Nach Niedersachsenwahl: Debatte on Ralf Krämer, Thomas Bohm und Thies Gleiss zum rot-rot-grünen Lager, Selbstverständnis der Partei Die LINKE, etc. (Wilfried Hanser)

Ralf Krämer schrieb:

Lieber Thies, liebe GenossInnen,

zunächst mal habe ich ausdrücklich nicht von einem rot-rot-grünen Lager gesprochen und auch mir die kleinere Übel-Position nicht zu eigen gemacht, sondern referiert. Empirischer Fakt ist aber, und Politik sollte doch wohl zumindest für Leute, die sich für Marxisten halten, materialistisch von den realen Bedingungen und dem Handeln der Menschen ausgehen, dass die größten Verluste der LINKEN in Richtung NichtwählerInnen und in Richtung Rot-Grün gingen, und dass wir vor allem diese Gruppen (wieder und verstärkt) für uns gewinnen müssen.

Der wirklich interessante Punkt an deiner Mail ist jedoch, dass sie eine Auffassung von den Aufgaben und dem anzustrebenden Charakter der Partei zeigt, die ich ausdrücklich nicht teile und entschieden ablehne. Ich denke diese Differenz steht hinter vielen Kontroversen und es ist doch schön, das jetzt mal deutlich machen zu können. Der springende Punkt ist nämlich: du willst diese Menschen, die kein klar antikapitalistisches Bewusstsein haben, gar nicht für die Wahl oder gar Mitgliedschaft der LINKEN gewinnen, sondern findest das eigentlich völlig logisch und in Ordnung, dass die in ihrem „tiefen Glauben an die Überlegenheit und Unüberwindbarkeit des Kapitalismus“ SPD, Güne, CDU/CSU oder FDP wählen. Die Partei soll sich wenn es nach dir geht darauf konzentrieren zu versuchen, „diese Atomisierung aufgreifen und zu einer neuen, antikapitalistischen Kollektivwahrnehmung (zu) verdichten“. In der Breite der Klasse ist das allerdings, wie du selber andeutest, nur in Phasen zugespitzer Klassenkämpfe und gewissermaßen revolutionärer Situationen realistisch. Heutzutage und absehbar sind wir nicht in einer solchen Phase. Und dann bist du letztlich damit zufrieden, dass uns die wählen, die dieses vermeintlich antikapitalistische Bewusstsein haben. Das wurde ja auch in der AKL-Erklärung abgefeiert, dass das in Niedersachsen über 3% angeblich waren.

Ein Problem dabei ist, dass die meisten dieser 3% dieses Bewusstsein keineswegs haben, sondern aus viel profaneren Gründen DIE LINKE wählen. Wenn nur diejenigen mit dem gefestigten antikapitalistisch-revolutionären Bewusstsein, das du anstrebst, die Partei wählen würden, lägen wir bei unter 1% – dem normalen Niveau der diversen linksradikalen Sekten, die in der BRD reichlich gegeben hat und noch gibt. Das wäre auch das Niveau auf dem DIE LINKE über kurz oder lang landen würde, würde sie die von dir favorisierte Politik betreiben.

Mir reichen allerdings auch die 3% bei weitem nicht, und das war auch der Ausgangspunkt der Gründung der LINKEN und zuvor der WASG. Ich will eine Partei, und ich denke das gilt für die große Mehrheit der LINKEN und das ist auch die Orientierung des Parteiprogramms, die auch in „normalen“ Phasen des Kapitalismus, der immer von Klassenkämpfen geprägt ist, in den denen die Partei auch eine aktive Rolle spielen muss, wo diese aber nicht diese vorrevolutionäre Zuspitzung haben, möglichst weit über 10% der Stimmen bekommt. Es ging und geht um eine linke, sozialistische Massenpartei. Eine Partei, die sich nicht auf antikapitalistische Agitation beschränken kann, sondern Interessenvertretung für die Lohnabhängigen und Ausgegrenzten im Kapitalismus ist und versucht, schon innerhalb des Kapitalismus das bestmögliche für die Mehrheit der Menschen herauszuholen. Die sich in den konkreten sozialen aber auch politischen und parlamentarischen Auseinandersetzungen in diesem Sinne profiliert und verankert und Vertrauen bei vielen Menschen gewinnt und deshalb auch von ihnen gewählt wird – als ihre politische Interessenvertretung im Kapitalismus und nicht nur um ihre vermeintlich antikapitalistische Gesinnung auszudrücken.

Dabei konkurriert die LINKE mit anderen Parteien, die sich auch so darzustellen versuchen, und hatte es leichter zu Zeiten als SPD und Grüne offensichtlicher als heute zeigten, dass die Interessen der unteren Schichten der Lohnabhängigen und der Prekarisierten sie einen Scheißdreck interessieren. Und dabei muss die LINKE auch da wo es Möglichkeiten dafür gibt, bereit sein und dies deutlich machen und die anderen politischen Kräfte in diesem Sinne fordern, Bündnisse und Kompromisse einzugehen um reale Verbesserungen durchzusetzen, im Interesse von Millionen von Menschen, die hier und heute leben und nicht darauf hoffen oder warten wollen, dass wir irgendwann den Kapitalismus beseitigt haben. Was wir dabei selbstverständlich nicht machen dürfen, ist die Hand reichen und mitmachen bei einer Politik, die Verschlechterungen durchsetzt oder sich an Kriegen beteiligt, darum sind Haltelinien wichtig. Aber wir dürfen nicht grundsätzlich ablehnen, gemeinsam mit anderen Verbesserungen durchzusetzen, auch wenn diese anderen eine Menge Dreck am Stecken haben und die durchsetzbaren Verbesserungen hinter unseren weitergehenden Ansprüchen zurückbleiben.

Eine solche Politik wie ich sie hier skizziere ist m.E. auch die beste Voraussetzung dafür, in Zeiten zugespitzter Klassenkämpfe an dem schon vorher gewonnenen Vertrauen und Verankerung anknüpfen und dann rasch wachsen zu können. Einer von der überwiegenden Mehrzahl der Leute als ziemlich abseitig betrachteten Linksradikalentruppe wird das nämlich auch dann nicht gelingen.

Sozialistische Grüße

Ralf Krämer

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—–Ursprüngliche Mitteilung—–
Von: Thies Gleiss
Verschickt: Mi, 23 Jan 2013 9:19 pm
Betreff: Re: Antwort von Ralf Krämer

Liebe AKL-RealpolitikerInnen, lieber Ralf

Ich empfehle euch, wenn ihr meinen Analysen nicht folgen mögt oder sie für überzogen haltet, den heutigen Artikel von Heribert Prantl in der SZ zur Theorie der Lagerwahlkämpfe und zur Eigenständigkeit der LINKEN zu lesen. Sehr klug! http://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-politik-die-fdp-nach-der-niedersachsen-wahl-1.1579475

Nicht weniger falsch und unbrauchbar wie die „Lagertheorie“ ist die Theorie des „Kleineres Übels“. Im Gegensatz zur ersteren, war und ist sie schon immer kompletter Unsinn gewesen.

Die Menschen wählen schon das, was sie haben wollen und entsprechend ihrem politischen Bewusstsein. Die Idee, sie würden gern viel mehr haben, würden sich aber in der Wahlkabine taktisch und nützlich verhalten, ist nur von einer kleinen Anzahl von SPD- und DGB-Funktionären vorgetragen und in eine politische Strategie veredelt worden, ohne irgendeinen Erfolg. Das Massenbewusstsein ist – leider – immer noch so, dass es einen tiefen Glauben an die Überlegenheit und Unüberwindbarkeit des Kapitalismus verinnerlicht. Die entsprechenden Parteien die für diesen Kapitalismus eintreten – von SPDk, FDP bis CDU und Grüne – werden deshalb gewählt. Das einzige, was zunimmt ist die generelle politische Atomisierung und das daraus folgende Nichtwähler-Verhalten. Die LINKE könnte, wenn sie wollte und es klug anstellt, diese Atomisierung aufgreifen und zu einer neuen, antikapitalistischen Kollektivwahrnehmung verdichten. Wie sie auch AnhängerInnen der SPD oder gar der CDU im besten dialektisch-erzieherischen Sinn verunsichern könnte.

Die zur Theorie des „Kleineren Übels“ passende Zusatztheorie geht ebenso in irrealer Verbissenheit davon aus, dass sich politisches Massenbewusstsein stets in Etappen entwickelt. Nach dem Motto: Erst dumm und ahnungslos, dann sozialdemokratisch, dann sozialistisch. Auch das ist komplett wirkliichkeitsfremd. Wenn es der LINKEN gelingen sollte, wieder ein politisches Massenbewusstsein mit Kollektivwahrnehmung und Bereitschaft, die Atomisierung und Individalisierung zugunsten von kollektiven Widerstands- und Wiederaneignungskämpfen zu ersetzen, dann geht dies vielleicht im spezifischen Einzelfall des Kollegen XY, aber nicht bei der Gesamtheit der Klasse einen solchen Weg in Etappen. Das Bewusstsein der Arbeiterklasse entwickelt sich in Klassenkämpfen und ebenso wie diese in Sprüngen, in dialektischer Radikalisierung einer Negation der Negation, auch mal in Rückschlägen, aber nicht entlang von im sozialdemokratischen Lehrbuch aufgeschriebenen Etappen.

Herzlichen Gruß

Thies

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Von: Ralf Krämer
Gesendet: Mittwoch, 23. Januar 2013 17:20
An: Hoeger Inge MdB – Carsten Albrecht
Betreff: Re: Politikwechsel…

Lieber Carsten,

danke für die Antwort. Ich hab gar nichts dagegen und finde notwendig, auch SPD und Grüne, und natürlich die Politik von Schwarz-Gelb, heftig(er) zu kritisieren. Ich rede auch nicht davon, dass wir mit SPD und Grünen zusammen ein gemeinsames rot-rot-grünes Lager bilden. Aber wenn wir stärker als 3% werden wollen, müssen wir in hohem Maße WählerInnen ansprechen und für uns gewinnen, für die dazwischen keine chinesische Mauer liegt, sondern die im Zweifel immer noch die Ablösung von Schwarz-Gelb durch Rot-Grün wichtig finden und das kleinere Übel einer vermeintlich verschwendeten Stimme vorziehen. Wir müssen natürlich nicht nur diese, wir müssen auch Protest-/NichtwählerInnen zurück-gewinnen, aber dazu gehört auch, dass wir stark genug sind, dass es sich lohnt uns zu wählen, das gehört also zusammen. Darum müssen wir klar machen, dass ein Politikwechsel im Zweifel nicht an uns scheitert, wie es SPD und Grüne darstellen wollen, sondern wir dafür bereit sind, für bestimmte Inhalte natürlich. Insoweit war die Wahlkampfführung im Grundsatz richtig und sollte nicht zu ungerechtfertigten innerparteilichen Kampfansagen dienen. Die AKL hat mit der rhetorischen Aufrüstung angefangen, etwa „Regierungsfetischismus“ oder „bedingungslose SPD-Unterstützung“, oder „staatstragend und devot“.

Letztlich gibt es eine reale Kontroverse, wie wir DIE LINKE im Wahlkampf und auch in den außerparlamentarischen Kämpfen positionieren wollen. M.E. ist es dabei nicht sinnvoll, bei schwachen Bewegungen und einer links blinkenden SPD eigenes Profil durch verschärften Linksradikalismus gewinnen zu wollen, sondern das wird eher nach hinten los gehen, weil damit die Schwankenden, die wir gewinnen müssen, gerade von uns weg getrieben werden. Wenn die einen relevanten Unterschied sehen zwischen SPD und CDU, wenn der auch klein sein mag, und es gibt Unterschiede, müssen wir ihnen zeigen, dass die SPD unglaubwürdig und unernsthaft ist und konkret politisch unzuverlässig oder konkret falsche unsoziale und militaristische Politik macht, aber nicht sie pauschal als dieselbe Scheiße angehen und jede Kooperation mit ihnen per se ausschließen.

Und wir müssen Forderungen vertreten, die für weit mehr als unsere StammwählerInnen attraktiv sind, damit wir einen Teil derjenigen, die mit uns in vielem inhaltlich übereinstimmen, auch zur Wahl der LINKEN gewinnen. Ein Beispiel: Wenn wir mit der Forderung nach gesetzlichem Mindestlohn nicht mehr Alleinstellungsmerkmal haben, sondern die anderen das auch fordern, machen wir noch einen Unterschied in der Höhe der Forderung und darin, dass wir auch diverse weitere Forderungen gegen prekäre Arbeit usw. haben, die die anderen nicht unterstützen. Aber bei der Höhe des Mindestlohns sind wir gut beraten, eine zu fordern die natürlich über den 8,50 Euro von SPD und DGB liegt, aber sich zugleich auf breite und wachsende Zustimmung in Gewerkschaften und bei vielen Beschäftigten stützen kann und nicht eine, bei der uns die meisten für bekloppt erklären, weil sie sie (zurecht) für völlig unrealistisch und überzogen halten (ungeachtet dessen, dass sie sich abstrakt begründen ließe). Deshalb wäre es m.E. falsch jetzt plötzlich 12 Euro sofort oder gar 14 Euro oder ähnliches zu fordern und sinnvoll, anknüpfend an bisherige Positionierung mindestens 10 Euro sofort zu fordern und dann Erhöhung auf 12 Euro im Laufe der Wahlperiode. 2009 war die Forderung im Laufe der Wahlperiode, also bis jetzt, auf 10 Euro zu erhöhen. Das passt also zusammen und wäre ein großer Schritt in Richtung des 60% von Durchschnittslohn-Ziels.

Ich hoffe ich konnte die Differenz in der Herangehensweise deutlich machen. Meine Position ist m.E. keine Garantie für Erfolg, also sagen wir 8% oder sogar 10% oder mehr bei der Bundestagswahl, aber macht ihn möglich. Mit verschärftem Linksradikalismus und einer neuen diesmal von der AKL angetrieben Phase innerparteilicher Zerstrittenheit in die Bundestagswahl zu ziehen würde uns dagegen sogar in die Gefahr bringen können, an der 5%-Hürde zu scheitern, und das würde den Fortbestand der LINKEN existenziell gefährden.

Viele Grüße

Ralf Krämer

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Thomas Bohm (AKL Berlin) schrieb:

Inge Höger hat freundlich auf den in der Tat etwas einseitigen Brief von Ralf reagiert, der im Prinzip darauf abzielte uns als „Linksradikale“ und damit „fernab von Gut und Böse “ abzustempeln. Nehmen wir es hin, aber nicht übel.

Inge hat vermutlich bei der Formulierung des nachfolgendes Satzes im Kopf gehabt, man muss eigentlich die Zusammenarbeit zwischen AKL, SL usw. suchen, um dadurch die Kraft nicht nach Links von der Mitte zu verschwenden, sondern in Richtung demokratischen Ausweg öffnen einsetzen (ideologisch, mental, handlungsmäßig, forderungsmäßig)

„Nur wenn DIE LINKE nicht als Anhängsel von rot-grün wahrgenommen wird, besteht die Chance, „gesellschaftliche Kräfteverhältnisse zu beeinflussen und breite Bewegungen und Bündnisse für sozialen Fortschritt und Frieden zu fördern“.

Warum sollte nicht ein Parteiforum , offen für außerparlamentarische Kräfte der „nicht nach Links von der Mitte “ orientierenden Linken z. B. de SPD- und den Grünen Anhängern konkrete Angebote machen, oder über die Möglichkeiten an diese Basis heranzukommen diskutieren?

weil

„Die Erfolge von Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen, von Torsten Albig in Schleswig-Holstein und nun auch von Weil verdeutlichen, dass viele SPD-Anhänger ihre Hoffnung auf ein Umsteuern ihrer Partei noch nicht aufgegeben haben, auch wenn ihnen diese Kandidaten diesbezüglich nicht mehr als einen Strohhalm hingehalten haben“

Die Hoffnungen werden enttäuscht, wir können das sogar nachweisen. (Fiskalpakt, Rotstifte in den Ländern und Kommunen, Fortsetzung der Privatisierungen, Mietsteigerungen, Auswirkungen der Rezession, Abwälzung des Energieumbaus nur auf den Rücken des gemeinen Volkes). In allen diesen Konfliktfeldern gibt es aber auch außerparlamentarische Bewegungen, auffällig ist nur – es gibt nicht einmal ein „niedriges notwendiges Niveau an Verständigung zwischen diesen vielen realen Bewegungen „. Ich vermute mal, in diesem Bereich muss viel nachgedacht und gearbeitet werden.

Es besteht für mich die Notwendigkeit, jetzt wieder eine Phase der Verständigung von Linken zu fördern und zu fordern, die das zum Ziele haben,was Inge in Ihren Anhängselsatz so schön ausdrückt.

Sind die Differenzen, Bauchschmerzen und offenen Wunden zwischen den Strömungskräften in der Linken inzwischen nicht mehr über eine Phase der Verständigung in ein besseres Fahrwasser zu lenken?

Immerhin könnte ein konstantes Forum „nicht links von der Mitte“, sondern ????? eine gewisse Chance bieten,
die gewünschten Inhalte ins Zentrum zu rücken.

Gruß

Thomas

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—–Ursprüngliche Mitteilung—–
Von: Carsten Albrecht
An: Ralf Krämer
Verschickt: Mi, 23 Jan 2013 4:26 pm
Betreff: Politikwechsel…

Lieber Ralf,

vielen Dank für Deine Zuschrift zur AKL-Erklärung nach der Niedersachsen-Wahl. In einer Sache hast Du schon recht: Die Mehrheit unser WählerInnen wählt uns leider nicht, weil sie den Sozialismus will. Aber das Schlimme ist, dass unsere bisherigen Wahlkampagnen leider auf diese Unkenntnis bauen, sie zementieren und nichts tun, uns als Partei unseres Programms darzustellen. Der von Dir kritisierte Absatz ist vielleicht nicht ganz wasserdicht formuliert, hat aber zum Ziel, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern zu sagen: 3,1% sind zwar viel zu wenig, aber sie sind auch nicht nichts (im Gegensatz zu dem einen Prozent von „früher“, das Du erwähnst).

Des weiteren wirfst Du der AKL „Realitätsverlust“, politische „Selbstbefriedigung“ und „Selbstisolierung“ vor. Das sind starke Worte und ich fänd es gut, rhetorisch ein wenig abzurüsten, um weiterhin miteinander im Gespräch bleiben zu können. Niemand behauptet, dass ein Wahlkampf, der sich mehr von SPD und Grünen abgrenzt, unweigerlich mehr Stimmen bringt. Aber er wäre auf alle Fälle ehrlicher und würde zumindest nicht die eigenen Leute so demotivieren wie es die ständig wiederkehrenden Regierungsofferten der letzten Wochen getan haben und weiterhin tun. Jenseits aller konkreten politischen Entscheidungen, die rot-grün mitträgt (Rettungspakete, Kriegseinsätze) unbeirrt weiter von einem möglichen Politikwechsel im Bündnis mit diesen Parteien zu sprechen, das nenne ich Realitätsverlust. Das sieht ja inzwischen selbst Manfred Sohn so (http://www.antikapitalistische-linke.de/article/627.illusion.html).

Nur wenn DIE LINKE nicht als Anhängsel von rot-grün wahrgenommen wird, besteht die Chance, „gesellschaftliche Kräfteverhältnisse zu beeinflussen und breite Bewegungen und Bündnisse für sozialen Fortschritt und Frieden zu fördern“.

Im Sinne Deines anregenden Wahlalternative-Papieres von 2006 hoffe ich auf gute Zusammenarbeit.

Solidarische Grüße,

Carsten

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Von: Ralf Krämer

Gesendet: Dienstag, 22. Januar 2013 20:45

Betreff: Re: [Antikapitalistische Linke] Aufhören mit den ständigen Regierungsoffert…

Liebe GenossInnen,

In einer eMail vom 22.01.2013 15:58:22 Mitteleuropäische Zeit schreibt antikap@antikapitalistische-linke.de:

Dennoch gilt es festzuhalten, dass 112.000 Menschen in Niedersachsen für die Positionen des Erfurter Parteiprogramms, also für Vergesellschaftung der Großbetriebe, für sozialistische Demokratie, für das Stellen der Eigentumsfrage, für grundlegende Gesellschaftsveränderung gestimmt haben.

Glauben die das wirklich? Ich würde wetten, dass die allermeisten unserer WählerInnen nicht mal wissen, was wir im Erfurter Programm fordern. Das gilt ja selbst für viele Mitglieder. Komisch auch, dies zu behaupten und gleichzeitig, dass dass die Partei sich ja angeblich ganz anders, mit „Regierungsfetischismus“ dargestellt und damit viele, besonders wohl die besonders konsequenten Linken unter den Wahlberechtigten, verschreckt habe. Aber dennoch sollen es genau diese sein, die sie dann gewählt haben.

Das zeugt m.E. alles nur von Realitätsverlust und völligem Nichtbegreifen wahlkampfpolitisch gebotener Manöver. Davon dass Wahlergebnisse und überhaupt die Stärke einer Partei auch etwas mit dem Stand der gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, Bewusstseinslagen, Kämpfe usw. zu tun haben, keine Spur. Die Logik dahinter, Hauptsache maximal radikale Forderungen, dann wird die geringe WählerInnenzahl dadurch aufgewogen, dass die verbliebenen aber besonders hart sind, ist der sichere Weg in Richtung 1% oder drunter, so wie früher. DIE LINKE muss aber eine Partei sein, die sich auf breitere gesellschaftliche Kräfte stützen kann und wahlpolitisch mindestens 10% Potenzial hat, auch wenn die nicht alle für den sofortigen Übergang zum Sozialismus sind, der auch selbst dann überhaupt nicht anstünde. Es geht darum, gesellschaftliche Kräfteverhältnisse zu beeinflussen und breite Bewegungen und Bündnisse für sozialen Fortschritt und Frieden zu fördern und nicht sich politisch selbst zu befriedigen.

Es gibt für DIE LINKE durchaus zwei Wege in die Überflüssigkeit: den der Unterordnung unter prokapitalistische Kräfte, und den der linksradikalen Selbstisolierung al la AKL.

Viele Grüße

Ralf Krämer

http://www.antikapitalistische-linke.de/article/625.reg.html