen exekutiert. Nach Ankunft eines Busses seien zehn Opfer aus dem Bus geholt worden, man habe ihnen Papiere und Wertsachen abgenommen, dann seien sie etwa 100 Meter weit zur Erschießungsstelle auf einem Feld geführt und dort mit dem Rücken zu den Tätern aufgestellt worden, die dann das Feuer eröffneten; Stanko Savanovic habe kontrolliert, ob alle Opfer tot seien und die noch Lebenden erschossen; die Leichen habe man einfach liegen lassen. Darauf die nächste Zehnergruppe …, dann der nächste Bus …, immer der gleiche Vorgang, das Feld sich allmählich in Richtung Bauernhof mit Leichen bedeckend, bis sie nach etwa vier bis fünf Stunden die Exekutionen beendeten. Man sei inzwischen auch auf die Idee gekommen, ein Maschinengewehr einzusetzen; das habe sich aber als unpraktisch erwiesen, weil viele Opfer nur verwundet worden seien, daher sei man wieder zum Einzelfeuer zurückgekehrt. Es habe Rauch- und Trinkpausen gegeben. Einem Opfer habe er, Erdemovic, das Leben zu retten versucht; der Mann habe ihn um Schonung angefleht, er habe Serben in Srebrenica geholfen, und ihm einen Zettel mit relevanten Telephonnummern gegeben; er, Erdemovic, sei damit zu Gojkovic gegangen, doch der habe gesagt, er wolle keine Zeugen. – Die Rechnung selbst ist einfach. Bei 1.000 bis 1.200 Opfern müssen es 100 bis 120 solcher Einzelexekutionen gewesen sein, wie sie nach Erdemovic in immer gleichem Muster abliefen; und nehmen wir als Gesamtdauer der Exekutionen fünf Stunden an, so macht das nach Adam Riese bei 1.000 Opfern weniger als drei Minuten, bei 1.200 Opfern weniger als zweieinhalb Minuten, in denen eine einzelne von diesen 100 bis 120 Einzelexekutionen ab-geschlossen sein mußte! (Jeweils weniger, weil ja auch noch die Pausen und diverse Verzögerungen, wie das Ausprobieren des Maschinengewehrs oder Erdemovics Versuch zur Rettung eines Opfers, zu berücksichtigen sind).
Eine solche Rechnung hat jüngst Germinal Civikov, der regelmäßig über den Milosevic-Prozeß berichtet, angestellt. Hat auch das Haager Tribunal nachgerechnet? Jedes normale Gericht der Welt hätte das getan und vor Ort überprüft, erstens schon, ob das von Erdemovic genannte Feld überhaupt groß genug ist, daß auf ihm 1.000 bis 1.200 Leichen herumliegen konnten, und zweitens und vor allem auch, ob es im Bereich des Möglichen war, an die 1.000 bis 1.200 Menschen in der von Erdemovic beschriebenen Weise innerhalb von höchstens fünf Stunden zu exekutieren. Man kann ruhig sagen, das Ergebnis wäre gewesen: Es ist kaum vorstellbar. Aber das Haager Tribunal ist halt kein normales Gericht, an ihm huldigt man eben, wie schon gesagt, dem bei den Hexenprozessen üblich gewesenen Brauch, passende Zeugenaussagen, gar erst passende Geständnisse!, nicht an den Tatsachen scheitern zu lassen. – Es ist eigentlich nicht recht denkbar, daß NIOD nicht nachgerechnet hat. Gleichwohl reproduziert der NIOD-Bericht (IV, 2.11) die offizielle, vom Kronzeugen Erdemovic gelieferte Version der Massenexekution in der Nähe des Dorfes Pilice, ohne ein Wort des Zweifels zu äußern: Das feststellen zu müssen, ist betrüblich, und es kann, vielleicht mehr als sonst was, als Indiz für die schon mehr als einmal angesprochenen politischen Vorgaben gewertet werden, unter denen die Niederländer arbeiteten.
Auf dem Gelände dieses Bauernhofes bei Pilice wurden nach NIOD 132 Leichen exhumiert, und weitere 174 fanden sich in einer als Sekundärmassengrab ausgegebenen Stätte. In anderen Worten, resümiert NIOD, nur ein kleiner Teil der Gesamtanzahl der Leichen wurde jemals entdeckt (IV, 2.11). – Es ist die typische Situation: Es gibt eine mehr oder weniger ungeprüfte Aussage über ein Massaker, von ruchloser Serbenhand verübt; die Aussage »paßt«, will sagen: befriedigt das Bedürfnis nach der großen Zahl, und das erhebt sie in den Rang einer unbestrittenen Wahrheit; die hard evidence, die sich findet, entspricht im Umfang bei weitem nicht dem, was gemäß Aussage an Leichen von Opfern vorhanden sein müßte; das aber ist kein Grund, die Aussage zu überprüfen – die steht ja schon als Wahrheit fest –, sondern vielmehr einzig ein Grund dafür, die Existenz noch unentdeckter Leichen von Opfern zu postulieren. Die Suche kann weiter gehen, immer weiter …, und je erfolgloser sie ist, desto schlimmer nur Tücke und Bosheit der Täter, die den Opfern ihrer bösen Tat selbst noch den Frieden der letzten Ruhestätte in sakralem Friedhofsboden, den Hinterbliebenen auch noch den Trost der würdevollen Bestattung ihrer hingemordeten Lieben rauben. Und wehe dem, der da nicht mittut, sich weigert, sich in diesem Gedankengeranke zu verfangen!
Würde man sich an das halten, was man für das Massaker bei Pilice an hard evidence hat: 132 bzw., mit dem Sekundärmassengrab, 306 Leichen, so wäre das immer noch ein schlimmes Kriegsverbrechen der 10. Sabotageabteilung der bosnisch-serbischen Armee, bei dem man übrigens auch die realistisch erscheinende Zeitspanne von etwa 10 Minuten für einen einzelnen Exekutionsvorgang in der von Erdemovic beschriebenen Verlaufsform hätte. Aber das Haager Tribunal mußte ja das von der westlichenwertegemeinschaftlichen Öffentlichkeit vorgegebene Srebrenica-Urteil vindizieren, da brauchte man schon etwas viel Grauenhafteres, viel größer Dimensioniertes. Und da hatte man einen direkten Täter, der das Geständnis ablegte, im Verein mit sieben anderen gut 1.000 Opfer systematisch exekutiert zu haben: Diese Chance, zu seinem Vorzeigemassaker (das Wort ist durchaus passend) zu kommen, konnte man sich doch nicht entgehen lassen!
Jetzt dürften wir auch eine Antwort auf die Frage haben, was denn Erdemovic dem Tribunal als Gegenleistung für sein unglaublich günstiges plea agreement anzubieten hatte: eben das, die Zahl von 1.000 bis 1.200 Massakeropfern! Als er im Feber 96 nach Serbien ging, tat er es bereits mit der Absicht, mit westlichen Medienvertretern und dem Haager Tribunal in Kontakt zu treten. Er gab Interviews (außer ABC News auch dem Pariser Blatt Le Figaro), das Tribunal wurde verständigt, Chefankläger Goldstone verlangte, eine Botschaft solle ihm (und Kremenovic) Asyl geben und ihn (und Kremenovic) später nach Den Haag schicken. Die Verhaftung und Eröffnung eines Strafverfahrens in Serbien kamen dazwischen, ein unglücklicher Zwischenfall sozusagen, der auch sogleich hektische Aktivitäten auslöste. Vizechefankläger Blewitt kam gleich mit einem ganzen Team nach Belgrad, um mit dem jugoslawischen Außenminister und Vertretern der Justiz zu sprechen sowie um Erdemovic zu befragen, Goldstone forderte Kooperation Belgrads mit dem Tribunal, desgleichen das US-Außenamt; die Auslieferung, die unter großem internationalen Druck erfolgte, planierte schließlich die Sache. Nicht recht ins Bild passen will freilich, daß Erdemovic auch den jugoslawischen Behörden die Zahl von 1.200 Opfern genannt hatte. Glaubt er vielleicht selber an seine Geschichte? Viele Quellen bescheinigen ihm, die Beteiligung an den Exekutionen habe ihn psychisch zerrüttet, er war dem psychologisch nicht gewachsen, wie es der Anonymus der 10. Sabotageabteilung sagt. Vielleicht ist auch das in Anschlag zu bringen. Aber genug davon.
Ebenso begreiflich nun, daß in Tribunalskreisen keine Begeisterung aufkommen kann bei dem Gedanken, Aussagen von Mittätern könnten die Erdemovic-Geschichte erschüttern, die ja zum festen Bestandteil der Haager Geschichtsschreibung über Srebrenica geworden ist und darin einen ganz wichtigen Platz einnimmt. Im August 04 geriet in Boston Erdemovics Mittäter Marko Boskic in die Maschen des Gesetzes, weil er sich im Jahr 2000 mit der falschen Angabe, er sei ein Flüchtling, ein Einwanderungsvisum für die USA verschafft hatte. Das Haager Tribunal verlangte aber keine Auslieferung. Am 28.8.04 meldete der Boston Globe, das Tribunal plant nicht, ihn für Kriegsverbrechen anzuklagen, sagten gestern Vertreter des Gerichts in Den Haag … „Wir sind eine kleine Institution mit einer beschränkten Kapazität“, erklärte Anton Nikiforov, ein Berater der UN-Anklägerin für Kriegsverbrechen Carla del Ponte, in einem Interview aus Den Haag. „Wir sind hinter den führenden Beteiligten her, die die Morde planten und anordneten“. (Das auch bei Civikov, siehe Fußnote 44).
Und dazu wollte man sich angeblich die Mitarbeit Boskics sichern. Der Boston Globe vom 10. März d.J. berichtet, er sei sowohl von FBI-Beamten wie auch von einem Anklagevertreter des Tribunals über das Massaker verhört worden. Boskic sagte, der Haager Anklagevertreter Alistair Graham versicherte ihm mehrmals, daß gegen ihn keine Untersuchung geführt werde und er [Graham] seine Kooperation gegen höhere serbische Offiziere suche. Boskic willigte ein, zu kooperieren, er sagte, er würde aussagen, würde er nach Den Haag gerufen werden, und er begann, Namen zu nennen … Er nannte Mischo Pelemis, den
Kommandanten seiner Einheit, als den, der ihn und andere Soldaten ausgewählt hatte, um gefangene Muslime zu exekutieren.
Das klingt doch recht gekünstelt: Was könnte denn dieser Herr Boskic, doch eineebenso kleine Nummer wie Erdemovic, schon groß an Namen und Informationen liefern, die dem Tribunal nicht ohnehin schon von ihrem Kronzeugen geliefert worden waren? Man hat den Eindruck, es ist nur eine Ausflucht, um seine Nichtanklage zu rechtfertigen: Fürchtete man seitens des Tribunals etwa, bei einem Prozeß könnte eine Version des Massakers in die eigenen Akten eingehen, die der Erdemovic-Geschichte, der »gültigen« Darstellung, widerspricht?
Die Erdemovic-Geschichte darf nicht durch Aussagen von Mittätern ins schiefe Licht kommen – das dürfte, wenn auch vielleicht nicht das einzige, so doch ein gewichtiges Motiv für das Haager Tribunal sein, sie in Ruhe zu lassen; und schwemmt ein unkontrollierbarer Zufall einen an die Oberfläche, dann neutralisiert man ihn durch Nichtanklage unter dem Vorwand, seine Mitarbeit sei nützlich, um an höhere Verantwortliche heranzukommen. – Freilich ist in Wirklichkeit das Malheur schon passiert, der Widerspruch schon da. Nochmals der Boston Globe: Er [Boskic] gab zu, ein Gewehr benutzt zu haben, um Gefangene zu erchießen, die aus Bussen in Gruppen von vier und fünf herausgeholt wurden, sagte das FBI. (Hervorhebung W.S). Statt Erdemovics Zehnergruppen von Opfern, Vierer- und Fünfergruppen: noch weniger vorstellbar, daß bei diesem Massaker 1.000 bis 1.200 Personen getötet worden seien. Aber alles nur halb so schlimm, solange der Widerspruch in irgendwelchen FBI-Archiven verstaubt, nicht das Tribunal selbst affiziert und in seiner Srebrenica-Geschichtsschreibung stört, zu keinen Irritationen in einer breiteren Öffentlichkeit führt!
Gegen Ende des Kreuzverhörs kommt Milosevic nochmals auf das zu sprechen, was unter den Sonderlichkeiten der causa Erdemovic am unmittelbarsten und grellsten hervorsticht: Können Sie sich ein Gericht in Serbien oder irgendwo auf der Welt vorstellen, das Sie für dieses massive Morden, das Sie selbst gestanden haben, zu einer solchen Strafe verurteilt hätte, die Sie hier erhielten?
Natürlich hätte Erdemovic antworten können, und ebenso selbstverständlich hätte die Antwort nur ein einfaches NEIN sein können. Aber das hätte nur wieder die Frage in den Raum gestellt, warum er mit einem so unglaublich milden Urteil davongekommen war. Und das ist unangenehm, also schreitet Richter May ein: Das ist keine passende Frage, nicht für den Zeugen.
Bei Lichte besehen ist das, was uns das Haager Tribunal mit seinem Srebrenica-Kronzeugen im Milosevic-Prozeß zumutet, ziemlich abenteuerlich. Da haben wir ein Stück elenden Schmierentheaters: Man läßt ihn als Zeugen gegen den Angeklagten in einer Sache auftreten, derentwegen bereits in dessen eigenem Land ein Verfahren gegen ihn eingeleitet worden war; aber wie wir schon zu bemerken Gelegenheit hatten, blieb dem vorsitzenden Richter die inhärente Absurdität dieses Zeugenauftritts verschlossen. Und dann die der Erdemovic-Geschichte selbst inhärenten Dunkelheiten, Unglaublichkeiten und ungeklärten Fragen, die die Aussage dieses Srebrenica-Kronzeugen des Tribunals eher nur als Sage erscheinen lassen: einen wahren historischen Kern enthaltend, den es aber erst herauszuschälen gälte, woran aber dieses sogenannte Gericht ganz offensichtlich kein wie immer geartetes Interesse zeigt.
Ein letzter Punkt. Die Befehlskette geht in der Erdemovic-Geschichte nicht über jenen nicht identifizierten Oberstleutnant des Drina-Korps hinaus. Es könnte sich nun aber der folgende Gedankengang nahelegen: Die 10. Sabotageabteilung unterstand direkt dem Main Staff der bosnisch-serbischen Armee; folglich mußte die Einheit vomMain Staff nach Srebrenica beordert worden sein; als gewöhnliche Kampftruppe war aber diese kleine Spezialeinheit völlig unbedeutend, weshalb sie doch wohl nicht zur Verstärkung der Kampftruppen für den Angriff auf Srebrenica dorthin beordert worden sein konnte; also wurde sie gewiß für eine spezielle Aufgabe vom Main Staffnach Srebrenica beordert: Und was war diese spezielle Aufgabe, wenn nicht Exekutionen, wie sie von der Einheit auf dem Gelände jenes Armeebauernhofes bei dem Dorf Pilice dann ja auch tatsächlich ausgeführt wurden?
Die in der rhetorischen Frage enthaltene Schlußfolgerung, nach der die Befehlskette und damit die Verantwortung für die von der 10. Sabotageabteilung verübten Exekutionen bis in den Main Staff, bis ins Zentrum der bosnisch-serbischen Armee hinaufreicht, wird im NIOD-Bericht vielleicht nicht in ganz expliziten Worten gezogen, aber unter dem Paragraphentitel „The Involvement of the General Staff “ (IV, 2.18) doch nur zu deutlich suggeriert. Der Schluß wäre aber voreilig. Die 10. Sabotageabteilung konnte ja für ihre üblichen Aufgaben nach Srebrenica beordert worden sein. Und ein Kommando der Einheit nahm auch tatsächlich eine solche Aufgabe wahr, wenn auch erfolglos. Noch einmal der Anonymus: Das einzige Mal, daß die Einheit eingesetzt wurde, war am 16. Juli … Unsere Abteilung war in zwei Richtungen eingesetzt worden. Ich ging mit einer Gruppe nach Modrica, wir hatten die Aufgabe, den Damm am See zu sprengen, und Erdemovic mit sieben anderen Abkommandierten gingen nach Srebrenica [sic]. Wir führten unsere Aufgabe nicht aus, weil es unmöglich war, an den Damm heranzukommen. Der Umstand, daß die 10. Sabotageabteilung direkt dem Main Staff der bosnisch-serbischen Armee unterstand, beweist also gar nichts bezüglich einer Verantwortung der bosnisch-serbischen Armeespitze für das Vorzeigemassaker des Haager Tribunals. Die Möglichkeit, daß es so eine Art von Schwarzarbeit gegen Bezahlung durch wen auch immer war, a limine abzuweisen, ist bei dem Tatbestand einer völlig im Dunklen liegenden Befehlskette durch nichts gerechtfertigt; und am allerwenigsten gerechtfertigt wäre es, diesbezüglich voreilige Schlüsse zu ziehen, zugleich aber damit zufrieden zu sein, daß der darüber auf jeden Fall Bescheid Wissende, der Kommandant der 10. Sabotageabteilung Pelemis, weiter sich in Schweigen hüllen darf.
V
Wer gute Gründe findet – Gründe wie die in den vorstehenden Zeilen ausgebreiteten –, welche der politisch korrekten Sicht der Geschehnisse bei Srebrenica im Juli 95 widerstreiten und sie mehr als Ausgeburt des Willens zur Beugung der serbischen Nation unter das Joch eines schuldgebeugten Knechtsdaseins erscheinen lassen, wird gleichwohl bisweilen schier verzagen, weniger ob der nicht enden wollenden Flut des medialen Geplappers und Nachgeplappers über Srebrenica als vielmehr ob der Berge an Material, die da über die Jahre zum Zwecke der Bekräftigung der politisch korrekten Sicht angehäuft wurden und jeden Widerspruch gleichsam zu ersticken drohen: Wie kannst Du es da wagen …?!
In solchen Momenten ist es gut, nach dem NIOD-Bericht zu greifen und nachzulesen, wie der die Beweislage für die politisch korrekte Sicht (die im wesentlichen ja auch die von NIOD selbst ist) im allgemeinen charakterisiert:
Informationsquellen bezüglich der Planung und Ausführung der Exekutionen selbst sind extrem rar. Das meiste der raren Information, die zugänglich ist, stammt aus einer einzigen bosnischen Quelle: abgefangene VRS-Nachrichten.
Das gerichtsmedizinische Beweismaterial, das in späteren Jahren gesammelt wurde, lieferte jedoch unwiderleglichen Beweis, daß tatsächlich Massenmord begangen worden war, auch wenn es noch nicht das volle Ausmaß der Greueltaten beweisen konnte.
Zehn Überlebende der Exekutionen an verschiedenen Örtlichkeiten spielten eine wichtige Rolle bei der Rekonstruktion der Ereignisse zum Vorteil des Tribunals, insofern sie in der Lage waren, die angewendeten Methoden genau zu berichten. Obwohl ihr Zeugnis nicht besonders ausführlich ist, war es hinreichend, um Täter wie den Generalmajor Radislav Krstic und den Soldaten Drazan Erdemovic für ihre Kriegsverbrechen zu verurteilen …
Die strafrechtliche Untersuchung diente einem Zweck, der recht verschieden ist von dem dieses historischen Überblicks. Bei der Dürftigkeit anderer Informatitionsquellen ist die Rekonstruktion, die für das Tribunal gemacht wurde, dennoch von großem Wert. Im besonderen konnte NIOD guten Gebrauch von den Informationen machen, die beim Verfahren gegen den VRS-General Radislav Krstic ans Licht kamen … Nachrichten, die von der ABiH abgefangen und später dem Tribunal und NIOD zugänglich gemacht wurden, bildeten ebenfalls eine wichtige Informationsquelle. Die bosnischen Serben hatten zu diesem Zeitpunkt die Vorsicht fallen gelassen, die die sorgfältige Vorbereitung des Angriffs selbst auszeichnete. Die ‘Interzepte’ trugen viel zum allgemeinen Bild der Ereignisse bei. Aber auch so ist das hergestellte Bild kein besonders ausführliches. In vielen Fällen war der einzige verfügbare Beleg ein Gesprächsfetzen, in vage oder bewußt kryptische Worte gefaßt. Aber sobald einmal die Interzepte untereinander verglichen und in Zusammenhang gebracht wurden, lieferten sie eine wichtige Beweisquelle. Das wiederholt auftretende Wort ‘Packung’ wurde als Kodewort für einen zu tötenden (condemned) Mann erkannt (IV, 2.1).
Was an dieser Beschreibung ins Auge sticht, ist eher die Dürftigkeit des Aussagegehalts der Materialmassen, die über die Jahre zusammengetragen wurden, um die politisch korrekte Sicht der Geschehnisse nach der Einnahme Srebrenicas im Juli 95 zu untermauern; die Schlüsselworte, die wir darin finden, sind ‘rar’ und ‘nicht besonders ausführlich’. Weiter in Einzelheiten zu gehen ist eigentlich überflüssig, weil sich die Fragen und Bedenken ohnehin wie von selbst einstellen:
– Wie weit ist offiziellen bosnisch-muslimischen, also auch ABiH-Quellen, zu trauen? (Siehe oben S.15!).
– Daß das gerichtsmedizinische Beweismaterial ausgesprochen wenig im Sinne dessen beweist, was zu beweisen wäre, wird, wenn schon nicht in Worten, so doch der Sache nach ohnehin eingeräumt.
– Warum ist das Zeugnis der Überlebenden nicht besonders ausführlich? (Wurden ihre Angaben etwa gar von lenkender Hand zweckmäßig stilisiert?).
– Wie soll es erklärlich sein, daß die bosnisch-serbische Armee die Vorsicht, die sie bei der Vorbereitung des Angriffs auf Srebrenica hatte walten lassen, dann bei der Ausführung des angeblich größten Kriegsverbrechens in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg plötzlich fallen gelassen haben soll? (Waren da lauter Irre am Werk?).
– Andererseits wieder wurden Kodewörter verwendet: Wann und an welcher Stelle wurden sie festgelegt, an wen wurden sie weitergegeben?, gute Fragen, wo doch die bosnisch-serbische Armee so wohldiszipliniert und wohlstrukturiert gewesen sein soll!
– Wie schon die Aussagen der Überlebenden ergeben auch die »Interzepte« kein besonders ausführliches Bild: Das hat auch den Vorteil, daß es schwer an Einzelheiten geprüft und allenfalls widerlegt werden könnte!
– Was heißt es, die vielen Gesprächsfetzen mit Kodewörtern enthüllten ihren sinistren Sinn, indem sie »in Zusammenhang (context)« gebracht wurden?, was war diesercontext? Wenn die Annahme der systematischen Ermordung so vieler tausender bosnischer Muslime, so bisse sich nur die Katze in den Schwanz!
Es wird gefordert, die bosnischen Serben bzw. die Serben überhaupt müßten die Wahrheit über Srebrenica anerkennen, sonst könne es keine Aussöhnung mit den bosnischen Muslimen geben. Aber erstens, Aussöhnung ist etwas Gegenseitiges: So müßte auch von den bosnischen Muslimen die Anerkennung der mit dem Namen Naser Oric verknüpften Vorgeschichte gefordert werden; doch davon ist nicht die Rede. Und zweitens muß es die Wahrheit – Wahrheit im guten alten Aristotelischen Sinn der Übereinstimmung mit den Tatsachen, einfach gesagt – über die Geschehnisse bei Srebrenica nach der Einnahme der Stadt im Juli 95 sein und nicht die vulgärpragmatische »Wahrheit«, welche die westlichenwertegemeinschaftliche Öffentlichkeit im allgemeinen und das Haager Tribunal im besonderen darüber fabriziert haben, eine vulgärpragmatische Scheinwahrheit, weil da Wahrsein soviel heißt wie für die moralische Vernichtung und die politische Unterwerfung der serbischen Nation, von welchem Vorhaben die ganze Milosevic-Anklage integraler Bestandteil ist, ein nützliches Instrument zu sein.
***
So lange war es still gewesen um den Milosevic-Prozeß in Den Haag, den angeblichen Jahrhundertprozeß, in der Tat so still, daß man hätte meinen können, er fände gar nicht statt. Diese Mauer des Schweigens beweist freilich nur, wie wenig Durchschlagendes die Anklage vorzubringen imstande gewesen ist, trotz der schier endlosen Zeit, die sie zur Vorbereitung hatte, des gewaltigen Apparats, den sie einsetzen kann, und ihrer nicht enden wollenden Schlange von Zeugen, von denen nicht ganz so wenige sich freilich sogleich als ausgesprochene Rohrkrepierer erwiesen. Oder hätte man am Ende gar Zeugenaussagen zugunsten des Angeklagten, und im besonderen gewichtigen Zeugenaussagen zu seinen Gunsten, auch noch Publizität verschaffen sollen? Das wäre nun denn doch zu weit gegangen, die ganze Freiheit, Unpassendes nicht berichten zu müssen, wäre auf der Strecke geblieben! Ich möchte ein Beispiel bringen.
Am 1. März des Jahres sagte der Arzt Dobre Aleksovski, 1999 als Leiter des medizinischen Notdienstes in Skopje zuständig für die während der Bombardierungen aus dem Kosovo nach Mazedonien kommenden Flüchtlinge, als Zeuge der Verteidigung aus. Unter den Flüchtlingen, die medizinisch versorgt werden mußten, habe es einen einzigen mit einer Schußverletzung gegeben, aber das, so der Arzt, war eine alte Wunde, die bereits im Kosovo behandelt worden war und nur neu verbunden werden mußte; Fälle von Verletzungen, die auf Schläge mit Knüppeln, Gewehrkolben und dergleichen zurückzuführen gewesen wären, seien dem medizinischen Notdienst keine zur Kenntnis gekommen. Nach Aleksovski kamen die Flüchtlinge in leidlich gutem Zustand an, für die Jahreszeit passend bekleidet, durchaus nicht ohne Geld und Ausweispapiere, und einige seien im Besitz von Schußwaffen gewesen. Als Grund für die Flucht sei von denen, die noch im März 99 kamen, der genannt worden: Es fallen die Bomben. Anfang April aber, nachdem sie in den Lagern Stenkovac 1 und 2 untergebracht worden waren, habe sich die Erklärung schlagartig geändert: Von da an sagten alle, daß sie von Polizei und Militär vertrieben worden seien und daß dabei auf sie geschossen worden sei. Aber, fügte Aleksovski hinzu, auf der Grundlage dessen, was wir sahen, hatten wir nicht den Eindruck, daß das wirklich der Fall war.
Insgesamt fand der Arzt das Verhalten der Flüchtlinge in den beiden mazedonischen Lagern nicht als das von Menschen in Not. Leider bin ich in meinem Leben mitten in schrecklichen Tragödien gewesen. 1962 war die große Überschwemmung in Skopje. 1963 erlebten wir das große Erdbeben in Skopje. Beide Male war ich aktiv involviert, ich war ein junger Mann, ein junger Arzt zu der Zeit. Und dann hatten wir früher einmal auch eine Gruppe von Flüchtlingen, die aus Bosnien kamen, und wir haben bis heute Roma, die aus dem Kosovo nach Mazedonien kommen, und wir haben mazedonische Flüchtlinge, Flüchtlinge in ihrem eigenen Land. Und wir haben täglich mit Menschen in dieser Lage zu tun, auch heute noch. Ich kann also dazwischen unterscheiden, wie Leute aussehen. Meine Eindrücke sind nun die: Menschen in schwieriger Lage, die keine Bekleidung haben, die angegriffen und verletzt wurden, die wissen, was es heißt, von jemandem Hilfe und Betreuung zu erhalten. Ich weiß, wie glücklich die Gruppe aus Bosnien war, wenn wir ihnen eine Konserve, ein Stück Brot oder ein Joghurt gaben. Und ich sah mit diesen meinen eigenen Augen – und das ist allgemein bekannt –, daß diese Leute [die kosovoalbanischen Flüchtlinge]kein mazedonisches Brot essen wollten, kein Brot aus Skopje, sie wollten Brot aus Tetovo essen, sie machten da einen Unterschied, und das heißt, daß sie es nicht ganz so dringend brauchten … Sie machten auf mich überhaupt nicht den Eindruck, als wären sie Menschen in Not, und besonders in diesen Lagern Stenkovac. Sie waren sehr aggressiv. Sie waren uns gegenüber aggressiv. Sie zeigten Haß auf uns. Sie warfen Steine auf uns. Sie hatten Konflikte mit den Roma Flüchtlingen, und wir mußten sie trennen. Kommt man in ein anderes Land, so zeigt man gewöhnlich keine Aggressivität gegenüber den Menschen, die einem helfen wollen. So hatte ich nicht den Eindruck, daß diese Leute in irgendeiner Notlage waren.
Eigentlich hätte das eine gute Nachricht sein müssen, denn nach der Aussage des Arztes konnte wenigstens denjenigen kosovoalbanischen Flüchtlingen, die nach Mazedonien kamen, nicht ganz so Furchtbares widerfahren sein, wie unzählige Male geschrieben, geredet, mit irgendwelchen Aufnahmen angeblich dokumentiert worden war. Aber genau aus diesem Grund war es keine Nachricht, schon gar keine Schlagzeile wert.
Anfang Juni aber war der Prozeß wieder auf allen Titelseiten, in allen Hauptnachrichten. Denn es war so richtig nach dem Geschmack, was sich am 1. Juni im Verlaufe des Kreuzverhörs des serbischen Polizeigenerals Stevanovic durch Mister Nice zutrug, als der daranging, einen Zusammenhang zwischen dem Angeklagten und den Geschehnissen bei Srebrenica im Juli 95 herzuzustellen.
Mister Nice, nachdem er aus einem Dokument der Republika Srpska vom 24.7.95 vorgelesen hat, daß in der Trnovo-Kampfzone die Banja Luka Sonderpolizeieinheit die serbische Polizeieinheit der Skorpione ablöste, konkludierend:
Es könnte kaum klarer sein, Herr Stevanovic, daß eine Einheit der serbischen Polizei unter dem Namen Skorpione während der Zeit des Srebrenica-Massakers die ganze Zeit hindurch im Gebiet der Trnovo-Kampfzone anwesend war.
Stevanovic verneint darauf entschieden, diese Einheit namens Skorpione habe etwas mit der Polizei Serbiens zu tun gehabt. Mister Nice, nicht locker lassend, etwas später:
Nun lassen Sie mich erklären, was sich mir als ein relevanter Teil der Wahrheit nahelegt, nämlich, daß eine Einheit von Skorpionen vor dem Massaker ins Gebiet von Srebrenica hinüberging und sich an der Tötung der Menschen aus Srebrenica beteiligte.
Und wieder etwas später, die Eröffnung dessen, was die Medienwelt in einen Schlagzeilentaumel versetzen sollte. Mister Nice:
Ich werde Ihnen jetzt ein paar Auszüge aus einem Video zeigen. Das Video dauert etwa zwei Stunden, aber es werden nur ein paar Minuten sein, die wir davon zeigen.
Und danach kam es, das Video, oder besser, der Auszug daraus, den Mister Nice für seine Absichten vorzuführen passend hielt. Der darauf zu dem von den Erschießungsszenen sichtlich schockierten Zeugen:
Das Video enthüllt, daß aus Srebrenica gruppenweise Menschen zu dieser Gruppe von Skorpionen gebracht wurden, um exekutiert zu werden, und sie wurden exekutiert, und was man hier sieht, ist eine Lastwagenladung von sechs jungen Männern.
Die Welt hatte ihre Schlagzeilen, gerade rechtzeitig vor der SREBRENICA-Gedenkfeier. Sie hatte – endlich! – den sonnenklaren Beweis dafür, was sie ohnehin schon immer »wußte«: daß Slobodan Milosevic höchstselbst es war, der den Genozidbefehl gegeben hatte. Die medialen Quislinge in Belgrad durften sich im Sinne ihrer westlichenwertegemeinschaftlichen Overlords austoben: Der Sender B-92 konnte schier nicht aufhören, die schrecklichen Bilder wieder und immer wieder auszustrahlen, schmerzhaft und erbarmungslos ist uns die Wahrheit ins Gesicht geschleudert worden, leistete die Zeitung Politika am 4. Juni ihren Beitrag zum nation building. Wie anders war es dagegen im Dezember des Vorjahres gewesen, als serbische Medien Bilder von Verbrechen zeigten, die Ramusch Haradinaj, eben Kosovo-Ministerpräsident geworden, 1998/99 im Kosovo begangen hatte! Da kritisierte das OSZE-Büro in Belgrad die Medien, damit Haß und Intoleranz zu nähren, wo es doch ihre Aufgabe sei, nach vorne zu blikken und für Frieden und Versöhnung zu arbeiten. Verbrechen von serbischer Hand müssen in Erinnerung bleiben, weil sie dem nation building dienen, Ver-brechen an Serben haben vergessen zu werden, weil diesem nation building abträglich – so sind eben die Spielregeln.
Freilich, wollten wir Mister Nice Glauben schenken, so war dieser ganze Medienrummel eine durchaus nicht beabsichtigte Begleiterscheinung seiner Videovorführung: Bitte, ich möchte Ihre Hilfe, jetzt oder später, bei der Identifizierung der Leute, die wir auf dem Film erkennen können, und ihrer Funktionen, heuchelte er dem Zeugen vor, die Vorführung hatte ja nur, wird er am 8. Juni beteuern, den beschränkten Zweck, daß der Zeuge Gelegenheit haben könne, bei der Identifizierung von Leuten zu helfen, die [im Film] als Mörder gezeigt werden. – Es lohnt nicht, darüber Worte zu verlieren, einfach schon deshalb nicht, weil für den vorgelogenen Grund Mister Nice doch eine Vorführung in geschlossener Sitzung hätte beantragen können.
Dieses ganze Bombardement an Schlagzeilen, das da angeblich gar nicht beabsichtigt ausgelöst wurde, wiederum ist vor allem eines: ein Musterbeispiel an Vernachlässigung der journalistischen Sorgfaltspflicht.
1., Mister Nice führte seine Videoausschnitte ohne jede Erklärung über Herkunft und Vertrauenswürdigkeit des Videos, ohne jede Angabe seiner Methode der Auswahl der Ausschnitte vor. Pflichtverteidiger Kay protestierte: Das ist komplette Sensationsmache, kein Kreuzverhör, freilich ohne den vorsitzenden Richter Robinson zu mehr als einer ganz sanften Rüge des Anklagevertreters bewegen zu können (Mr. Nice, there is some merit in that). Störte die Vorgangsweise des Anklagevertreters schon Richter Robinson nicht wirklich, so erst recht keine Schlagzeilenproduktionsstätte.
2., es hätte sich bei dem Ausdruck ‘Serbian MUP’, den Mister Nice im Zusammenhang mit jener Skorpione genannten Einheit verwendete, schon beim erstenmal, als er ihn verwendete, eine Frage stellen müssen: Meint er mit dem Adjektiv die Republik Serbien: ‘Polizei Serbiens’, oder die Nation der Serben, so daß es sich ebenso gut um etwas zur Republika Sprska oder zur früheren Republik der serbischen Krajina Gehöriges handeln konnte? Nun, Mister Nice ließ den Zeugen und alle Welt im Glauben, er spreche von einer Einheit der Polizei Serbiens, was schließlich auch nötig war, damit eine einigermaßen direkte Verbindung zwischen den Geschehnissen bei Srebrenica im Juli 95 und dem Angeklagten herauskäme: Aber als was für ein schäbiger Winkeladvokat hatte er sich damit (im postmodernen Neusprech) geoutet! Er mußte wissen, daß im Oktober 03 der Vizeverteidigungsminister der früheren Republik der serbischen Krajina als Zeuge der Anklage (ja!) ausgesagt hatte, daß es sich bei den Skorpionen um eine Einheit der Republik Krajina handelte (wozu etwas mehr, auch noch Skandalöseres, in Bälde). Und ein Medienmensch, der mit den Worten ‘seriöse Berichterstattung’ überhaupt noch einen Sinn verbindet, hätte es wenigstens wissen bzw. sich kundig machen sollen: Doch was ist von diesem ganzen Volk von Schreiber- und Sprecherlingen, das sich lange Jahre mit Serbenfresserei die Butter aufs Brot geschmiert hat, auch schon zu erwarten! (Von den Belgrader Quislingen gar nicht zu reden!).
3., die verwirrenden Ortsangaben in den Ausführungen von Mister Nice. Zuerst spricht er, im Sinne des von ihm benützten Dokuments der Republika Srpska, von der Anwesenheit der Skorpione im Juli 95 in der Kampfzone um einen Ort Trnovo. Dann wieder sieht er im Buche der Wahrheit geschrieben, daß die Skorpione nachSrebrenica hinübergingen, von Serbien aus natürlich; und schließlich verbindet er beides zu dem, daß Menschen aus Srebrenica gruppenweise (in batches) mit Lastwagen den Skorpionen zur Exekution zugeführt worden seien, was er am 8. Juni damit bekräftigen wird, er habe einen Zeugen dafür, daß das Videoband die Tötung von Menschen dokumentiert, die gruppenweise von Srebrenica zum Töten gebracht wurden. Suggeriert wird: Dieser Ort Trnovo liegt irgendwo in der näheren Umgebung von Srebrenica. Mitnichten ist es so: Kundige weisen darauf hin, daß der Ort Trnovo, von dem in jenem Dokument der Republika Srpska die Rede ist, südlich von Sarajewo an die 160 Kilometer von Srebrenica entfernt ist! Sollte also nach neuesten Erkenntnissen das Srebrenica-Massaker, wie es genannt wird, zu einem gewissen Teil wenigstens richtiger Trnovo-Massaker heißen? Oder auch wieder nicht, denn wo läßt das Videofragment von Mister Nice erkennen, daß das gezeigte Verbrechen etwas mit diesem Ort Trnovo zu tun hat? – Und schließlich
4., die Exekutionsszenen des von Mister Nice gezeigten Videoausschnitts haben keine Datumszeile: Daß sie sich in der passenden Zeit, nämlich nach der Einnahme von Srebrenica am 11. Juli 95, abspielten, geht nicht hervor; Mister Nice hat es behauptet, das ist alles.
So einfach geht es: Man präsentiere ein Dokument, demzufolge die als Skorpione bezeichnete Einheit in der passenden Zeit in der Nähe des Ortes Trnovo war; man behaupte, es sei eine Einheit der Polizei Serbiens gewesen; man zeige ohne jede Erklärung über Herkunft usw. ein Videofragment, das ein Verbrechen einer Gruppe von Skorpionen zeigt, wann, wo und an wem auch immer begangen; man behaupte, das Verbrechen sei in der passenden Zeit in der Gegend von Trnovo begangen worden; schließlich behaupte man auch noch, diese Einheit namens Skorpione habe sich von Serbien nach Srebrenica begeben – und schon hat man der westlichenwertegemeinschaftlichen Öffentlichkeit den Beweis geliefert.
Am 8. Juni kommt dann Milosevic bei seiner Nachbefragung des Zeugen, die sich auf Punkte beschränken muß, die der Anklagevertreter im Kreuzverhör aufgeworfen hat, auf das Video zu sprechen. Er führt nun selbst Fragmente daraus vor, und als erstes stellt er heraus, daß auf dem ganzen Videoband nach dem 3. Juli kein einziges anderes Datum angezeigt wird.
Im weiteren zeigt er eine von Mister Nice ausgelassene Stelle, auf der die Nummerntafel des Fahrzeugs der Gruppe von Skorpionen sichtbar wird. Der Zeuge erkennt die Buchstaben auf der Nummerntafel: Sie gehören zu den Nummerntafeln der Armee der Republik der serbischen Krajina.
(Das ist das noch Skandalösere, auf das vorher S.49 unter Punkt 2 vorverwiesen wurde: Dieser Wicht von Winkeladvokat hat da aufs Unverfrorenste manipuliert, um in bester prästabilierter Harmonie mit einem nach so etwas lechzenden Journalistenvolk seinen für die SREBRENICA-Gedenkfeier gerade recht kommenden PR-Coup landen zu können).
Dann wendet sich Milosevic der Lokalisierung des Verbrechens zu, das Mister Nice in seinem Ausschnitt gezeigt hatte. Nach einer weiteren Videostelle Frage an den Zeugen: Nun, haben Sie deutlich gehört, es war auf Serbisch, und der Dialekt ist keiner, der in Serbien selbst gesprochen wird, aber mich interessieren die Worte, haben Sie gehört, daß sie sagten: „Es soll jemand sagen, daß das die Gefangengenommenen sind – gefangen genommen worden sind dort und dort?“
Stevanovic: Ja, ich habe es gehört, aber ich habe nicht gehört, daß eine geographische Örtlichkeit erwähnt wurde.
Milosevic: Und nirgendwo auf dem Band hören wir, wer sie sind und wo sie ge-fangengenommen wurden. Man kann nur eine Stimme hören, die sagt: „Das sind die, die dort gefangengenommen wurden“, und …
Der Angeklagte kommt nicht dazu, diese Schwächen der Performance von Mister Nice am 1. Juni weiter bloßzustellen, er wird unterbrochen. Richter Robinson: Herr Milosevic, ein Teil dieser Frage war suggestiv.
Auftritt Mister Nice, braver Schoßhund Robinson. Mister Nice: Euer Ehren, ich muß bemerken, daß der Angeklagte jetzt absolut dazu entschlossen zu sein scheint, die Warnungen und Belehrungen des Gerichts zu mißachten, und ich schlage dem Gericht vor, daran zu denken, vielleicht im Hinterkopf zu haben, wie ich schon vorher sagte, daß es für den Fall, wenn er den Anweisungen des Gerichts wirklich nicht Folge leisten will, einen Pflichtverteidiger (assigned counsel) gibt, der seine Stelle einnehmen kann.
Seine Stimme hat Gewicht, das Gericht berät, dann Richter Robinson: Herr Milosevic, es ist klar, daß Sie die Warnungen des Gerichts nicht beachten. Sie fahren fort, Suggestivfragen zu stellen. Ich werde [die Pflichtverteidigerin] Frau
Higgins auffordern, Sie zu vertreten, um diese Nachbefragung zu Ende zu führen. Ich will Frau Higgins jetzt nicht anhören, aber sie wird Sie vertreten, wenn Sie in dieser Weise fortfahren.
Dieses Zwischenspiel ist ganz charakteristisch für den Ablauf des Prozesses. Es zeigt, wer da wirklich das Sagen hat: die Anklage, nicht die Richter. Beachten wir, daß Richter Robinson es nicht einmal der Mühe Wert findet, seinen Rüffel für den Angeklagten mit irgendeiner Floskel der Art wie ‘Das Gericht gibt in diesem Fall dem Anklagevertreter recht’, etc., einzuleiten, sondern einfach als direktes Sprachrohr von Mister Nice dessen »Vorschlag« nachplappert.
Sehr gut, Herr Robinson, erwidert der Angeklagte, und fährt damit fort, daß er auf einer Karte zeigt, wo Trnovo liegt, und die Entfernungsverhältnisse zwischen Srebrenica und Trnovo klarstellt.
Sodann faßt er die bisherigen Resultate der Befragung über das Video zusammen. Frage an den Zeugen: Konnten Sie aus dem Filmmaterial etwas ersehen oder erschließen, das anzeigen würde, wer die Opfer waren, woher sie kamen, abgesehen davon, daß wir jemanden sagen hören, jemand sollte sagen, wer sie sind und woher sie kommen?
Stevanovic: Nein, ich konnte nichts dergleichen hören.
Milosevic: Und ist da irgendetwas drauf, das anzeigen würde, wo diese jungen Männer exekutiert wurden?
Stevanovic: Ich konnte nichts erkennen.
Milosevic: Und konnten Sie darauf irgendetwas sehen, das zeigt, daß die Täter, wie Herr Nice behauptet, Mitglieder der Polizei Serbiens waren?
Stevanovic: Nichts darauf zeigte mir, daß diese These richtig wäre.
Milosevic präsentiert weiteres Material über die Skorpione, das die Behauptung von Mister Nice, es sei eine Polizeieinheit Serbiens gewesen, unterminiert. Zuerst einen in der Ausgabe der Belgrader Zeitschrift Vreme vom 25.12.03 erschienenen Artikel über die Skorpione, in dem der damalige Kommandant dieser Einheit erklärt, sie sei 1992 zur Sicherung der Ölindustrie der Republik Krajina gegründet worden und in dieser Eigenschaft bis 1996 dort geblieben. Und darauf Zitate aus der vorher S.49 unter Punkt 2 erwähnten Aussage des Zeugen der Anklage Milanovic am 14.10.03. Die Anklagevertreterin Uertz-Retzlaff: Sie ha-ben geschildert, daß die Skorpione in die Bihac-Region entsandt wurden. Wem unterstanden sie, als sie in dieser Region waren?
Milanovic: Sie unterstanden dem Kommando der Armee der Republik der serbischen Krajina.
Uertz-Retzlaff: Sie erwähnten auch, daß die Skorpione 1994 in Trnovo in Bosnien waren. Wem unterstanden die Skorpione, während sie in Trnovo waren? Milanovic:Der Polizei der Republika Srpska.
In der Folge weist dann der Angeklagte auf den Einklang dieser Aussagen mit der auf dem Video zu sehenden Nummerntafel des Fahrzeugs der in Frage stehenden Gruppe der Skorpione hin, doch als er eine weitere Frage an den Zeugen richtet: Zu der Zeit des Verbrechens auf dem von Herrn Nice gezeigten Filmmaterial, gehörten da die Mitglieder dieser Einheit zur Polizei Serbiens … – da kann er nicht zu Ende sprechen. Mister Nice erträgt es nicht länger, sich diese Demontage seines Behauptungsgefüges anhören zu müssen, er unterbricht: Euer Ehren, ich denke, das sind Schlußfolgerungen. Richter Robinson springt sekundierend bei: Herr Milosevic, uns ist damit nicht geholfen. Wir haben das Beweismaterial vor uns. Das sind Tatsachenfragen, die das Gericht auf der Basis des Beweismaterials zu bewerten hat. Mister Nice hat Oberwasser, er darf ungerügt eine Beurteilung der Situation vornehmen: Teilweise Antworten auf teilweise Stücke des Films, der für einen anderen Zweck produziert wurde, bringen die Sache wirklich um nichts weiter, und nochmals bekräftigend: Diese Fragen [des Angeklagten] bringen uns nicht weiter.Richter Robinson darauf: Herr Milosevic, die nächste Frage. Der Angeklagte will dem Richter klar machen, daß das, was man im Film bezüglich der Nummerntafeln sehen kann, und was Milanovic hier bezeugte, als er befragt wurde von …, doch der schneidet ihm das Wort ab: Herr Milosevic, ich habe Ihnen Einhalt geboten. Stellen Sie Ihre nächste Frage.
Nun, uns jedenfalls haben diese »teilweisen Antworten auf teilweise Stücke des Films«, wie Mister Nice es zu nennen beliebte, sehr wohl ein ganz schönes Stück weiter gebracht. Schließlich betrafen sie das ganze Behauptungsgefüge, mit dem er am 1. Juni seine Videovorführung garnierte und das in der Öffentlichkeit den autoritativen Kommentar zu den Bildern abgab: Und wir haben gesehen, wie unbegründet, ja mit welcher Unverfrorenheit dieser Winkeladvokat seine Behauptungen in die Welt gesetzt hat. Doch für das, was dieser 8. Juni über die Performance des Mister Nice vom 1. Juni ans Licht brachte, für diese Gegendarstellung entfällt freilich die mediale Orchestrierung, wie der Prozeßbeobachter Civikov schrieb.
Gegen Ende des Prozeßtages verlangt Milosevic von der Anklage nähere Informationen über das Video und fragt, ob sie etwa Beweismaterial für ihre Behauptungen verfüge: Herr Robinson, könnten wir Informationen darüber erhalten, wann das Band gefilmt wurde, wer es machte, wann es in den Besitz von Herrn Nice kam, und so weiter. Und gibt es auch nur eine einzige Tatsache, und Sie haben auf der Karte gesehen, wo Trnovo und wo Srebrenica liegt, die das in irgendeiner Weise mit Srebrenica verbinden könnte? Denn ich würde dem Zeugen diesbezüglich wirklich gerne ein paar Fragen stellen. Die Antwort von Mister Nice: Ich werde sehr gerne eingewisses Maß an Informationen zur Verfügung stellen, obwohl die detaillierte Information in Form eines Zeugenstatements verfügbar sein wird, das anfangs wahrscheinlich vertraulich bereitgestellt werden wird, denn der in Aussicht gestellte Zeuge sei eine geschützte Person. Über die Herkunft des Videobandes erklärt er rundheraus, er haben keine Absicht, derzeit irgendwelche Informationen darüber zu geben. Identifiziert sei das Band durch einen Zeugen, der dabei war und den letzten Teil des Videos aufnahm, und der über die Kontinuität des Bandes sprechen kann und darüber, daß es die Tötung von Leuten festhält, die gruppenweise von Srebrenica zum Töten hergebracht wurden. Den Ort des Verbrechens betreffend erklärt er, wir haben auf der Basis gearbeitet, daß es Trnovo ist, so wie es auf der Karte gezeigt wurde, und ich denke, das mag stimmen, aber auf jeden Fall kann die Örtlichkeit durch den Exhumierungsprozeß festgestellt werden. Und schließlich die Verbindung mit Srebrenica betreffend sagt Mister Nice, es wird, denke ich, Ihnen Material von Verwandten und Hinterbliebenen eines oder mehrerer von denen zur Verfügung stehen, die getötet wurden, das die Person mit Srebrenica verbindet, und es werde sich bestätigen, daß die Stätte das Trnovo in der Nähe von Sarajewo ist, wohin Menschen in Lastwagen gebracht wurden, weil Menschen zu töten waren – das Töten von Menschen ist eine riesige Arbeit. Sie wurden von Srebrenica an entfernte Orte gebracht, und da ist einer von ihnen, und das ist es, was geschah.
Wir bemerken, Mister Nice spricht im Futur, daß er dies und jenes erst beweisen werde. Besondere Beachtung verdient dabei die in Aussicht gestellte Verbindung mit Srebrenica: Hier haben wir jene Revision der im Krstic-Urteil festgeschriebenen, insofern kanonischen Haager Version der Geschehnisse nach der Einnahme Srebrenicas vor uns, von der oben S.23f. bereits die Rede und worauf die auf S.49 unter Punkt 3 gemachte Andeutung gemünzt war. Eine neue Theorie, derzufolge der das Fundament einer jeden politisch korrekten Theorie über Srebrenica bildende Massenmord an bis zu 8.000 wehrlosen Muslimen im Juli 95 wenigstens in erheblichem Ausmaß gar nicht in der näheren Umgebung von Srebrenica selbst, sondern disloziert an verschiedensten Orten des Gebiets, das zu der Zeit von den bosnisch-serbischen Kräften kontrolliert wurde, begangen wurde! Jared Israel hat auf seiner Website Emperors-Clothes im zweiten Teil einer vierteiligen Artikelserie „Srebrenica ‘execution’ Video“ eine Vermutung geäußert, warum gerade die Gegend von Trnovo da so interessant sein könnte: Dort gab es gerade in der passenden Zeit schwere Kämpfe zwischen bosnisch-muslimischen und bosnisch-serbischen Kräften, also werde man dort im Sinne des Bestrebens, die Zahl zu erfüllen, leicht fündig werden. Wir haben oben schon die beiden Gründe genannt, die der Anklage in Den Haag diese neue, revidierte Theorie über Srebrenica eingegeben haben werden (deren zweiter, die Hoffnung, über die Polizeieinheit der Skorpione eine Verbindung mit Milosevic herzustellen zu können, an diesem Verhandlungstag auch gleich wieder kläglich zunichte wurde; aber man wird es schon wieder von Neuem versuchen!). Lenken wir hier unsere Aufmerksamkeit auf etwas anderes. In ihrem begeisterten Geheul über den angeblich endlich erbrachten Beweis übersah diese ganze Meute des mainstream-Journalistenvolks bereitwillig, daß mit dieser neuen, revidierten Srebrenica-Version der Ast der kanonischen Version, auf dem sitzend sie bisher ihre Srebrenica-Brötchen gebacken hatte, abgesägt wurde: Nichts könnte deutlicher machen, daß es da wirklich nur um jene vulgärpragmatische Schein-wahrheit geht, von der weiter oben die Rede war, denn sonst hätte es ja geradezu Konsternation auslösen müssen, daß plötzlich zu einem Gutteil nicht mehr gelten sollte, worauf man zuvor sein Geschreibe und Gerede über Srebrenica gegründet hatte! – Doch kehren wir zum Verhandlungsverlauf am 8. Juni zurück!
Bei den Ausführungen von Mister Nice, der sich sogar herausnehmen kann zu sagen, diese oder jene Information herauszugeben sei er derzeit nicht bereit, ohne daß Richter Robinson einschritte, wird es der Pflichtverteidigerin Higgins zuviel: Von Anfang an war das Problem mit dem Video, wie es von Herrn Kay identifiziert wurde, daß keine Begründungsbasis gelegt wurde, die in Frage stehenden Punkte betreffend die Identität der Opfer und der Täter, des Orts und der Zeit wurden von Herrn Nice nur als Behauptungen aufgestellt … Was das Ansu-chen von Herrn Milosevic betrifft, so ist es meine Behauptung, daß er das Recht hat, die Grundlage und das Material zu kennen, das im Besitz der Anklage ist, und daß ihm das Material sofort übergeben werde. Dagegen war nichts zu machen, denn Higgins macht des weiteren darauf aufmerksam, daß gemäß den Regeln des Gerichts die Anklage unter einer disclosure obligation stehe.
Beschließen wir diese Zeilen über Milosevics Gegendarstellung in Sachen »Srebrenica-Video« am 8. Juni mit dem folgenden Wortwechsel zwischen Milosevic und Richter Robinson, in dem der Angeklagte auf die Ankündigung von Mister Nice, daß er im Zusammenhang mit dem Video das und das beweisen werde, zurückkommt.
Milosevic: Herr Robinson, als erstes möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf das lenken, was Herr Nice vor ein paar Minuten sagte … Er sagte wörtlich, daß die Verbindung zwischen dem, was er zeigte, hergestellt werden wird. Bitte beachten Sie das. Ist das eine angemessene Handlungsweise? Von allen TV-Sendern der Welt und allen serbischen TV-Sendern ist immer wieder gesagt worden, daß das Filmmaterial aus Srebrenica sei. Und jetzt sagt Herr Nice, daß er die Verbindung erst herstellen muß, die zeigen wird, daß das mit Srebrenica zu tun hat. Richter Robinson darauf: Herr Milosevic, ob er die Verbindung herstellt oder nicht, ist eine Angelegenheit für das Gericht. Mit der Wahrnehmung der Sache durch die Öffentlichkeit haben wir nichts zu tun.
Der Anklagevertreter darf ruhig, mit bislang gänzlich unbelegten Behauptungen um sich werfend, seinen gerade zur rechten Zeit kommenden Mediencoup landen, das ist kein Mißbrauch des Gerichts, sondern sozusagen seine Privatangelegenheit, gegen die Beschwerde zu führen der Angeklagte gefälligst beim Salzamt vorstellig werden möge.
Die Verhandlung wird am 15. Juni fortgesetzt. Hier können wir uns viel kürzer fassen, und um es gleich zu sagen, für das »Srebrenica-Video« kommt nicht viel heraus: allerdings ohne die Schuld des Angeklagten, wie wir sehen werden. Viel interessanter ist dieser Verhandlungstag für etwas anderes: dafür, wie entschlossen dieses sogenannte Gericht ist, Milosevic zum Schweigen zu bringen, wenn es ans Eingemachte geht, dabei das vorhin angeführte Wort Richter Robinsons von der souveränen Erhabenheit des Gerichts über die Rezeption dieses Prozesses gegen einen längst Vorverurteilten in der mainstream-Öffentlichkeit in grellster Weise Lügen strafend.
Mister Nice hat damit eröffnet, daß er das verlangte Material zur Verfügung gestellt habe und daß eines seiner Zeugenstatements vertraulich zu behandeln sei, daher die Identität des Zeugen nicht enthüllt werden dürfe; Milosevic hat bloß erst erklärt, daß das von der Anklage übergebene Material in der Hauptsache aus Statements von Zeugen bestehe, deren Glaubwürdigkeit er für Null halte, und er hat erst einen Irrtum seinerseits bezüglich eines dieser Zeugen richtig gestellt, den er fälschlich für einen geschützten Zeugen gehalten habe – was könnte an dieser Selbstberichtigung nur verwerflich sein? –, da geht’s schon los. Richter Robinson direkt darauf: Herr Milosevic, Sie haben Material verlangt. Es wurde zur Verfügung gestellt. Gehen Sie in Ihrer Nachbefragung weiter. I am sick and tired of this. Ich habe genug davon. Was hatte Richter Robinson da so auf die
Palme gebracht, daß dieser mit ‘Euer Ehren’ sich ansprechen lassende Herr so unfeine Worte gebrauchte? Doch ganz unmöglich die direkt vorangegangene Selbstberichtigung des Angeklagten! War es etwa der Umstand, daß nun wieder über das Video gesprochen werden mußte, vielleicht die Befürchtung, es werde offenbar werden, daß die Anklage nichts Relevantes zur Stützung ihrer Behauptungen vom 1. Juni in der Hand habe? Wie auch immer, der Ton war jedenfalls vorgegeben. Herr Milosevic, wohin führt das?, Herr Milosevic, gehen Sie weiter!, etc., etc., und selbstverständlich Schoßhundszenen wie diese: Mister Nice: Möchte doch der Angeklagte aufgefordert werden, weiter zu gehen, Richter Robinson folgsam: Herr Milosevic, gehen Sie weiter!
Der Angeklagte befragt den Zeugen Stevanovic über einige Sätze, die er aus einem der Zeugenstatements vorliest, da gehen Seine Lordschaft Richter Bonomy in die Luft: Ich möchte klarstellen, daß ich nicht bereit bin, mir das anzuhören. Das ist eine gänzlich ungehörige Vorgangsweise. Richter Robinson will wissen, was die Frage an den Zeugen sei. Milosevic stellt sie: Herr General, kann jemand etwas über ein Band bezeugen auf der Basis dessen, daß er seine Kopie gesehen hat? Richter Robinson fährt dazwischen: Eine unsinnige Frage. Gehen Sie zu einem anderen Bereich weiter, sonst werde ich die Nachbefragung sofort beenden. Es entspinnt sich der folgende Wortwechsel zwischen dem Angeklagten und Richter Robinson:
Milosevic: Herr Robinson, Herr Nice sagte, dieses Material beweise die Echtheit des Videobandes, während der Zeuge sagt, er bestätige die Echtheit, weil er selbst eine Kopie gemacht habe. Mein Mitarbeiter Professor Rakic hat auch eine Kopie gemacht. Wie kann die Herstellung einer Kopie selbst schon …
Richter Robinson, unterbrechend: Herr Milosevic, wenn Sie keine passenden Fragen für den Zeugen haben, werde ich die Nachbefragung beenden. Milosevic: Ich weiß nicht, ob es unpassend ist, das einen Zeugen zu fragen, der ein Polizeigeneral ist, nämlich, ob jemand ein Band [als echt] bestätigen kann auf der Basis dessen, daß er eine Kopie gemacht hat.
Richter Robinson: … völlig unsinnig, und Sie wissen es.
Damit ist die Geschichte vom »Srebrenica-Video«, wie sie sich an jenen drei Verhandlungstagen in Den Haag zutrug, im wesentlichen zu Ende erzählt. Zu dem zuletzt wiedergegebenen Wortwechsel zwischen Milosevic und Richter Robinson noch eine Anmerkung: Richter Robinson wirft dem Angeklagten nicht vor, er verdrehe die Aussage bezüglich der Echtheit des Videos in dem betreffenden Zeugenstatement, kein Mister Nice reißt das Wort an sich, um solchen Vorwurf zu erheben.
Schließlich greift Milosevic selbst das Thema Srebrenica auf. Er fragt den Zeugen, was er über Verhaftungen von Tätern wisse. Der Polizeigeneral antwortet, ja, 1996 sei in Serbien Drazan Erdemovic unter der Anschuldigung, an einer Massenexekution bei Srebrenica beteiligt gewesen zu sein, verhaftet und unter Anklage gestellt worden. Dann rollt Milosevic in der weiteren Befragung diese Geschichte auf, bis zur Verhaftung der Gruppe um Jugoslav Petrusic im November 99 und ihrer Freilassung nach dem Regimewechsel in Belgrad. Er will dann Material aus einem holländischen TV-Programm zeigen, in dem der Leiter der Polizei in Srebrenica spricht, Hakija Meholjic. Was die Relevanz sei und wie sie sich im Kontext ergebe, fragt Richter Robinson. Der Angeklagte führt aus, sie ergebe sich im Rahmen dieses Themas, denn er erklärt, daß der Fall von Srebrenica politisch manipuliert war, und er setzt seine Erfahrungen auseinander. Und daß er politisch inszeniert war, wird auch durch die Aussage von General Philippe Morillon vor dem Französischen Parlament bekräftigt. Und es wird auch bekräftigt von einer Anzahl anderer Tatsachen und durch einzelne Informationsstücke, die damit in Verbindung stehen, und ich verbinde es mit der Freilassung jener Personen der 10. Sabotageabteilung, die wir ursprünglich verhaftet hatten. Und, Herr Robinson, ich verbinde es auch mit der Tatsache, daß alles sehr gut bekannt ist. All das ist auch Herrn Nice sehr gut bekannt, und daß Herr Nice jetzt versucht, das Geschehen anders darzustellen, ist eine ganz bewußte und beabsichtigte Pervertierung des Laufs der Gerechtigkeit, und das sollte auch Ihnen ganz gut bekannt sein, denn Sie haben alle Dokumente hier in diesem Tribunal zur Verfügung.
Darauf ein Wortwechsel zwischen Richter Bonomy und dem Angeklagten, der durchaus auch einen gewissen Unterhaltungswert hat. Richter Bonomy: Herr Milosevic, ich kann dem nicht folgen, so können Sie mir vielleicht helfen. Behaupten Sie, daß es bei Srebrenica kein Massaker gegeben habe?
Seiner Lordschaft Konzentrationsfähigkeit läßt offenbar einiges zu wünschen übrig, Milosevic erinnert: Nein, ich behaupte das ganz und gar nicht, er habe ja auch soeben erst darüber gesprochen.
Richter Bonomy, mit einem Verständnisproblem ringend: In dem Fall, was ist die Relevanz dessen, daß etwas politisch inszeniert wurde?
Milosevic: Nun, die Relevanz ist, daß hinter der 10. Sabotageabteilung ausländische Dienste standen. Und Philippe Morillon spricht darüber. So, was relevant ist, ist es, herauszufinden, wer für Srebrenica verantwortlich ist, Herr Bonomy. Die Relevanz ist die Feststellung der Wahrheit. Und ich habe hier General Morillons eigene Aussage vor dem Französischen Parlament.
Die von Milosevic behaupteten Hintergründe dessen, was bei Srebrenica im Juli 95 geschah, auszuleuchten, seine Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, hat man in Den Haag keine Lust. Das Gericht berät, und Richter Robinson verkündet:Da sind wir nicht auf Ihrer Seite, Herr Milosevic. Gehen Sie zu einem anderen Bereich weiter. Doch so einfach will sich der Angeklagte nicht mundtot machen lassen: Er beginnt gleichwohl den Zeugen über die von ihm angesprochene Aussage von General Morillon zu befragen. Der setzt zu einer Antwort an – dann ist der Teufel los.
Richter Robinson unterbricht den Zeugen, wird seinerseits von Mister Nice unterbrochen, der eine Tirade absondert, die wenigstens auszugsweise nicht vorenthalten sei. Er erregt sich über die enorme Zeitverschwendung durch den Angeklagten, der sich außerdem ja gänzlich an ein anderes Publikum wendet, um dann wieder einmal frech zu behaupten, das Dokument, das diesem Zeugen zur Stellungnahme und zur Unterstützung bei der Identifizierung von Skorpionen vorgelegt wurde, wurde für diesen begrenzten Zweck vorgelegt. Es sei einfach unangebracht, mit diesem Krimskrams (bits and pieces), mit dem der Angeklagte die Regierung Serbiens in Sachen Srebrenica exkulpieren wolle, Zeit zu vergeuden, und überhaupt, was der Angeklagte vorher über den Zweck der Einbringung dieser Beweismittel sagte, und die Art der Einbringung sind natürlich gänzlich ohne Grundlage und völlig falsch.
In einem hat Mister Nice freilich recht: Milosevic adressiert aus bekannten Gründen nicht eigentlich die Richter dieses Gerichts, das er nicht anerkennt, sondern die Bürgerinnen und Bürger seines Landes und darüber hinaus ein allgemeines Publikum, das an den Ursachen der blutigen Zerstückelung Jugoslawiens Interesse nimmt. Auf der einen Seite diese klare, konsequent verfolgte und nie verheimlichte Position des Angeklagten, und auf der anderen dieser Mister Nice, der erst zwei Wochen zuvor wie aus heiterem Himmel ohne auch nur die geringste Spur einer Grundlegung seinen Videoauszug in reiner Sensationsmache vorführte, wie Pflichtverteidiger Kay unwidersprochen sagen konnte, daran sogar die Ansätze zu einer neuen, der Anklage für ihre Zwecke geeigneter erscheinenden Theorie über Srebrenica knüpfte, um zugleich treuherzig zu versichern, das alles habe doch mit Srebrenica eigentlich gar nichts zu tun! Der Schamlosigkeit sind keine Grenzen gesetzt: Mister Nice wirft da mit dem Wort ‘gänzlich ohne Grundlage’ um sich, doch vergleichen wir einfach nur die Art, in der er selbst am 1. Juni seinen Videoauszug in die Verhandlung einführte, worauf dieses Wort nun wirklich paßt, mit den ausführlichen Erklärungen, die wir eben erst Milosevic den Richtern Robinson und Bonomy haben geben sehen! Warum diese Aufregung beim Anklagevertreter? Nun, mit diesen bits and pieces, wie er sie abfällig bezeichnet, hatte Milosevic den Finger auf jenen ganz wunden Punkt gelegt, über den wir schon weiter oben ausführlich gesprochen haben: Warum wurde keiner von Erdemovics namentlich bekannten Mittätern vom Haager Tribunal angeklagt, aus welchem Grund wurden die seinerzeit in Serbien Verhafteten, Milorad Pelemis zumal, nach dem Sturz Milosevics wieder auf freien Fuß gesetzt? Da ist wohl Flucht nach vorne angesagt.
Kommen wir zum Ende. Richter Robinson, gar nicht empört darüber, von Mister Nice unterbrochen worden zu sein, pflichtet diesem unverzüglich bei: Ich finde Ihre Bemerkungen sehr zutreffend, Herr Nice. Herr Milosevic, ich werde diese Nachbefragung beenden. Das dient keinem Zweck. Wir verschwenden Zeit. Herr General, danke, daß Sie zur Zeugenaussage zum Tribunal gekommen sind. Ich beende die Nachbefragung. Sie haben genug Zeit verschwendet. Sie haben genug Zeit verschwendet. Ich beende sie. Herr General, danke, daß sie zur Zeugenaussage zum Tribunal gekommen sind …
Milosevic: Herr Robinson
Richter Robinson: … Sie können gehen.
Milosevic: Bitte, Herr Robinson, verständigen wir uns nur über einen Punkt. Herr Nice …
Richter Robinson: Ich höre Sie darüber nicht an. Ich bin von Ihrer Vorstellung angewidert, absolut angewidert.
Milosevic: Aber ich habe eine Anzahl von …
Richter Robinson: … dieses Gerichtshofes. Sie haben ihn schamlos mißbraucht.
Da ist einer völlig außer sich geraten. Und mit solch dramatischem Verlust richterlicher Würde endete die Nachbefragung des Zeugen Stevanovic, nachdem der Angeklagte sich angeschickt hatte, einige dem Tribunal offenbar sehr unangenehme Dinge zur Sprache zu bringen.
Eine Nachbemerkung. Im Standard-Online vom 20. Juli lesen wir, die Anklage habe den Antrag zur Wiedereröffnung der Beweisaufnahme gestellt, zu welchen neu aufzunehmenden Beweisen auch das gegenständliche Video gehöre: Dieses sei, so die berühmte Chefanklägerin Del Ponte, ein wesentlicher Beweis für die Verwicklung der serbischen Regierung und der Republik Jugoslawien in das Massaker von Srebrenica, und sie habe gewarnt, meldet das Organ weiter, ohne die Zulassung der neuen Beweismittel sei ein Justizirrtum (sic!) zu befürchten.
Frau Del Ponte hat damit beinahe schon explizit zugegeben, daß die bisher von der Anklage vorgelegten Beweismittel eher ein Schmarrn sind. Man darf auch gespannt sein, wie die Richterschaft, die da gleich auch eine Warnung vor einem Fehlurteil einstecken durfte, auf den Antrag reagieren wird. Die Sache ist ja die. Die Anklage hatte alle Zeit der Welt zur Verfügung, sie konnte auch die ursprüngliche Anklage um einen Kroatien- und einen Bosnienteil erweitern, was garantierte, daß der Prozeß sich ins Endlose ziehen würde. Aber seit die Verteidigung an der Reihe ist, ist die Zeit plötzlich zum kostbaren Gut geworden. Es wurden dem Angeklagten, wie oben S.18 schon gesagt, ganze drei Monate zur Vorbereitung zugestanden, seit dem Beginn der Verteidigung wird größter Wert darauf gelegt, daß der Prozeß in reasonable timebeendet werde, der Angeklagte wird ständig ermahnt, keine Zeit zu vergeuden, weiter zu gehen, usw. usf.: Wird die Zeit, fragt man sich, für die Bedürfnisse der Anklage plötzlich wieder ein reichlicher zur Verfügung stehendes Gut sein?
(Videogeschichte abgeschlossen Ende Juli 05).