Türkei Informationszentrum: 21. Januar 2013: Der Faschismus in der Türkei hat 9 RechtsanwältInnen verhaftet!

Die 64, am 18. Januar 2013 in Istanbul bei den rechtswidrigen morgendlichen Razzien festgenommenen Personen, wurden am

20. Januar ab 11:00 Uhr dem Staatsanwalt vorgeführt.

Auch der CHD-Generalvorsitzende (Progressiver JuristInnenverband) Selcuk Kozagacli wurde in den Mittagsstunden des 20. Januar

gleich bei seiner Ankunft am Istanbuler Flughafen festgenommen.

Nachdem die Staatsanwaltschaft zwei AnwältInnen freiließ, wurden die 10 anderen RechtsanwältInnen per Haftbefehl dem Richter vorgeführt.

Das Urteil der Verhandlung, die die ganze Nacht andauerte, wurde heute gegen 12:15 verkündet: 9 RechtsanwältInnen wurden verhaftet.

Unter den verhafteten AnwältInnen befinden sich: Selcuk Kozagacli, Taylan Tanay, Ebru Timtik, Barkin Timtik, Günay Dag, Betül Vangölü Kozagacli,

Güclü Sevimli, Sükriye Erden, Naciye Demir und Serhan Arikanoglu.

Außerdem wurden auch die anderen 25 Personen, die bei der Operation festgenommen und in der Anti-Terrorabteilung festgehalten wurden,

zum Gericht von Caglayan überstellt. Ihre Anhörung wird fortgesetzt.

Die Volksfront, die Freunde der AnwältInnen, Grup Yorum-Fans und NGO’s warten weiterhin vor dem Gericht auf den Ausgang der Verhandlungen.
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Erklärung des Anwaltsbüros des Volkes
(nahezu alle AnwältInnen dieser Kanzlei wurden heute verhaftet):

HALKIN HUKUK BÜROSU,

Erklärung Nr.: 374 /21.01.2013

DIE REVOLUTIONÄRE ANWALTSCHAFT IST UNSERE WÜRDE

Das Anwaltsbüro des Volkes (HHB) ist eine Schule darin, wie eine revolutionäre Anwaltschaft zu bewerkstelligen ist. Das Anwaltsbüro des Volkes hat sich im Zuge der Devrimci Sol-Prozesse institutionalisiert, in seiner 24-jährigen ununterbrochenen Kampfgeschichte hat es nicht ein einziges Mal den Status Quo anerkannt, der den AnwältInnen aufgezwungen wird. Es hat den Kampf für Recht und Gerechtigkeit stets hoch gehalten.

Fuat Erdogan, der uns mit seinen Werten und seiner Auffassung von einer revolutionären Anwaltschaft den Weg wies, wurde deshalb ermordet.
Unsere Schule ist unser tägliches Leben und die von uns geschaffene Geschichte. Weder eure Kugeln, die ihr auf revolutionäre Anwälte wie
Fuat Erdogan abgefeuert habt, noch die Äxte, mit denen ihr unsere Türen eingeschlagen habt, noch eure Gewehrkolben, die auf unseren
Rücken niedergehen oder eure Hafturteile können diese Geschichte zunichte machen.Im Gegenteil, all diese Angriffe sind der Beweis dafür, das wir auf unserem Weg grundanständig marschiert sind.

Revolutionismus ist kein Titel unserer AnwältInnen vom Anwaltsbüro des Volkes, es ist ihre Identität. Es ist ebenfalls diese Identität, die uns die Kraft gibt, gegen das Recht des Faschismus zu kämpfen, die uns den Anlass gibt, neue Traditionen zu schaffen und die Würde, diesen Kampf ohne Unterbrechung fortzusetzen. Niemals beschränkten wir uns auf die Grenzen, die den AnwältInnen vorgegeben werden oder auf die Routinen, die festgelegt werden, um sie im Gerichtsmechanismus zu einem Zahnrad werden zu lassen.

Wir haben eine Anwaltsidentität, welche zu den reaktionären Gesetzen der AKP, zu den Gerichten, die dazu dienen, das Volk in die Knie zu zwingen, zu den willkürlichen und rechtswidrigen Maßnahmen, zu Exekutionen und Folter schweigen und den Kampf für Recht und Gerechtigkeit auf abstrakte Diskukssionen und innerhalb der Gerichtssäle reduzieren, von Anfang an abgelehnt. Einer unser Anwälte, Behic Asci, hat an der Stelle, wo das Recht nicht ausreichte, für die Rechte seiner MandantInnen mit einem Todesfasten begonnen und seinen Körper 293 Tage lang dem Hunger ausgesetzt. Viel mehr als in ihrem Büro haben sich unsere AnwältInnen in den Gefängnissen, in den Stadtteilen der armen Bevölkerung und an der Seite der ArbeiterInnen und StudentInnen aufgehalten, welche ihre Recht verteidigen.

Der Angriff der AKP ist ein neuer Angriff zur Bezwingung dieser revolutionären Identität.
Die nächtliche Operation gegen das Anwaltsbüro des Volkes und den Progressiven JuristInnenverband am 18.01.2013, bei der die Türen der Büros aufgebrochen wurden, die anschließende Folter an den Festgenommenen im Polizeipräsidium, der Angriff und die Intoleranz in den Gerichtskorridoren, ist das jüngste Beispiel des fortwährenden Faschismus in der Türkei. Dieser Zustand ist der Existenzgrund für eine revolutionäre Anwaltschaft.

Am heutigen Tag des Hafturteils gegen die RechtsanwältInnen, haben sich gleichzeitig die Patriot-Raketen dem Hafen von Iskenderun genähert, die von der NATO gegen die Völker im Nahen Osten in unserem Land installiert werden.

Die revolutionären Anwältnnen wurden in einer Atmosphäre verhaftet, in der der Ministerpräsident herumrief „Die Türkei ist zum Krieg bereit“.

Und eines ist sicher, solange die Kollaboration und Ausbeutung der AKP-Regierung zunimmt, wird auch die Tyrannei zunehmen. Diese Tyrannei hat sich die Gerichtsbarkeit und die Gesetze zu Eigen gemacht. Es liegt an uns, das bloßzustellen und dagen zu kämpfen.

Werte KollegInnen, die AnwältInnen unseres Büros Taylan Tanay (Vorsitzender der CHD- Istanbul Branche), Barkin Timtik, Ebru Timtik, Günay Dag, Selcuk Kozagacli (CHD-Generalvorsitzender), Betül Vangölü Kozagacli (Vorsitzende der CHD- Ankara Branche), Naciye Demir, Sükriye Erden und CHD-Vorstandsmitglied der Istanbuler Branche Güclü Sevimli wurden verhaftet.

Diese Verhaftungen deuten auf bevorstehende Angriffe gegenüber der Bevölkerung hin. Die uns von der Geschichte auferlegte Verantwortung ist es, den Anwaltsstil, den uns die AKP-Regierung aufzwingt abzulehnen und die Mauern, hinter die man uns sperren will zu überwinden.

Vergrößern wir die Tradition der revolutionären Anwaltschaft.

Wir sind wütend, unsere Wut wird uns die Kraft geben, unsere FreundInnen aus den Händen der Tyrannei zu entreißen.

Versprochen ist versprochen, unsere Wut wird Rechenschaft fordern. Die Kollaborierende AKP-Regierung kann uns nicht einschüchtern.

Es lebe unsere revolutionäre Anwaltstradition,
Es leben unsere AnwältInnen, die den Kampf für Würde und Gerechtigkeit hochhalten.
Wir wissen, wir sind im Recht und wir werden siegen.
HALKIN HUKUK BUROSU 
Anwaltsbüro des Volkes

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Nachdem heute die Schauspielerin der Idil Theaterwerkstatt, Gamze M. Keskek,die bei der Razzia im Idil Kulturzentrum festgenommen wurde, vor Gericht gebracht wird, bereiten sich TheaterkünstlerInnen und Intellektuelle auf eine Presserklärung vor dem Gericht in Caglayan vor.

Wir laden unsere Bevölkerung und die Presse ein, an unserer um 19.30 Uhr (MEZ 18:30 Uhr) beginnenden Presseerklärung teilzunehmen.

Im Folgenden eine Petition, die von der Theaterplattform der Türkei für Gamze M. Keskek vorbereitet wurde,

sowie bisherige UnterzeichnerInnen:

Die Repression gegenüber der Kunst und den KünstlerInnen hat ihren Höhepunkt erreicht 

Während das Gerede „In unserem Land wird der Wind des Friedens wehen“ in der Luft hängt, hat die Repression gegenüber der Kunst und
den KünstlerInnen ihren Höhepunkt erreicht. Während der Angriffe auf das Idil Kulturzentrum vergangene Woche wurden Dutzende KünstlerInnen
festgenommen. Eine dieser KünstlerInnen, unsere Schauspielkollegin Gamze Mimaroglu wird nun angeklagt. Gamze ist eine Schauspielerin.
Seit Jahren produziert sie innerhalb der Struktur des Idil Kulturzentrums ihre Kunst. Sie führt Theaterstücke auf, engagiert sich für die Organisierung
und Entwicklung des Theaterraums.

Wo ist Gamze?

Gamze befindet sich seit Tagen in der Zelle?

Wir fragen, sollte der Platz einer Schauspielerin, die für ihr Land und ihr Volk jahrelang Kunst produzierte in einer Zelle sein?

Die Regierung und ihre Sicherheitskräfte haben für Gamze die dunklen Zellen vorgesehen. Was hat Gamze getan, dass sie das verdient?

Sie hat jahrelang Theaterstücke aufgeführt, welche das Leid, die Freuden, Sehnsüchte und Träume der Bevölkerung wiederspiegelten.

Als sie auf die Bühne trat, hatte sie keine persönlichen Ansprüche. Sie spielte sowohl auf winzigen Bühnen als auch in den Straßen
von Armenvierteln. Sie hat ihre Kunst bescheiden mit allen geteilt. Denn ihr Herz schlug gemeinsam mit dem Volk.
Wo ist Gamze jetzt? Sie wird angeklagt.

Wir als TheaterkünstlerInnen fordern die sofortige Freilassung von Gamze Mimaroglu Keskek. Gamze Mimaroglu Keskek wurde soeben

mit ihren anderen FreundInnen zum Gericht von Caglayan gebracht.

Wir laden alle sensiblen KünslterInnen auf, die Kunst zu verteidigen.

Als TheaterkünstlerInnen und Kunstmenschen dieses Landes stehen wir Arm in Arm mit Gamze. Dieses Land ist nicht auf sich gestellt.

Auch die Kunstforen und KünstlerInnen des Landes sind nicht allein. Nein zu den Angriffen auf die Kunst und die KünstlerInnen!

Theaterplattform der Türkei

Unterzeichnende:

Ragıp Yavuz
 
Aslı Öngören
 
Levent Üzümcü
 
Ahmet Say
 
Mehmet Esatoğlu
 
Özgür Başkaya
 
Orhan Aydın
 
Sanat Cephesi
 
Sanatçılar Girişimi
 
Tiyatro Simurg
 
İdil Tiyatro Atölyesi
 
Toprak Sahne Oyuncuları
 
Özgür Tiyatro
 
Barış Atay
 
Hamit Demir
 
Şükrü Erbaş
 
Hasan Sağlam

Theatergesellschaft ‚Gegen die Wand‘

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Stiftgasse 8, A-1070 Wien
tuerkei.info@gmail.com 

Videolink vom Angriff auf die AnwältInnen im Gericht:
http://www.youtube.com/watch?v=CLbWQRFWm58&feature=player_embedded


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