Leeza: Kurden fordern Autonomie

Quelle: http://news.orf.at/stories/2162639/2162635/

Anfang Jänner hat sich der österreichische Politikwissenschaftler und Nahost-Experte Thomas Schmidinger in der syrischen Stadt Amuda, die in den kurdisch dominierten Gebieten nahe der türkischen Grenze liegt, aufgehalten. Unter den Kurden in Syrien fordere niemand die Unabhängigkeit, stellte Schmidinger klar.

Maximal sprächen sie sich für ein autonomes kurdisches Gebiet auf syrischem Boden nach irakischem Vorbild aus, so Schmidinger in einem Interview mit der APA. Die politisch völlig zersplitterte kurdische Bevölkerung, die rund zehn Prozent der syrischen Gesamtbevölkerung ausmacht, sei sich allerdings nicht darüber einig, in welcher Form sie sich Autonomie in naher Zukunft wünsche.

Einigkeit bestehe aber in den Forderungen nach mehr Rechten für Kurden in Syrien und nach Anerkennung von kulturellen und sprachlichen Rechten, schilderte Schmidinger. Vereinbarungen vom vergangenen Sommer zufolge sollten die kurdischen Parteien unter dem gemeinsamen Dach des Obersten Kurdischen Rates die derzeitige „De-facto-Autonomie“ der kurdischen Gebiete in Syrien verwalten.

„Massive Rivalitäten“

Das funktioniere aufgrund massiver innerkurdischer Rivalitäten nur zum Teil, so Schmidinger. Insbesondere stünden sich der oppositionelle Kurdische Nationalrat, der oppositionelle Syrische Nationalrat und die in den kurdischen Gebieten dominierende Partei der Demokratischen Union (PYD), die Schwesterpartei der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, als Kontrahenten gegenüber.

Schmidinger sprach vor einer Woche von einer „komplexen Sicherheitslage in den Kurdengebieten“ und verwies dabei auf die in Ras al-Ain andauernden Kämpfe zwischen der Freien Syrischen Armee (FSA) und den bewaffneten „Volksverteidigungseinheiten“ der PYD, die sich zwischenzeitlich verschärften.

Große Solidariät mit Flüchtlingen

Angaben kurdischer Parteien zufolge seien bis Anfang Jänner rund 500.000 Personen aus anderen Regionen Syriens in die kurdischen Gebiete geflohen, schilderte Schmidinger, der im Rahmen seines Aufenthaltes auch eines der von den Kurden selbstverwalteten Flüchtlingslager besuchte. „Die unglaublich arme Bevölkerung in der Region füttert die sogenannten IDPs (Internally Displaced Persons/Binnenflüchtlinge, Anm.) durch.“

Die Lebensmittel seien enorm teuer, Benzin mittlerweile nicht mehr zu bezahlen. Strom gebe es maximal eine Stunde pro Tag, und die Bevölkerung leide unter einer enormen Knappheit an Heizmöglichkeiten. Zum Teil heize man gar nicht – was angesichts eines ungewohnt strengen Winters fatale Folgen habe. „Die halbe Stadt hustet“, konstatierte Schmidinger, die medizinische Versorgung sei katastrophal bzw. nicht vorhanden.

Assad als Warlord

„Noch haben die Leute dort zu essen, in zwei bis drei Monaten könnte es allerdings eine Hungersnot geben“, warnte Schmidinger. Zur Frage eines Zukunftsszenarios für Syrien befürchtete Schmidinger, dass der Kriegszustand noch lange anhalten werde. Eine Vertiefung der innerkurdischen Rivalitäten, die Verschärfung des Konflikts zwischen der FSA und der PYD, eine Zunahme der „Konfessionalisierung“ und der Aktivitäten salafitischer bzw. dschihadistischer Gruppierungen seien durchaus möglich.

Er zeichnete ein düsteres Bild für die Zukunft Syriens: Vieles deute darauf hin, dass der syrische Präsident Baschar al-Assad weiterhin auf das Zerwürfnis der Gesellschaft setze, bis zuletzt an seiner Macht festhalten werde und eine „Wiederauflage eines Alawitenstaates“ anstrebe, in dem Assad als Warlord regiere.

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