Wahl / Was Linke waehlen koennten: Keine „Gruenen mit Computer“ – „die Piraten“ (akin)

Nun haben auch die Piraten auf den akin-Aufruf reagiert, uns zu sagen, warum Linke sie waehlen sollten:

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Ein Text ueber die Piraten. In einer linken Zeitschrift. Und er soll nicht fad sein.

Puh.

Und ueberhaupt: Piraten. Was sind die eigentlich? Links? Rechts? Oder einfach nur opportunistische Spasspartei?

Eine Partei, die die freie Marktwirtschaft propagiert, aber gezielte Verstaatlichungen fordert.

Eine Partei, die die Entfremdung der Arbeit bekaempfen will, aber nicht durch Vergesellschaftung, sondern durch eine neue Definition der Arbeit. Und durch ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Ein bitte was?

Und schon sind wir mittendrin. Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist die Fortfuehrung des Gedankens „Jeder nach seinen Faehigkeiten, jedem nach seinen Beduerfnissen“.

Denn das haben wir mit der Linken ganz sicher gemeinsam: Die Vision von einer besseren, gerechteren Gesellschaft. In der klassischen Tradition der europaeischen Aufklaerung: sekulaer, demokratisch, universal.

Unsere Grossvaeter traeumten von einer besseren Gesellschaft, in der es Urlaub fuer jeden geben wuerde, Kranken- und Unfallversicherung und eine Alterspension, geregelte, limitierte Wochenarbeitszeiten, einen Betriebsrat … alles, was uns heute als voellig normal erscheint, war damals Utopie. Heute traeumen wir von den naechsten Schritten. So ist etwa unsere Produktivitaet, trotz stetiger Verminderung der Arbeitszeit, exponentiell gestiegen. Sprich: es ist genug da, um alle zu ernaehren. Also traeumen wir davon, dass die Gemeinschaft jedem von uns ein Grundeinkommen garantiert. Genug, um die Miete zu bezahlen und essen zu koennen. Bedingungslos, ohne irgendwelche Konditionen. Eben ein BGE.

Befreit von den Zwaengen des taeglichen Ueberlebenskampfes, koennten sich die Menschen dann den Dingen widmen, die sie wirklich arbeiten

wollen: Die Kinder erziehen. Ein Buch schreiben. Eine Ausbildung machen. Oder sich einen Beruf, einen Job, ein Geschaeft erarbeiten, in dem man verdienen kann und dennoch die Arbeit gerne macht.

Zur Vision einer besseren Welt gehoert auch die Gerechtigkeit, moeglichst fuer alle. Wir wissen schon, dass sie nicht absolut erreichbar ist, aber es koennte schon deutlich gerechter zugehen in dieser unserer Welt. Deshalb meinen wir, dass absolute Transparenz jedes gesellschaftlichen Handelns einen grossen Schritt in die richtige Richtung bedeuten wuerde. Sprich: Wenn jede Entscheidung, sei es in der eigenen Gemeinde, im Land, im Bund, selbst in Bruessel, tatsaechlich transparent waere, also fuer jeden jederzeit zur Gaenze nachvollziehbar, dann waere diese Welt sicher einen Schritt gerechter.

Dazu gehoert auch die Basisdemokratie. Und weil wir so technikaffin sind, handeln wir basisdemokratisch „per Computer“. Das System nennen wir „liquid democracy“, so haben wir in einem Jahr rund 120 Seiten Grundsatzprogramm erarbeitet.

Aktuell haben wir allerdings ein viel wichtigeres Problem, naemlich dass die fortschreitende Digitalisierung unserer Welt unsere buergerlichen Grundrechte untergraebt. Alles, was unsere Demokratie heute ausmacht, von Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit ueber die Unschuldsvermutung bis hin zum Recht auf Privatsphaere, wird im digitalen Raum staendig unterlaufen: So wurde etwa die Vorratsdatenspeicherung im Internet in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gruenden gekippt (leider nicht bei uns). Ein Staat, der seine Buerger ohne Verdacht bespitzelt und ueberwacht, weil er ihnen nicht traut, ist kein demokratischer Staat, kann es nicht sein.

Deshalb sind wir gegen Acta und Prism, gegen Vorratsdatenspeicherung und verdachtsunabhaengige Ueberwachungsmechanismen – und weil die Bedrohung so immanent ist, so unmittelbar vor der Tuere steht, ist dies unser derzeit wichtigstes Anliegen.

Denn wenn dieser unser Staat morgen zu einem totalitaeren Ueberwachungsstaat mutiert, koennen wir alle unsere Visionen von einer besseren und gerechteren Welt begraben.

Deshalb fordern wir, dass die Menschenrechte auf den digitalen Raum ausgeweitet werden, dass es ein Recht auf Datenschutz geben muss ebenso wie ein Grundrecht auf Zugang zum Internet und damit zur Teilnahme an der digitalisierten Gesellschaft. Und, ja, eben weil wir die Nerds sind, die Computerkinder, weil wir wissen, wie die Ueberwachungsprogramme geschrieben werden und wie sie funktionieren, genau deshalb wissen wir genau, wie gross die Bedrohung durch die Digitalisierung ist, und auch was sie fuer Chancen mit sich bringt, unsere Gesellschaft zum Besseren zu veraendern.

Ach ja, was uns von der Linken unterscheidet: Wir glauben an die buergerlich-demokratische Gesellschaft und nicht an das Primat irgendeiner Partei, sei sie auch noch so wohlmeinend und schlau. Wir glauben nicht an eine revolutionaere Elite, und schon gar nicht an die Diktatur des Proletariats.

Wir halten generell nichts von Regel und Vorschriften und moechten so wenige davon wie moeglich in unserem Alltag haben. Deshalb halten wir auch die freie Marktwirtschaft fuer die beste aller moeglichen Wirtschaftsformen, denn nur in einer freien Wirtschaft kann jeder genau das machen, was er machen moechte. Denn wir wollen auf keinen Fall den Menschen vorschreiben, was sie tun sollen und duerfen und was nicht.

In logischer Konsequenz halten wir auch Privateigentum fuer ein Grundprinzip einer freien und gerechten Gesellschaft, und der Schutz desselben ist fuer uns ein ganz wichtiges Grundprinzip. Was nicht heisst, dass wir es gerecht finden, dass ein Prozent der Menschheit ueber mehr als die Haelfte allen Besitzes weltweit verfuegt, aber wir wuerden es ihnen niemals mit Gewalt wegnehmen wollen.

Natuerlich muss man Marktwirtschaft reglementieren und Auswuechse verhindern, deshalb halten wir auch eine soziale Marktwirtschaft fuer die gerechtere Wirtschaftsform. Wir fordern auch, dass der Staat an der Infrastruktur, die fuer die Funktion der freien Marktwirtschaft notwendig ist, kontrollierende Anteile halten oder sie zur Gaenze besitzen muss, um einer Monopolisierung vorzubeugen, denn die Nutzung dieser Infrastruktur muss allen zu gleichen Bedingungen offen stehen.

Oder auch: Netzfreiheit und Netzneutralitaet sind Voraussetzungen fuer die infosoziale Marktwirtschaft. Und im Zweifelsfall befuerworten wir in diesem Kontext auch Verstaatlichung.

Und, ja, wir glauben an ein vereintes, starkes Europa, in dem unsere Werte der buergerlichen Freiheiten hoch gehalten werden. Eine erfolgreiche Verteidigung dieser Werte gegen Begehrlichkeiten „von aussen“ werden wir nur mit vereinten Kraeften schaffen. Allerdings fordern wir gerade deshalb auch bei europaeischen Strukturen deutlich mehr Demokratie und wesentlich mehr Transparenz.

Wir werden viel geschmaeht und noch mehr missverstanden, man hat uns als Gruene mit Computer beschimpft, als FDP ohne Porsche, als buergerliche Traeumer, intellektuelle Phantasten, was auch immer.

Wir sind der Meinung, dass wir die Ersten sind, die erkannt haben, dass die digitale Revolution einen ebenso grundsaetzlichen Paradigmenwandel unserer Gesellschaft bewirken wird wie seinerzeit die industrielle Revolution, mit aehnlich weit reichenden Folgen. Wir sind ueberzeugt davon, dass wir das wichtigste und interessanteste politische Projekt seit den Gruenen sind.

Und schon wegen der aktuellen Bedrohung unserer buergerlichen Grundrechte durch Ueberwachungsstaat und digitale Spitzelagenturen hoffen wir, dass alle demokratisch eingestellten Buergerinnen und Buerger zumindest ein Stueck des Weges mit uns gemeinsam gehen werden, um diese Bedrohung von unserer Gesellschaft abzuwenden. Und um gemeinsam eine bessere Welt aufzubauen.

Und natuerlich werden wir gewinnen. Wir sind die Zukunft. Wir sind die Mehrheit. Auf Dauer sind wir nicht aufzuhalten. Venceremos.

*André Igler, Piratenpartei Kaernten*