Syrische Rebellen und kurdische Guerilla zwischen Kooperation und Konflikt

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Ghayath Naisse, 19.11.2012: SYRIEN – Kritische Bemerkungen zu der Opposition (inprekorr)

DIE LAGE IN DEN KURDISCHEN GEBIETEN

Während die Revolte des kurdischen Volkes im März 2004 die kurdische Frage ins Zentrum der Kämpfe in Syrien gerückt hatte, hat die Mehrzahl der syrischen Oppositionskräfte deren Bedeutung erst spät verstanden. Die Position der Mehrzahl dieser Kräfte war in der Tat schändlich und hat Spuren hinterlassen. Die kurdischen Kräfte haben sich isoliert und alleingelas­sen gefühlt. Ihr Misstrauen ist legitim, insofern die Positionen gegenüber den Kurden weiterhin verworren und widersprüchlich sind.

Das hat mehrere kurdische Par­teien dazu veranlasst, sich im Okto­ber 2011 aus dem Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel zurückzuziehen, um den Kurdischen Nationalrat zu bilden. Ebenso sind die hauptsächlichen kurdischen Bestandteile nach der Versammlung des Sy­rischen Nationalrats vom 26. und 27. März 2012 in Istanbul, die unter dem Motto „Vereinigung der syrischen Opposition” stattfand, ausgetreten. Nach der Veröffentlichung des „natio­nalen Dokuments zur kurdischen Frage” durch den Syrischen Nationalrat ist die Mehrheit der Kräfte des kurdischen nationalen Blocks in ihn zurückgekehrt.

Im Kurdischen Nationalrat ist jetzt die Mehrheit der kurdischen politischen Kräfte und Koordinationen zusammengefasst, mit Ausnahme der Partei der Demokratischen Union (PYD), des syrischen Zweigs der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unter Leitung des in der Türkei gefangenen Abdullah Ocalan. Die PYD gehört dem Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel an. Dem Kurdischen Nationalrat gehört auch die Unabhängige Kurdische Strömung an, die 2005 von Michel Tempo gegründet wurde, einer bedeutenden Persön­lichkeit, die am 7. Oktober 2011 ermordet worden ist. Diese Partei vertritt entschiedene Positionen zu dem diktatorischen Regime und ist zu dessen Sturz entschlossen.

Die kurdische Jugend hat von Anfang an mit großer Begeisterung an den Protesten teilgenommen, und sie tut das weiter. Wie in den anderen Regionen Syriens hat sie ihre Koordina­tionen gebildet, die vor Ort aktiv sind. In der Mehrzahl haben sie sich dem Kurdischen Nationalrat angeschlossen.

Mit Ausnahme der Region Afarin, wo die PYD eine hegemoniale Stellung hat und in der es relativ ruhig ist, sind die kurdischen Regionen in Aufruhr. Sie befinden sich auf einer Linie mit der allgemeinen Dynamik, während es zugleich eine nationale Besonderheit gibt. So haben die Demonstrationen im März diesen Jahres unter dem Motto „kurdische Rechte” stattgefunden, um die ablehnende Haltung des kurdischen Volks gegenüber den Positionen des syrischen Nationalrats und der übrigen arabischen Opposition zur kurdischen Frage deutlich werden zu lassen.

Die kurdischen Kräfte insgesamt fordern das Recht des kurdischen Volks, selbst über ihr Schicksal in einem „nicht zentralisierten Staat” zu bestimmen, die verfassungsmäßige Anerkennung der nationalen Rechte des kurdischen Volks (der zweitgrößten Nationalität des Landes), die Ablehnung der Ungerechtigkeiten und die Abschaffung aller Gesetze und Maßnahmen, die ihre Rechte beschneiden. Ein Aufruf zur Sezession ist nicht zu vernehmen.

Die PYD hat seitens des Regimes eine besondere Behandlung erfahren: Sie sollte „Kröten schlucken”. Der Grund dafür ist ihre Feindseligkeitgegenüber der türkischen Regierung, die für die syrischen Machthaber eine Bedrohung darstellt. Die PYD baut in den Regionen, in denen sie präsent oder einflussreich ist, eine „demokratische Selbstverwaltung” auf. Die Kräfte des Kurdischen National­rats haben ebenfalls „lokale Räte” ge­schaffen.

Die PYD zeichnet sich durch die Disziplin ihrer Mitglieder und die Härte gegenüber Abtrünnigen und Kon­kurrenten sowie dadurch aus, dass die Mutterpartei in der Türkei über bewaffnete Kräfte verfügt, die eine Verlängerung nach Syrien haben. Die Furcht vor einer Eskalation der Kämpfe mit den Kräften des Kurdischen Nationalrats hat dazu geführt, dass am 3. März 2012 ein Dokument der „gegenseitigen Verständigung” angenommen worden ist, dessen Ziel es ist, innerkurdische Bruderkämpfe zu vermeiden.

Eine Strategie für Syrien kann einer klaren Antwort auf die kurdische nationale Frage nicht ausweichen, einer Antwort, die dazu geeignet ist, Vertrauen zwischen dem kurdischen Volk sowie seinen politischen Kräften (die unter denselben Problemen wie die arabische Opposition zu leiden haben, wobei sie sich von ihnen dadurch unterscheiden, dass sie in der Mehrheit nicht-religiös sind) und den Kräften der Revolution sowie den arabischen aufständischen Massen zu schaffen, um die Kämpfe zum Sturz des Regimes und zum Aufbau eines freien, demokratischen und laizistischen Syrien zu vereinigen, dessen Bürgerinnen alle gleich wären, unabhängig von ihrer ethnischen, religiösen oder sexuellen Orientierung.

Marginalisierte und verarmte kur­dische Regionen werden sich nur dann in gemeinsame politische und soziale Kämpfe begeben, wenn die arabischen Kräfte eine klare revolutionäre Position zur kurdischen nationalen Frage beziehen. Wir werden die Abtrennung des kurdischen Volkes in Syrien nicht ermutigen, denn wir sind der Auffassung, dass dies unter den gegenwärtigen Bedingungen für den gemeinsamen Kampf der Volksschichten ge­gen ihre Bourgeoisien schädlich wäre, sämtliche Nationalitäten zusammengenommen. Dies würde den Kampf gegen die Diktatur und unseren gemeinsamen Kampf für soziale Gerechtigkeit schwächen und das Land in einen katastrophalen Bürgerkrieg stürzen. Dies würde die kurdischen Volksmassen nationalen Führungen unterordnen, die den arabischen Führungen in nichts nachstehen.

Unsere prinzipielle Position geht aus von dem gemeinsamen kurdisch-arabischen Interesse im Kampf gegen das despotische Regime, der Anerken­nung der nationalen Unterdrückung seitens aller arabischen Regierungen in Syrien, unter der das kurdische Volk leidet, dem Ende dieser Ungerechtigkeiten und der völligen Gleichheit aller syrischen Bürgerinnen gleich wel­cher nationalen, ethnischen, religiösen Zugehörig oder sexuellen Orientierung, der verfassungsmäßigen Anerkennung der nationalen Rechte des kurdischen Volks in Syrien — also von dem Recht auf Selbstbestimmung und auf Sezession, auch wenn wir unsere kurdische Bevölkerung darum bitten, integrierter Bestandteil der Bevölke­rung Syriens zu bleiben.

Nur wenn wir von dieser Position ausgehen, werden wir den gemeinsamen Kampf aller nationalen Teile der syrischen Massen zum Sturz des unterdrückerischen Regimes stärken und Freiheit, Gleichheit und soziale Gerechtigkeit verwirklichen können.

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 arte, 24.9.2012: Relative kurdische Unabhängigkeit in Syrien 

 Video: http://www.labournetaustria.at/relative-kurdische-unabhangigkeit-in-syrien/

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Syria’s Kurds stand alone after rejecting rebels and regime, 25.11.2012

Video: http://www.youtube.com/watch?v=fxloG6ctrLM

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W.v.Wilgenburg, 25.11.2012: Syrian Kurds Agree on Forming Joint Military Council

http://www.rudaw.net/english/news/syria/5468.html

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Kurd.Net, 24.11.2012: Kurdish fighters unite against Syria’s Arab rebels:

http://www.ekurd.net/mismas/articles/misc2012/11/syriakurd688.htm

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WLADIMIR van WILGENBURG and ADIB ABDULMAJID, 20.11.2012: Syrian Rebel Commanders Killed in Clashes with Kurdish Fighters:

http://www.rudaw.net/english/news/syria/5446.html

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RAS Al-AIN: Jihadist rebels in standoff with Syria Kurds (NGO 22.11.2012):

http://www.ekurd.net/mismas/articles/misc2012/11/syriakurd686.htm

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Marah Mashi, 16.11.2012: Syria – Ras al-Ayn and the Specter of the Buffer Zone:

http://english.al-akhbar.com/content/ras-al-ayn-and-specter-buffer-zone