Rassismus

Dienstag, 31. August 1999
Von: komakwien@hotmail.com
Im Folgenden dokumentieren wir einen Text der
Plattform "Für eine Welt ohne Rassismus!":
Rassismus in Österreich-
Von den Gesetzen legitimiert,
von den Medien gefordert und
von der Polizei vollstreckt
 
Die Plattform für eine Welt ohne Rassismus, die sich als Reaktion auf den
wachsenden Terror gegen MigrantInnen in Österreich versteht, besteht aus
mehreren Gruppen, Initiativen, Vereinen und Einzelpersonen. Mit Besorgnis
müssen wir feststellen, daß der Rassismus nicht einfach ein vereinzeltes
Phänomen in diesem Land darstellt, sondern von institutioneller Seite
gewünscht, geschürt und angewendet wird. So war die Reaktion auf die
gewaltsame Tötung von Ahmed F. aus dem Senegal, der Anfang dieses Jahres im
Zuge seiner Verhaftung erstickt ist, und von Marcus Omofuma seitens der
Polizei kein Umdenken, sondern im Gegenteil verstärkte rassistische
Propaganda, um die Akzeptanz für derartige Verbrechen zu schaffen.
In diesem Sinn schenken wir der Beteuerung von Verantwortlichen des Innen-
und Justizministeriums keinen Glauben, die angebliche "größtangelegte
Drogenrazzia der zweiten Republik" vom 25. Und 26. Mai 1999 - die sogenannte
"Operation Spring", bei der fast ausschließlich Menschen mit dunkler
Hautfarbe verhaftet wurden - habe nichts mit der Ermordung von Marcus
Omofuma zu tun. Zuviele Ungereimtheiten machen den Zusammenhang nur allzu
deutlich:
 
o Die Propaganda der Kronenzeitung gemeinsam mit der FPÖ, die der Razzia
vorausgingen
o Der angeblich ein halbes Jahr zuvor durchgeführte Lauschangriff konnte
nicht verhindern, daß ein ehemals von afrikanischen MigrantInnen,
mittlerweile von KosovoalbanerInnen bewohntes Flüchtlingsheim in Graz von
polizeilichen Rollkommandos gestürmt wurde, die jedoch wieder umkehrten,
weil sie offensichtlich nur Verhaftete brauchten, die dieselbe Hautfarbe
haben wie Marcus Omofuma.
o Weiters berichten Bewohner eines Wiener Flüchtlingsheimes, daß die
Exekutivbeamten auf die noch Schlafenden eingeknüppelt hätten, sich aber
entschuldigt hätten, wenn sie nach dem Wegziehen der Decke "weiße"
Flüchtlinge vorfanden.
o von den 102 anfangs Verhafteten mußten bereits mehr als zwei Drittel
wieder freigelassen werden, gegen die noch Inhaftierten sind die
Anklagepunkte mehr als spärlich - der Riesenerfolg, von dem die Medien
schrieben, beläuft sich auf eine geringe Menge von sichergestelltem
Suchtgift - täglich werden weit größere Mengen an Suchtgift bei einzelnen
Personen gefunden. Die angebliche aufgedeckte "nigerianische Drogenmafia"
entlarvt sich immer mehr als ein Konstrukt, das die Tötung von Marcus
rechtfertigen sollte (Tatsächlich kommt nur ein geringer Teil der
Verhafteten aus Nigeria - wichtig war den Verantwortlichen die Hautfarbe).
o Die Beschuldigung des Menschenrechtsaktivisten Charles O., er sei Chef
dieser Drogenmafia, wird auf seine Aufforderung: "Leave work and join the
demonstration" zurückgeführt. Hinter einer derart lächerlichen Argumentation
steckt die Warnung an alle engagierten Menschen, sich ruhig zu verhalten,
weil sie ansonsten mit massiven Repressalien des Staatsapparates zu rechnen
haben. Die polizeiliche Willkür gegen afrikanische Menschen - begleitet von
immer rassistischeren Tönen in den hiesigen Medien - hat mit der "Operation
Spring" einen neuen Höhepunkt, aber noch lange keinen Stillstand erreicht:
Täglich werden neue Übergriffe und Verhaftungen nach ausschließlichen
rassistischen Kriterien bekannt. In einem Kurierartikel vom 3.8.99 ("Mit der
Polizei auf Drogenstreife in Favoriten") wird offen über diese rassistischen
Kriterien gesprochen. Wörtliches Zitat: "Das besondere Interesse der Polizei
gilt Schwarzafrikanern, die - vom Matzleinsdorfer Platz ausgehend - die
Straßenszene mit Heroin und Kokain versorgen sollen."
 
Die Mißstände, der die Verhafteten der Propagandarazzia angesichts dieser
menschenverachtenden Praxis ausgesetzt sind, überraschen daher nicht mehr:
Wochen - viele monatelang müssen die Gefangenen ohne Kontakt zur Außenwelt
unter katastrophalen sanitären Bedingungen in Untersuchungshaft verbringen.
 
Ein Großteil der Verhafteten bekam ausgerechnet Farid Rifaat als
Pflichtverteidiger zur Seite gestellt, der nach dem Neonazi Radl jetzt auch
die drei Polizisten, die den Tod von Marcus Omofuma zu verantworten haben,
vertritt. Rechtlich mag das durchgehen, solange das Ministerium behauptet,
beide Fälle haben nichts miteinander zu tun. Wer aber mitverfolgt hat, wie
sowohl von den Medien wie auch von der Politik sehr wohl die "Operation
spring" als Entschuldigung für den Tod von Marcus präsentiert wurde, kann
sich des Verdachts der Befangenheit nicht erwehren. Was wird dem Anwalt
wichtiger sein: Die Verteidigung der drei Polizisten, die ihm ein fettes
Honorar zahlen oder die Enthaftung der afrikanischen Klienten, die
schließlich in der Öffentlichkeit als Argumente für die Foltermethoden der
Fremdenpolizei herhalten müssen? Denn nach dem gewaltsamen Erstickungstod
von Marcus war die Öffentlichkeit empört. Diese Empörung fand durch die
"größte Drogenrazzia der 2. Republik" und ihre mediale Aufbereitung ein
jähes Ende.
 
Solange die öffentliche Meinung die Gleichung rassistischer Medien
übernimmt, daß jeder Afrikaner Drogen verkauft und deshalb nach alten
Scharfrichtermethoden ruhig zu Tode abgeschoben werden kann, gibt es keinen
Druck auf verantwortliche politische Stellen, was die Verteidigung der drei
Polizisten natürlich erleichtert . Für diese öffentliche Stimmungsmache ist
es wichtig, daß die fragwürdigen Details um die "Operation Spring" nicht ans
Tageslicht kommen, die afrikanischen Angeklagten in Haft bleiben und
verurteilt werden. Es darf also bezweifelt werden, daß von Rifaat eine
ernsthafte Verteidigung zu erwarten ist.
 
Es ist auch mehr als ungewöhnlich, daß in einem Verfahren wie diesem, wo es
um eine sogenannte kriminelle Vereinigung geht, ein Anwalt gleich mehrere,
in diesem Fall einen großen Teil, der Angeklagten vertritt. Noch dazu, wo
monatelang Besuche von Gerichtspersonen überwacht wurden, um eventuelle
Absprachen zu verhindern.
 
Als Vertreter der GEMMI (Gesellschaft für Menschenrechte von
Marginalisierten und ImmigrantInnen) mit der Vollmacht eines Angeklagten zu
Rifaats Vertreter, Dr. Rast kamen, um Akteneinsicht zu nehmen, ließ er das
erst nach wochenlangen Verhandlungen zu und verlangte schließlich 10 öS pro
Kopie (von einem Akt mit mehreren hundert Seiten). Es entstand jedenfalls
nicht gerade der Eindruck, als ob ihn das Engagement für seine Mandanten
freuen würde.
 
Der Antrag eines Verhafteten, statt Rifaat einen anderen Verteidiger zu
bekommen, wurde von der Anwaltskammer abgelehnt (obwohl sich ein anderer
Anwalt dazu bereit erklärt hatte, ihn zu vertreten).

Die Plattform für eine Welt ohne Rassismus sah sich durch diese Mißstände
veranlasst, dem Justizminister folgenden offenen Brief zu schreiben:
 
Wien, 3. 8.1999
 
Sehr geehrter Herr Michalek!
 
Wie uns BesucherInnen der im Zuge der "Operation Spring" verhafteten
afrikanischen Inhaftierten mitteilten, sind diese menschenrechtswidrigen
Umständen ausgesetzt.
 
o Alle, die besucht wurden, hatten nach mehr als sechs Wochen weder
Hygieneartikel wie Zahnbürste etc. erhalten. Das verstößt gegen die übliche
Praxis, nach der Untersuchungshäftlinge sofort entsprechend versorgt werden
müssen.
 
o Ebenfalls trugen sie alle noch am Leib, was sie bei ihrer Verhaftung
trugen - und das, obwohl es im Gefängnis ein Riesendepot mit Kleidern gibt.
Einer der Besuchten hatte nicht einmal Schuhe, da der Riemen der Sandalen,
mit denen er verhaftet wurde, gerissen war.
 
o Keiner erhielt eine hinreichende Rechtsaufklärung. Der Kontakt mit
Angehörigen oder Freunden wurde verboten, was sicher bei vielen zum Verlust
von Jobs und Wohnungen führen wird : Schließlich können sie niemanden
verständigen, warum sie ihrer Arbeit fernbleiben oder die Miete nicht
einzahlen.
 
o Es gibt nach zweieinhalb Monaten noch immer keine konkrete Anklage. D.h.,
daß die Inhaftierten noch immer nicht wissen, was ihnen tatsächlich
vorgeworfen wird. Dazu wäre noch hinzuzufügen, daß tatsächlich nur wenige
besucht wurden: das heißt, daß der größte Teil vermutlich noch immer ohne
Kontakte zur Außenwelt, ohne saubere Wäsche und ohne Zahnbürste im Gefängnis
vegetiert.
 
Wir fordern Sie hiermit auf, diese Mißstände umgehend zu beseitigen, sowie
in Zukunft den respektvollen Umgang mit den Gefangenen zu gewährleisten, der
ihnen zusteht.
 
Hochachtungsvoll
 
P.S. Eine Kopie dieses Schreibens geht an nationale und internationale
Medienvertreter, Institutionen und Organisationen.
Mit diesem Brief wollen wir ein Zeichen setzen gegen die Taktik der
Verantwortlichen, die eine Entsolidarisierung mit den Opfern des staatlichen
Rassismus erreichen wollten.

Die "Operation Spring" dient neben der rassistischen Stimmungsmache und de
facto Rechtfertigung des Todes von Marcus auch zur Legitimierung neuer
Ermittlungsmethoden, und es ist sicher kein Zufall, daß der erste offizielle
Lauschangriff in Österreich ausgerechnet gegen Menschen mit dunkler
Hautfarbe durchgeführt wurde.
Neben der Diffamierung aller afrikanischen Menschen als Drogendealer hat
sich das Innenministerium aber noch ein zusätzliches Alibi besorgt: den
Menschenrechtsbeirat. Während für die Behörden unangenehme Organisationen
wie der Flughafensozialdienst mehr und mehr in ihrem Aktionsrahmen
beschnitten werden, schuf sich die Clique um Minister Schlögl quasi die
eigene kuschelweiche Opposition, in der neben genehmen NGO`s vor allem
Vertreter des Ministeriums sitzen. Damit sollen künftige Beschlüsse des
Ministeriums gegen antirassistische Kritik immun gemacht und medienkonform
abgesegnet werden.
 
Wir dürfen uns weder von solchen Manövern in der antirassistischen Arbeit
beirren noch in der Solidarisierung spalten lassen - denn Solidarität ist
unteilbar. Die Einteilung in "gute" (keine Armutsflüchlinge, sondern
politisch nach Ansicht der Herrschenden im Ministerium) und "böse" (wie
tatsächliche und vermeintliche Drogendealer, sogenannte
Wirtschaftsflüchtlinge vor der imperialistischen Verteilungspolitik...)
MigrantInnen dient nur dem herrschenden Rassismus und der Rechtfertigung
einer menschenverachtenden Asylpolitik.
 
Laßt euch nicht beirren, zeigt Rückgrat. Bleibt solidarisch!
 
Abschließend wollen wir darauf hinweisen, daß der Rassismus in Österreich
keineswegs allein in Europa dasteht. Auch in Deutschland, in Belgien, in der
Schweiz, in England und in Frankreich kamen innerhalb von kurzer Zeit
afrikanische MigrantInnen in der Schubhaft oder während der Abschiebung
unter ähnlich grausamen Umständen durch Polizisten ums Leben..Der legale
Mord an Menschen, die kein anderes "Verbrechen" begangen haben, als arm und
nicht hier geboren zu sein, bekommt europaweit Methode. Das ist das wahre
Gesicht von Schengen, gegen das wir auch international kämpfen wollen!
 
Für die weitere Betreuung der Gefangenen benötigen wir auch Eure
Unterstützung. Wer uns helfen oder selber mithelfen möchte, kann sich über
unsere Kontaktadresse mit uns in Verbindung setzen:
 
Plattform für eine Welt ohne Rassismus Schottengasse 3A/1/59 1010 Wien
 
P.S.: Der als Drogenboß verdächtige Charles O. wurde übrigens am 25.8.
anläßlich seiner Haftprüfung entlassen. Das Konstrukt beginnt zu wanken.
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