Nochrichten.net &: WKR: Konflikte wie geplant / indy-linksunten: Gewaltdebatte (akin)

Der Umgang der Polizei mit den Demos gegen den Akademikerball war eher
durchwachsen

Die „Offensive gegen Rechts“ hatte zu einer Demonstration von der Uni
Wien zum Stephansplatz und zu Blockaden aufgerufen, das
„NoWKR“-Buendnis zu einer Demonstration vom Christian-Broda-Platz in
die Innenstadt, die nur bis zum Maria-Theresien-Platz „nichtuntersagt“
wurde, und letztendlich beim Ring endete. Die Plattform „Jetzt Zeichen
setzen“ veranstaltete eine Mahnwache und Lesung am Heldenplatz.
Verschiedene von der FPOe angemeldete Kundgebungen fanden nicht statt,
sondern dienten anscheinend nur zur Verhinderung der Anmeldung von
weiteren antifaschistischen Versammlungen.

Waehrend sich die Polizei waehrend den Demonstrationen und der
Kundgebung am Heldenplatz weitgehend friedlich verhielt, kam es zu
gewalttaetigen Einsaetzen gegen Demonstrierende bei zahlreichen
Blockaden. Es wurde nicht nur von Wegdraengen, Wegschleifen und
Wegtragen von BlockiererInnen berichtet, sondern auch von gezielten
Schlaegen auf einzelne DemonstrantInnen, die teilweise aus der Menge
hinter Absperrungen gezogen und dann mit Faustschlaegen beamtshandelt
wurden. Zahlreiche DemonstrantInnen wurden Identitaetsfeststellungen
unterzogen und mussten dazu oft lange Zeit in Polizeikesseln oder mit
gespreizten Beinen mit dem Kopf zur Wand stehend ausharren. Nach
Polizeiangaben wurden „im Bereich des 1. und 9. Bezirkes […]
hunderte Anhaltungen, Kontrollen und Identitaetsfeststellungen
gewaltbereiter Aktivisten vorgenommen.“ Einem Bericht zu Folge sollen
sogar drei Menschen nur deswegen laengere Zeit angehalten und
durchsucht worden sein, weil sie schwarz gekleidet waren. Auffaellig
war, dass die „robusteren“ Einsaetze der Polizei erst nach 21 Uhr
stattfanden nachdem der Grossteil der Gaeste des Balls in die Hofburg
geschleust worden waren. So kam es zu zwei Polizeikesseln am Graben
und auf der Freyung.

Interessant ist auch, dass einige Spitzenfunktionaere der FPOe gegen
21 Uhr nicht ueber die von der Polizei organisierten Route, sondern
ausgerechnet durch das aeussere Burgtor ueber den Heldenplatz zum Ball
gelangten — wo kurz vorher die Mahnwache beendet worden war.

Verletzte

Es seien zwei Ballgaeste und zwei Exekutivbeamte verletzt worden, so
die Polizei. Diese Verletzungen duerften nach Recherchen von
nochrichten.at durch von Ballgaesten gegen DemonstrantInnen gerichtete
Pfeffersprays herruehren.

Verletzt wurden auch mehrere DemonstrantInnen, die jedoch, soweit
bekannt, nach ambulanter Behandlung in Krankenhaeusern wieder
entlassen wurden. Zwei Personen wurden beim Parlament von
Rechtsextremen zusammengeschlagen und verletzt. Auch sie konnten noch
in der Nacht das Krankenhaus wieder verlassen. Ein Rechtsextremer soll
festgenommen worden sein.

Eine noch nicht naeher bekannte Anzahl von antifaschistischen
DemonstrantInnen wurde festgenommen. Alle der Rechtshilfe bekannten
Festgenommenen wurden binnen weniger Stunden wieder freigelassen. Der
ORF berichtete in der ZiB24 in Berufung auf Polizeiangaben von
insgesamt 20 Festnahmen. Laut anderen Quellen gab es 12
strafrechtliche Anzeigen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Die Rechtshilfe bittet alle Leute, die bei den Protesten gegen den
WKR-Ball festgenommen worden sind, und sich noch nicht bei ihr
gemeldet haben, dies per Mail nachzuholen. Ausserdem bittet sie alle,
die in Kontakt mit den Repressionsorganen gekommen sind oder
Uebergriffe/Festnahmen beobachten konnten, ein Gedaechtnisprotokoll zu
schreiben. Auch Menschen, die nicht festgenommen worden sind, aber
ebenfalls Post von den Behoerden bekommen, sollen sie sich umgehend an
die Rechtshilfe wenden.

Auch die Behinderung der Dokumentation war oftmals gegeben. Menschen,
die Film- und Photoaufnahmen machen wollten, wurden immer wieder
gezielt von der Polizei abgedraengt und teilweise auch geschlagen.
Einem unbestaetigten Bericht zu Folge soll einem Demonstranten das
Handy abgenommen worden sein, um die darauf befindlichen Photos zu
loeschen.

Gestoertes Ballvergnuegen

Waehrend noch zahlreiche BallgaestInnen am Versuch, die Hofburg zu
erreichen, scheiterten, wurde der Ball laut Polizei um 21.10 Uhr
eroeffnet. Mehrere Taxizentralen haetten Transporte in die Hofburg
abgelehnt, berichtete die Polizei. Ebenfalls nach Polizeiangaben haben
heuer lediglich 780 Personen den Ball besucht. Beim WKR-Ball 2012
sollen es noch ueber 3000 gewesen sein.

Wie sehr sich die FPOe getroffen fuehlte, zeigt deren Aktivitaet am
Morgen danach — die weit ueber die uebliche kalkulierte Empoerung
hinausging. Der Originaltext-Dienst der APA durfte sich sehr ueber
Einnahmen freuen: Zwischen 11 und 17 Uhr bemuehten die einzelnen
Teilorganisationen der FPOe sechsmal das OTS. Die vielsagenden Titeln
der Aussendungen: „Vilimsky: Massen-Import deutscher Krawall-Profis
hat Polizeifuehrung gestern voellig ueberfordert!“, „FPOe-Herbert:
Peinliche und dilettantische Leistungsschau der Wiener Polizeifuehrung
beim Akademikerball“, „FPOe-Vilimsky: Wann geht Verfassungsschutz
endlich gegen gewalttaetige Linksextremisten vor“, „FP-Jung:
Polizeieinsatzfuehrung hat versagt“, „FPOe-Moelzer:
Links-Anarcho-Krawalle mit Duldung von Polizei-Fuehrung und Stadt
Wien“ sowie „RFS: Wulz kommandierte linksextremen Mob“. HC Strache
indes postete seine Empoerung auf Facebook: „So wueteten die
friedlichen linken Gutmenschen in der Wiener Innenstadt!“ — mit einem
Photo, das zwei umgestuerzte Blumentoepfe zeigt.
(Nochrichten.net, Radio Orange, Rosa Antifa / akin)

Links:
Waehrend die meisten Massenmedien kaum einen Ueberblick ueber das
ueber die halbe Innenstadt verstreute Geschehen gewinnen konnten,
berichtete Radio Orange von 17 bis 24 Uhr mittels
Telefon-Liveberichten von DemonstrantInnen. Einen
dreiviertelstuendigen Zusammenschnitt davon gibt es unter:
http://cba.fro.at/105465
Rechtshilfe: http://rhwien.noblogs.org/

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WKR: Gewaltdebatte

Am 2.Februar, am Tag nach dem Ball, kam es im Netz zu einer
Gewaltdebatte. Wir bringen zwei exemplarische
Beitraege dazu:
*

> „Wir sind friedlich, was seid ihr?“

Die nowkr-Demonstrationen am Freitag waren weitgehend friedlich.
Einige Szenen sollten der Linken aber trotzdem zu denken geben.
Auf einmal steht ein Paerchen in Frack und Abendkleid mitten unter den
DemonstrantInnen vor der Albertina. Ein Aufschrei geht durch die
Menge, von allen Seiten laufen Menschen auf sie zu. Viele sind ganz in
Schwarz gekleidet, einige vermummt. Sie tragen Bierdosen,
Fahnenstangen, schreien: „Nazis raus! Nazis raus!“

Ein einzelner behelmter Polizist versucht die beiden schnell zu einer
100 Meter entfernten Polizeilinie zu fuehren. Sie kommen nicht durch,
drehen nach rechts ab, hetzen ueber den Platz zu einer anderen
Absperrung. DemonstrantInnen verfolgen sie schreiend, vereinzelt
fliegen Bierdosen. Der Frau ist ihre Angst deutlich anzusehen. Ein
Vermummter schnappt sich einen Schlauch neben einem Hydranten und
bespritzt die drei mit Wasser.

Als die Fluechtenden von den PolizistInnen hinter der Absperrung
gesehen werden, sprinten ein paar BeamtInnen auf sie zu, draengen die
DemonstrantInnen ab. Eine Glasflasche fliegt in hohen Bogen ueber die
Absperrung. Die Menge beginnt zu skandieren: „Wir sind friedlich, was
seid ihr? Wir sind friedlich, was seid ihr?“

Ueber 3.000 Menschen demonstrierten gestern gegen den Akademikerball
der FPOe in der Hofburg. Von den OrganisatorInnen wurde stets betont,
dass es ein friedlicher Protest werden sollte. Die meiste Zeit war er
das auch. Die meiste Zeit.

Denn Szenen, wie die am Albertinaplatz, haben mit friedlichem Protest,
mit friedlichen Blockaden nichts zu tun. Menschen schreiend und mit
erhobenen Fahnenstangen ueber einen Platz zu jagen, sie mit Dosen zu
bewerfen und eiskaltem Wasser zu bespritzen, ist ganz sicher nicht
friedlich. Und sowohl die OrganisatorInnen als auch jedeR einzelne
DemonstrantIn sollten in Zukunft alles dafuer tun, solche Szenen zu
vermeiden.

Gelingen wird das aber nur, wenn die Linke dieses Problem ehrlich und
oeffentlich diskutiert. Bis irgendwann allen klar ist, dass so ein
Verhalten nicht akzeptabel ist. Egal, wem man gegenuebersteht. Denn
auch wenn politische GegnerInnen diese Diskussion nutzen koennen (und
werden), um einen insgesamt friedlichen Protest schlechtzumachen, ist
sie notwendig, wenn man weiterhin die moralische Ueberlegenheit
gegenueber den menschenverachtenden rechten Ideologien bewahren will.

(Jakob Arnim-Ellissen auf uebermorgen.at)

Quelle: http://www.uebermorgen.at/wir-sind-friedlich-was-seid-ihr/

*

> Wer wird denn gleich spucken?

Die Aufregung ist gross nach einigen „Gewalttaten“ gestern Abend bei
den Blockaden gegen den WKR-Ball in Wien. Vor allem ein Video, in dem
zu sehen ist, wie ein aelteres Paerchen beim Versuch, zum Ball zu
kommen, bespuckt, beschimpft und mit Wasser besprueht wird sowie eine
Farbbeutelattacke auf den Moelzer. Manche aus der FPOe sehen darin
schon buergerkriegsaehnliche Zustaende. Einige groessere Zeitungen,
vor allem der Kurier und die Presse, nahmen den Ball auf, und sprechen
von Krawallnacht und (Fast-)Eskalation. Die Presse hatte ihre
Fotostrecke mit „Nazis werden kalt gemacht“ betitelt.

Es waren uebrigens die gleichen Zeitungen, die im Vorfeld durch
uebelste Spekulationen die Stimmung angeheizt haben. Aber auch
zumindest 2 linke Projekte (bawekoll, uebermorgen) haben sich
praktisch im Affekt von den Aktionen distanziert und fordern einen
Diskussionsprozess. Deswegen hier eine notwendige Entgegnung:

Egal, wie mensch zu den Vorfaellen am Albertinaplatz steht, wo beide
Geschichten passiert sind, es faellt auf, worueber gesprochen und
worueber geschwiegen wird. Nicht gesprochen wird z.B. ueber einen
Naziangriff um Mitternacht beim Parlament, bei dem 2 Menschen im
Krankenhaus genaeht werden mussten. Ueber Polizeigewalt, die im Laufe
der Nacht immer schlimmer wurde, wird kaum ein Wort verloren. Oder
ueber angepisste Taxler, die meinen, auch bei Blockaden nicht anhalten
zu muessen, und so Leute massiv gefaehrden, wird ebensowenig
gesprochen. Nach unseren bisherigen Informationen mussten gestern
Nacht zumindest 4 Leute ins Spital gebracht werden; Leute, die in der
„offiziellen Verletztenstatistik“ der Polizei und der Medien nicht
vorkommen. Diese Beispiele relativieren oder rechtfertigen die
Vorfaelle am Albertinaplatz keineswegs. Rechtfertigen koennen dies nur
die Menschen, die das gemacht haben. Doch von unserer Seite kann es zu
einer ernsthaften Gewaltdiskussion erst dann kommen, wenn auch diese
anderen Formen der Gewalt miteinbezogen werden. Bis dahin ist die
Diskussion im besten Fall verkuerzt und im schlimmsten Fall verlogen
und die Rechtfertigung fuer mehr (Staats-)Gewalt!

Andreas Moelzer ist selbst innerhalb der FPOe rechtsaussen und hat die
Funktion eines Chefideologen inne. Seine Zeitung „Zur Zeit“ bereitet
den Boden auf fuer Taten wie z.B. dem Brandanschlag auf ein
Fluechtlingsheim in Batschuns (hier gab es deutlich weniger Aufregung)
erst vor wenigen Tagen. Und nun wollen sich diese Gesellen als Opfer
darstellen. Bei diesem Spiel machen wir nicht mit!

Um nun auf die Proteste gegen den WKR-Ball zurueckzukommen. Die Leute,
die sich einen friedlichen Protest oder gar Ignorieren des Balles
wuenschen, dem sei die Geschichte des Balles ans Herz gelegt. Der Ball
konnte 55 Jahre ungestoert und unbeachtet stattfinden. Er war eines
der groessten Feste der Burschenschaften im deutschsprachigen Raum,
ein Vernetzungstreffen internationaler Rechtsextremisten mitten im
Zentrum Wíens, und kein Mensch hat sich daran gestoert. Erst durch die
Demos 2008 und 2009 wurde ein Erregungskanal geschaffen, durch den die
Rolle der Burschenschaften sowie von Nationalismus, Antisemitismus und
Sexismus thematisiert und skandalisiert wurden!

Abschliessen wollen wir mit einem Gedankenexperiment: Mensch stelle
sich vor, was passiert waere, wenn 2 erkennbare Antifaschist_innen in
eine Nazidemo von 300 Leuten geraten wuerde, darunter einige aus dem
schwarzen Block. Waere es auch bei Bierduschen, Spuckattacken und
Farbbeutel geblieben?

(„Terrorprofi aus der BRD“ auf indy-linksunten / gek.)

Volltext: https://linksunten.indymedia.org/de/node/77653